Titel:
Erwerbsminderung, Rente, Rentenversicherung, Bescheid, Behinderung, Gutachten, Krankheit, Widerspruchsbescheid, Gerichtsbescheid, Arbeitsmarkt, Tinnitus, Attest, Feststellung, Psychotherapie, Rente wegen Erwerbsminderung, depressive Episode, Einholung eines Gutachtens
Schlagworte:
Erwerbsminderung, Rente, Rentenversicherung, Bescheid, Behinderung, Gutachten, Krankheit, Widerspruchsbescheid, Gerichtsbescheid, Arbeitsmarkt, Tinnitus, Attest, Feststellung, Psychotherapie, Rente wegen Erwerbsminderung, depressive Episode, Einholung eines Gutachtens
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 28.09.2022 – L 19 R 320/20
BSG Kassel, Beschluss vom 31.01.2023 – B 5 R 184/22 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 62065
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.
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Der am …1962 geborene Kläger absolvierte eine Berufsausbildung zum Bäcker und war zunächst in diesem Beruf tätig. Im Anschluss daran war der Kläger Soldat auf Zeit. Danach war er als Schreiner und zuletzt als Elektromotorenbauer tätig. Seit Mitte Juni 2016 ist der Kläger – mit Unterbrechungen durch Arbeits-/Eingliederungsversuche am letzten Arbeitsplatz sowie die Inanspruchnahme von Resturlaub – arbeitsunfähig erkrankt.
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Am 14.05.2018 stellte der Kläger einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. In der Anlage zum Rentenantrag zur Feststellung der Erwerbsminderung gab er an, dass er sich seit Juni 2016 für erwerbsgemindert halte und verwies auf Arztberichte.
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Im Rahmen einer sozialmedizinischen gutachterlichen Stellungnahme vom 22.05.2018 für die Agentur für Arbeit Aschaffenburg (inhaltlicher Auftragsabschluss mit Kundenkontakt) kam Dr. P. zu dem Ergebnis, dass der Kläger bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt täglich weniger als drei Stunden leistungsfähig sei und zwar voraussichtlich über sechs Monate, aber nicht auf Dauer. Dem Kläger könne aktuell kein wesentliches Leistungsvermögen für eine zustandsangepasste Erwerbsarbeit attestiert werden und es sei nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als gegeben anzusehen, dass durch medizinische Maßnahmen binnen sechs Monaten wieder ein relevantes einschlägiges Leistungsvermögen hergestellt werden könne; dennoch könne solches mittels Durchführung einer länger dauernden stationären medizinischen Reha-Maßnahme versucht werden.
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Die Beklagte holte zunächst ein ärztliches Gutachten von Herrn Dr. med. M., D.-Stadt, ein. Im ärztlichen Gutachten vom 26.06.2018 stellte der Sachverständige folgende Diagnosen fest: 1. Angst und depressive Störung, gemischt (ICD-10 Schlüssel: F41.2 G), 2. Panikstörung (ICD-10 Schlüssel: F41.0 G), 3. LWS-Syndrom (ICD-10 Schlüssel: M54.4 G), 4. Weitere Diagnosen auf internistischem Fachgebiet (siehe Gutachten Herr Dr. med. S.). Der Sachverständige führte u. a. aus, dass sich im psychischen Befund Hinweise auf eine bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenz gezeigt hätten – die Angaben des Klägers seien mit dem klinischen Befund wiederholt nicht in Einklang zu bringen gewesen – und dass dem Kläger auf nervenärztlichem Fachgebiet Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von sechs Stunden und mehr ohne erhöhte Belastungen der Lendenwirbelsäule möglich und zumutbar seien. Es sollte sich hierbei um körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen, im Gehen und im Sitzen in Tagesschicht bzw. Früh-/ Spätschicht handeln.
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Ferner holte die Beklagte ein ärztliches Gutachten von Herrn Dr. med. S., Internist, Pneumologe, D.-Stadt, ein. Im ärztlichen Gutachten vom 23.07.2018 stellte der Sachverständige folgende Diagnosen fest: 1. Arterielle Hypertonie (ICD 10 Schlüssel: I1000 G), 2. Paroxysmale absolute Arrhythmie bei rezidivierendem Vorhofflimmern, Zustand nach AV-Knoten nach Reentry-Tachykardie mit 2maliger Ablation 2000 und 2001 (ICD 10 Schlüssel: I4810 G), 3. HWS-Syndrom bei BSV C6/7 (ICD 10 Schlüssel: M549 G), 4. Kopfschmerzsymptomatik, 5. Tinnitus beidseits, 6. Rezidivierender Schwindel bei Hinweis auf vestibuläre Störung links, Schlafstörung, 7. LWS-Syndrom bei BSV L5/S1, 8. Gonalgien beidseits, 9. Adipositas, 10. Psychiatrische Diagnosen (siehe Gutachten Herr Dr. med. M vom 26.06.2018). Der Sachverständige führte u. a. aus, es ergebe sich folgendes Gesamtleistungsbild: Leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich überwiegend im Sitzen ohne wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, kein häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, kein Heben von Lasten über ca. 7,5 kg, keine häufigen Überkopfarbeiten, weiterhin kein überdurchschnittlicher Zeitdruck oder psychischer Druck, keine Nachtschicht. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Elektromotorenbauer sei insbesondere durch die konzentrative Belastung erschwert; diesbezüglich hätten sich im nervenärztlichen Gutachten jedoch keine relevanten Einschränkungen gefunden, sodass diese Tätigkeit ebenfalls sechs Stunden und mehr täglich abverlangbar sei.
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Mit Bescheid vom 27.07.2018 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung wegen Nichterfüllung der medizinischen Voraussetzungen ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger nach ihrer medizinischen Beurteilung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne; die Einschränkungen, die sich aus den Krankheiten oder Behinderungen des Klägers (1. Angst und depressive Störung, gemischt, 2. Panikstörung, 3. Arterielle Hypertonie, 4. Paroxysmale absolute Arrhythmie bei rezidivierendem Vorhofflimmern, Zustand nach AV-Knoten nach Reentry-Tachykardie mit 2maliger Ablation 2000 und 2001, 5. HWS-Syndrom bei BSV C6/7, 6. Kopfschmerzsymptomatik, 7. Tinnitus beidseits, 8. Rezidivierender Schwindel bei Hinweis auf vestibuläre Störung links, Schlafstörung, 9. LWS-Syndrom bei BSV L5/S1, 10. Gonalgien beidseits, 11. Adipositas) ergäben, führten nicht zu einem Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.
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Gegen den Bescheid vom 27.07.2018 legte der Kläger mit Schreiben vom 01.08.2018, eingegangen bei der Beklagten am 03.08.2018, Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom 27.08.2018 begründete der Bevollmächtigte des Klägers den Widerspruch unter Bezugnahme auf ärztliche Unterlagen. Mit Schriftsatz vom 25.09.2018 wies der Bevollmächtigte des Klägers ergänzend darauf hin, dass die von der Beklagten durchgeführte Beurteilung die Leistungsbeeinträchtigung, die vorhanden sei, nur teilweise erfasse.
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Nach Auswertung der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgelegten Unterlagen teilte die Beklagte dem Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2018 mit, dass die Widerspruchsstelle der Beklagten am 04.10.2018 folgenden Beschluss gefasst habe:
„I. Dem Widerspruch vom 03.08.2018 gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung N. vom 27.07.2018 kann nicht entsprochen werden.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.“
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Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus, dass unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten nach Auffassung des Sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten keine Auswirkungen ersichtlich seien, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Dem Kläger seien demnach leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Vermieden werden sollten bei diesen Tätigkeiten häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, Heben von Lasten über 7,5 kg, häufige Überkopfarbeiten sowie überdurchschnittlicher Zeitdruck und psychischer Druck und Nachtschicht. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens beruhe auf den vorhandenen Befundunterlagen, insbesondere den Gutachten von Herrn Dr. med. M. vom 26.06.2018 und Herrn Dr. med. S. vom 23.07.2018. Dies gelte nach der Stellungnahme des ärztlichen Sachverständigen der Beklagten vom 05.09.2018 auch nach nochmaliger Überprüfung aller vorliegenden Unterlagen und unter Einbeziehung der Ausführungen in der Widerspruchsbegründung in die sozialmedizinische Beurteilung weiter. Die orthopädischen Einschränkungen seien zudem in der Gesamtschau aller medizinischer Unterlagen berücksichtigt worden. Der Widerspruch sei zulässig, jedoch nicht begründet. Die Widerspruchsstelle habe sich mit allen vorliegenden und vorgetragenen medizinischen und rechtlichen Sachverhalten auseinandergesetzt und keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass das sozialmedizinische Ergebnis nicht schlüssig und nachvollziehbar wäre. Es bestehe somit weiterhin kein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der angefochtene Bescheid sei zu Recht ergangen.
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Mit Schriftsatz vom 26.10.2018, eingegangen bei Gericht am 06.11.2018, hat die Beklagte mitgeteilt, dass bei ihr nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2018 der Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 08.10.2018 eingegangen sei und dass der Klägerbevollmächtigte mit der Notiz vom 25.10.2018 darum gebeten habe, diesen als Klage an das Sozialgericht weiterzuleiten. Im Schriftsatz vom 08.10.2018 ist zum Gutachten des Herrn Dr. med. S. vom 23.07.2018 und zum Gutachten des Herrn Dr. med. M. vom 26.06.2018 Stellung genommen worden. Mit Schriftsatz vom 30.10.2018, eingegangen bei Gericht am 30.10.2018, hat der Bevollmächtigte des Klägers die Klageerhebung bestätigt. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte des Klägers unter Verweis auf die Schriftsätze vom 08.10.2018 und 25.09.2018 vorgetragen, seitens der Bundesagentur für Arbeit sei unter dem 22.05.2018 festgestellt worden, dass der Kläger nur noch unter drei Stunden arbeiten könne.
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Das Gericht hat im Rahmen der Ermittlungen die den Kläger betreffende Verwaltungsakte von der Beklagten sowie die ihn betreffende Behindertenakte vom Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region Unterfranken, Versorgungsamt, D.-Stadt, beigezogen. Ferner hat das Gericht Befundberichte über den Zeitraum ab 2018 von Herrn K/Herrn Dr. med. H., C.-Stadt, Frau Dr. med. I., I.-Stadt, Herrn Dr. med. Dr. phil. J., J.-Stadt, und Frau Dr. med. K., K.-Stadt, eingeholt.
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Mit Beweisanordnung vom 02.01.2019 hat das Gericht Frau Dr. med. L., Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, D.-Stadt, zur ärztlichen Sachverständigen auf ihrem Fachgebiet ernannt und sie mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens gemäß § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – nach ambulanter Untersuchung des Klägers – beauftragt. Im nervenärztlichen Gutachten vom 14.02.2019 hat Frau Dr. med. L. folgende Gesundheitsstörungen festgehalten:
1. Angst und Depression, gemischt
3. Chronisches LWSund HWS-Syndrom, aktuell ohne radikuläre Symptomatik, ohne motorische Ausfälle
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Unter Berücksichtigung der oben genannten Gesundheitsstörungen sei dem Kläger zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine mindestens sechsstündige Tätigkeit zumutbar. Aufgrund der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen sollte es sich um leichte bis mittelschwere Tätigkeiten handeln. Vermieden werden sollten schwere Tätigkeiten, Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen oder häufiges Steigen. Aufgrund der depressiven Störung sollten zusätzlich Arbeitsbedingungen mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord-, Fließbandarbeit, Wechsel-, Nachtschicht, Arbeiten an laufenden Maschinen und Lärm vermieden werden. Im Rahmen der Intensivierung der Therapiemaßnahmen sei der Kläger in der Lage täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Meter mit zumutbaren Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Gegenüber den Untersuchungsergebnissen von Herrn Dr. med. M im Gutachten vom 26.06.2018 sei weder eine Verschlechterung noch eine Besserung eingetreten. Die Erwerbsminderung des Klägers bestehe seit Antragstellung und sei auf Dauer anzusetzen. Die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung der klägerischen Beschwerden seien nicht ausgeschöpft. Bislang sei keine suffiziente Behandlung der depressiven Störung erfolgt; sämtliche eingesetzte Präparate seien als sehr niedrig dosiert einzustufen, sodass sich hier weitere Therapiemöglichkeiten ergäben. Zudem sei die letzte Vorstellung des Probanden bei der Nervenärztin im April 2018 erfolgt, sodass hier von keiner kontinuierlichen nervenärztlichen Betreuung auszugehen sei.
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Mit Schriftsatz vom 15.03.2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers zum Gutachten der Frau Dr. med. L. vom 14.02.2019 Stellung genommen und ergänzende Fragen an die Sachverständige formuliert. Das Gericht hat daraufhin Frau Dr. med. L. mit Schreiben vom 20.03.2019 um Erstellung einer ergänzenden Stellungnahme gebeten. Mit Schriftsatz vom 22.03.2019 wies der Bevollmächtigte des Klägers ergänzend darauf hin, dass auch am 12.12.2018 und 19.03.2019 nervenärztliche Behandlungstermine stattgefunden hätten und ein weiterer Termin für Juli 2019 vereinbart worden sei. Unter dem 12.04.2019 legte der Bevollmächtigte des Klägers eine ärztliche Bescheinigung von Frau Dr. med. K. vom 09.04.2019 vor, aus der u. a. hervorgeht, dass die letzte Behandlung am 09.04.2019 stattgefunden habe, dass der Kläger wegen Unverträglichkeit auf äußere Einflüsse und viele Medikamente nur eine niedrige Dosis der erwähnten Medikamente (Fluoxetin, Zopiclon) einnehmen könne, dass sich die depressive Episode sowie die Angst- und Panikattacken verschlechtert hätten, dass Elektrohypersensibilität bestehe, dass der Kläger unter massiven Gelenk- und Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Tinnitus leide und dass er nur 200 Meter laufen könne. Zum Schriftsatz vom 15.03.2019 und in Beantwortung der dort formulierten Fragen hat Frau Dr. med. L. unter dem 04.04.2019, eingegangen am 15.04.2019, u. a. mitgeteilt, zur Beurteilung des Schweregrades der depressiven Symptomatik müssten die tatsächlich objektivierbaren Befunde hinzugezogen werden. Bei unauffälliger Psychomotorik, unauffälligen formalem Denken sei allenfalls von einer mittelgradigen depressiven Episode auszugehen. Diagnosekriterien, die für eine schwere depressive Episode sprechen würden, seien beim Kläger nicht zu beobachten gewesen. Aufgrund der psychiatrischen Diagnosen sei vom Vorliegen qualitativer, nicht jedoch quantitativer Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit auszugehen. Das Antidepressivum Fluoxetin in einer Dosis von 20 mg sei nicht ausreichend wirksam zur Behandlung der klägerischen Beschwerdesymptomatik; dieses Antidepressivum könne prinzipiell bis auf 40 bis 60 mg weiter aufdosiert werden, sodass sich hier weitere Therapieoptionen ergäben. In einer erneuten Stellungnahme vom 04.04.2019, eingegangen am 15.04.2019, wies Frau Dr. med. L. u. a. darauf hin, dass die nunmehr genannten Termine bei Frau Dr. med. K. bzw. deren Vertreter Herrn Dr. med. N insgesamt nichts an der sozialmedizinischen Einschätzung änderten. Wesentlich sei hierfür die Beurteilung des aktuellen psychopathologischen Befundes: es habe sich zwar eine gedrückte Stimmungslage gezeigt, mit jedoch nur leicht eingeschränkter Schwingungsfähigkeit, unauffälliger Psychomotorik. Auch die vom Kläger angegebenen Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit hätten sich im Rahmen der Untersuchungssituation nicht nachweisen lassen. Der Kläger sei durchaus in der Lage gewesen, seine eigene Lebensgeschichte und Krankheitsanamnese adäquat zu schildern; er habe auch ein Sprichwort und eine Unterschiedsfrage richtig erläutern können. Das formale Denken sei nicht verlangsamt gewesen, sodass hier allenfalls vom Vorliegen einer mittelgradigen depressiven Symptomatik auszugehen gewesen sei. Für das Vorliegen einer schweren depressiven Symptomatik sei eine Einschränkung der Psychomotorik sowie eine formale Denkhemmung Voraussetzung, beides hätte beim Kläger im Rahmen der Begutachtung aber nicht festgestellt werden können.
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Unter dem 17.05.2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers ein Attest vom 14.05.2019, erstellt von Herrn K/Herrn Dr. med. H., vorgelegt, in welchem festgehalten wird, dass sich bei dem Kläger nach Untersuchungen und Ausfüllen eines entsprechenden Fragebogens der Verdacht auf das Vorliegen eines Fibromyalgie-Syndroms ergeben habe und dass fortführende rheumatologische Untersuchungen noch ausstünden.
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Im Erörterungstermin am 18.06.2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG gestellt.
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Das Gericht hat daraufhin unter dem 18.06.2019 folgenden Beschluss erlassen:
„1. Auf Antrag des Klägers wird von einem von ihm noch zu benennenden ärztlichen Sachverständigen ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt. Die Formulierung der im Gutachten zu beantwortenden Fragen bleibt der Vorsitzenden vorbehalten. 2. Die Einholung des Gutachtens wird davon abhängig gemacht, dass von dem Kläger bis spätestens zum 18.07.2019 ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 € bei der Staatsoberkasse eingezahlt, der ärztliche Sachverständige bzw. die ärztliche Sachverständige benannt und eine Erklärung über die Übernahme eventuell überschießender Kosten bei Gericht vorgelegt wird. Weitere den Betrag überschießende Kosten hat der Kläger auf entsprechende Anforderung des Gerichts nachzuentrichten. Der Kläger trägt vorbehaltlich eine anderen Entscheidung des Gerichts die Kosten endgültig.“
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Die Erklärung über die Übernahme eventuell überschießender Kosten vom 25.06.2019 ist am 28.06.2019 und der Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 € ist am 18.07.2019 bei Gericht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 18.07.2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers Herrn Dr. med. F., F.-Stadt, als Sachverständigen benannt. Das Gericht hat Herrn Dr. med. F. mit Beweisanordnung vom 24.07.2019 zum ärztlichen Sachverständigen auf seinem Fachgebiet ernannt und ihn mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens gemäß § 109 SGG – nach ambulanter Untersuchung des Klägers – beauftragt. Mit Schreiben vom 08.08.2019 hat Herr Dr. med. F. das Gericht darüber informiert, dass der Kläger nach telefonischer Absage vom 05.08.2019 nicht zur Untersuchung am 07.08.2019 erschienen sei und dass er darum gebeten habe, die Unterlagen zurückzusenden. Auf die Nachfrage des Gerichts vom 13.08.2019 zum Fortgang des Verfahrens hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 14.08.2019 einen Antrag auf Ruhen des Verfahrens gestellt, weil sich der Gesundheitszustand des Klägers deutlich verschlechtert habe und deswegen auch der Gutachtenstermin bei Herrn Dr. med. F. am 07.08.2019 habe abgesagt werden müssen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22.08.2019 mitgeteilt, dass sie keinen Anlass sehe, einem Ruhen des Verfahrens zuzustimmen; von der Klägerseite sei eine massive Verschlechterung des Gesundheitszustandes ohne Vorlage entsprechender medizinischer Unterlagen vorgetragen worden, auch sei offengelassen worden, zu welchem Zeitpunkt eine Begutachtung nach § 109 SGG durchgeführt werden solle. Im Schriftsatz vom 11.09.2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers u. a. mitgeteilt, dass der Kläger hoffe, bis zum Ende des Jahres ausreichend stabilisiert zu sein, so dass eine Begutachtung erneut durchgeführt werden könnte, alternativ müsste über eine Hausbegutachtung nachgedacht werden; der Antrag auf Ruhen des Verfahrens werde aufrechterhalten. Beigefügt war ein Attest von Herrn K/Herrn Dr. med. H. vom 05.09.2019, in welchem festgehalten wurde, dass der Kläger über eine zunehmende Verschlechterung des Allgemeinbefindens mit Muskel- und Gelenkschmerzen, Tinnitus, brennenden Schmerzen am gesamten Integument, Palpitationen mit Herzrhythmusstörungen klage und dass es ihm aufgrund dieser Verschlechterung derzeit nicht möglich sei, entsprechende Arzttermine beim Rheumatologen und Psychiater wahrzunehmen. Nach mehrfachen Konsultationen des Klägers in der Praxis habe sich der Gesundheitszustand doch zunehmend verschlechtert, sodass von einer kurzfristigen Besserung nicht auszugehen sei. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15.10.2019 – unter Vorlage eine Stellungnahme von Frau Dr. med. O. vom 08.10.2019 – mitgeteilt, dass keine neuen medizinischen Befunde erhoben worden seien, die eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes begründen würden. Es würden sich aus den Unterlagen auch keine wesentlichen Aspekte als Begründung für die vorgetragene Behauptung ergeben, dass der Kläger nicht in der Lage sei, an einer Begutachtung mitzuwirken. Im Rahmen des Erörterungstermins am 26.11.2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers zugesichert, dem Gericht bis spätestens zum 16.12.2019 mitzuteilen, ob der Kläger noch an einer Begutachtung nach § 109 SGG interessiert ist und falls ja, wann eine solche stattfinden wird (Nennung eines möglichen Untersuchungstermins durch Herrn Dr. med. F.) oder ob gegebenenfalls die Durchführung einer Begutachtung nach § 109 SGG derzeit nicht mehr gewünscht wird, d. h. der Antrag nach § 109 SGG zurückgenommen wird, und eine Entscheidung des Gerichts beantragt wird. Mittels Notiz vom 06.12.2019 hat der Bevollmächtigte des Klägers das Gericht darüber informiert, dass der Kläger mit der Untersuchung bei Herrn Dr. med. F. einverstanden sei und die Untersuchung dort wahrnehmen werde. Auf die Nachfrage des Gerichts vom 23.12.2019, ob Herr Dr. med. F. noch bereit ist, ein Gutachten nach § 109 SGG zu erstellen und falls ja, wann eine entsprechende gutachterliche Untersuchung stattfinden könnte, hat der Bevollmächtigte des Klägers mittels Notiz vom 31.12.2019 mitgeteilt, dass Herr Dr. med. F. sicher bereit sei, das Gutachten zu erstellen; ein möglicher Termin für eine Untersuchung habe wegen der Feiertage bisher nicht eruiert werden können. Das Gericht hat daraufhin Herrn Dr. med. F. mit Schreiben vom 03.01.2020 unter Bezugnahme auf den Gutachtensauftrag vom 24.07.2019 gebeten, nunmehr das Gutachten nach § 109 SGG nach ambulanter Untersuchung des Klägers persönlich zu erstatten und zu unterschreiben, dieses binnen drei Monaten zu übersenden und in diesem Zusammenhang die in der Beweisanordnung vom 24.07.2019 formulierten Fragen zu beantworten. Mit Schriftsatz vom 27.01.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers das Gericht u. a. darüber informiert, dass er sich bemüht habe mit dem benannten Gutachter Herrn Dr. med. F. eine Absprache zu treffen hinsichtlich einer möglichst geringfügigen Belastung im Termin, dass sich dies nicht als möglich herausgestellt habe, dass er deshalb den Vorschlag des Gutachters (Antrag nach § 109 SGG) nicht aufrechterhalte und dass er eine anderweitige Begutachtung beantrage. Unter dem 28.01.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers ein Attest von Herrn K/Herrn Dr. med. H. vom 27.01.2020 vorgelegt, in dem festgehalten wird, dass sich der Kläger momentan aufgrund multipler Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Cephalgie, Schwindel und Schlaflosigkeit mit heute gemessenem Blutdruck von 170/110 mmHg körperlich und psychisch nicht in der Lage fühle, einen Gutachtentermin am 29.01.2020 in B.-Stadt wahrzunehmen. Mit Schriftsatz vom 06.02.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers „Herrn Dr. P., Sachverständiger für Umweltrisiken, F.-Straße, F.-Stadt“ als Sachverständigen benannt. Auf Nachfrage des Gerichts vom 12.02.2020, ob Herrn Dr. P. die Approbation als Arzt nach § 3 Bundesärzteordnung erteilt ist, hat der Bevollmächtigte des Klägers mittels Notiz vom 17.02.2020 mitgeteilt, dass Herr Dr. P. seiner Kenntnis nach zwar durchaus umfängliche medizinische Kenntnisse als Umweltfachmann habe, aber keine Arztapprobation; die Thematik liege stark im Umweltbereich, es sei enorm schwer, hier einen Arzt zu finden. Ferner hat der Bevollmächtigte des Klägers beantragt, Herrn Dr. P. gegebenenfalls nach § 106 SGG zu beauftragen. Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 17.02.2020 hat das Gericht den Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 19.02.2020 u. a. darüber informiert, dass aus jetziger Sicht nicht beabsichtigt ist, ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG einzuholen und ihm ergänzend Gelegenheit gegeben, im Zusammenhang mit dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bis spätestens zum 28.02.2020 einen Arzt als Sachverständigen zu benennen, der zur Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG bereit ist. Mit Schriftsatz vom 26.02.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers Herrn Dr. med. Q., Q.-Straße, Q.-Stadt, als Sachverständigen für ein Gutachten nach § 109 SGG benannt. Im Rahmen eines Telefongesprächs am 02.03.2020 hat die Praxis des Herrn Dr. med. Q. darauf hingewiesen, dass dieser derzeit so ausgelastet sei, dass er sich nicht in der Lage sehe, ein Gutachten nach § 109 SGG zu erstellen. Ferner hat Herr Dr. med. Q. mit Schreiben vom 02.03.2020 mitgeteilt, dass es ihm leider aus organisatorischen Gründen in absehbarer Zeit nicht möglich sei, das gewünschte Gutachten zu erstellen. Mit Schreiben vom 09.03.2020, zugegangen laut Eingangsstempel am 09.03.2020, hat das Gericht dem Bevollmächtigen des Klägers – nach vorheriger telefonischer Information am 02.03.2019 – nochmals Gelegenheit gegeben, im Zusammenhang mit dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bis spätestens zum 13.03.2020 einen Arzt als Sachverständigen zu benennen, der zur Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG bereit ist. Mit Schriftsatz vom 13.03.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers Herrn Dr. med. R., R.-Straße, R.-Stadt, als Sachverständigen benannt. Am 06.04.2020 hat Herr Dr. med. R das Gericht telefonisch u.a. darüber informiert, dass er nicht bereit sei, ein Gutachten nach § 109 SGG zu erstellen. Mit Schreiben vom 08.04.2020 hat das Gericht die Beteiligten hierüber in Kenntnis gesetzt und ihnen gegenüber eine Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 105 SGG) angekündigt; die Beteiligten haben die Gelegenheit erhalten, sich hierzu bis zum 30.04.2020 zu äußern. Den Erhalt des Schreibens vom 08.04.2020 hat die Beklagte unter dem 09.04.2020 bestätigt; der Bevollmächtigte des Klägers hat den Erhalt des Schreibens vom 08.04.2020 unter dem 14.04.2020 bestätigt. Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 15.04.2020 mit einer Entscheidung des Gerichts durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt. Mit Schriftsatz vom 23.04.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers u. a. mitgeteilt, dass der Kläger mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht einverstanden wäre und dass nunmehr Frau Dr. med. S, S-Straße, S-Stadt, als Sachverständige benannt werde.
- 1.
-
Unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27.07.2018, in der Form des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2018 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom gesetzlich frühesten Zeitpunkt an Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
- 2.
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Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
21
Die Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
22
Zur Begründung des Antrags hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 26.10.2018 auf die Begründung im Widerspruchsbescheid verwiesen. Mit den oben bereits erwähnten Schriftsätzen vom 22.08.2019 und 15.10.2019 hat sich die Beklagte ergänzend geäußert und den Antrag auf Klageabweisung weiterhin aufrechterhalten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakte und der Gerichtsakte, insbesondere auf die medizinischen Unterlagen sowie auf das Vorbringen der Beteiligten in den eingereichten Schriftsätzen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann den vorliegenden Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden vorher gehört, § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG.
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Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 27.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt.
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1. Zunächst ist festzuhalten, dass die erkennende Kammer durch die von dem Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 23.04.2020 vorgenommene Benennung von Frau Dr. med. S. als Sachverständige nicht daran gehindert war, in der Sache über den gestellten Klageantrag zu entscheiden.
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Das Gericht informierte den Klägerbevollmächtigten bereits mit Schreiben vom 19.02.2020 darüber, dass aus jetziger Sicht nicht beabsichtigt sei, ein weiteres Gutachten nach § 106 SGG einzuholen. Darüber hinaus erfolgte mit Schreiben vom 08.04.2020 eine Anhörung zur Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.
29
Die Benennung von Frau Dr. med. S. als Sachverständige mit Schriftsatz vom 23.04.2020 ist als Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG auf Einholung eines Gutachtens durch die benannte Ärztin zu verstehen. Diesem Antrag war nicht stattzugeben.
30
Denn mit den vorherigen Benennungen von Herrn Dr. med. F., Herrn Dr. N., Herrn Dr. med. P. und Herrn Dr. med. Q. war das Antragsrecht des Klägers nach § 109 Abs. 1 SGG verbraucht.
31
Zum ersten Untersuchungstermin am 07.08.2019 bei Herrn Dr. med. F. ist der Kläger nicht erschienen; im Rahmen der vorherigen Terminabsage habe der Kläger nach Auskunft durch den Sachverständigen darum gebeten, die Unterlagen zurückzusenden, wie es mit Schreiben vom 08.08.2019 dann auch geschah. Zur Begründung wurde seitens des Klägerbevollmächtigten unter dem 14.08.2019 ausgeführt, dass der Gutachtenstermin wegen einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers habe abgesagt werden müssen. Eine tatsächliche deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, durch die der Kläger an der Mitwirkung an einer Begutachtung gehindert wäre, lässt sich aber durch das mit Schriftsatz vom 11.09.2019 vorgelegte hausärztliche Attest vom 05.09.2019, welches primär eine subjektive Beschwerdeschilderung des Klägers wiedergibt, nicht objektivieren. Gleiches gilt auch für das mit Schriftsatz vom 28.01.2020 vorgelegte hausärztliche Attest vom 27.01.2020, welches im Hinblick auf den für 29.01.2020 angesetzten Untersuchungstermin bei Herrn Dr. med. F., zu dem der Kläger ebenfalls nicht erschienen ist, ausgestellt wurde. Zuvor hatte der Klägerbevollmächtigte das Gericht mit Schriftsatz vom 27.01.2020 bereits darüber informiert, dass er sich bemüht habe mit dem benannten Gutachter Herrn Dr. med. F. eine Absprache zu treffen hinsichtlich einer möglichst geringfügigen Belastung im Termin, dass sich dies nicht als möglich herausgestellt habe, dass er deshalb den Vorschlag des Gutachters (Antrag nach § 109 SGG) nicht aufrecht erhalte und dass er eine anderweitige Begutachtung beantrage. Mit Schriftsatz vom 06.02.2020 benannte der Bevollmächtigte des Klägers Herrn Dr. P als Sachverständigen. Auf Nachfrage teilte der Bevollmächtigte des Klägers unter dem 17.02.2020 mit, dass Herr Dr. P keine Arztapprobation habe. Als Gutachter nach § 109 SGG kommt gemäß dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG nur ein Arzt in Betracht. Arzt ist, wem die Approbation als Arzt nach § 3 Bundesärzteordnung erteilt ist. Andere Personen als Ärzte scheiden dagegen als Gutachter nach § 109 SGG aus (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG-Kommentar, 12. Auflage 2017, § 109 Rn. 5 m.w.N.). Herr Dr. P scheidet damit als Gutachter nach § 109 SGG aus. Mit Schriftsatz vom 26.02.2020 benannte der Bevollmächtigte des Klägers Herrn Dr. med. Q. als Sachverständigen für ein Gutachten nach § 109 SGG. Im Rahmen eines Telefongesprächs am 02.03.2020 wies die Praxis des Herrn Dr. med. Q. allerdings darauf hin, dass dieser derzeit so ausgelastet sei, dass er sich nicht in der Lage sehe, ein Gutachten nach § 109 SGG zu erstellen. Ferner teilte Herr Dr. med. Q. mit Schreiben vom 02.03.2020 mit, dass es ihm leider aus organisatorischen Gründen in absehbarer Zeit nicht möglich sei, das gewünschte Gutachten zu erstellen. Die Benennung von Herrn Dr. med. Q. als Sachverständigen blieb damit erfolglos. Mit Schreiben vom 09.03.2020 hat das Gericht dem Bevollmächtigen des Klägers – nach vorheriger telefonischer Information am 02.03.2019 – nochmals Gelegenheit gegeben, im Zusammenhang mit dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bis spätestens zum 13.03.2020 einen Arzt als Sachverständigen zu benennen, der zur Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG bereit ist. Mit Schriftsatz vom 13.03.2020 hat der Bevollmächtigte des Klägers Herrn Dr. med. als Sachverständigen benannt. Am 06.04.2020 hat Herr Dr. med. das Gericht telefonisch u.a. darüber informiert, dass er nicht bereit sei, ein Gutachten nach § 109 SGG zu erstellen. Die Benennung von Herrn Dr. med. als Sachverständigen blieb somit ebenfalls erfolglos.
32
Nach alledem, d.h. nach Benennung eines Arztes als Sachverständigen, dessen Benennung nach zweimaliger erfolgloser Vereinbarung eines Untersuchungstermins seitens des Klägers nicht mehr aufrechterhalten wurde, sowie nach Benennung eines Nichtarztes als Sachverständigen, der als Gutachter nach § 109 SGG ausscheidet, und nach Benennung zweier nicht zur Begutachtung bereiter Ärzte, war das Antragsrecht des Klägers nach § 109 Abs. 1 SGG verbraucht.
33
Hinzu kommt, dass es § 109 Abs. 2 SGG dem Gericht ermöglicht, einen klägerischen Antrag auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes auch dann abzulehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Verspätung aus grober Nachlässigkeit liegt vor, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, d.h. wenn nicht getan wurde, was jedem einleuchten muss (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG-Kommentar, 12. Auflage 2017, § 109 Rn. 11). Die zuletzt mit Schriftsatz vom 23.04.2020 vorgenommene Benennung von Frau Dr. med. S als Sachverständige nach § 109 Abs. 1 SGG war verspätet. Denn die erkennende Kammer hatte dem Bevollmächtigten des Klägers – nach vorheriger telefonischer Information am 02.03.2019 – zuletzt mit Schreiben vom 09.03.2020, zugegangen laut Eingangsstempel am 09.03.2020, nochmals Gelegenheit gegeben, im Zusammenhang mit dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bis spätestens zum 13.03.2020 einen Arzt als Sachverständigen zu benennen, der zur Erstellung eines Gutachtens nach § 109 SGG bereit ist. Eine Fristverlängerung wurde diesbezüglich nicht beantragt. Der erst mit Schriftsatz vom 23.04.2020 gestellte Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG auf Einholung eines Gutachtens bei Frau Dr. med. S ging nach Fristablauf ein. Der Umstand, dass der mit Schriftsatz vom 13.03.2020 benannte Arzt Herr Dr. med. sowie der zuvor mit Schriftsatz vom 26.02.2020 benannte Arzt Herr Dr. med. Q aus möglicherweise für die Klägerseite nicht erkennbaren Gründen die Erstellung des Gutachtens abgelehnt haben, ist insoweit unerheblich. Das Gericht hatte dem Bevollmächtigten des Klägers sowohl mit Schreiben vom 19.02.2020 als auch mit Schreiben vom 09.03.2020 aufgegeben, die Bereitschaft zur Gutachtenserstellung nach § 109 SGG abzuklären. Gleichwohl haben sowohl Herr Dr. med. als auch Herr Dr. med. Q. die Gutachtenserstellung nach § 109 SGG abgelehnt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass von Klägerseite aus vor der Benennung dieser Ärzte nicht ausreichend geklärt wurde, ob diese Ärzte zu einer zeitnahen Gutachtenserstattung bereit und in der Lage sind. Der Kläger muss sich das Verhalten seines Vertreters zurechnen lassen (§ 73 Abs. 6 S. 7 SGG i.V. m. § 85 Abs. 2 ZPO; § 202 S. 1 SGG i.V. m. § 51 Abs. 2 ZPO). Es liegt eine grobe Nachlässigkeit im Sinne des § 109 Abs. 2 SGG vor, aufgrund deren die Ablehnung des zuletzt schriftsätzlich gestellten Antrags auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 Abs. 1 SGG durch Frau Dr. med. S gerechtfertigt ist (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG-Kommentar, 12. Auflage 2017, § 109 Rn. 11). Würde dem Antrag dennoch nachgekommen, hätte dies eine Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits im Sinne des § 109 Abs. 2 SGG zur Folge, da dann nicht bereits jetzt entschieden werden könnte. Die Benennung von Sachverständigen im Rahmen der Antragstellung nach § 109 SGG reicht nunmehr schon bis Juli 2019 zurück. Der Kläger hatte damit ausreichend Gelegenheit, sein Antragsrecht nach § 109 Abs. 1 SGG praktisch zu verwirklichen (vgl. zum Ganzen: Sozialgericht -SGAugsburg, Urteil vom 24.01.2014, S 8 SB 381/12, Rn. 18-20, juris; SG Karlsruhe, Urteil vom 20.05.2014, S 1 SB 2343/13, Rn. 31-33, juris).
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Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles überwiegen für die erkennende Kammer die Gründe dafür, von der Ablehnungsmöglichkeit des § 109 Abs. 2 SGG Gebrauch zu machen.
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2. Die Klage kann in der Sache keinen Erfolg haben, weil die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht nachgewiesen sind.
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Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bzw. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
- 1.
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voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
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in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
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-
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
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Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Ergänzend führt § 43 Abs. 3 SGB VI aus, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.
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Die Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 43 Abs. 1 Satz 1
39
Nr. 1 SGB VI liegen bereits nicht vor, denn der Kläger ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im oben genannten Sinne. Ein Eingehen auf die weiteren Voraussetzungen nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI und § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI erscheint deshalb entbehrlich.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die erkennende Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht in einem zu einer vollen oder teilweisen Erwerbsminderungsrente berechtigenden Maße eingeschränkt ist. Der Kläger ist nach Ansicht der erkennenden Kammer in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes – bei Beachtung von qualitativen Einschränkungen der Arbeitsbedingungen – zu verrichten.
41
Es sollte sich hierbei um körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten handeln. Zu vermeiden sind: schwere Tätigkeiten, Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen oder häufiges Steigen, Arbeitsbedingungen mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord-, Fließbandarbeit, Wechsel-, Nachtschicht, Arbeiten an laufenden Maschinen und Lärm.
42
Eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sieht die erkennende Kammer nicht als nachgewiesen an. Die erkennende Kammer hat diesbezüglich keine Bedenken, sich den Ausführungen von Frau Dr. med. L. im nervenärztlichen Gutachten vom 14.02.2019 und in den ergänzenden Stellungnahmen vom 04.04.2019 anzuschließen und der Entscheidung zu Grunde zu legen. Der gerichtlichen Sachverständigen ist es mittels des Gutachtens vom 14.02.2019 gelungen, die von ihr erhobenen Befunde unter Berücksichtigung der sich in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen überzeugend auszuwerten und mit ausführlicher Begründung plausibel darzulegen, dass der Kläger aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen zwar qualitativ, nicht jedoch quantitativ in seinem Leistungsvermögen für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eingeschränkt ist. Das Gutachten vom 14.02.2019 lässt Widersprüche zwischen der Befunderhebung und der Beurteilung des Leistungsvermögens nicht erkennen; es wurde unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgetragenen Beschwerden und der beigezogenen ärztlichen Unterlagen sowie auch aufgrund eigener Untersuchung des Klägers am 30.01.2019 durch Frau Dr. med. L. erstattet. Im Rahmen der ergänzenden Stellungnahmen vom 04.04.2019 hat Frau Dr. med. L. die Ausführungen in ihrem Gutachten vom 14.02.2019 überprüft; sie ist hierbei auf die an sie gerichteten Fragen und Hinweise – unter Beachtung der vorgelegten Unterlagen – vertieft und umfassend eingegangen. Sie ist zu dem für die erkennende Kammer überzeugenden Ergebnis gekommen, dass allenfalls von einer mittelgradigen depressiven Episode und vom Vorliegen qualitativer, nicht jedoch quantitativer Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit auszugehen sei, dass sich weitere Therapieoptionen ergäben, dass die nunmehr genannten Termine bei Frau Dr. med. K. bzw. deren Vertreter Herrn Dr. med. M. insgesamt nichts an der sozialmedizinischen Einschätzung änderten, weil hierfür die Beurteilung des aktuellen psychopathologischen Befundes wesentlich sei und die Voraussetzungen für das Vorliegen einer schweren depressiven Symptomatik im Rahmen der Begutachtung nicht hätten festgestellt werden können. Insgesamt sind die Ausführungen von Frau Dr. med. L. nachvollziehbar, in sich widerspruchsfrei und daher überzeugend.
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Die sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme vom 22.05.2018 von Dr. P. ist hinsichtlich der Einschätzung des Leistungsbildes bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht überzeugend, weswegen ihr nicht zu folgen ist. Die in der sozialmedizinischen gutachtlichen Stellungnahme vom 22.05.2018 getroffene Feststellung, dass der Kläger - bei im Vordergrund stehender und als schwer ausgeprägt anzusehender psychischer Beeinträchtigung – bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich über sechs Monate, aber nicht auf Dauer, täglich weniger als drei Stunden leistungsfähig sei, ist in dieser Form für die erkennende Kammer nicht nachvollziehbar. Sie steht im auffälligen Widerspruch zu den Feststellungen des im Rahmen des Klageverfahrens eingeholten Gutachtens vom 14.02.2019 (inklusive ergänzender Stellungnahmen vom 04.04.2019) sowie zu den Feststellungen der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens seitens der Beklagten eingeholten Gutachten vom 26.06.2018 und 23.07.2018; dort wurde bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt jeweils ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Tag gesehen. Dr. P. teilte ferner mit, dass es zwar nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als gegeben anzusehen sei, dass durch medizinische Maßnahmen binnen sechs Monaten wieder ein relevantes einschlägiges Leistungsvermögen hergestellt werden könne; dennoch könne solches mittels Durchführung einer länger dauernden stationären medizinischen Reha-Maßnahme versucht werden. Die Ausführungen von Dr. P. sind so zu verstehen, dass die therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung der Beschwerden des Klägers noch nicht ausgeschöpft sind. Dies wiederum bedeutet aber, dass der Kläger allenfalls eingeschränkt leistungsfähig im Sinne einer Arbeitsunfähigkeit ist und dass eine rentenrechtliche Relevanz gerade zu verneinen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werden psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) davon auszugehen ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwinden kann – weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (vgl. Bayerisches Landessozialgericht -BayLSG-, Urteil vom 27.07.2016, L 19 R 395/14, Rn. 54, m. w. N., juris).
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Aus Sicht der erkennenden Kammer lässt sich weder aus den eingeholten noch aus den von Seiten des Klägers vorgelegten medizinischen Unterlagen ein unter sechsstündiges bzw. ein unter dreistündiges Leistungsvermögen des Klägers zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes belegen. Die festgestellten Gesundheitsstörungen führen nicht zu einer quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt; sie weisen lediglich auf das Vorliegen von qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens hin. Diese wurden im Gutachten von Frau Dr. med. L. vom 14.02.2019 nachvollziehbar und umfassend bezeichnet. Die von Frau Dr. med. L. angesprochene fehlende Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten zur Behandlung der klägerischen Beschwerden zeigen eine Behandlungsbedürftigkeit auf; eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt lässt sich hieraus nicht ableiten. Gleiches gilt auch bezogen auf die von der Klägerseite vorgelegten hausärztlichen Atteste vom 14.05.2019, 05.09.2019 und 27.01.2020. Dem Attest vom 14.05.2019 ist lediglich zu entnehmen, dass sich der Verdacht auf das Vorliegen eines Fibromyalgie-Syndroms ergeben habe und dass fortführende rheumatologische Untersuchungen noch ausstünden, so dass sich der Aussagewert auf eine Verdachtsdiagnose beschränkt, die in der Zwischenzeit weder bestätigt, noch ersichtlich behandelt wurde. Im Attest vom 05.09.2019 ist festgehalten worden, dass der Kläger über eine zunehmende Verschlechterung des Allgemeinbefindens mit Muskel- und Gelenkschmerzen, Tinnitus, brennenden Schmerzen am gesamten Integument, Palpitationen mit Herzrhythmusstörungen klage und dass es ihm aufgrund dieser Verschlechterung derzeit nicht möglich sei, entsprechende Arzttermine beim Rheumatologen und Psychiater wahrzunehmen. Nach mehrfachen Konsultationen des Klägers in der Praxis habe sich der Gesundheitszustand doch zunehmend verschlechtert, sodass von einer kurzfristigen Besserung nicht auszugehen sei. Im Attest vom 05.09.2019 werden primär die subjektiven Beschwerden des Klägers geschildert, ohne dass ersichtlich neue medizinische Befunde erhoben worden sind; es ergibt sich hieraus kein objektiver Befund, der eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers begründen würde. Auch im Attest vom 27.01.2020 ist vorrangig eine Aufzählung der vom Kläger subjektiv beschriebenen Beschwerden zu finden. Die Erforderlichkeit zur Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen ließ sich aus den zuvor genannten hausärztlichen Attesten nicht ableiten, weswegen die erkennende Kammer hiervon absah.
45
Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere aller medizinischer Unterlagen und aller vorgetragenen Argumente, hat die erkennende Kammer die Überzeugung gewonnen, dass eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers an geeigneten Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes auf weniger als drei Stunden täglich – also volle Erwerbsminderung – oder weniger als sechs Stunden täglich – also teilweise Erwerbsminderung – nicht gegeben ist.
46
Zwar kann ausnahmsweise eine Rentengewährung wegen voller Erwerbsminderung in Betracht kommen, wenn keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens besteht, aber bei dem Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bzw. eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen würde und ihm keine Tätigkeit benannt werden könnte, die er trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Dies ist aus Sicht der erkennenden Kammer jedoch nicht der Fall.
47
Das BSG sieht in diesem Zusammenhang eine Prüfung in mehreren Schritten vor: Zuerst ist festzustellen, ob mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen Verrichtungen erfolgen können, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden (z. B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Maschinenbedienung, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen). Lassen sich derartige Handlungsfelder nicht oder unzureichend beschreiben und kommen deshalb ernsthafte Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, ob eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Das Merkmal Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen trägt dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können (BayLSG, Urteil vom 13.09.2016, L 13 R 937/14, Rn. 79, juris, mit Verweis auf BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R). Wenn nach diesen Maßstäben eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, ist dem Versicherten im dritten Schritt mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen zu benennen, um einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auszuschließen (zum Ganzen: BSG, Urteil vom 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, Rn. 24 ff., juris).
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Für die erkennende Kammer ergeben sich unter Berücksichtigung der medizinischen Unterlagen bereits keine ernsthaften Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen, da zahlreiche Handlungsfelder als grundsätzlich geeignet anzuführen sind. Nach Meinung der erkennenden Kammer sind dem Kläger zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von sechs Stunden und mehr pro Tag körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten zumutbar. Zu vermeiden sind: schwere Tätigkeiten, Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen oder häufiges Steigen, Arbeitsbedingungen mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord-, Fließbandarbeit, Wechsel-, Nachtschicht, Arbeiten an laufenden Maschinen und Lärm. Mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen lassen sich aus Sicht der erkennenden Kammer noch ausreichend Handlungsfelder beschreiben, die bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. Da sich schon keine ernsthaften Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen ergeben, kommt es auf die Frage, ob beim Kläger eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, nicht entscheidungserheblich an. Lediglich ergänzend weist die erkennende Kammer darauf hin, dass die beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen weder als schwere spezifische Leistungsbehinderung noch als Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen einzuordnen sind. Jedenfalls im Rahmen der – von Frau Dr. med. L. im Gutachten vom 14.02.2019 näher erläuterten – Intensivierung der Therapiemaßnahmen ist der Kläger in der Lage täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Meter mit zumutbaren Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Eine rentenrechtliche Relevanz liegt mangels Ausschöpfung der vorhandenen und dem Kläger auch zumutbaren Behandlungsoptionen nicht vor.
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Insgesamt lässt sich beim Kläger somit weder das Vorliegen von voller Erwerbsminderung noch von teilweiser Erwerbsminderung überzeugend belegen. Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI besteht nicht.
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Ein Antrag auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI ist nicht ausdrücklich gestellt worden. Der Kläger hätte aber auch keinen Anspruch darauf, da er auf Grund seines Geburtsjahrganges nicht zu dem von der Übergangsvorschrift erfassten Personenkreis gehört (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).
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Die Klage konnte nach alledem keinen Erfolg haben und war daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.