Titel:
Eigene Beweiswürdigung, Gegenerklärung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kosten des Berufungsverfahrens, Erstinstanzliche Feststellungen, Gegenvorstellung, Vergütungsvereinbarung, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Stundungsabrede, Klageerwiderung, Streitwert, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Werklohn, Stundenzettel, Substantiierung, Umstände der Vertragsanbahnung, Fliesenarbeiten, Überzeugungsbildung, Erstgericht
Schlagworte:
Werkvertrag, Stundenabrechnung, Beweiswürdigung, Mängelrügen, Wirtschaftlichkeit, Berufung, Kostenentscheidung
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 22.04.2020 – 28 U 345/20 Bau
LG München I, Endurteil vom 13.12.2019 – 10 HK O 12809/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 01.06.2022 – VII ZR 93/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63191
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.12.2019, Aktenzeichen 10 HK O 12809/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.652,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Das Landgericht verurteilte den Beklagten u. a. zur Zahlung von etwa 36.000 Euro Werklohn für Fliesenarbeiten.
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Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 13.12.2019 Bezug genommen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Parteien einen Pauschalpreis vereinbart hätten, jedenfalls aber habe die Klägerin den Nachweis einer Stundenabrede nicht geführt und es bestünden zahlreiche Mängel an der Werkleistung.
4
Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
Das Urteil des Landgerichts München I Az. 10 HK O 12809/18 vom 13.12.2019 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
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Die Klägerin stellt im Berufungsverfahren keinen konkreten Antrag.
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Der Senat hat mit Verfügung vom 22.4.2020 einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilt. Auf den Hinweis und die hierzu eingegangene Gegenerklärung der Beklagten vom 25.5.2020 wird Bezug genommen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.12.2019, Aktenzeichen 10 HK O 12809/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die Ausführungen in der hierzu eingegangenen Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagtenpartei Anspruch auf Zahlung des Werklohns für die Fliesenarbeiten gem. § 631 Abs. 1 BGB.
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Sowohl die Berufungsbegründung als auch die Gegenerklärung greifen überwiegend die gerichtliche Beweiswürdigung an, wobei der Beklagte anstatt Fehler der gerichtlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen, allein auf die eigene Beweiswürdigung abstellt.
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1. Der Beklagte rügt zunächst, dass die Klägerin keinen Nachweis für eine Vergütungsvereinbarung auf Stundenbasis erbracht habe.
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Der Senat hat im Hinweis deutlich gemacht, dass die Berufungsrügen keine Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und dass die erstinstanzlichen Feststellungen zur Überzeugung des Senats ergeben, dass eine Abrechnung auf Stundenbasis vereinbart wurde.
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Soweit in der Gegenerklärung erneut die Beweiswürdigung in Zweifel gezogen wird, folgt der Senat dem nicht und schließt sich vollumfänglich der erstinstanzlichen Beweiswürdigung an. Das Erstgericht hat seine Überzeugungsbildung in erster Linie auf die Angaben des Zeugen K. gestützt und auch der Senat ist der Überzeugung, dass die Angaben des Zeugen zutreffend sind.
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a. So schildert der Zeuge K. nachvollziehbar, die Umstände der Vertragsanbahnung, die unterschiedlichen Vorstellungen der Vertragsparteien in Richtung der Vergütung und insoweit auch, dass bei den Preisverhandlungen Übernachtungsgelegenheiten für die Bauarbeiter thematisiert worden seien.
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Das Erstgericht hat bei der Würdigung der Zeugenaussage auch die weiteren schriftlichen Unterlagen berücksichtigt und hierbei nachvollziehbar herausgearbeitet, dass die Angaben mit der versandten Mail (u.a. Anlage K 1) und dem Vertragsentwurf ein stimmiges Gesamtbild ergeben. Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen an und auch die spätere tatsächliche Vertragsabwicklung – immerhin hat sich die Klägerin von Anfang an die insgesamt 1076 geleisteten Stunden bestätigen lassen – stützt die gerichtliche Einschätzung. Das Erstgericht hat sich dann kritisch mit den Angaben der Gegenzeugen und der Aussage des Inhabers der Beklagten befasst.
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Mit dem Erstgericht ist der Senat der Überzeugung (§ 287 ZPO), dass der Beklagte zwar einen Einheitspreis favorisiert hatte, die Klägerin sich hierauf aber nicht eingelassen und der Beklagte schließlich der Abrechnung auf Stundenbasis zugestimmt hat.
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b. Soweit der Beklagte in der Gegenerklärung betont, die Aussage des Zeugen K., man hätte eine Stundenabrechnung „ausgemacht“, stelle eine Rechtsbehauptung dar, folgt der Senat dem nicht.
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Der Beklagte zitiert in der Gegenerklärung bereits sinnverändernd nur einen Teil der Äußerung und berücksichtigt nicht den Gesamtzusammenhang. Auch verkennt er, dass es ihm im Rahmen der Berufung obliegt, Fehler der Beweiswürdigung aufzuzeigen. Solche Fehler ergeben sich hingegen nicht daraus, dass die eigene Beweiswürdigung von der gerichtlichen abweicht. Das Erstgericht hat sich konkret damit befasst, was das zu erwartende Erinnerungsvermögen eines Zeugen ein Jahr nach Durchführung entsprechender Telefongespräche ist und hierbei dargelegt, dass es unglaubhaft wäre, würde sich ein Zeuge an den Wortlaut der Gespräche erinnern. Das liegt auf der Hand und hierauf geht der Beklagte nicht einmal ein. Auch verkennt der Beklagte, dass der Zeuge, was eigene Erinnerungen angeht, nicht nur Wahrnehmungen speichert, sondern mit zunehmendem Zeitablauf auch Ergebnisse als Zusammenfassung. Die Ausführungen der Gegenerklärung sind insoweit unverständlich, wenn nun solche Zusammenfassungen mit Rechtsbehauptungen gleichgestellt werden.
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Für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ist entscheidend, dass ein Zeuge sich ausreichend an Geschehnisse und Entwicklungen erinnern kann, die die Zusammenfassung als Schlussfolgerungen belegen und tragen. Vorliegend konnte der Zeuge genaue Angaben zur Vertragsanbahnung machen, sich erinnern, dass der Beklagte zunächst eine Abrechnung auf Einheitspreise gewünscht hatte, unterschiedliche Einheitspreise im Raum standen und die Klägerin zur Übernahme der Arbeiten nur auf Stundenbasis bereit war, womit sich der Beklagte letztlich dann einverstanden erklärt habe. Der Zeuge hat damit glaubhaft das Ergebnis der Vertragsverhandlungen wiedergegeben.
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2. Die Rüge der Gegenerklärung unter Ziff. 2 ist letztlich kein selbständiger Angriff und es bleibt unklar, was die Beklagte hiermit geltend macht.
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Es entspricht dem Wesen von „verhandeln“, das unterschiedliche Verhandlungspositionen eingenommen werden; hieraus lässt sich kein Rückschluss darauf ziehen, dass es nicht zu einer Einigung kam. Die telefonische Zustimmung des Beklagten zur Abrechnung auf Stundenbasis ergibt sich aus den bestätigten glaubhaften Angaben der Zeugen, insbesondere des Zeugen K. samt den die Aussage stützenden Unterlagen und insoweit nimmt der Senat Bezug auf die obigen Ausführungen unter Ziff. 1.
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3. Soweit die Beklagte rügt, dass kein konkreter Nachweis der erbrachten Stunden geführt worden sei, nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweis. Der Nachweis der erbrachten Stunden ergibt sich aus der umfangreichen Beweiswürdigung der vernommenen Zeugen und das Erstgericht hat nachvollziehbar begründet, dass der Zeuge Y. mit Zustimmung des Bauleiters zur Kontrolle der Stundenarbeiten eingesetzt worden war und die Stundenzettel nicht nur gezeichnet, sondern auch fotografiert hat. Trotz der über vierseitigen Beweiswürdigung erster Instanz setzt erneut der Beklagte – ohne sich die Mühe zu machen, die gerichtliche Beweiswürdigung zu entkräften – die eigene Beweiswürdigung als maßgeblich an.
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Der Senat folgt dem Beklagten auch insoweit nicht. So gab der Zeuge K. – und diesen bestätigend der Zeuge B. – an, dass der Klägerin bei der Baustelleneinführung die verantwortlichen Ansprechpartner genannt wurden und dass dies u. a. der Zeuge Y. gewesen sei. Erneut hat das Erstgericht sich nicht auf die Würdigung der vernommenen Zeugen beschränkt, sondern die eigene Überzeugung durch weitere, stimmige Plausibilitätserwägungen begründet und der Senat schließt sich dem aufgrund eigener Überzeugung an (§ 287 ZPO). So wurden insgesamt 1076 Arbeitsstunden – also eine gravierende Anzahl – gegengezeichnet; es ist bereits nicht nachvollziehbar, dass hier anlasslose Bestätigungen von immer derselben Person vorgenommen worden sein sollen. Weiter ergibt sich aus dem Umstand, dass tatsächlich Änderungen vermerkt wurden, dass der Zeuge Y. tatsächlich eine kontrollierende Tätigkeit wahrgenommen hat. Nachdem die Stundenzettel auch fotografiert wurden, zeigt sich, dass Dokumentationsmaßnahmen erfolgten.
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Nachdem somit feststeht (s.o.), dass ein Werkvertrag auf Stundenbasis geschlossen wurde, die Klägerin also ein konkretes Bedürfnis an entsprechenden Bestätigungen hatte, ist allein die Version der Klägerin stimmig und nachvollziehbar und der Senat ist überzeugt, dass der Beklagte den Zeugen Y. auf der Baustelle als Ansprechpartner, Koordinator und Verantwortlichen zur Zeichnung der Stundenzettel eingesetzt und damit bevollmächtigt hatte. All das wird von der Berufung nicht ausreichend thematisiert, noch in Ansätzen entkräftet, vielmehr werden allein plakativ die Gegenzeugen angeführt.
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4. Auch die Ausführungen der Gegenvorstellung unter Ziff. 4 zur Frage, ob substantiiert Mängel eingewandt wurden, versäumen es, sich mit dem Senatshinweis auseinanderzusetzen.
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Das Vorbringen erschöpft sich in reinen Wiederholungen. Der Senat hat deutlich gemacht, dass gegenüber der Klägerin zu keinem Zeitpunkt Mängelrügen erhoben wurden und dass allein die in einer Anlage vorgelegte Mängelliste aus einem anderen Schuldverhältnis – Hauptunternehmer / Beklagte – bereits wegen der überwiegenden Erledigungsvermerke für einen substantiierten Vortrag nicht ausreicht. Der Beklagte geht hierauf nicht ein und verweist auf allgemeine Rechtssätze des BGH zum Umfang der Substantiierung. Das rechtfertigt keine Änderung der Haltung des Senats und es ist nach wie vor völlig unklar, wie sich Mängel „erledigen“ können, ohne dass die Klägerin jemals zur Nachbesserung aufgefordert wurde. Der Beklagte berücksichtigt nicht den konkret zu beurteilende Lebenssachverhalt.
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5. Gleiches gilt für die in der Gegenvorstellung wiederholende Einwendung fehlender Wirtschaftlichkeit.
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Der Senat hat auch hier deutlich gemacht, dass die Rüge unsubstantiiert ist und der Beklagte verweist allein auf S. 14 ff. der Klageerwiderung. Das ist schlicht nicht nachvollziehbar, da der Beklagte an dieser Stelle eine „Gegenkalkulation“ erstellt hat; diese „Gegenkalkulation“ basiert allein auf den fiktiven Einheitspreisen – die der Beklagte der Stundenabrede entgegengehalten hatte –, auf die sich die Parteien aber gerade nicht verständigt hatten. Sodann wird anhand dieser unzutreffenden Pauschale ein fiktiver Werklohn ermittelt. Eine angeblich „fehlende Wirtschaftlichkeit“ war nicht einmal Thema der Klageerwiderung und der Senat kann die Gegenvorstellung insgesamt in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehen.
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Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
31
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO bestimmt.