Titel:
Berichtigung eines Geburtenregistereintrags
Normenketten:
EGBGB Art. 10 Abs. 1, Art. 47
PStG § 47, § 48
Leitsätze:
1. Führt eine Person außer einem Vornamen nur einen Vatersnamen und keinen Familiennamen, so kann man den Vatersnamen nicht den Vornamen gleichstellen; denn dann hätte die betroffene Person keinen Familiennamen mehr. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Vatersname ist dem Familiennamen ähnlich, denn er verdeutlicht in „familiennamenstypischer Funktion“ den generationsübergreifenden Familienzusammenhang. Vatersnamen sind daher, soweit sie funktionsäquivalent zum Familiennamen sind und ein solcher fehlt, grundsätzlich in Familiennamen zu transponieren. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar können nach deutschem Namensrecht grundsätzlich nicht mehrere Eigennamen zum Familiennamen bestimmt werden, gleichwohl ist ein mehrgliedrigen Familiennamen ausnahmsweise zulässig. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Namensrecht, mehrgliedriger Name, Vatersname, Eritrea, Familienname, Registereintrag
Vorinstanz:
AG Regensburg, Beschluss vom 26.10.2018 – UR III 21/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 – XII ZB 155/20
Fundstellen:
StAZ 2025, 19
FamRZ 2024, 1473
LSK 2020, 62982
BeckRS 2020, 62982
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Standesamtsaufsicht, der Beteiligten zu 4), wird der Beschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 26.10.2018, Az. UR III 21/18, insoweit abgeändert, als die Namen der Beteiligten zu 1) bis 3) wie folgt in das Register einzutragen sind:
II. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.
III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Die Beteiligte zu 3) wurde am ... 2017 in Re... als Tochter der eritreischen Staatsangehörigen T. N. A. (Beteiligter zu 1) und T. T. (Beteiligte zu 2)) geboren. Der Beteiligte zu 5) trug sie am 23. Februar 2017 mit dem Vornamen H. und dem Geburtsnamen „T.“ in das Geburtenregister, Registernummer …, ein. Bei dem Geburtsnamen der Beteiligten zu 3) sowie dem Familiennamen ihrer Mutter „T.“ und ihres Vaters „N. A.“ wurde jeweils vermerkt „Namensführung bzw. Identität nicht nachgewiesen“ (§ 35 PStV). Als Vorname der Mutter wurde „T.“, als Vorname des Vaters „T.“ eingetragen. Zusätzlich wurden Hinweise zu Ort und Tag der Geburt bei der Mutter, namentlich „E., Eritrea, 22.01.1988“ und beim Vater „E., Eritrea, 03.09.1982“ vermerkt.
2
Die Eintragungen entsprachen mit Ausnahme eines Tippfehlers bei dem Geburtsort der Mutter der von den Eltern unterzeichneten Geburtsanzeige vom 27.01.2017. Diese hatten dort zusätzlich angegeben, am ... 2009 in E. geheiratet zu haben und ein weiteres eheliches, am ... 2011 in M./Äthiopien geborenes, Kind zu haben. Am 23. Februar 2017 erkannte der Vater mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft zu Protokoll der Beteiligten zu 5) an. Am 13. März 2017 gaben die Eltern vor dem Landratsamt – Amt für Jugend und Familie – Str.-B. eine Erklärung zum gemeinsamen Sorgerecht ab.
3
Der Beteiligte zu 1) erkannte am 23. Februar 2017 vor dem Beteiligten zu 5) die Vaterschaft für die Beteiligte zu 3) an. Die elterliche Sorge für die Beteiligte zu 3) üben die Beteiligte zu 2) und der Beteiligte zu 1) gemeinsam aus, was in der Urkunde über die Sorgerechtserklärung nach § 1626a BGB vom 13. März 2017 dokumentiert ist.
4
Mit Bescheiden vom 17. Juni 2015 und 26. April 2019 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Beteiligten zu 1) und 2) samt deren bereits in Eritrea geborenem Kind die Flüchtlingseigenschaft (hinsichtlich des Beteiligten zu 1) subsidiär) zu.
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Am 27. Juni 2018 und 5. Juli 2018 beantragten die Eltern, die Beteiligten zu 1) und 2), die Berichtigung des Nachnamens der Beteiligten zu 3) in T. N. Sie hätten eritreische Personalausweise bekommen, nach welchen der Name der Mutter T. T. M… und der des Vaters T. N. A. laute. Da in Eritrea Kinder als ersten Nachnamen den Vornamen des Vaters und als weiteren Namen den Vornamen des Großvaters erhielten, solle der Nachname der Beteiligten zu 3) T. N. lauten. So werde auch Namensgleichheit mit der nicht in Deutschland geborenen großen Schwester hergestellt. Die Personalausweise zeigen nach Angaben der Polizei keine Fälschungsmerkmale und ihr Inhalt entspricht, abgesehen vom Geburtsjahr des Vaters, das dort mit 1985, von ihm mit 1982 angegeben wird, der Aktenlage. Zur Gültigkeit der bereits am 20.04.2004 (Vater) bzw. 11.11.2008 ausgestellten Dokumente finden sich in der Übersetzung keine Angaben.
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Die Beteiligte zu 5) hat den Antrag dem Amtsgericht Regensburg vorgelegt und zunächst vorgeschlagen, den Geburtsnamen der Beteiligten zu 3) zu streichen und die Namen der Eltern wie gewünscht in Namensketten zu berichtigen. Das Kind habe mangels Familiennamen der Eltern keinen Geburtsnamen erworben.
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Mit Beschluss vom 26. Oktober 2018, auf den wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Regensburg angewiesen, das Geburtenregister des Standesamts R., Registernummer … dahin zu berichtigen, dass sowohl für die Beteiligte zu 3) wie für ihre Eltern die Namensketten ausschließlich als Vornamen einzutragen sind und die Geburts- bzw. Familiennamen sowie die einschränkenden Vermerke gestrichen werden. Zur Begründung führt das Gericht aus, die eritreischen Identitätskarten seien zum Nachweis der Staatsangehörigkeit und der Identität der Beteiligten ausreichend. Das danach maßgebliche eritreische Namensrecht kenne keine Familiennamen, sondern nur Namensketten, die eher Vornamen entsprächen.
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Gegen diesen ihr am 9. November 2018 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 4) am 10. Dezember 2018, einem Montag, Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung macht die Beschwerdeführerin geltend, das von den Standesämtern verwendete Datenverarbeitungsprogramm lasse die Eintragung von Namensketten, namentlich „H… T. N.“, „T. T. M.“ und „T. N. A.“ nur im Feld Familien- bzw. Geburtsname, nicht aber im Feld Vorname zu. Die Beteiligten zu 1) bis 3) hätten ansonsten keine Nachnamen.
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In Ergänzung vom 25. September 2019 zur Beschwerdebegründung beantragt die Beteiligte zu 4) zuletzt, für die Beteiligte zu 3) den bislang als Vornamen eingetragenen Namen H. weiterhin als Vorname zu führen, da die Voraussetzungen für eine Berichtigung hier nicht vorlägen.
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Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, § 51 Abs. 1, § 53 Abs. 2 PStG) und hat auch in der Sache Erfolg. Sämtliche Beteiligte wurden nach § 48 Abs. 2 Satz 2 PStG gehört. Die Beteiligte zu 5) hat nach § 48 PStG den Registereintrag hinsichtlich der Beteiligten zu 1) bis 3) zu berichtigen:
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Der Geburtsname der Beteiligten zu 3) lautet: T. N., Vorname: H… Der Familienname der Beteiligten zu 2) lautet: T. M.; Vorname: T. Der Familienname des Beteiligten zu 3) lautet: N. A., Vorname: T. Dem Senat fällt auch die Entscheidung hinsichtlich der Namen der Beteiligten zu 1) und 2) an, weil das Amtsgericht Regensburg deren Namensführung entschieden hat.
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Nach Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Art. 10 Abs. 1 EGBGB normiert die Rechtswahl. Maßgebender Zeitpunkt für die Anknüpfung zum Zwecke der Bestimmung des richtigen Namensstatuts ist der namensbegründende bzw. -ändernde Vorgang (BGHZ 121,305; OLG Hamm StAZ 2006, 357; KG OLGZ 1979, 166; MünchKomm-BGB/Birk, 5. Aufl. Art. 10 EGBGB Rdnr. 25). Mit der Geburt erwirbt das Kind seinen Geburtsnamen. Dieser Grundsatz erfasst Inlandsebenso wie Auslandsgeburten. Die Beteiligte zu 3) ist in Deutschland geboren.
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Die Beteiligte zu 3) unterliegt nach Art. 12 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, BGBl. 1953 II 559 (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) ungeachtet seiner über beide Eltern vermittelten eritreischen Staatsangehörigkeit deutschem Personalstatut. Denn ihre Mutter, die Beteiligte zu 2) (und ihre ältere Tochter, die Schwester der Beteiligten zu 3)) sind rechtswirksam als Flüchtlinge anerkannt mit der Folge, dass für sie deutsches Personalstatut gilt (Art. 12 GFK). Zwar ist die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge streitig (einerseits: BayObLG 1986, 189/193; OLG Hamm, NJW-RR 1993, 266; 1992, 391/392; BeckOK BGB/Lorenz, 49. Ed. 1.2.2019, EGBGB Art. 5 Rn. 30; andererseits: VGH Baden-Württemberg, VBlBW 2001, 151 f.; Staudinger/Bausback, 2013, Anh. IV Art. 5 Rn. 56 je m. w. Nachw.) der Senat geht jedoch von der Richtigkeit der Entscheidung des Bundesamts vom 17. Juni 2015 zugunsten der Beteiligten zu 2) aus. Damit hat auch die Beteiligte zu 3) als minderjähriges Kind mit derselben Staatsangehörigkeit Flüchtlingsstatus und damit deutsches Personalstatut (Staudinger/Bausback, a.a.O. Rn. 59; BayObLG 1999, 27/30 m. w. Nachw.). Dasselbe gilt für den Ehegatten eines Flüchtlings (so Bausback a. a. O.). Zwar liegt keine Urkunde vor, die eine Eheschließung zwischen den Beteiligten zu 1) und zu 2) dokumentiert, der Beklagte zu 1) ist jedoch nach einem genetischen Gutachten Vater der älteren Tochter der Beteiligten zu 2) und hat die Vaterschaft für die Beteiligte zu 3) anerkannt. Auch die Wahrung der Familieneinheit spricht dafür. Im Übrigen sind Familienangehörige oft schon allein wegen ihrer Beziehung zum Flüchtling gefährdet (Erwägungsgrund 36 der RL 2011/95/EU; Münchener Kommentar-v. Hein zum BGB, 7. Aufl. München 2018 Anh II Art. 5 EGBGB Rn 50 ff. m. w. Nachw.). Dem Beteiligten zu 1) wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 26. April 2019 der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Nach „herkömmlicher und überwiegender Auffassung“ (Münchener Kommentar-v. Hein, Anh. II Art. 5 EGBGB, Rdnr. 51), der sich der Senat anschließt, teilen die jeweiligen Ehegatten und Abkömmlinge eines Flüchtlings dessen Flüchtlingseigenschaft und folglich auch das nach Art. 12 FlüchtlAbk anzuknüpfende Personalstatut, wenn sie nicht bereits aus in ihrer eigenen Person liegenden Gründen selbst Flüchtlinge sind (“personae coniunctae“). Zum relevanten Zeitpunkt der Namenswahl für das noch nicht 5-jährige Kind, die Beteiligte zu 3), unterfallen deshalb alle Beteiligten zu 1) bis 3) als Statutenwechsler dem deutschen Personalstatut.
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Nach § 1617 Abs. 1 BGB bestimmen die – wie hier – gemeinsam sorgeberechtigten Eltern den Namen, den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes. Zum Namen kann immer nur der Familienname eines Elternteils bestimmt werden (Palandt/Götz, BGB, 78. Aufl. § 1617 Rn 4 m. w. Nachw.). Wie das Amtsgericht Regensburg in den Entscheidungsgründen zutreffend aufzeigt, kennt das eritreische Namensrecht keine Familiennamen, mithin führen die Eltern, die Antragssteller zu 1) und 2) bisher keinen – auch keinen mehrgliedrigen – Familiennamen. Nach Kap. 2 Art. 4 Nr. 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs der Eritreischen Volksbefreiungsfront – EPLF-ZGB, zitiert nach Kraus, StAZ 2018, 383, muss jeder einen Vornamen führen, der bei der Geburt beigelegt wird. Dem Vornamen werden zur besseren Unterscheidung die Namen des Vaters und des Großvaters angefügt, ohne dass diese die Funktion eines Familiennamens hätten (Kraus, StAZ 2018,383; Nelle, StAZ 2004,93/101; Mengringhaus, StAZ 1996, 313).
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Das Recht der Eltern zur Namensbestimmung in § 1617 BGB ist Ausfluss der elterlichen Personensorge nach § 1626 Abs. 1 BGB (Staudinger/Hilbig-Lugani (2015) BGB § 1617 Rn. 12). Zur Wahl für den Geburtsnamen des Kindes stehen der Name, den „der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt“, § 1617 Abs. 1 Satz 1 BGB. Da bei namensverschiedenen Eltern eine vollständige Namenseinheit der Familie nicht herstellbar ist, bezweckt das Gesetz zumindest teilweise Namenseinheit, mithin eine Namensübereinstimmung von dem Kind und einem Elternteil. Die Eltern, die Beteiligten zu 1) und zu 2) beantragten, für die Beteiligte zu 3) als Geburtsnamen den des Vaters, mithin T. N. Dies entspricht den Vorgaben.
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Der BGH postuliert in seiner Entscheidung vom 19.02.2014, Aktenzeichen XII ZB 180/12, allen namensrechtlichen Vorschriften des deutschen Rechts liege unausgesprochen zugrunde, dass jede Person einen Vor- und Familiennamen führen müsse.
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1) Zwar legt der BGH in dieser Entscheidung dar, das deutsche Recht enthalte indessen nach ständiger Rechtsprechung keine Norm, die es ohne weiteres erlauben würde, die Namensführung eines eingebürgerten Ausländers abweichend von dem fremden Recht zu beurteilen, unter dem der Name erworben wurde (m. w. N.). Vielmehr sei das deutsche Recht von dem – ungeschriebenen – Grundsatz der Namenskontinuität beherrscht, mit dem sowohl allgemeinen Ordnungsinteressen als auch dem Bestreben Rechnung getragen werde, Namensänderungen gegen den Willen des Namensträgers möglichst zu vermeiden.
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Das Prinzip der Namenskontinuität besage allerdings zunächst nur, dass der Namenswortlaut unberührt bleibt, sodass die unter dem fremden Recht erworbenen Bezeichnungen und Zusätze mit Namensqualität grundsätzlich bestehen bleiben.
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2) Bei einer beantragten Berichtigung eines Registereintrags nach § 48 PStG besteht allerdings Einigkeit darüber, dass eine Angleichung vorgenommen werden kann, wenn der unter dem ausländischen Recht gebildete Name eines Statutenwechslers keine strukturelle Aufgliederung in Vornamen und Familiennamen – sondern beispielsweise nur eine Kette von Eigennamen – enthält (BGH aaO. Rn. 24 m. w. N.). Ein nach deutschem Recht gebildeter bürgerlicher Name einer natürlichen Person enthalte zwingend einen Namensteil, der mit der Übertragbarkeit auf den Ehegatten und die Kinder auch die Aufgabe des Familiennamens erfüllen kann und einen anderen Namensteil, der als Vorname die Mitglieder einer Familie und allgemein die Träger des gleichen Familiennamens voneinander unterscheidbar macht. Dies steht im Einklang mit den grundsätzlichen Erwägungen, dass das Gesetz dem Namensträger – wenn auch in beschränktem Umfang – öffentlich-rechtliche Pflichten zur Führung seines bürgerlichen Namens auferlegt, die jeweils daran anknüpfen, dass ein Name mindestens einen Vornamen und einen Familiennamen enthält (vergleiche etwa § 111 OWiG, § 5 Abs. 2 PAuswG). Auch dies verdeutlicht, dass unter deutschem Namensstatut die Führung eines Vornamens und eines Familiennamens ein unverzichtbares Ordnungs- und Unterscheidungskriterium darstellt. Staatlichen Ordnungsinteressen wird daher regelmäßig der Vorzug gegenüber dem Wunsch eines eingebürgerten Ausländers an der funktionellen Kontinuität bei der Führung seines unter fremden Rechts ohne Vornamen und/ oder Familiennamen gebildeten Namens zu geben sein, sodass in diesen Fällen eine objektive Angleichung zwar unter möglicher Berücksichtigung der Wünsche des Namensträgers, aber gegebenenfalls auch gegen seinen Willen zu erfolgen hat (BGH aaO.)
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Nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 EGBGB kann eine Person, die einen Namen nach einem anwendbaren ausländischen Recht erworben hat und deren Name sich fortan nach deutschem Recht richtet, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt aus den Namen aus dem Herkunftsland einen Vor- und Familiennamen bestimmen. Die Angleichungserklärung setzt nach Art. 47 Abs. 1 EGBGB einen Statutenwechsel zum deutschen Recht voraus; es handelt sich um eine namensrechtliche Sachnorm des deutschen Rechts, deren Tatbestand einen Auslandsbezug aufweist. Ein solcher Statuswechsel ist für die Beteiligten zu 1) bis 3) durch die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus durch das Amt für Migration und Flüchtlinge gegeben, wie bereits unter Position B) I. dargestellt.
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Besteht die Namenskette – wie hier – nur aus Vornamen, fehlt es an einem Familiennamen im Sinne von Art. 47 Abs. 1 Nummer 2 EGBGB und es ist ein Familienname aus der Namenskette zu wählen. Die entsprechenden Angleichungserklärungen sind von dem beteiligten Standesamt in Form des Art. 47 Abs. 4 EGBGB aufzunehmen, ehe die entsprechenden Änderungen im Geburtenregister vorzunehmen sind.
22
§ 48 Abs. 1 PStG stellt die beantragte Registeränderung durch das Gericht den Fällen der Berichtigungsanträge nach § 47 PStG gleich. Einer vorherigen Beurkundung der Berichtigung nach § 47 Abs. 4 EGBGB bedarf es daher nicht. Sie wird durch die gerichtliche Entscheidung ersetzt. Nach Auffassung von Mengringhaus, StAZ 1996, Seite 313, ist eine Namensänderung bei eritreischen Namensfolgen nur durch einen Gerichtsentscheid möglich.
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3) Das OLG Köln hat am 06.11.2014, StAZ 2015, 275, zu einem Namen irakischer Herkunft, der aus einem Vornamen, dem Vornamen des Vaters und dem Vornamen des Großvaters väterlicherseits gebildet werde, entschieden, es könne ein Familienname gemäß Art. 47 Abs. 1 Nummer 2 EGBGB gewählt werden, wenn sich dieser Name nunmehr nach deutschem Recht richte; dies gelte jedenfalls dann, wenn ein Familienname gewählt werde, zu dem sozial gewichtige Bindungen bestünden und der die soziale Zuordnung eines Familiennamens erfülle (Leitsatz). Die Zusammensetzung des irakischen Namens ist der Bildung der Namenskette der Beteiligten nach eritreischen Namensrecht vergleichbar. Kommt es durch eine Einbürgerung oder eine zuerkannte Flüchtlingseigenschaft in Deutschland zu einem Statutenwechsel im Sinne von Art. 47 EGBGB, unterliegt die Namensführung nunmehr deutschem Recht (Art. 10 Abs. 1 EGBGB). Im Ergebnis geht auch das OLG Köln davon aus, dass das deutsche Recht zwischen Vor- und Familiennamen unterscheidet. Jede Person müsse einen Familien- und mindestens einen Vornamen führen.
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4) Durch die Bestimmung von Vorname und Familienname aus den eritreischen Namensketten der Beteiligten zu 1) bis 3) wird auch nicht über Gebühr in das eritreischen Recht eingegriffen. Abgesehen davon, dass es nach den oben benannten Feststellungen an einer konkreten Definition oder Ausgestaltung des eritreischen Namensrechts fehlt, verlieren die einzelnen Namen der Namenskette ihre Eigenschaft als Eigennamen nicht dadurch, dass sie gemäß dem in Deutschland bestehende System in Vor- und Nachnamen untergliedert werden. (BGH aaO. Rn. 25).
25
Führt eine betroffene Person außer einem Vornamen nur einen Vatersnamen und keinen Familiennamen, so kann man den Vatersnamen nicht den Vornamen gleichstellen; denn dann hätte die betroffene Person keinen Familiennamen mehr. Der Vatersname ist dem Familiennamen ähnlich, denn er verdeutlicht in „familiennamenstypischer Funktion“ den generationsübergreifenden Familienzusammenhang. Vatersnamen sind daher, soweit sie funktionsäquivalent zum Familiennamen sind und ein solcher fehlt, grundsätzlich in Familiennamen zu transponieren (Staudinger/Hausmann (2019) EGBGB Art. 47 Rn. 51). Mit den jeweiligen Anträgen und der Entscheidung, „H…“ als Vornamen der Beteiligten zu 3), „T.“ als Vornamen für den Beteiligten zu 1) und „T.“ als Vorname für die Beteiligte zu 2) einzutragen, findet die Vorgabe Beachtung.
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Die Beteiligten zu 1) bis 3) führen einen zweigliedrigen Familiennamen infolge einer verfestigten Verwaltungspraxis.
27
Wenngleich zu beachten ist, dass nach deutschem Namensrecht grundsätzlich nicht mehrere Eigennamen zum Familiennamen bestimmt werden können, lässt dieser Grundsatz einen mehrgliedrigen Familiennamen im Ausnahmefall zu.
28
1) Wenngleich nach früherem Recht bei sogenannten unechten Doppelnamen der Begleitname nicht an die Kinder weitergegeben werden konnte, hat der Gesetzgeber des KindRG 1998 die frühere Ausgrenzung des unechten Doppelnamens als tradierbaren Elternnamen beseitigt. Zwar spricht das Gesetz in § 1617 BGB nunmehr durchgehend nur noch vom „Namen“ eines Elternteils, die frühere Einschränkung bezüglich des Begleitnamens ist nicht übernommen worden. Dem liegt nach Auffassung von Staudinger/Hilbig-Lugani (aaO, Rn. 23) eine bewusste Entscheidung des Gesetzesverfassers zugrunde: „Nach der Begründung des Regierungsentwurfs vom 13. Juni 1996 zu § 1617 BGB sind die entsprechenden Beschränkungen überholt und sollen deshalb in der Neuregelung wegfallen“. Im Ergebnis kann deshalb auch der „unechte Doppelname“ eines Elternteils zum Kindesnamen bestimmt werden; als Geburtsname des Kindes wird er zum echten Doppelnamen, der bei einer späteren Heirat des Kindes nach § 1355 Abs. 2 BGB auch zum Ehenamen bestimmt werden kann. Hiervon zu unterscheiden ist, dass der Geburtsname eines Kindes nicht aus einer Kombination aus Mutter- und Vatername gewählt werden kann. Im vorliegenden Antrag wird die Namenskette für die Beteiligte zu 3) alleine aus den Namen des Vaters, dem Beteiligten zu 1), hergeleitet.
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2) Die Beteiligten zu 1) bis 3) führen bislang Namensketten, in denen die Namen von Vater und Großvater in die nächste Generation weitergegeben werden, wie sie in zahlreichen arabisch geprägten Staaten vorkommen. Kommt es zu einem Statutenwechsel zum deutschen Recht – wie vorliegend – so gilt der Grundsatz der Namenskontinuität. Die bisher geführte Namenskette bleibt grundsätzlich dem Wortlaut nach in voller Länge erhalten (Staudinger/ Hausmann, aaO, Art. 47 EGBGB Rn. 64). Nach Ansicht des Gesetzgebers wird dieser Fall von Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB erfasst (unter Hinweis auf Bundestagsdrucksache 16/1831, 79). Allerdings ist der Gesetzeswortlaut, wonach die Beteiligten „aus dem Namen Vor- und Familiennamen bestimmen“ können, zu undifferenziert. Bei den arabischen Namensketten lässt sich durchaus der Eigenname von den Abstammungsnamen unterscheiden, die ihm nachfolgen. Diesen Eigennamen zum Familiennamen – und dann womöglich die Vatersnamen zu Vornamen – zu bestimmen, wäre ein Verstoß gegen objektive Angleichungsregeln, da hierdurch die bisherigen Namensfunktionen missachtet würden. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben folgerichtig beantragt, den ersten Namen der Namenskette der Beteiligten zu 3), H…, als Vornamen und die beiden nachfolgenden Namen T. und N. als Familiennamen zu wählen. Genau diese Auffassung vertritt auch Hausmann in Staudinger, aaO Art. 47 EGBGB Rdnr. 65, wonach der arabische oder eritreische Eigenname in einen Vornamen zu transponieren ist und die des Vaters- und Großvatersnamen, da sie die Generationenfolge deutlich machen, in Familiennamen zu transponieren sind.
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3) Die einschränkende Sichtweise in Staudinger/Hausmann, aaO. EGBGB Art. 47 Rn. 65, wonach das deutsche Namensrecht keine mehrgliedrige Namensketten zulasse und es daher nicht möglich sei, gleichzeitig den Vaters- und den Großvatersnamen dem Familiennamen gleichzustellen, wird weder im Schriftum noch in der Rechtsprechung konsequent umgesetzt. Denn diese restriktive Auffassung erfährt schon in der Kommentierung von Staudinger/Hilbig-Lugani aaO § 1617 BGB Rdnr 23 einen gewissen Widerspruch. Demnach spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber des KindRG 1998 die – wie oben unter B) II. bereits ausgeführt – frühere Ausgrenzung des sogenannten echten Doppelnamens als tradierbaren Elternnamen beseitigen wollte. So schreibt Staudinger/Hausmann, Art. 47 EGBGB Rdnr. 67, zum Namensrecht bei Statutenwechsel von Personen mit Namen jordanischer Herkunft, dass bei diesen Namensketten eine Angleichung von Vaters- und Großvatersnamen an den Familiennamen möglich ist.
31
Die Entscheidung des BGH vom 03.12.2014, Aktenzeichen XII ZB 101/14, in Rdnr. 27, spricht ebenfalls an, es sei grundsätzlich zu beachten, dass nach deutschem Namensrecht nicht mehrere Eigennamen zum Familiennamen bestimmt werden können, was einen mehrgliedrigen Familiennamen im Regelfall nicht zulasse. Nur ausnahmsweise könne der Familienname in zweigliedriger Form bestimmt werden, etwa wenn infolge etablierter Verwaltungspraxis oder faktischer Namensführung im Alltag bereits eine entsprechende „Verfestigung“ eingetreten sei und sich ein „echter Doppelnamen“ gebildet habe (mit Verweis auf Hepting StAZ 2008, Seite 161, 167).
32
4) Eine solche Verwaltungspraxis ist bei den Namen der Beteiligten zu 1) bis 3) klar erkennbar. In der arabisch geprägten Welt führt ein Kind – zur Erleichterung der Identifizierung – oft auch den Namen des Großvaters. Den Familiennamen auf einen solchen Namen, den des Vaters oder den des Großvaters zu reduzieren, kann zu erheblichen praktischen Problemen führen. Die Führung auch des Großvaternamens ist häufig weit verbreitet (Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht, Länderbericht Eritrea, Stand (Hinweis 13.01.2020), Namensrecht sowie Verwaltungsvorschriften – im – Internet.de, Anlage 2, Stichwort: Eritrea). Die Beteiligten werden in den Verwaltungsakten, auch mit allen drei Namen geführt. Die Aufenthaltserlaubnis der Beteiligten zu 2) und der Aufenthaltstitel des Beteiligten zu 1) sind auf alle drei Namen ausgestellt. Die Pässe enthalten alle drei Namen. Aufgrund des Umstands, dass die eritreische Eigennamenskette ausschließlich aus Vornamen gebildet wird, lässt sich die Unterscheidbarkeit von Namen durch einen zweigliedrigen Familiennamen stochastisch erheblich verbessern.
33
Die Beteiligte zu 5) beantragte am 07.08.2018 gegenüber dem Amtsgericht Regensburg die Berichtigung als dreigliedrigen Namen, in dem der Name der Mutter richtig laute: „T. T. M. “, der Name des Vaters richtig laute: „T. N. A.“ und der Name des Kindes richtig laute: „H… T. N.“. Diese Berichtigungsanträge nehmen den Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) an die Beteiligte zu 5) vom 5. Juli 2018 auf. Ebenfalls beantragen die Beteiligten zu 1) und 2) mit Schreiben an die Justizbehörden Regensburg vom 28. September 2018 die dreigliedrigen Namen einzutragen. Auch in der Beschwerdebegründung vom 10. Dezember 2018 beantragte die Beteiligte zu 4) als Namen diese drei Namen einzutragen. Mit Schreiben vom 25. September 2019 konkretisiert die Beteiligte zu 4), die Namensführung für die Beteiligte zu 3) so vorzunehmen, dass der Eigenname des Kindes „H…“ als Vorname einzutragen ist und die beiden anderen Namen „T. N.“ als Familiennamen einzutragen sind. Für die Verwaltung ergeben sich daher keine Hinweise oder Zweifel, dass nicht alle drei Namen angeglichen werden sollen, wobei der Familienname zweigliedrig sein soll. Diese Eintragung wahrt zudem die familientypische Funktion des zweiten und dritten eritreischen Namens, die den generationenübergreifenden Familienzusammenhang widerspiegeln, weshalb ein solcher Name nicht eine Angleichung als (zweiter) Vorname – wie schon unter Position B) III. 4) beschrieben – erfahren soll.
34
Die erstinstanzliche Entscheidung, die erläuternden Zusätze „Namensführung nicht nachgewiesen“ beim Kind und „Identität nicht nachgewiesen“ bei Mutter und Vater zu streichen, wurde mit der Beschwerde nicht angegriffen. Die Entscheidung bleibt insoweit aufrechterhalten.
35
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da Standesämter und Aufsichtsbehörden von Gerichtskosten befreit sind nach § 51 Abs. 1 Satz 1 PStG und die Auferlegung von Kosten auf andere Beteiligte unbillig wäre (§ 81 FamFG).
36
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG. Die Angleichung eritreischer Eigennamen ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt.
37
Der Geschäftswert wurde nach §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1, 3 GNotKG festgesetzt.