Titel:
Kostenentscheidung, Mietwagenkosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Abtretungsklausel, Abtretung von Ansprüchen, Elektronisches Dokument, Zug-um-Zug-Verurteilung, Verbringungskosten, Sachverständigenkosten, Bruttoreparaturkosten, Örtliche Zuständigkeit, Qualifizierte elektronische Signatur, Schadensregulierung, Schwacke-Liste, Fiktive Abrechnung, Unentgeltlichkeit, Gutachtenerstellung, Unfallgeschädigte, Indizwirkung
Schlagworte:
Zulässigkeit der Klage, Schadensersatzanspruch, Erforderlichkeit der Kosten, Mietwagenkosten, Verzugszinsen, Kostenentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63240
Tenor
I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 229,57 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.05.2020 Zug-um-Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche der Klägerin gegen die … auf Grund des zwischen diesen geschlossenen Werkstattauftrages vom 10.03.2020 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 229,57 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin macht weiteren Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 24.02.2020 im Bereich der Autobahnausfahrt … der BAB A92 geltend.
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Auf die Niederlegung des weiteren Tatbestandes wird gemäß § 313 Abs. 1 ZPO verzichtet.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage erweist sich mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsen, sowie der einschränkenden Verurteilung lediglich Zug-um-Zug gegen Abtretung von Ansprüchen gegen den Reparaturbetrieb als begründet.
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1. Die Klage ist zulässig. Aufgrund des mitgeteilten Unfallortes ist das Amtsgericht Freising gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Soweit die Beklagtenseite die örtliche Zuständigkeit allgemein rügt hat sie auf den konkreten Vortrag zum Unfallort nichts Substanzieiles vorgetragen, weshalb dem allgemeinen Bestreiten nicht nachzukommen war.
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2. Die Klägerin hat aufgrund des streitgegenständlichen Unfallereignisses gegen den Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. 7, 17 StVG, 115 VVG noch einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 229,57 €.
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Dieser Betrag setzt sich zusammen aus noch nicht ausgeglichenen Bruttoreparaturkosten für eine Bereitstellung des Fahrzeuges zur Begutachtung in Höhe von 86,28 €.
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Aufgrund des mit der Klageschrift vorgelegten, unterzeichneten Werkstattauftrages steht für das Gericht fest, dass die Klägerin das … damit beauftragt hat das unfallgeschädigte Fahrzeug dem beauftragten Gutachter bereit zu stellen. Wie sich aus der weiters vorgelegten Anlage zum später erstellten Gutachten ergibt, befand sich zum Zeitpunkt der Begutachtung das Fahrzeug in einem Werkstattraum auf einer Hebebühne. Das zur Verfügungstellen dieses Werkstattraumes nebst Hebebühne ist eine Leistung des … welche nicht unentgeltlich erbracht werden muss. Soweit hier ein Aufwand von 86,28 € brutto angesetzt wird begegnet dies keinen Bedenken. Hier ist zu berücksichtigen, dass für den Zeitraum der Begutachtung dieser Werkstattplatz dem Autohaus nicht zur Verfügung steht und die Hebebühne benutzt werden kann. Das Gericht hat auch keine Zweifel daran, dass dieser Werkstattauftrag tatsächlich von der Klägerin erteilt wurde. Ausweislich des Wortlautes hat die Klägerin somit vom … diese Leistung eingefordert, von dieser wurde die Leistung auch abgerechnet. Diese Kosten sind auch erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB zur Wiederherstellung des unfallbedingten Schadens. Es ist gerade Voraussetzung für die Schadensregulierung, dass die Geschädigte ihren Schaden beziffern kann, weshalb (unstreitig) sie berechtigt ist einen Sachverständigen mit der Begutachtung zu beauftragen. Dieses Gutachten ist objektiv richtig und vollumfänglich zu erstellen, weshalb bei einem Heckschaden wie vorliegend auch eine Begutachtung der Fahrzeugunterseite nicht ausgeschlossen ist.
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Soweit die Beklagtenseite hier vorträgt, wonach es sich beim Bereitstellen von Werkstattplätzen und oder Hebebühnen um Nebenkosten des Sachverständigen handelt, die mit dessen Grundhonorar abgegolten sind, folgt das Gericht dieser Rechtsauffassung nicht.
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Die Klägerin hat auch Anspruch auf Ausgleich weiterer Verbringungskosten in Höhe von 53,55 € brutto und reparaturbedingter Reinigungskosten in Höhe von 33,46 €. Auch diese Positionen ergeben sich unstreitig aus der der Klägerin aufgrund des erteilten Werkstattauftrages gestellten Rechnung.
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Soweit die Beklagtenseite die Erforderlichkeit bestreitet, ist darauf abzustellen, ob diese Kosten zur Wiederherstellung erforderlich sind oder nicht. Wie der BGH in ständiger Rechtsprechung (so auch in der von der Beklagtenseite zitierten Entscheidung BGH, NWJ-RR 2017, 501) ausführt, ist dieser erforderliche Wiederherstellungsaufwand vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen zu betrachten. Hinsichtlich dieser Verständigkeit ist darauf abzustellen, dass der gewöhnliche Unfallgeschädigte keinerlei Spezialkenntnisses hierüber hat, ob Herstellervorgaben bezüglich der Arbeitswerte bei der Lackierung die Reinigung beinhalten oder nicht. Weiter ist zu sehen, dass in der streitgegenständlichen Rechnung Verbringungskosten angesetzt sind, wie sie auch in dem von der Klägerin beauftragten Sachverständigenkosten ausgewiesen sind. Hierbei hat die Klägerin ausweislich des vorgelegten Gutachtens einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit der Gutachtenserstellung beauftragt. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, weshalb die Klägerin nicht darauf vertrauen dürfte, dass die im Gutachten ausgewiesenen Kosten, welche dann auch in Rechnung gestellt sind, nicht erforderlich seien.
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In diesem Zusammenhang verfängt auch der Vortrag der Beklagtenseite nicht, dass nicht nachgewiesen sei, dass der Bruttorechnungsbetrag seitens der Klägerin bereits reguliert wäre und deshalb auf Grundlage einer fiktiven Abrechnung zu entscheiden wäre. Tatsächlich ist dieser Nachweis nicht erfolgt, im Ergebnis ist dies aber auch nicht entscheidungserheblich. Die Klägerin hat einen Werkstattauftrag erteilt, wonach die Instandsetzung des Fahrzeuges nach den Vorgaben und Arbeitsanweisungen des Gutachtens zu erfolgen habe. Dies ist so erfolgt. Wie bereits oben ausgeführt sind diese Vorgaben von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorgegeben worden. Alleine aufgrund dieses Umstandes hat die Klägerin einen Anspruch auf Ausgleich der Bruttoreparaturkosten, da § 249 Abs. 2 S. 2 BGB lediglich darauf abstellt, dass die Umsatzsteuer auch dann auszugleichen ist, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Dies ist aufgrund der durchgeführten Reparatur und Rechnungsstellung der Fall. Auf eine Zahlung kommt es nicht an.
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Hier verfängt auch die Argumentation der Beklagtenseite nicht, dass eine Indizwirkung für die Erforderlichkeit nach § 249 Abs. 2 BGB nur gegeben wäre, wenn tatsächlich eine Zahlung erfolgt sei. Diese Auffassung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Rahmen geltend gemachter Sachverständigenkosten entwickelt. Dies ist jedoch hier nicht vergleichbar. Regelmäßig hat der Geschädigte bei der Beauftragung des Sachverständigen keine Anhaltspunkte hinsichtlich der anfallenden Höhe, weshalb der BGH in seiner Rechtsprechung eine Indizwirkung dann annimmt, wenn der Geschädigte bereit ist, den in Rechnung gestellten Betrag tatsächlich zu begleichen. Anders verhält es sich hier, weil hier die Rechnungsstellung aufgrund der Vorgabe eines zunächst erstellten Gutachtens erfolgt ist. Soweit die Beklagtenseite meint, dass sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes, (BGH vom 21.06.2016, VI ZR 475/15; NJW-RR 2017, 501) anderes ergibt und hierzu im Schriftsatz vom 09.07.2020 zitiert wird, muss dieses Zitat im Gesamtzusammenhang der Entscheidung gesehen werden. Aus dieser ergibt sich unproblematisch, dass der BGH in dem Zitat eine mögliche Folge einer von ihm nicht vertretenen Rechtsauffassung darlegt. Wie sich aus Randnummer 17 der zitierten Entscheidung ergibt, führt der BGH explizit aus: „Diese Folgen der Abtretungsklausel weichen von den Erwartungen des durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Geschädigten deutlich ab. […] Diese Erwartungen wird nicht nur nicht erfüllt, sondern die rechtliche Position und wirtschaftliche Situation des Geschädigten zugunsten der Interessen des Sachverständigen geschwächt.“
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Zuletzt besteht auch noch ein Anspruch auf weitere Mietwagenkosten in Höhe von 56,29 €. Das Gericht hat bereits darauf hingewiesen, dass es die erforderlichen Mietwagenkosten gemäß § 249 Abs. 2 BGB regelmäßig anhand des Automietpreisspiegels/Schwacke-Liste gemäß § 287 ZPO schätzt. Die Klagepartei hat hier eine Schwacke-Liste aus dem Jahr 2011 vorgelegt, dem Gericht ist ein Zugriff auf zuletzt die Schwacke-Liste 2016 möglich. Bereits aus der Schwacke-Liste 2016 ergibt sich für das Anmietgebiet 836 in der Mietwagenklasse 3 ein Modus für die Dreitagespauschale von 280 €, sowie ein solcher für die Tagespauschale von 98 €, mithin für eine Anmietdauer von fünf Tagen ein Betrag von 476 € brutto. Hierbei ist die Preissteigerung der letzten vier Jahre nicht berücksichtigt, sodass es dahin stehen kann, ob vorliegend ein Abzug in Höhe von 15 Prozent für Eigenaufwendungen anzusetzen ist, da im Rahmen der Schätzung das Gericht jedenfalls davon ausgeht, dass der insgesamt in Rechnung gestellte Betrag von 462,87 € erforderlich ist.
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Ein Anspruch auf Verzugszinsen besteht gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 BGB ab Zustellung der Klage am 13.05.2020. Ein vorheriger Verzugseintritt ist nicht ausreichend dargelegt. Insbesondere würde ein erstmaliges Aufforderungsschreiben unter Fristsetzung keinen Verzug auslösen.
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Wie mittlerweile in der Rechtsprechung anerkannt, hat der Schädiger als Folge seiner Zahlungspflicht auf tatsächlich entstandene Reparaturkosten einen Anspruch auf Abtretung etwaiger Ansprüche gegen den Reparaturbetrieb für nicht erforderliche oder überhöht abgerechnete Tätigkeiten. Dass dies nur für die hier streitgegenständlichen Teiltätigkeiten gelten soll erschließt sich dem Gericht nicht, weshalb eine Verurteilung Zug-um-Zug gegen Abtretung aller etwaiger Ansprüche aufgrund des zwischen der geschädigten Klägerin und dem Reparaturbetrieb geschlossenen Vertrages erfolgen muss.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Eine Berücksichtigung der Zug-um-Zug Verurteilung im Rahmen der Kostenentscheidung zugunsten der Beklagtenpartei erfolgt nicht. Es ist auch zu sehen, dass eine solche Berücksichtigung wertmäßig gering wäre und nicht zu einem Kostensprung führen würde, weshalb die Kostenentscheidung alternativ auch auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gestützt werden könnte.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus dem §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.