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LG Kempten, Endurteil v. 28.08.2020 – 32 O 1105/18
Titel:

Kein Kontrahierungszwang zur Bildung einer Fischereigenossenschaft

Normenkette:
BayFischG Art. 29 Abs.1 S. 1
Leitsatz:
Art. 29 Abs. 1 S. 1 BayFischG normiert keinen Kontrahierungszwang. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fischereigenossenschaft, Kontrahierungszwang, Zwangsgenossenschaft
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 14.04.2022 – 14 U 5604/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 30.03.2023 – III ZR 99/22
Fundstelle:
BeckRS 2020, 62476

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu je 50 % zu tragen. 
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. 
-  Beschluss - 
Der Streitwert wird auf 84.000,00 € festgesetzt. 

Tatbestand

I.
1
Die Bodenseefischerei wurde in der zwischen den (damaligen) Anrainerstaaten des Bodensees – Baden, Bayern, Liechtenstein, Österreich, Schweiz und Württemberg – geschlossenen sog. Bregenzer Übereinkunft vom 05.07.1893 grundlegend geregelt. Das Ziel dieser Übereinkunft besteht ausweislich der entsprechenden Präambel darin, „die wertvollen Fischarten im Bodensee zu erhalten und zu vermehren“. Auf Grundlage dieser Übereinkunft fassen die (derzeitigen) Anrainerstaaten auf der regelmäßig zusammenkommenden sog. Internationalen Bevollmächtigenkonferenz für die Bodenseefischerei (IKBF) Beschlüsse zur Verfolgung und Umsetzung dieses Ziels.
2
Die Ausübung der Fischerei im Geltungsbereich der Bregenzer Übereinkunft setzt eine entsprechende nach den Bestimmungen des zuständigen Anrainerstaates ausgestellte Erlaubnis voraus. Diese Erlaubnis wird in Gestalt sog. Patente erteilt. Im Zuständigkeitsbereich des Beklagten werden die Patente als Erlaubnisscheine i. S. v. Art. 29 BayFischG erteilt. Diese Erlaubnisscheine stellen sowohl die entsprechende in einem Dokument verkörperte Erklärung als auch die Erlaubnis selbst zur Ausübung des Fischfangs dar. Bei der Erlaubnis handelt es sich um ein der Pacht ähnliches Instrument zur Übertragung fischereirechtlicher Befugnisse. Sie stellt die Erfüllung eines zugrunde liegenden pachtähnlichen Verpflichtungsgeschäfts dar, in der der Fischereiberechtigte (vorliegend der Beklagte) verbindlich die entsprechende Erteilung zusagt.
3
Im Jahr 2015 fasste die IBKF einen Beschluss, wonach die einzelnen Staaten die Anzahl an Patenten zur Ausübung der Fischerei auf der Hohen See reduzieren sollen. Nach diesem Beschluss soll ein Hochseepatent zur Ausübung der Fischerei auf der Hohen See mit vier bzw. nach weiteren Regelungen mit fünf Schwebnetzen erteilt werden können, dies jedoch längstens bis zum Ablauf des Jahres, in dem durch den jeweiligen Erlaubnisinhaber das 70. Lebensjahr vollendet wird. Für Berufsfischer, die Altersgeld, Rente oder Pension beziehen, kann hiernach ein Alterspatent erteilt werden, welches zur Ausübung des Fischfangs auf der Hohen See mit einem Schwebnetz berechtigt. In diesem Zug entschied der Beklagte die bislang ausgegebenen Erlaubnisscheine in ihrer Anzahl zu reduzieren. Insbesondere hat das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Jahr 2017 aufgrund vorangegangener Verhandlungen und Auseinandersetzungen mit den Vertretern der anderen Mitgliedstaaten, die ausstehenden Behörden angewiesen, die IBKF-Beschlüsse 2015 umzusetzen.
4
Nachdem die Patente in der Vergangenheit jährlich zu Beginn der jeweiligen Fischereisaison durch das zustände Landratsamt Lindau (Bodensee) ohne Antragstellung jeweils neu erteilt wurden, erfolgte die Patentvergabe aufgrund einer Weisung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in den jüngeren Jahren nur noch auf entsprechende Antragstellung hin.
5
Der Kläger zu 1 ist Berufsfischer in 8. W. und Inhaber eines durch das Landratsamt Lindau (Bodensee) ausgestellten sog. Hochseepatents i. S. v. Art. 29 BayFischG für das Jahr 2018, mit dem ihm die Erlaubnis zum Fischfang im Bodensee auf der Hohen See und der Halde nach Maßgabe der bestehenden Gesetze und Verordnungen erteilt worden ist. Insoweit wird auf Anlage K1 Bezug genommen. Nach § 7 Abs. 4 S. 1 der Bodenseefischereiverordnung (im Folgenden: BoFiV) darf ein Patentinhaber gleichzeitig höchstens vier freitreibende Schwebnetze verwenden, die zu einem Satz zu verbinden sind.
6
Der Kläger zu 2 ist der Vater des Klägers zu 1 und für das Jahr 2018 Inhaber eines durch das Landratsamt Lindau (Bodensee) ausgestellten sog. Alterspatents, das ihm unter den in dem entsprechenden Erlaubnisschein bezeichneten Beschränkungen die Erlaubnis zum Fischfang im Bodensee-Obersee auf der Halde vor dem Ufer Bayerns und auf der Hohen See gestattet. Insoweit wird auf Anlage K2 Bezug genommen. Unter Ziffer 5 ist u. a. bestimmt, dass der Kläger zu 2 verpflichtet ist, am sog. Bühren teilzunehmen und dass eine Stellvertretung nicht möglich ist.
7
Dem Kläger zu 1 wurde am 18.12.2019 durch das Landratsamt Lindau (Bodensee) die Erlaubnis erteilt, für das Jahr 2020 mit fünf freitreibenden Schwebnetzen zu fischen.
8
II. Die Kläger meinen, durch die Regelungen der BoFiV, die die Beschlussfassungen der Bevollmächtigten der IKBF umsetzt, gegenüber den (Berufs-) Fischern der übrigen Anrainerstaaten des Bodensees benachteiligt zu werden.
9
Die aktuelle Festsetzung der Patentzahlen sei willkürlich und rechtsmissbräuchlich. Zwar sei durch die IKBF bereits im Jahre 1934 eine sukzessive langfristige Reduzierung von Patenten beschlossen worden. Indes sei diese erst im Jahr 2009 erreicht worden, ohne dass zwischenzeitlich eine Patententziehung angedroht oder tatsächlich durchgeführt worden sei. Vielmehr seien über Generationen hinweg die jeweiligen Hochsee- und Alterspatente auch ohne Antragstellung regelmäßig erneut erteilt worden. Im Übrigen sei es im Rahmen der Beschlussfassungen zu willkürlichen Benachteiligungen der Fischer in Bayern gekommen.
10
Durch die aktuelle Umsetzung der Beschlüsse der IKBF entfalle das bisher gängige Stellvertreterprinzip innerhalb einer Fischereifamilie hinsichtlich der Alterspatente vollständig. Eine Vertretung bei Urlaub oder Krankheit sei damit nicht mehr möglich. Ferner entfalle die vorzeitige Übergabe eines Hochseepatents vom Vater auf den Sohn.
11
Eine weitere Ungleichbehandlung bestehe darin, dass die Anrainerstaaten seit dem 01.01.2018 zwar in Bezug auf das Hochseepatent bei Erreichung der anvisierten reduzierten Patentzahlen die Verwendung von fünf freitreibenden Schwebnetzen gestatten dürften, dies den bayerischen Berufsfischern im Gegensatz zu deren Kollegen aus Österreich und der Schweiz jedoch nicht ermöglicht werde. Ferner werde den Fischern aus Österreich und der Schweiz ab 2019 das Fischen mit einer Maschenweite von 38 mm erlaubt, wohingegen die bayerischen Fischer ein solches nur vom 01.04. bis 31.05. einsetzen dürften und anschließend monatlich absteigend ein Netz mit 38 mm durch ein weniger effektives Netz mit 40 mm ersetzt werden müsse. Der Freistaat Bayern habe die angestrebte Reduzierung der Patentzahlen – ohne jegliches Zutun der bayerischen Berufsfischer – selbstverschuldet nicht erreicht, sodass nun zu Lasten der bayerischen Berufsfischer der vorgenannte Wettbewerbsnachteil eintrete.
12
Die IKBF-Beschlüsse und deren Vollzug seien rechtlich angreifbar. Der Anrainer- und Vertragsstaat Bayern sei bei der Ausgestaltung und Vergabe der Patente unabdingbar an die Grundrechte gebunden. Internationale Absprachen könnten den Freistaat von seiner Grundrechtsbindung nicht befreien.
13
Vorliegend werde durch den Beklagten Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
14
Eine (etwaige) Versagung der begehrten Patente würde die Kläger in deren Berufsfreiheit i. S. v. Art. 12 GG verletzen. Die durch den Beklagten getroffenen Maßnahmen seien zur Erreichung der beschlossenen Ziele ungeeignet. Es liege eine objektive Zulassungsschranke in Gestalt der Anzahl der zu vergebenden Patente wie auch der einzusetzenden Netze vor. Ferner werde eine subjektive Berufswahlregelung in Gestalt der Altersgrenze getroffen. Die einschlägigen Beschränkungen würden nicht durch formelles Gesetz getroffen. Eine Verordnungsermächtigung gebe es jedenfalls nicht. Die Kontingentierung der Patente und Schwebnetzzahlen sei nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig. Dasselbe gelte für die Altersgrenze. Die Kläger würden hierdurch in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet.
15
Der Freistaat Bayern unterliege durch seine bisherige jahrzehntelange Handhabung der gewohnheitsrechtlichen Selbstbindung. Spiegelbildlich greife zugunsten der Kläger der Grundsatz des Vertrauensschutzes ein.
16
III. Die Kläger beantragen,
1.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 1) auch für die Jahre 2018, 2019 bis 2024 ein Hochseepatent mit der Erlaubnis zur Verwendung von 5 Schwebnetzen, davon das Fünfte mit der kleinsten zulässigen Maschenweite (derzeit 38 mm), zu erteilen.
2.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 2) zu gestatten bei der Ausübung der Bodenseefischerei durch den Beklagten zu 1) vertreten zu werden (Stellvertretung).
17
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
18
IV. Der Beklagte ist der Auffassung, dass keinerlei zivilrechtliche Anspruchsgrundlage erkennbar sei, auf die das klägerische Begehren gestützt werden könne. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der für die Zukunft begehrten Patenterteilung. Bei der Erlaubnis i. S. v. Art. 29 BayFischG handele es sich um ein privatrechtlich ausgestaltetes Verhältnis, das der Freistaat Bayern aufgrund der im Privatrecht geltenden Vertragsfreiheit beliebig zur Anwendung bringen könne.
19
Eine willkürliche Handhabung durch den Beklagten sei gleichwohl nicht gegeben. Die Altersgrenze von 70 Jahren für das Alterspatent sei auf einen bindenden IKBF-Beschluss des Jahres 2015 zurückzuführen. Ferner könne von dem Kläger zu 2 erwartet werden, dass dieser – wie jeder andere Selbstständige – für sein Alter in den vorangegangenen Berufsjahren vorgesorgt habe, um seine Existenz zu sichern. Die Untersagung der Vertreterregelung sei daher nicht angreifbar. Das Ziel des Schutzes des Fischbestandes sei gegenüber dem Privatinteresse des Klägers zu 2 vorrangig.
20
Durch die beschlossene Patentreduzierung würden alle Berufsfischer im Grundsatz gleich betroffen. Diesen werde auch nicht die Ausübung des Berufes als solcher untersagt oder verboten. Ein hoheitliches Handeln liege insoweit nicht vor.
21
Es sei widersprüchlich, die Klage im Rahmen eines privatrechtlichen Verhältnisses ausschließlich auf eine öffentlich-rechtliche Argumentation zu stützen.
22
Ein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger bestehe nicht. Der Kläger zu 1 habe noch nie ein Hochseepatent mit den hier begehrten Inhalten erhalten, der Kläger zu 2 noch nie ein Alterspatent mit einem anderen als dem gegenwärtigen Inhalt.
23
Die geltend gemachten Ansprüche ließen sich auch nicht auf § 242 BGB stützen.
24
V. Das Gericht hat zunächst mit Beschluss vom 06.09.2020 (Bl. 82) den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Augsburg verwiesen. Hiergegen hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 19.09.2020 (Bl. 89) sofortige Beschwerde eingelegt. Das Gericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.09.2020 (Bl. 96) nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur weiteren Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt. Mit Beschluss vom 13.05.2020 (Bl. 100) hat das Oberlandesgericht München den Beschluss vom 06.09.2020 aufgehoben, den Antrag der Kläger auf Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Augsburg zurückgewiesen und darüber hinaus den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für die Klagen beider Kläger für zulässig erklärt.
25
Das Gericht hat am 20.07.2020 mündlich zur Sache verhandelt. Beweis wurde nicht erhoben.
26
Dem Beklagtenvertreter wurde nachgelassen, im Hinblick auf den Schriftsatz des Klägervertreters vom 18.07.2020 bis einschließlich 03.08.2020 schriftlich Stellung zu nehmen. Ein entsprechender Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 27.07.2020 (Bl. 140) ging am selben Tag bei Gericht ein. In Reaktion auf diesen Schriftsatz ging am 12.08.2020 ein weiterer – nicht nachgelassener – Schriftsatz des Klägervertreters ein (Bl. 144).
27
Wegen des übrigen Parteivortrags wird auf sämtliche gewechselten Schriftsätze und Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 20.07.2020 (Bl. 138) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die durch die Kläger erhobenen Klagen sind jeweils zulässig, jedoch unbegründet.
29
A. Der durch den Kläger zu 1 mit dem Klageantrag Ziffer 1 geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Hochseepatents für die Jahre 2018 bis 2024 zur Verwendung von 5 Schwebnetzen, davon das Fünfte mit der kleinsten zulässigen Maschenweite (derzeit 38 mm), besteht nicht.
30
I. Für das Jahr 2020 steht diesem behaupteten Anspruch unabhängig von seinem Vorliegen dem Grunde nach teilweise der Einwand der Erfüllung i. S. v. § 362 Abs. 1 BGB entgegen. Der Beklagte hat dem Kläger zu 1 unstreitig für das genannte Kalenderjahr die Erlaubnis zur Verwendung von 5 freitreibenden Schwebnetzen erteilt.
31
II. Im Übrigen wäre für die Erlaubniserteilung in Gestalt des jeweils begehrten Patents das Vorliegen eines zwischen den Parteien geschlossenen Erlaubnisvertrages als rechtsgeschäftlich begründete Anspruchsgrundlage erforderlich. Ein derartiger schuldrechtlicher Erlaubnisvertrag ist zwischen den Parteien in Bezug auf das jeweilige Kalenderjahr bislang unstreitig nicht geschlossen worden.
32
III. Darüber hinaus hat der Kläger zu 1 auch keinen sonstigen gegen den Beklagten gerichteten Anspruch auf Abgabe der auf die Erteilung eines Hochseepatents gerichteten entsprechenden Willenserklärung.
33
Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 29 Abs. 1 S. 1 BayFischG. Insoweit kann in großen Teilen auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts München in dessen Endurteil vom 18.06.2020, Az.: 14 U 1479/19 Bezug genommen werden. An dieser Stelle sollen nur die wichtigsten Aspekte wiedergegeben werden:
34
1. Dem Wortlaut der vorgenannten Regelung lässt sich ein derartiger Anspruch nicht entnehmen. Im Übrigen ist der Beklagte in seiner Entscheidung darüber, ob und wenn ja, wem er Erlaubnisscheine ausstellt, (weitgehend) frei.
35
Eine Verpflichtung des Beklagten, sich mit dem Kläger zu 1 auf die beschriebene pachtähnliche rechtsgeschäftliche Beziehung einzulassen, besteht nicht. Der faktisch durch den Kläger zu 1 geltend gemachte Kontrahierungszwang ist abzulehnen.
36
2. Ein Verstoß des Beklagten gegen Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume kommt nicht in Betracht, da insoweit der grundrechtliche Schutzbereich schon gar nicht eröffnet ist.
37
Der Kläger zu 1 ist nicht Inhaber eines subjektiven Rechts auf Erteilung eines Erlaubnisscheins in der gewünschten Fassung, das durch die bislang getroffenen Entscheidungen des Beklagten beschränkt oder beeinträchtigt worden wäre.
38
Es besteht kein gegen den Beklagten gerichteter durchsetzbarer Anspruch auf den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages, durch den die eigene berufliche Tätigkeit gefördert oder begründet würde.
39
Dem deutschen Zivilrecht ist ein Kontrahierungszwang grundsätzlich fremd.
40
Es gilt allgemein der Grundsatz der Privatautonomie und dabei im Speziellen der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr soll prinzipiell selbst entscheiden können, ob und mit wem er unter welchen inhaltlichen Gesichtspunkten eine rechtliche Bindung eingehen will oder nicht.
41
Ein Abschlusszwang findet nur im Falle spezieller gesetzlicher Anordnung (insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge) statt. Eine Inhaltskontrolle ist ebenfalls nicht vorgesehen, außer das Gesetz greift im Einzelfall zum Schutz bestimmter höherrangiger Interessen regulierend ein (AGB-Kontrolle, Verbraucherschutz, numerus clausus des Sachenrechts, bestimmte Bereiche des Familien- und Erbrechts).
42
Art. 29 Abs. 1 S. 1 BayFischG normiert vorliegend keinen entsprechenden Kontrahierungszwang. Im Gegenteil: Der Wortlaut dieser Vorschrift gibt dem jeweiligen Fischereiberechtigten hierzu lediglich die Berechtigung, verpflichtet diesen jedoch nicht („kann“). Die Regelung schützt ohnehin nicht das Erwerbsinteresse (potentieller) Erlaubnisinhaber, sondern die Fischwasser und den Fischbestand als natürliche Lebensgrundlagen.
43
Da Art. 29 Abs. 1 S. 1 BayFischG sich nicht nur an öffentlich-rechtliche Körperschaften richtet, sondern darüber hinaus den Rechtskreis privater Fischereiberechtigter berührt, würde der hier geltend gemachte Kontrahierungszwang den letztgenannten Personenkreis in dessen Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG eingreifen, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund erkennbar wäre.
44
Eine bedingungslose Verpflichtung des Beklagten zur unbegrenzten Erteilung von Erlaubnisscheinen an alle Interessenten liefe auch der in Art. 1 Abs. 2 BayFischG dem Beklagten auferlegten Hegepflicht zuwider.
45
3. Ein Verstoß des Beklagten gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz i. S. v. Art. 3 Abs. 1 GG für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume liegt nicht vor, da dies ebenfalls einen – abzulehnenden – Kontrahierungszwang voraussetzen würde und der Gleichheitssatz den Beklagten nur in Rahmen seiner eigenen Hoheitsgewalt binden kann.
46
Ob und welche Anzahl an Patenten die anderen Anrainerstaaten des Bodensees den eigenen Berufsfischern erteilen, darauf hat der Freistaat Bayern keinen Einfluss. Eine grundrechtlich relevante Ungleichbehandlung scheitert bereits daran, dass die österreichischen oder schweizerischen Berufsfischer in Bezug auf die eigenen Patente nicht der Hoheitsgewalt des Freistaates Bayern unterworfen sind.
47
Eine Ungleichbehandlung des Klägers zu 1 im Verhältnis zu sonstigen bayerischen Berufsfischern, die tatsächlich der Hoheitsgewalt des Freistaates Bayern unterworfen sind, wird demgegenüber nicht dargetan.
48
4. Ein Verstoß des Beklagten gegen Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG für die noch in der Zukunft liegenden Zeiträume scheidet schon deswegen aus, weil der Beklagte für die entsprechenden Kalenderjahre noch überhaupt keine Entscheidung getroffen hat und insoweit zwangsläufig noch überhaupt kein Eingriff in den jeweiligen Schutzbereich stattgefunden hat bzw. haben kann. Die Frage der Patenterteilung wird schließlich jährlich von Neuem durch den Beklagten geprüft.
49
5. Ein Anspruch des Klägers zu 1 kann nicht aus § 242 BGB abgeleitet werden.
50
Die Generalklausel des § 242 BGB ist grundsätzlich keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern eine Schranke bzw. ein Korrektiv der Rechtsausübung und Rechtsverteidigung innerhalb als solcher bereits bestehender Schuldverhältnisse.
51
Soweit sich der Kläger zu 1 auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes beruft, ist hinsichtlich des Rechtsinstituts der nur unter ganz engen und strengen Voraussetzungen in Betracht kommenden sog. Erwirkung bereits das Tatbestandsmerkmal des erforderlichen längeren Zeitraums (sog. Zeitmoment) zu verneinen, da der Kläger zu 1 nicht dazu vorträgt, seit wann er selbst jährlich Hochseepatente erteilt bekommen hat.
52
Der Verweis darauf, dass der Beklagte in der Vergangenheit im Allgemeinen lange Jahre die Erlaubnisscheine sogar ohne Antrag ausgegeben hat, ist nicht ausreichend, da überhaupt nicht klar ist, ob und in welchen Zeiträumen der Kläger individuell hieraus Vorteile gezogen und an der früheren Handhabung partizipiert hat.
53
Abgesehen davon ist auch kein schutzwürdiges Vertrauen erkennbar (sog. Umstandsmoment), da die Erlaubnisscheine jährlich stets neu erteilt werden müssen und Art. 29 Abs. 2 S. 1 BayFischG eine maximale Geltungsdauer von drei Jahren gestattet, um flexibel auf etwaige Negativentwicklungen reagieren zu können. Hinzu kommt, dass der Kläger zu 1 – abgesehen von 2020 – unstreitig noch nie die Erlaubnis in der hier begehrten Form erhalten hat. Darauf hat der Beklagtenvertreter zu Recht hingewiesen.
54
B. Auch der durch den Kläger zu 2 mit dem Klageantrag Ziffer 2 geltend gemachte Anspruch besteht nicht.
55
Hier kann im Wesentlichen auf die unter A. erfolgten Ausführungen verwiesen werden.
56
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Oberlandesgericht München in seiner zitierten Entscheidung hinsichtlich der Handhabung der Altersgrenze durch den Beklagten unabhängig von der Frage der Eröffnung des Schutzbereichs keine subjektive Zulassungsvoraussetzung i. S. v. Art. 12 Abs. 1 GG sieht, sondern eine bloße Regelung der Art und Weise der Berufsausübung.
57
Auch im hier zu entscheidenden Fall wird dem Kläger zu 2 weder die Aufgabe seines Berufes als solches aufgezwungen noch das Fischen auf dem Bodensee insgesamt untersagt, sondern in Gestalt des Alterspatents lediglich bestimmten inhaltlichen Beschränkungen unterworfen. C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
58
D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.