Titel:
Nichtabnahmeentschädigung, Bauträgervertrag, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Verzugsschaden, Leistungsverweigerungsrecht gemäß, Bereitstellungszinsen, Eintragungsbewilligung, Zinsschaden, Nach vollständiger Fertigstellung, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Zug-um-Zug, Beweisaufnahme, Streitwert, Kosten des Berufungsverfahrens, Kaufpreisraten, Eintragung im Grundbuch, Privatgutachten, Klageabweisung, Restkaufpreis
Schlagworte:
Auflassung, Eintragungsbewilligung, Bauträgervertrag, verspätete Fertigstellung, Leistungsverweigerungsrecht, Treu und Glauben, Bereitstellungszinsen
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 13.08.2020 – 27 U 2211/20 Bau
LG Augsburg, Endurteil vom 11.03.2020 – 064 O 2776/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 63189
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 11.03.2020, Az.: 064 O 2776/19, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieser Beschluss sowie das unter Ziffer I. genannte Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 33.817,93 € festgesetzt.
Gründe
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Die Kläger verlangen von der Beklagten die Erklärung der Auflassung und Eintragungsbewilligung ins Grundbuch.
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Mit Bauträgervertrag vom 18.11.2015 erwarben die Kläger von der Beklagten ein Reihenhaus nebst Grundstück und Stellplätzen zum Kaufpreis von 418.762,00 €. Eine verspätete Fertigstellung des Objekts liegt seitens der Beklagten vor. Der Kaufpreis ist bis auf einen Betrag in Höhe von 33.817,93 € bezahlt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Augsburg vom 11.03.2020 Bezug genommen.
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Das Landgericht Augsburg hat mit Endurteil vom 11.03.2020 die Beklagte verurteilt, gegenüber der Klägerin die Auflassung zu erklären und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen.
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Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
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Den Klägern stehe ein entsprechender Anspruch aus §§ 433 Abs. 1 S. 1, 873, 925 BGB i.V.m. dem notariellen Bauträgervertrag zu. Dieser Anspruch sei auch fällig. Zwar seien vom Kaufpreis noch rund 8% offen. Der Beklagten stehe jedoch insoweit kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Nach Würdigung aller Umstände sei die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts gemäß § 320 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben ausgeschlossen:
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Im Rahmen dieser Einzelfallabwägung sei die verhältnismäßige Geringfügigkeit des rückständigen Teils der Leistung ein zu würdigendes Kriterium. Angesichts des klägerseits vorgelegten Privatgutachtens sei auch das Vorhandensein von ihr gerügter Mängel nicht von vornherein ausgeschlossen. Zudem stünden den Klägern aufgrund der schuldhaft verspäteten Fertigstellung des streitgegenständlichen Objekts durch die Beklagte dem Grunde nach Bereitstellungszinsen und eine Nichtabnahmeentschädigung als Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Deren Höhe sei durch die Kläger auch hinreichend dargelegt worden.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die beantragt,
unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des LG Augsburg zum Az. 064 O 2776/19 die Klage abzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen, alternativ/hilfsweise die Verurteilung Zug-um-Zug gegen Zahlung des Restkaufpreises i.H.v. 33.817,93 EUR zu tenorieren (Bl. 98 d.A.).
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Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Beklagte aus, dass das Landgericht § 320 BGB falsch angewendet habe. Schon der ausstehende Restkaufpreis sei nicht richtig ermittelt worden. Gleiches gelte für den vermeintlichen Zinsschaden der Klägerseite und die klägerseits vorgetragenen Mängel des Werkes. Hier hätte es einer ausführlichen Beweisaufnahme bedurft.
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Wegen des weiteren Berufungsvortrages wird auf die Berufungsbegründung vom 08.06.2020 (Bl. 98 ff. d.A.) sowie die (ebenfalls auf den 08.06.2020 datierte, vgl. Bl. 127 ff. d.A.) Stellungnahme auf den ergangenen Senatshinweis Bezug genommen.
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Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen (Bl. 111 d.A.).
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Sie verteidigen das Ersturteil. Rechtsfehler des Erstgerichts seien nicht erkennbar. Eine Beweiserhebung zur ausstehenden Restkaufpreishöhe sei schon deshalb entbehrlich gewesen, da hier unstreitiger Parteivortrag vorliege. Zu den bestehenden Mängeln sei ausreichend unter Vorlage eines privaten Sachverständigengutachtens vorgetragen worden. Auch der Zinsschaden/die Nichtabnahmeentschädigung sei unter Vorlage von Unterlagen dargelegt worden. Die bei § 320 BGB vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Parteiinteressen habe das Erstgericht sorgsam und einzelfallbezogen vorgenommen. Die Beklagte habe die Möglichkeit gehabt, ihren vermeintlichen Restkaufpreisanspruch mittels Widerklage geltend zu machen. Eine rechtzeitige Widerklageerhebung sei jedoch versäumt worden.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Klägerseite wird auf die Berufungserwiderung vom 30.07.2020 (Bl. 111 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 13.08.2020 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO (Bl. 115ff d.A.) Bezug genommen wird.
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Die Stellungnahme der Beklagten datierend vom 8.06.2020, eingegangen am 30.09.2020 (Bl. 127ff d.A.), weist keine weiteren entscheidungserheblichen, nicht bereits im Senatshinweis berücksichtigten Gesichtspunkte auf.
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Hierzu ist noch wie folgt Stellung zu nehmen:
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1. Soweit die Berufungsführerin auf S. 1f ihrer Stellungnahme (Bl. 127f d. A.) von der „Risikoverteilung im Zivilrecht“ spricht und hierzu vorträgt, dass das Leistungs- und Insolvenzrisiko grundsätzlich der Erwerber trage, geht dies in doppelter Hinsicht ins Leere:
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Zum einen geht die gesetzgeberische Grundkonzeption genau vom Gegenteil aus. Gemäß § 641 Abs. 1 BGB steht dem Unternehmer eine Vergütung erst nach vollständiger Fertigstellung und Abnahme des Objekts zu. „Vorleistungspflichtig“ ist damit der Unternehmer. Dasselbe würde bei kaufrechtlicher Qualifikation des Bauträgervertrages gemäß § 320 BGB gelten, weil der Käufer nur Zug-um-Zug gegen Verschaffung von Besitz und Eigentum am Objekt zur Zahlung verpflichtet ist.
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Zum anderen verkennt die Berufung dass – unbeschadet eines etwaigen Leistungs- und Insolvenzrisikos – die streitentscheidende Norm des § 320 BGB anwendbar bleibt.
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2. Soweit der Berufungsführer auf S. 2 seiner Stellungnahme (Bl. 128 d.A.) meint, dass § 3 MaBV es gebietet, die Kaufpreisraten wie dort aufgelistet zusammenzusetzen, geht auch dies ins Leere:
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Wie sich aus dem Verordnungstext und dem Regelungszusammenhang ergibt, handelt es sich bei den in § 3 Abs. 2 S. 2 MaBV genannten Beträgen um Höchstbeträge, die nicht überschritten werden dürfen, aber sehr wohl unterschritten werden können (vgl. hierzu Marcks, Makler- und Bauträgerverordnung, 10. Auflage 2019, § 3 MaBV Rn. 24). Ein gesetzliches Gebot, die Kaufpreisraten in der in § 3 Abs. 2 S. 2 MaBV genannten Höhe festzusetzen, besteht gerade nicht. Auch im Bauträgervertrag vom 18.11.2015 (Anlage K 1) wurde unter II § 3 Nr. 3 „Abschlagszahlungen“ die letzte Kaufpreisrate auf 3,5% des Kaufpreises nach vollständiger Fertigstellung vereinbart. Feste „Geringfügigkeitsgrenzen“ lassen sich aus der MaBV nicht ableiten.
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3. Auf Seite 2ff ihrer Stellungnahme erklärt die Beklagte erneut, dass ein Restkaufpreis von 8% nicht geringfügig sei und verweist hierbei auf das Urteil des OLG München vom 15.11.2011, Az. 13 U 15/11. Auch insoweit wird verkannt, dass es – wie auf S. 5f des Senatshinweises vom 13.08.2020 bereits vorgetragen – eine feste Grenzwertfestschreibung nicht gibt.
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Wie bereits im Senatshinweis ausgeführt, ist im Rahmen des § 320 Abs. 2 BGB vielmehr in jedem Einzelfall eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, wobei der betragsmäßig rückständige Teil der Leistung nur ein – wenngleich wesentliches – zu würdigendes Kriterium ist.
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4. Soweit die Beklagte erneut moniert, das Erstgericht habe rechtsfehlerhaft und voreingenommen die Richtigkeit des Klägervortrags zu erheblichen Mängeln unterstellt, wird auf die hierzu erfolgten Ausführungen des Senatshinweises vom 13.08.2020 (dort S. 6) Bezug genommen.
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Dem Gericht kommt im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ein Ermessenspielraum zu. Eine umfassende Beweisaufnahme zur exakten Ermittlung der genauen Höhe der Gegenansprüche der Kläger ist hierbei nicht erforderlich. Auf S. 6 des Ersturteils und S. 6 des Senatshinweises wird Bezug genommen.
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5. Soweit die Beklagte erneut moniert, dass die klägerischen Zinsberechnungen nicht nachvollziehbar seien, wird auf Ziffer 2 des Senatshinweises vom 13.08.2020 verwiesen.
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Wie das Erstgericht auf S. 6f seines Urteils zutreffend ausgeführt hat, gelangte es zur Überzeugung, dass den Klägern aufgrund der – unstreitig – verspäteten Fertigstellung des streitgegenständlichen Objektes dem Grunde nach Bereitstellungszinsen und eine Nichtabnahmeentschädigung als Verzugsschaden zustehen, die jedenfalls teilweise zu einer weiteren Reduzierung der offenen Kaufpreisforderung im Wege der Aufrechnung führen.
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6. Soweit die Beklagte meint, dass die klägerseits mit ihrer Bank getroffenen Darlehensvereinbarungen keine unmittelbare Verbindung zum Kaufvertrag hätten, Vertragsgestaltungen der Kläger mit ihrer Bank nicht zu Lasten der Beklagten gingen und ein „Motivirrtum“ unbeachtlich sei, ist Folgendes festzuhalten:
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Die Kläger haben die Darlehensverträge zur Finanzierung ihres Hauskaufs abgeschlossen. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, befanden sich die Beklagten aufgrund der schuldhaft verspäteten Fertigstellung des Objekts in Verzug, so dass den Klägern gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dem Grunde nach Bereitstellungszinsen und die Nichtabnahmeentschädigung als Verzugsschaden zustand.
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Soweit die Beklagte erneut eine Schadensminimierungspflicht der Kläger durch Inanspruchnahme des Darlehens moniert, wird auf Ziffer 5 des Senatshinweises verwiesen.
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Nach alledem, erweist sich das Ersturteil in vollem Umfang als zutreffend und die Berufung der Beklagten war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.