Inhalt

LG Aschaffenburg, Beschluss v. 27.05.2020 – 33 O 2/18
Titel:

Versorgung, Arbeitsunfall, Arzt, Versicherungsfall, Heilbehandlung, Unfallversicherung, Verletztenrente, Verletzung, Rehabilitation, Beteiligung, Zivilverfahren, Behandlung, Verfahren, Schmerzen, Gebot der Wirtschaftlichkeit, bildgebende Verfahren, gesetzlichen Unfallversicherung

Schlagworte:
Versorgung, Arbeitsunfall, Arzt, Versicherungsfall, Heilbehandlung, Unfallversicherung, Verletztenrente, Verletzung, Rehabilitation, Beteiligung, Zivilverfahren, Behandlung, Verfahren, Schmerzen, Gebot der Wirtschaftlichkeit, bildgebende Verfahren, gesetzlichen Unfallversicherung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 62214

Tenor

1. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Würzburg verwiesen.

Gründe

I.
1
Die Parteien streiten um Regressansprüche im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung vom 18.10.2010.
2
1. Die Klägerin ist gesetzliche Unfallversicherungsträgerin und als solche für die Entschädigung und Rehabilitation nach Arbeitsunfällen zuständig. Zur Durchführung dieser Heilbehandlung nach § 34 SGB VII schließen die Verbände der gesetzlichen Unfallversicherungsträger und die kassenärztliche Bundesvereinigung gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII mit Wirkung für ihre Mitglieder Verträge.
3
Der zum Unfallzeitpunkt geltende Vertrag (gültig ab 01.04.2008) enthält insbesondere folgende Regelungen:
„§ 3 Erfüllung des Vertrages
Die Vertragspartner und ihre Mitglieder sind verpflichtet, diesen Vertrag gewissenhaft zu erfüllen (…)
§ 4 Beteiligung am Vertrag An den Vertrag sind alle Ärzte gebunden, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen oder von den Unfallversicherungsträgern beteiligt sind (…).
§ 6 Heilbehandlung
Die Unfallversicherungsträger sind nach den gesetzlichen Vorschriften verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, durch die eine möglichst frühzeitig nach dem Versicherungsfall einsetzende und sachgemäße Heilbehandlung und, soweit erforderlich, besondere unfallmedizinische Behandlung (im folgenden „besondere Heilbehandlung“ genannt) gewährleistet ist (…).
§ 8 Ärztliche Behandlung
(1) Die ärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit der Ärzte, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich und zweckmäßig ist und das Gebot der Wirtschaftlichkeit erfüllt (…).
§ 24 Durchgangsarztverfahren
(1) Durchgangsärzte sind Ärzte, die als solche von den Landesverbänden der DGUV beteiligt sind.
(2) Die von den Durchgangsärzten zu erfüllenden Voraussetzungen im Hinblick auf die fachliche Befähigung, die sachliche und personelle Ausstattung sowie die zu übernehmenden Pflichten werden in den „Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zur Beteiligung an Durchgangsarztverfahren“ festgelegt.
(3) Der Durchgangsarzt ist verpflichtet, die Tätigkeit persönlich auszuüben. Dies gilt auch für die Auswertung der Befunde beim Einsatz der Röntgen-Diagnostik und andere bildgebende Verfahren im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beurteilung von Art oder Schwere der Verletzung.
(4) Soweit erforderlich, können von den Landesverbänden der DGUV ständige DurchgangsarztVertreter anerkannt werden. Diese müssen ebenfalls über die fachliche Befähigung nach den „Anforderung der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren“ verfügen. (…) “
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Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Vertrages wird auf die Anlage K 15 (Bl. 106 ff. d. A.) Bezug genommen.
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In den im Vertrag Bezug genommenen „Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren“ ist unter anderem Folgendes geregelt:
„5. Pflichten
5.1 Der Durchgangsarzt verpflichtet sich, die durchgangsärztliche Tätigkeit in Übereinstimmung mit den Regelungen und unter Anwendung des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger (Ärztevertrag) in der jeweils geltenden Fassung auszuüben. Der Durchgangsarzt verpflichtet sich ferner:
5.2 die durchgangsärztliche Tätigkeit persönlich und unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit auszuüben. (…)“
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Hinsichtlich des vollständigen Inhalts der „Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zur Beteiligung am Durchgangsarztverfahren“ wird auf die Anlage K 29 (Bl. 496 ff. d.A.) Bezug genommen.
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In einem späteren Beteiligungsverfahren verpflichtet sich ein Durchgangsarzt nochmals ausdrücklich, seine Tätigkeit persönlich auszuüben.
8
Der Beklagte war im Jahr 2010 als Durchgangsarzt für den Bereich der Klägerin bestellt und als Chefarzt der chirurgischen Klinik … tätig.
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2. Am 18.10.2010 erlitt Herr … einen Arbeitsunfall. Die Erstversorgung des bei der Klägerin versicherten … erfolgte im Klinikum … Herr … wurde dabei von dem Arzt … untersucht, wobei dieser Röntgenuntersuchungen der HWS in zwei Ebenen, sowie des BWS/LWS-Übergangs in zwei Ebenen und der LWS in zwei Ebenen anordnete. Außerdem wurde ein CT der HWS durchgeführt. Ein CT der oberen LWS und des LWK wurde von Herrn … nicht angeordnet. Herr … stellte vielmehr die Erstdiagnose einer LWS-Prellung, einer HWS-Distorsion und einer Kopfplatzwunde. Herr … entschied, dass der Versicherte … in die allgemeine Heilbehandlung ambulant entlassen wird und schickte Herrn … ohne Thromboseprophylaxe nach Hause.
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An der Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Behandlung/Weiterbehandlung des Herrn … war der Beklagte am 18.10.2010 nicht beteiligt.
11
Aufgrund anhaltender Schmerzen stellte sich der Versicherte … am 06.11.2010 erneut im Klinikum … vor. Noch am selben Tag wurde ein CT der LWK 2 angeordnet und durchgeführt, wobei eine Kneifzangenfraktur der LWK 2 festgestellt werden konnte. Auch konnte bereits eine oberflächliche Phlebothrombose des Beins und eine Lungenembolie festgestellt werden. Die Lendenwirbelfraktur wurde am 16.11.2010 operativ versorgt.
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Nach Beendigung des stationären Aufenthaltes im Klinikum Aschaffenburg schloss sich für den Versicherten … zunächst eine stationäre und später eine ambulante Rehabilitation an.
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Der Versicherte … machte in der Folge in einem Zivilverfahren vor dem Landgericht … (Aktenzeichen 33 O 218/12) unter anderem gegen die Klägerin Ansprüche aufgrund eines Behandlungsfehlers geltend.
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Im Rahmen dieses Verfahrens wurde nach Einholung von fachradiologischen und fachorthopädischen Sachverständigengutachten seitens des Gerichts festgestellt, dass es der erstbehandelnde Arzt … behandlungsfehlerhaft unterlassen habe, bereits am 18.10.2010 eine CT Untersuchung der LWS anzuordnen. Hätte Herr … bereits am 18. Oktober ein solches CT angeordnet, dann hätte er die Kompressionsfraktur der LWK 2 erkennen und behandeln können. Die unterbliebene Behandlung der Kompressionsfraktur der LWK 2 führte in der Folge auch kausal zu den Beeinträchtigungen des Versicherten … in Form einer Thrombose verbunden mit einer Lungenembolie. Auch als kausal auf dem Behandlungsfehler zurückzuführen war nach Ansicht des Gerichts das schwere Drei-Etagen-PostthrombotischeSyndrom in beiden Beinen mit Kollateralisierung über die Vena saphena magna, bei weitgehendem Verschluss der tiefen Oberschenkelvene beidseits, die leichtgrade Blutrückflussstörung beidseits, die Phlebödemausbildung an beiden Beinen sowie die beginnenden Zeichen der chronisch venösen Insuffizienz.
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In dem vorgenannten Rechtsstreit wurde die Klägerin verurteilt, an den Versicherten … 40.120,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 40.000 € seit 06.03.2012, sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.196,43 € zu zahlen. Zudem wurde festgestellt, dass die jetzige Klägerin verpflichtet ist, den Versicherten … alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden der fehlerhaften Behandlung vom 18.10.2010, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind, zu ersetzen.
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Im vorgenannten Rechtsstreit führte das Gericht in seinem Urteil vom 17.05.2017 zudem aus, dass der erstbehandelnde Arzt … bei der Behandlung des Versicherten … im Rahmen des sogenannten Durchgangsarztverfahrens tätig geworden ist, weshalb die jetzige Klägerin als Unfallversicherungsträgerin hierfür hafte. Der Umstand, dass nicht der eigentlich zum Durchgangsarzt bestellte Professor … (hiesiger Beklagte) die ärztliche Tätigkeit persönlich ausübte und Herr … auch nicht zum ständigen Vertreter des Durchgangsarztes bestellt war, führte nicht dazu, dass nicht die jetzige Klägerin im Außenverhältnis gegenüber dem Versicherten … haftet; diese Problematik spiele lediglich im Innenverhältnis zwischen dem Durchgangsarzt und dem Unfallversicherungsträger eine Rolle. Diesbezüglich berief sich das Gericht in seinem Urteil vom 17.05.2017 auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 29.11.2016, Aktenzeichen VI ZR 208/15.
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Hinsichtlich des genauen und vollständigen Inhalts wird auf das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts … vom 17.05.2017 (vergleiche beigezogene Akte 33 O 218/12, dort Bl. 371 ff.) Bezug genommen.
18
Im vorgenannten Rechtsstreit 33 O 218/12 wurde dem jetzigen Beklagten ordnungsgemäß mit Schriftsatz vom 07.11.2013, zugestellt am 21.11.2013, der Streit verkündet.
19
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin direkt aus § 280 BGB hafte, da er gegen den Vertrag nach § 34 Abs. 3 SGB VII verstoßen habe, indem er am 18.10.2010 die durchgangsärztliche Tätigkeit nicht höchstpersönlich ausgeübt habe, sondern dies durch Herrn … ausführen ließ.
20
Das Fehlverhalten des Herrn … in Form des Behandlungsfehlers (festgestellt durch das Urteil im Verfahren 33 O 218/12) müsse sich der Beklagte nach § 278 BGB (ggf. analog) zurechnen lassen. Die Behandlung des Versicherten … habe gerade nicht der ärztlichen Kunst entsprochen, was jedoch auch für das durchgangsärztliche Verfahren zwingend erforderlich gewesen wäre.
21
Der Beklagte habe darüber hinaus einen Arzt für das durchgangsärztliche Verfahren eingesetzt, der zum damaligen Behandlungszeitpunkt nicht über die erforderliche Qualifikation verfügte, um als Vertreter des Durchgangsarztes tätig zu werden.
22
Der Beklagte habe zudem die durchgangsärztliche Tätigkeit, entgegen des Vertrages, auf Herrn … übertragen.
23
Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass sie im Wege eines Innenregresses einen Anspruch gegen den Beklagten habe, da dieser sich einen groben Behandlungsfehler des Assistenzarztes Schwinge nach § 278 BGB zurechnen lassen müsse. Im Vertrag nach § 34 Abs. 3 SGB VII sei in § 8 gerade geregelt, dass die ärztliche Behandlung die Tätigkeit der Ärzte umfasst, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst erforderlich und zweckmäßig ist. Bei der Behandlung des Versicherten … sei allerdings gerade vom medizinischen Facharztstandard abgewichen worden, sodass hierin ebenfalls ein Verstoß gegen diese Vertragsbestimmung liege.
24
Daher meint die Klägerin, dass der Beklagte für die Kosten in Höhe von insgesamt 51.048,13 €, welche mit dem Urteil im Verfahren 33 O 218/12 ausgeurteilt wurden, sowie für weitere Behandlung- und Heilbehandlungskosten des Versicherten … in Höhe von 13.440,11 € einzustehen habe. Zudem begehrt die Klägerin Ersatz für das von ihr an Herrn … gem. der Regelungen des SGB VII gezahlte Verletztengeld in Höhe von 33.616,27 € sowie der gezahlten Verletztenrente in Höhe von 31.927,69 €.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten sei auch die Haftungsprivilegierung des Art. 34 Satz 2 GG nicht anzuwenden, da sich ein Arzt für die durchgangsärztliche Tätigkeit aus freien Stücken entscheide, weshalb er einem „selbstständigen privaten Unternehmer“ gleichstehe, auf welchen die Privilegierung nicht anzuwenden sei.
26
Der Beklagte rügt zunächst die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges. Nach Ansicht des Beklagten liege eine sozialrechtliche Streitigkeit vor, so dass die Sozialgerichtsbarkeit zuständig sei.
27
Der Beklagte ist weiter der Ansicht, dass eine etwaige Haftung nach Art. 34 Satz 2 GG auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten beschränkt sei.
28
Der Beklagte behauptet, dass es zum damaligen Behandlungszeitpunkt die Anweisung gegeben habe, dass durchgangsärztlich zu behandelnde Patienten in der zentralen Notaufnahme durch den Beklagten persönlich untersucht und behandelt werden. Sofern eine Verhinderung des Beklagten bestanden habe, hätte es die Anweisung gegeben, dass die Behandlung durch seinen ständigen Vertreter, den leitenden Oberarzt, …, zu erfolgen habe und im Falle auch dessen Verhinderung stets der oberärztliche Bereitschaftsdienst hinzugerufen werden müsse.
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Am 19.10.2010 sei durch … die tags zuvor getroffene Entscheidung, den Versicherten Isfort in die ambulante Heilbehandlung zu entlassen, anhand der vorliegenden Röntgenund CTBefunde nachvollzogen und für richtig gehalten worden, weshalb es bereits an einer Kausalität zwischen einem klägerseits behaupteten Fehlverhalten und den begehrten Folgen fehlt. Auch der Beklagte selbst hätte, sofern er eingeschaltet worden wäre, die allgemeine Heilbehandlung beim Versicherten … angeordnet.
30
Der Beklagte ist daher der Ansicht, dass ihm weder ein grob fahrlässiges noch vorsätzliches organisatorisches Fehlverhalten in Bezug auf den Vertrag gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII vorgeworfen werden können.
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Die mit der Klage geltend gemachten Behandlungsmehrkosten und Verletztengeldsowie Verletztenrentenzahlungen nach SGB VII, stellen nach Ansicht des Beklagten bereits grundsätzlich keinen ersatzfähigen Schaden dar, wobei der Beklagte auf die Vorschrift des § 116 SGB X verweist.
II.
32
Der seitens der Klägerin bestrittene Zivilrechtsweg ist unzulässig. Es ist vielmehr der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG eröffnet, weshalb gem. §§ 13, 17a Abs. 2 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das Sozialgericht … zu verweisen ist.
33
1. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn dem Klagebegehren ein Sachverhalt zugrunde liegt, der nach den Normen des öffentlichen Rechts zu beurteilen ist. Hinsichtlich des öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses zwischen Durchgangsarzt (hier dem Beklagten) und Unfallversicherungsträger sind Streitigkeiten grundsätzlich der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen (vgl. Roos/Wahrendorf/Gutzeit, SGG § 51 Rn. 56; BSG Urt. v. 28.05.1974 – 2/8/2 RU 118/72; BSG Beschluss vom 03.01.1978 – 2 BU 199/77, BSG Urt. v. 05.09.2006 – B 2 U 8/05 R; MKLS/Keller, SGG § 51 Rn. 28a).
34
2. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf den Vertrag zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Durchführung der Heilbehandlung, der nicht speziell mit dem jeweiligen Durchgangsarzt, sondern zwischen der gesetzlichen Unfallversicherung und den Ärztekammern geschlossen wird und seine Grundlage in § 34 Abs. 3 S. 1 SGB VII findet. Bei diesem Vertrag nach § 34 Abs. 3 SGB VII handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von § 53 SGB X, wobei der Durchgangsarzt im Verhältnis zum Unfallversicherungsträger eine öffentlich-rechtliche Funktionen wahrnimmt (vgl. Kassler Kommentar Sozialversicherungsrecht § 34 SGB VII Rn. 23 m.w.N.).
35
Streitgegenständlich ist vorliegend dabei zum einen die Frage, wie die in § 24 Abs. 3, Abs. 4 des zuvor genannten Vertrages geregelte Vertreterregelung des Durchgangsarztes auszulegen ist, insbesondere ob der Beklagte sich im Zuge der Behandlung des Patienten … durch einen Assistenzarzt hat vertreten lassen dürfen oder ob er die Behandlung habe persönlich vornehmen müssen. Diese Problematik findet ihre Grundlage somit in dem vorgenannten Vertrag und dem dahinterstehenden öffentlich-rechtlichen Zweck der Sicherstellung einer dem notwendigen fachärztlichen Standard entsprechenden Qualifikation des behandelnden Durchgangsarztes.
36
Für diese Fragen der Vertragsauslegung kommt es nicht auf die im Zivilrecht relevanten patientenrechtlichen Gesichtspunkte und Einzelheiten der Heilbehandlung an. Maßgeblich ist vielmehr, was die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung und die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Vertragsparteien bindend für ihre Mitglieder vereinbaren wollten (so auch LG Dortmund, Beschluss vom 07. Februar 2019 – 4 O 316/17).
37
Sofern die Klägerin zum anderen die von ihr geltend gemachten diversen Zahlungs- und Feststellungsansprüche, teils als Regress, auf ärztliches Fehlverhalten stützt, beruft sie sich darauf, dass sich der Beklagte die behandlungsfehlerhafte, nicht lege artis erfolgte, ärztliche Behandlung des Assistenzarztes … zurechnen lassen müsse. Insoweit stützt sie sich gerade nicht auf ein eigenes Fehlverhalten des Beklagten. Ein derartiger Anspruch hat seine Grundlage ebenfalls maßgeblich im vorgenannten Vertrag nach § 34 Abs. 3 SGB VII. Dort ist in § 8 geregelt, dass die ärztliche Behandlung im Rahmen der vertraglichen Heilbehandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu erfolgen hat.
38
Allein aus diesem Vertrag ergäbe sich für den Durchgangsarzt selbst im Verhältnis zur Klägerin daher überhaupt die Pflicht, eine dem Facharztstandard entsprechende durchgangsärztliche Behandlung der Versicherten durchzuführen.
39
Weiterhin geht die Klägerin dabei selbst von einem im öffentlich-rechtlichen Vertrag begründeten Anspruch aus, da sie gerade auf eine Zurechnung nach § 278 BGB analog abstellt. Mithin ist auch nach dem klägerischen Vortrag eine vertragliche Sonderverbindung zwischen den Parteien streitentscheidend, da § 278 BGB eine solche vertragliche Sonderverbindung voraussetzt.
40
Sämtliche geltend gemachten Klageansprüche, auch soweit diese teilweise als Regressansprüche geltend gemacht werden, finden demnach ihre Grundlage und ihren eindeutigen Schwerpunkt in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 34 Abs. 3 S. 1 SGB VII. Diese rechtlichen Beziehungen der Unfallversicherungsträger zu den an der besonderen unfallmedizinischen Heilbehandlung teilnehmenden Ärzten und Krankenhäusern sind öffentlichrechtlicher Natur (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006 – B 2 U 8/05 R –) und damit der Sozialgerichtsbarkeit unterworfen.
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3. Etwas anders ergibt sich auch nicht aus Art. 34 Satz 3 GG.
42
Nach Art. 34 Satz 3 GG darf für den Schadensersatzanspruch gegen den Staat oder einen sonstigen Träger öffentlicher Gewalt – wie auch für den Rückgriffsanspruch gegen den Amtsträger – der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Art. 34 Satz 3 GG stellt selbst keine ausdrückliche Sonderzuweisung im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO dar, er setzt vielmehr eine solche einfachgesetzliche Rechtswegregelung voraus und garantiert sie von Verfassungs wegen (vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar Art. 34 GG, Rn. 305). Bei den Amtshaftungsansprüchen gegen den Staat oder einen sonstigen Hoheitsträger wegen rechtswidriger Ausübung öffentlicher Gewalt handelt es sich um öffentlich-rechtliche Ansprüche. Im Falle ihrer gerichtlichen Geltendmachung läge daher an sich eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit vor, über die nach § 40 Abs. 1 VwGO grundsätzlich die Verwaltungsgerichte entscheiden. Die von Art. 34 Satz 3 GG geforderte gesetzliche (Sonder-)Zuweisung an die ordentlichen Gerichte findet sich im § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach u.a. für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, der ordentliche Rechtsweg gegeben ist.
43
Wie zuvor bereits dargelegt, haben die seitens der Klägerin dargelegten Ansprüche auf Schadenersatz gegen den Beklagten ihre Grundlage ausschließlich in der Verletzung von Pflichten aus dem Vertrag zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Durchführung der Heilbehandlung, weshalb die vorliegende Streitigkeit nicht der Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO unterfällt.
44
Vielmehr ist gerade der Rechtsstreit der Verwaltungsgerichtsbarkeit und gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG im speziellen der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen, weshalb der Rechtsstreit an das Sozialgericht …, das seitens der Klägerin als örtlich zuständiges Sozialgericht benannt wurde, zu verweisen ist.