Inhalt

VG München, Beschluss v. 31.03.2020 – M 29 S 19.6278
Titel:

Denkmaleigenschaft, vorbeugende Untersagung von Baumaßnahmen, objektive Anhaltspunkte für unmittelbar bevorstehende Baumaßnahmen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayDSchG Art. 15 Abs. 1 S. 2
BayDSchG Art. 6 Abs. 1
BayBO Art. 75 Abs. 1 S. 1
Schlagworte:
Denkmaleigenschaft, vorbeugende Untersagung von Baumaßnahmen, objektive Anhaltspunkte für unmittelbar bevorstehende Baumaßnahmen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 62926

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist nach ihren eigenen Angaben Eigentümerin des Grundstücks …straße …, Fl.Nr. 368/12, Gemarkung …
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Mit Schreiben vom 2. Juli 2019 wandte sich eine Bewohnerin der …straße … an die Antragsgegnerin. Die Bewohnerin teilte darin mit, dass sie am 1. Juli 2019 einen schriftlichen Antrag an das Landesamt für Denkmalpflege (LfD) gestellt habe, das Gebäude …straße … im Hinblick auf eine Denkmaleigenschaft zu begutachten. Dem Schreiben beigefügt waren Fotografien verschiedener Ausstattungsdetails im Gebäudeinneren (u.a. Kachelöfen, Wohnungseingangstüren). Wohl von dieser Bewohnerin wurde der Antragsgegnerin auch ein Internetausdruck eines Exposés über ein Immobilieninvestment „… … …, …straße …“ übermittelt; dieser Ausdruck befindet sich bei der Behördenakte. Aus der Projektbeschreibung in dem Exposé ergibt sich, dass auf dem Grundstück für fünfundzwanzig hochwertig ausgestattete Apartments Baurecht geschaffen werden solle.
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Mit Schriftsatz vom … November 2019 teilten die vormaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin dem Sozialreferat der Antragsgegnerin mit, hinsichtlich des Anwesens …straße … liege keine Zweckentfremdung vor. Vorliegend solle Wohnraum zügig umgebaut werden und stehe daher derzeit leer. Das Anwesen bestehe aus drei Gewerbeeinheiten und neun Wohnungen, wobei die Gewerbeeinheiten und sechs Wohnungen leer stünden. Bis Ende des Jahres sollten die letzten drei Mietverhältnisse einvernehmlich aufgelöst sein und das Gebäude bis Mitte 2020 vollständig leer stehen. Das Gebäude solle danach abgerissen werden und durch einen Neubau ersetzt werden. Es solle neuer Wohnraum geschaffen werden. Die Gewerbeeinheiten sollten in Wohnungen umgewandelt werden. Ein Architekt sei beauftragt worden, einen Bauantrag zu stellen.
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Mit an die Antragstellerin adressierten Bescheid vom 19. November 2019 untersagte die Antragsgegnerin auf dem Anwesen …straße … alle Baumaßnahmen, sowohl die genehmigungspflichtigen als auch die verfahrensfreien, ab sofort bis zum 30. Juni 2020. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,00 Euro angedroht. Die sofortige Vollziehung der Untersagung wurde angeordnet. Zur Bescheidsbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Anwesen …straße … sei nicht als Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Die Denkmaleigenschaft werde aber aktuell vom LfD geprüft und sei noch nicht endgültig geklärt. Das Gebäude sei jedoch Bestandteil des Ensembles N* … und präge das Straßenbild W* …straße innerhalb des Ensembles mit. Rechtsgrundlage für die Untersagung von Abbrucharbeiten sei Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BayDschG i.V.m. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO und Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO. In entsprechender Anwendung von Art. 75 Abs. 1 BayBO könne auch vorbeugend die Ausführung von Bau- bzw. Abbrucharbeiten untersagt werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass alsbald rechtswidrige Anlagen errichtet oder mit Beseitigungsarbeiten begonnen werde. Aufgrund der Verkaufsdarstellung im Internet sei davon auszugehen, dass mit einem Abbruch des Gebäudes in Kürze begonnen werden solle. Zudem liege eine anwaltliche Stellungnahme vor, in der mitgeteilt werde, dass das Gebäude abgerissen werden solle. Ein Abbruch des Anwesens wäre formal rechtswidrig, weil die für den Abbruch notwendige denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nicht vorliege. Der Abbruch einer baulichen Anlage, die ein Ensemble mitträge, stehe unter Vorbehalt der Erlaubnis gemäß Art. 6 BayDSchG. Die beabsichtigten Abbrucharbeiten bedürften daher nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG eine Erlaubnis. Der Erlass der Verfügung sei in Ausübung pflichtgemäßem Ermessens notwendig, da nur in auf diese Weise verhindert werden könne, dass durch Abbrucharbeiten rechtswidrige Zustände geschaffen werden könnten. Offensichtliche Erlaubnisfähigkeit sei nicht gegeben. Die Denkmaleigenschaft des Anwesens sei offen und müsse im weiteren Verfahren geklärt werden. Anhand der vorliegenden Fotos sei mit großer Wahrscheinlichkeit von der Denkmaleigenschaft auszugehen. Durch die Verkaufsdarstellung im Internet und durch die schriftliche Bestätigung eines geplanten Abbruchs sei der Erlass der Verfügung notwendig. Im Hinblick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wurde ausgeführt, das öffentliche Interesse an einer geordneten Bebauung erfordere ein sofortiges Einschreiten gegen mögliche Abbruchmaßnahmen. Es solle verhindert werden, dass das Gebäude abgerissen oder verändert werde, um nicht vor vollendeten Tatsachen zu stehen. Daher könne nicht bis zum Abschluss eines durchzuführenden Verwaltungsverfahrens gewartet werden.
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Mit Schreiben vom 22. November 2019 teilte das LfD der Antragstellerin mit, das Gebäude …straße … präge das Straßenbild der W* …straße mit und sei ein wichtiger Bestandteil des Ensembles N* … Aufgrund der Vorlage von zahlreichen Aufnahmen aus dem Inneren des Gebäudes könne es sich über die ein Ensemble mitprägende Wirkung des Gebäudes hinaus auch um ein Baudenkmal handeln. Zur Klärung der Denkmaleigenschaft sei eine Besichtigung des Wohngebäudes nötig, um die Vereinbarung einer Ortsbesichtigung werde gebeten.
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Mit Schriftsatz vom … Dezember 2019 erwiderten die Bevollmächtigten der Antragstellerin dem LfD, vor Festlegung eines Ortstermins seien noch einige interne Abstimmungen vorzunehmen.
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Mit Schriftsatz vom … Dezember 2019, der am 18. Dezember 2019 bei Gericht einging, erhoben die Bevollmächtigten der Antragstellerin für diese Klage gegen den Bescheid vom 19. November 2019 (M 29 K 19.6277) und beantragten weiter,
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die aufschiebende Wirkung dieser Klage wiederherzustellen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Begehung des Anwesens vor Ort sei ausweislich der Behördenakte augenscheinlich nicht erfolgt und auch weitere Ermittlungen seien durch die Bauaufsichtsbehörde nicht vorgenommen worden. Die Antragstellerin sei vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides entgegen Art. 28 BayVwVfG nicht angehört worden. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des Art. 75 Abs. 1 BayBO für den Erlass einer Baueinstellung sei, dass Maßnahmen bei Erlass der Anordnung auch tatsächlich durchgeführt worden seien. Für präventive Verbote enthalte Art. 75 Abs. 1 BayBO keine Rechtsgrundlage. Die Untersagungsverfügung sei daher offensichtlich rechtswidrig. Es lägen auch keine objektiven konkreten Anhaltspunkte vor, die eine vorbeugende Untersagungsverfügung ausnahmsweise rechtfertigen könnten. Voraussetzung hierfür wäre, dass objektiv konkrete und gewichtige Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass alsbald rechtswidrige Anlagen errichtet würden oder mit rechtswidrigen Bauarbeiten begonnen werde. Derartige Indizien lägen nicht vor. Im Hinblick auf die im Bescheid genannte Werbung und Verkaufsdarstellung sei nicht erkennbar, welche konkrete Verkaufsdarstellung ausschlaggebend gewesen sein soll. Eine bloße Angebotsbeschreibung stelle auch kein nur ansatzweise belastbares Indiz für die geplante Durchführung ungenehmigter Baumaßnahmen dar. Auch zeige das Schreiben der vormaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin vom … November 2019, dass mit einer unmittelbar bevorstehenden Umsetzung rechtswidriger Baumaßnahmen gerade nicht zu rechnen gewesen sei. Dieses Schreiben zeige vielmehr, dass sich die Antragstellerin bei der Umsetzung der beabsichtigten Baumaßnahmen vollumfänglich an bestehendes formales und inhaltliches Recht halten wolle. Aus den Ausführungen des Schreibens könne nicht auf die unmittelbar bevorstehende Umsetzung rechtswidriger Baumaßnahmen geschlossen werden. Die in dem Bescheid herangezogenen Erwägungen stellten lediglich bloße Mutmaßungen dar. Namens und im Auftrag der Antragstellerin werde versichert, dass auch künftig insbesondere sämtliche formalen Erfordernisse für einen möglichen Abbruch des Gebäudes eingehalten würden und dass ein derartiger Abbruch erst nach Vorliegen der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen erfolgen werde.
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Mit Schriftsatz vom 4. Februar 2020 beantragte die Antragsgegnerin,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Abriss des Gebäudes sei bereits aufgrund seiner Stellung als Ensemblebestandteil erlaubnispflichtig. Hinzu komme, dass nach Ansicht der Unteren Denkmalschutzbehörde das Gebäude selbst ein Baudenkmal sei. Daher sei auch bis zur abschließenden Klärung der Denkmaleigenschaft eine vorbeugende Bau- und Abrissuntersagung gerechtfertigt. Der streitgegenständliche Bescheid diene als bauaufsichtliche Sofortmaßnahme, um die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern. Für den Bescheidserlass reiche der durch Tatsachen belegte Anfangsverdacht eines formalen oder materiellen Rechtsverstoßes aus. Zu den im Bescheid genannten Aspekten komme hinzu, dass ein Ortstermin mit dem LfD, der zur Klärung der Denkmaleigenschaft zwingend erforderlich sei, mangels Mitwirkung der Antragstellerin nicht zustande gekommen sei. Daher sei auch ein zwischenzeitlich am 8. Januar 2020 gestellter Bauantrag nicht geeignet, den Bescheid in Frage zu stellen. Die Antragstellerin habe es in der Hand, durch einen zügigen Termin mit dem LfD für Klarheit bezüglich der Denkmaleigenschaft zu sorgen.
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Mit Schriftsatz vom … Februar 2020 erwiderten die Bevollmächtigten der Antragstellerin, den von der Antragsgegnerin angenommenen „Anfangsverdacht‘“ gebe es nicht. Insoweit sei auch eine Räumung des Anwesens gänzlich unschädlich. Aufgrund der noch bewohnten Wohnungen erscheine auch gerade ein Abbruch des Anwesens wenig handgreiflich. Erschwerend komme hinzu, dass die Antragsgegnerin noch nicht einmal eine Anhörung der Antragstellerin vor Erlass des Bescheids in Betracht gezogen habe. Es sei auch noch keine Abbruchanzeige gestellt worden. Im Übrigen umfasse der eingereichte Bauantrag die denkmalrechtliche Prüfung, so dass nicht ersichtlich sei, weshalb der Abschluss dieses Verfahrens nicht abgewartet werden könne. Im Fall eines belastenden Bescheides sei auch eine besondere Belastung der Antragstellerin im Sinn einer qualifizierten Rechtsverletzung nicht erforderlich.
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Mit Bescheid vom 19. Februar 2000 setzte die Antragsgegnerin einen Antrag der Antragstellerin vom 19. Dezember 2019 auf Erteilung einer Baugenehmigung für Abbruch und Wiedererrichtung eines Wohngebäudes in der …straße … auf die Dauer von sechs Monaten aus. In den Bescheidsgründen ist u.a. ausgeführt, seitens der Antragstellerin sei nach wie vor keine Terminsabsprache mit dem LfD zur Klärung einer möglichen Denkmaleigenschaft erfolgt.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom … März 2020, der am gleichen Tag bei Gericht einging, lies die Antragstellerin Klage auch gegen den Bescheid vom 19. Februar 2020 erheben (M 29 K 20.1207).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 19. November 2019 ist zulässig.
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Zwar könnte ein Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin für diesen Antrag in Zweifel gezogen werden.
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Nach dem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom … Dezember 2019 versichert die Antragstellerin, dass sämtliche formalen Erfordernisse für einen möglichen Abbruch des Gebäudes eingehalten würden und dass ein derartiger Abbruch erst nach Vorliegen der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen erfolgen wird. Der Bescheid vom 19. November 2019 untersagt der Antragstellerin also nur Maßnahmen, die sie nach ihren eigenen Angaben ohnehin nicht beabsichtigt vorzunehmen. Da es sich bei dem angegriffenen Bescheid vom 19. November 2019 aber um einen belastenden Verwaltungsakt handelt, ist ein Rechtsschutzbedürfnis für den streitgegenständlichen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO letztlich anzunehmen.
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Hinsichtlich der Zwangsgeldaufforderung ist der Antrag zulässig, da der Klage von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung zukommt, Art. 21a VwZVG.
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Der Antrag bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
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Die Sofortverzugsanordnung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden und genügt insbesondere dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO.
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In der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung muss nicht näher auf den konkreten Fall eingegangen werden, wenn sich dieses besondere öffentliche Interesse unabhängig vom Einzelfall ausnahmsweise bereits aus der Art der getroffenen Verwaltungsmaßnahme ergibt, was bei einer Baueinstellungsverfügung im Regelfall zu bejahen ist (BayVGH v. 24.10.1977 Az. 213 II 76 – juris Rn. 10). Die Begründung im angefochtenen Bescheid geht über dieses Erfordernis sogar noch hinaus. Es wird darauf abgestellt, dass die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindert werden soll.
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Im Übrigen verstößt nach der im Eilverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung (vgl. BayVGH v. 30.6.2011 Az. 2 CS 11.824 – juris, Rn. 3, m.w.N.) die mit Bescheid vom 19. November 2019 verfügte Einstellung von Bauarbeiten nicht gegen geltendes Recht.
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Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. November 2019 ist formell rechtmäßig. Insbesondere steht die fehlende vorherige Anhörung der formellen Rechtmäßigkeit nicht entgegen.
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Nach Art. 28. Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG kann von einer Anhörung dann abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Diese Voraussetzung ist bei einer Baueinstellungsverfügung in der Regel erfüllt (BayVGH v. 11.9.2017 Az. 1 ZB 16.2186 – juris, Rn. 5). Gründe, die ein Abweichen vom Regelfall rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.
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Die Baueinstellungsverfügung ist voraussichtlich auch in materieller Hinsicht rechtmäßig.
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Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG bedarf der Erlaubnis, wer Baudenkmäler beseitigen, verändern oder an einen anderen Ort verbringen will. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG bedarf, wer ein Ensemble verändern will, der Erlaubnis nur, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG gilt u.a. Art. 75 BayBO in den Fällen u.a. des Art. 6 BayDSchG entsprechend. Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert und beseitigt werden. Für die Einstellung von Bauarbeiten genügt insoweit grundsätzlich die formelle Baurechtswidrigkeit (BayVGH v. 10.4.2017 Az. 15 ZB 16.672 – juris Rn. 8, m.w.N.).
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Das streitgegenständliche Anwesen ist nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragsgegnerin Bestandteil des denkmalgeschützten Ensembles N* … Das LfD geht in seinem Schreiben vom 22. November 2019 an die Antragstellerin auch davon aus, dass dem Gebäude eine das Ensemble mitprägende Wirkung zukommt. Für eine positive Beantwortung der Frage, dass dies eine Genehmigungspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG auslöst, genügt diese knappe Ausführung noch nicht. Auch räumt die Antragsgegnerin selbst ein, dass noch nicht endgültig geklärt werden konnte, ob es sich bei dem Anwesen …straße … um ein Einzeldenkmal handelt. Auch die Frage der Genehmigungspflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG ist damit noch nicht geklärt.
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Im Hinblick auf die Zielrichtung des Art. 75 BayBO kann ein vorbeugendes Abrissverbot jedoch auch bis zur endgültigen Klärung der Denkmaleigenschaft des streitgegenständlichen Gebäudes erlassen werden (VG München v. 28.7.2014 Az. M 8 K 13.2636 – juris, Rn. 44). Ein bauliches Veränderungsverbot als bauliche Sofortmaßnahme dient insoweit der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen. Die Maßnahme ist nicht erst dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die Bauarbeiten einem rechtswidrigen Vorhaben dienen. Vielmehr reicht für den Erlass der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines formellen oder materiellen Rechtsverstoßes aus. Bauarbeiten bzw. Beseitigungsmaßnahmen dürfen demgemäß schon dann unterbunden werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird (vgl. VG München v. 28.7.2014 a.a.o., Rn. 45 m.w.N.). Demgemäß muss dem Bauherrn, wenn die Bauaufsichtsbehörde unter Darlegung von nicht schlechthin von der Hand zu weisenden Gründen geltend macht, ein Vorhaben sei genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigt, zugemutet werden, mit der Ausführung seines Vorhabens zu warten, bis der Streit im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt ist (VG München v. 28.7.2014 a.a.o., Rn. 46 m.w.N.).
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Vorliegend ist die Denkmaleigenschaft des streitgegenständlichen Anwesens nicht geklärt bzw. die Wirkung innerhalb des Ensembles letztlich nicht nachprüfbar. Im Rahmen der denkmalschutzrechtlichen Betrachtung ist dabei nicht auf die Anschauung des gebildeten Durchschnittsmenschen abzustellen, sondern auf den Wissens- und Kenntnisstand sachverständiger Kreise (vgl. BayVGH v. 15.1.2002 Az. 14 ZB 00.3360 – juris Rn. 2). Die Äußerungen des LfD als zuständiger Fachbehörde im Schreiben vom 22. November 2019 hinsichtlich der Wirkung des streitgegenständlichen Gebäudes auf das Ensemble und insbesondere auch der Hinweis, dass aufgrund von vorliegenden Aufnahmen aus dem Inneren des Gebäudes ein Baudenkmal vorliegen könnte, stellen eine sachverständige Einschätzung in diesem Sinn dar. Es ist damit nicht von vornherein von der Hand zu weisen, dass für Baumaßnahmen an dem streitgegenständlichen Gebäude eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis erforderlich ist.
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Zwar können noch nicht begonnene rechtswidrige Bauarbeiten – begrifflich – nicht eingestellt werden, auch wenn sie unmittelbar bevorstehen. In entsprechender Anwendung des Art. 75 BayBO kann ausnahmsweise vorbeugend die Errichtung von Anlagen bzw. die Ausführung von Bauarbeiten verboten werden, wenn objektive konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass alsbald rechtswidrige Anlagen errichtet werden oder mit Bauarbeiten begonnen wird (vgl. BayVGH v. 3.9.2001 Az. 2 ZS 01.1506 – juris, Rn. 2).
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Objektive Anhaltspunkte im vorgenannten Sinn liegen vor.
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Dass eine Beseitigung des streitgegenständlichen Anwesens geplant ist zeigt schon das beim Behördenvorgang befindliche Exposé über ein Immobilieninvestment „… … …“. Bestätigt wird das durch das Schreiben der früheren Bevollmächtigten der Antragstellerin vom … November 2019 an das Sozialreferat der Antragsgegnerin. Dort wurde unmissverständlich ausgeführt, dass das Gebäude – wenn auch erst nach vollständigem Leerstand voraussichtlich Mitte 2020 – abgerissen werden soll. Zwar ist der Antragstellerin zuzugestehen, dass ein Abriss des Gesamtgebäudes wohl nicht unmittelbar bevorsteht. Aus dem Schreiben des LfD vom 22. November 2019 ist aber zu entnehmen, dass maßgeblich für die eventuelle Denkmaleigenschaft Ausstattungsdetails im Gebäudeinneren sind. Die entsprechenden beim Behördenvorgang befindlichen Fotografien zeigen Kachelöfen, Wohnungseingangstüren, Treppenhausfenster, den Speicheraufgang, den Kellerabgang u.s.w.. Die Beseitigung jedenfalls einzelner dieser Ausstattungsdetails ist auch dann, wenn das Gebäude noch nicht völlig leer steht, ohne besonderen Zeitaufwand möglich. Wegen der insoweit notwendigen Besichtigung des Gebäudes hatte sich das LfD bereits mit Schreiben vom 22. November 2019 an die Antragstellerin gewandt. Wie der Aussetzungsbescheid vom 19. Februar 2020 zeigt, hat die Antragstellerin die erforderliche Besichtigung nach wie vor nicht ermöglicht. Bei der Frage der Abklärung des Sachverhalts ist jedoch auch die Kooperation des Bauherrn ein maßgeblicher Aspekt (vgl. BayVGH v. 14.10.2013, Az. 9 CS 13.1407 – juris, Rn. 24). Ein Eingriff in die vorgenannten Ausstattungsdetails des streitgegenständlichen Gebäudes erscheint daher jederzeit möglich.
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Die Voraussetzungen für eine vorbeugende Untersagung von Bauarbeiten liegen danach vor.
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Auch die Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden.
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Zwar räumt das Gesetz der Bauaufsichtsbehörde auch bei der Einstellung von Bauarbeiten grundsätzlich ein Ermessen ein. Diese hat ihr Ermessen aber entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben; sie muss deshalb besonders darauf bedacht sein, bereits die Entstehung baurechtswidriger Zustände durch ein rechtzeitiges und wirksames Einschreiten zu verhindern. Dies bedeutet nichts anderes, als dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen regelmäßig eine Baueinstellungsverfügung ergehen kann und soll (Intendiertes oder Regelermessen). An die Ermessensausübung sind in solchen Fällen nur geringe Anforderungen zu stellen. Ermessensfehlerhaft wäre die Baueinstellungsverfügung nur dann, wenn das Vorhaben zwar formell rechtswidrig, aber offenkundig materiell rechtmäßig wäre (BayVGH v. 2.8.2000 Az. 1 ZB 97.2669 – juris, Rn. 5). Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit bzw. Genehmigungsfreiheit ist schon im Hinblick auf die noch ungeklärte Frage der Denkmaleigenschaft nicht gegeben.
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Ein Ermessensfehler ist auch unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Maßnahme nicht gegeben. Eine fehlende Erforderlichkeit könnte denkbar sein, wenn die Antragstellerin von sich aus schriftlich zusichern würde, das streitgegenständliche Gebäude bis zur offiziellen Klärung einer etwaigen Denkmaleigenschaft insgesamt unverändert zu belassen. Die im Rahmen der Antragbegründung abgegebene Versicherung, auch künftig insbesondere sämtliche formalen Erfordernisse für einen möglichen Abbruch des Gebäudes einzuhalten und einen derartigen Abbruch erst nach Vorliegen der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen vorzunehmen, genügt insoweit nicht. Würde sich die Antragstellerin auf den Standpunkt stellen, es liege kein Denkmal vor, wäre nach diesem Rechtsverständnis auch keine Genehmigung des Abbruchs erforderlich.
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Auch hinsichtlich der auf Art. 29, 31, 36 VwZVG gestützten Zwangsgeldandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.