Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 26.04.2020 – B 5 K 20.369
Titel:

Anforderung an den Nachweis für den Stromverbrauch medizintechnischer Geräte für die Erstattungsfähigkeit im Rahmen der Beihilfe

Normenkette:
Bundesbeihilfeverordnung
Schlagwort:
Anforderung an den Nachweis für den Stromverbrauch medizintechnischer Geräte für die Erstattungsfähigkeit im Rahmen der Beihilfe
Fundstelle:
BeckRS 2020, 62036

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2020 verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 441,78 EUR zu gewähren. 
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet. 

Tatbestand

1
Der inzwischen verstorbene ursprüngliche Kläger dieses Verfahrens war beihilfeberechtigter Versorgungsempfänger der Beklagten. Seine Ehefrau, die den Rechtsstreit nach dem Versterben des Klägers aufgenommen hat, wendet sich – vertreten durch ihren Sohn – weiter gegen die Nichterstattung von Stromkosten, die durch den Betrieb der medizintechnischen Geräte entstanden sind, an die der Kläger bis zu seinem Tod angeschlossen war.
2
1. Der Sohn des vormaligen Klägers wandte sich als dessen Vertreter erstmals mit Schreiben vom 30.12.2017 an die Beklagte und teilte mit, dass sein Vater die folgenden elektrisch betriebenen Hilfsmittel durch die Beihilfestelle genehmigt und geliefert bekommen habe:
1. Beatmungsgeräte ResMed VS 3
2. Philips EverFlo Sauerstoffkonzentrator
3. Allegra M20/M30 Absauggerät
4. Aeroneb Solo Vernebler
5. Rad 8 Pulsoximeter
6. Applix Smart Nahrungspumpe
7. Philips Cough Assist E70
8. Kommunikationscomputer incl. Augensteuerung
3
Diesem Schreiben legte er eine an Herrn …, D…straße …, … adressierte Stromverbrauchsbescheinigung der R… … vom 10.08.2016 für den Zeitraum April 2014 – August 2016 bei, die den Stromverbrauch der auf den Positionen 1 bis 7 gelisteten Geräte darstellte.
4
Mit Beihilfeantrag vom 08.03.2018 beantragte der Sohn des vormaligen Klägers u.a. die Erstattung von Stromkosten für die Jahre 2016 und 2017 in Höhe von 1.482,59 Euro für den durch den Betrieb von Medizingeräten angefallenen Stromverbrauch in Höhe von 4.919 kWh. Dem Antrag lag eine Stromverbrauchsbescheinigung der L… … GmbH & Co. KG für den Zeitraum 15.08.2016 bis 31.12.2017, betreffend …, D…straße…, …, bei, die einen Gesamtstromverbrauch wiederum für die unter den Positionen 1 bis 7 gelisteten Geräte von 4.919 kWh auswies. Die Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin mit Beihilfebescheid vom 13.03.2018 eine Beihilfesumme von 681,59 Euro.
5
Mit weiterem Antrag vom 13.03.2019 machte der Kläger unter Vorlage einer Stromverbrauchsbescheinigung der L… … GmbH & Co. KG vom 20.02.2019 für den Zeitraum 01.01.2018 bis 31.12.2018, betreffend …, D…straße …, …, einen Gesamtverbrauch von 6.210 kWh und zusätzlich für das Tobii Eyetrack Kommunikationssystem für das Jahr 2017 einen weiteren Verbrauch von 1.971 kWh geltend. Die Stromverbrauchsbescheinigung enthielt als Erläuterung den Hinweis, dass dieser Verbrauch in der Bescheinigung für 2017 versehentlich nicht mit ausgewiesen gewesen sei und diese Stromkosten für 2017 daher nunmehr erstmalig hätten berechnet werden können. Es ergab sich daraus ein Gesamtverbrauch von 8.181 kWh. Der Kläger beantragte daher, einen Rechnungsbetrag von 2.619,56 EUR im Wege der Beihilfe erstattet zu bekommen. Bereits auf Blatt 27 der Beihilfeakte findet sich ein nahezu identischer Nachweis der L… … GmbH & Co. KG vom 20.02.2019 für den Zeitraum 01.01.2018-31.12.2018, betreffend …, D…straße …, …, in dem es u.a. heißt: „Verbrauch 2017 (01.01.2017 – 31.12.2017, wurde in der letzten Bescheinigung versehentlich nicht mit ausgewiesen und somit erstmals mit dieser Bescheinigung (2019) monetär bewertet und fakturiert!) Tobii Eyetrack Kommunikationssystem 1.971 kWh“.
6
Mit Beihilfebescheid vom 05.04.2019 gewährte die Beklagte dem Kläger aus diesem Antrag eine Beihilfe von 1.391,91 Euro. Dem Grunde nach sei der gesamte Rechnungsbetrag von 2.619,56 Euro beihilfefähig. In der Höhe ergebe sich eine Beihilfefähigkeit von 1.988,44 Euro, was unter Zugrundelegung des Selbstbehalts in Höhe von 100 Euro gemäß § 25 Abs. 5 der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) und einem Bemessungssatz von 70 v.H. zu dem genannten Gesamtbetrag führe. Die 1.971 kWh für das Jahr 2017 wurden nicht anerkannt mit der Begründung, dass die Beantragung nicht innerhalb der Jahresfrist des § 54 Abs. 1 BBhV erfolgt sei.
7
Mit Schreiben vom 02.05.2019 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.04.2019, den er mit weiterem Schreiben vom 28.02.2019 begründete. Der Bescheid vom 05.04.2019 sei rechtswidrig, weil er die Abrechnung der Stromkosten für das Eyetrack Kommunikationssystem für den Zeitraum 2017 nicht berücksichtige. Diesen Betrag gestützt auf § 54 Abs. 1 BBhV als nicht erstattungsfähig zu bewerten, sei rechtswidrig, weil dem Beihilfeberechtigten erstmals am 20.02.2019 der tatsächliche Stromverbrauch kommuniziert sowie eine monetäre Bewertung vorgenommen worden sei. Dies ergebe sich aus der vorgelegten Stromverbrauchsbescheinigung. Davor sei es somit nicht möglich gewesen, die Kosten für den Stromverbrauch geltend zu machen.
8
Mit Schreiben vom 07.07.2019 übersandte der Sohn des Klägers die angeforderte Stromkostenrechnung aus dem Jahr 2017. Die fehlenden 1.971 kWh für das Jahr 2017 verteilten sich linear, also auf 164,25 kWh pro Monat. Auf Grundlage dieser Tatsache ergebe sich für den 01.01.2017 bis 31.03.2017 ein Zahlbetrag von 151,40 Euro sowie für den Zeitraum 01.04.2017 bis 31.12.2017 ein Betrag von 473,38 Euro. Es errechne sich daraus eine Gesamtsumme von 624,78 Euro. Er bitte um zeitnahe Nacherstattung.
9
Mit Schreiben vom 30.12.2019 wies die Beklagte den Sohn des Klägers darauf hin, dass er fernmündlich die Vorlage einer Stromkostenrechnung für 2017 zugesichert habe. Diese zweite Stromkostenrechnung für 2017 liege jedoch immer noch nicht vor. Man bitte nun um Vorlage bis zum 30.01.2020.
10
Mit Schreiben vom 03.02.2020 bat der Kläger um Fristverlängerung bis 28.02.2020. Im Zusammenhang damit legte er eine Abrechnung der S… und H. GmbH für den Zeitraum des gesamten Jahres 2017 mit einem Verbrauch von insgesamt 5.579 kWh vor.
11
Mit internem Schreiben der Beklagten vom 13.02.2020 gab das Bundesverwaltungsamt das Widerspruchsverfahren zur weiteren Bearbeitung an die interne Widerspruchsstelle ab.
12
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2020, laut Aktenvermerk am 17.03.2020 in den Postauslauf gegeben, wurde der Widerspruch des Klägers vom 02.05.2019 gegen den Beihilfebescheid vom 05.04.2019 zurückgewiesen. Die Beklagte führte aus, dass in der vorgelegten Jahresabrechnung 2017 der S… und H... GmbH der Stromverbrauch für den Haushalt des Klägers im Jahr 2017 mit insgesamt 5.579 kWh angegeben sei. Man habe bereits darauf hingewiesen, dass der Gesamtstromverbrauch von 5.579 kWh einem Stromverbrauch zum Betrieb der Hilfsmittel von 5.533,37 kWh gegenüberstehe. Dies würde bedeuten, dass auf den regulären Stromverbrauch im Haushalt des Klägers im Jahr 2017 lediglich 45,63 kWh angefallen wären. Der durchschnittliche Jahresverbrauch eines deutschen 2-Personen-Haushalts liege jedoch bei 3.000 kWh. Auch im Hinblick auf den Stromverbrauch für den Betrieb derselben Hilfsmittel im Jahr 2016, der sich ausweislich der Aktenlage auf 3.858,25 kWh belaufen habe, erscheine ein Gesamtstromverbrauch für das Jahr 2017 von 5.533,37 kWh nicht schlüssig. Der zulässige Widerspruch sei unbegründet. Mit dem Bescheid vom 13.03.2018 habe man rechtskräftig über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die für den Betrieb der Hilfsmittel im Jahr 2017 angefallenen Stromkosten entschieden. Die Tatsache, dass auf der Stromverbrauchsbescheinigung erstmalig ein Stromverbrauch für den Betrieb der Hilfsmittel im Jahr 2017 bescheinigt worden sei, stehe der Angabe in der ebenfalls vorliegenden vorherigen Stromverbrauchsbescheinigung entgegen. Hier sei der Stromverbrauch für den Zeitraum vom 15.08.2016 bis 31.12.2017 mit insgesamt 4.919 kWh angegeben. Die Aufwendungen für den anteilig im Jahr 2017 entstandenen Stromverbrauch für 3.562,37 kWh seien bereits im Beihilfebescheid vom 13.03.2018 als beihilfefähig anerkannt worden.
13
2. Mit Schriftsatz vom 20.04.2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, ließ der Kläger zunächst durch seinen Sohn als Vertreter Klage gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 05.03.2020 erheben und beantragte in der mündlichen Verhandlung zuletzt:
14
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 5. April 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2020 verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 441,78 EUR zu gewähren.
15
Mit Schriftsatz vom 15.07.2020 begründeten die nunmehrigen Bevollmächtigten die Klage insbesondere damit, dass man das Klagebegehren auf die weiteren Stromkosten für das Jahr 2017, also auf den Ersatz der Kosten für einen Verbrauch von 1.971 kWh beschränke. Die nunmehr geltend gemachte Position sei auch nicht verfristet. Sie sei erstmals in der Stromverbrauchsbescheinigung vom 20.02.2019 angeführt worden. Zu den von der Beklagtenseite erhobenen Einwendungen gegen den Verbrauch in der Jahresabrechnung für 2017 sei ausgeführt: Wäre der Stromverbrauch tatsächlich nur an einem Zähler angefallen, so wäre ein Gesamtverbrauch von 5.533,37 kWh bei einem Verbrauch von insgesamt nur 5.579 kWh tatsächlich zu hoch. Es handle sich aber bei dem Verbrauch von 5.579 kWh um die Abnahmestelle in der D…straße … in … (vormalige Wohnung des Klägers bis zum Jahr 2014) und bei den Stromkosten für das Jahr 2017 den am Ort seiner Intensivpflege im Gebäudekomplex Schloss … in … angefallenen Verbrauch. Der Kläger sei schwerstpflegebedürftig und die ihn versorgenden Maschinen liefen 24 Stunden am Tag, um ihn am Leben zu erhalten.
16
Mit Schriftsatz vom 27.07.2020 erwiderte die Beklagte, dass ihr bis zur Klagebegründung vom 15.07.2020 nicht bekannt gewesen sei, dass der Kläger seit 2014 umgezogen sei. Das habe man ihr nie mitgeteilt. Dies verändere den Sachverhalt entscheidend, denn für den Stromverbrauch der Hilfsmittel in der eigenen Wohnung genüge eine Stromverbrauchbescheinigung. Bei Versorgung in einer Pflegestelle, wo der Kläger nicht selbst Vertragspartner des Stromanbieters sei, stelle sich die Frage, ob der Stromverbrauch der Hilfsmittel nicht schon in der Pauschale für die Behandlungspflege des Klägers enthalten sei. Hierfür bezahle die Beklagte monatlich 12.245,10 EUR. Der Kläger möge von der Pflegestelle bescheinigen lassen, dass der Stromverbrauch der Hilfsmittel nicht in der Pauschale der Behandlungspflege enthalten sei. Dafür werde dann auch eine Rechnung der Pflegestelle über den Stromverbrauch der Hilfsmittel benötigt. Diese müsse für jeden der dort Gepflegten einen Betriebsstundenzähler haben. Sofern der Kläger Nachweise erbringe, könne eventuell anerkannt werden.
17
Der Kläger ließ mit Schriftsatz vom 16.10.2020 vortragen, dass es der Beklagten seit dem Jahr 2014 bekannt gewesen sei, dass sich der Kläger in der Pflegeeinrichtung von F … befinde. Dies habe ihr der Sohn des Klägers mitgeteilt. Die Beklagte bekomme regelmäßig monatlich mindestens zwei Rechnungen, aus denen ersichtlich sei, wo der Kläger untergebracht sei. Zum Beweis lege man eine Rechnung der H … AG vom 01.10.2020 und eine Rechnung der Fr … … … GmbH vom 02.10.2020 jeweils in Kopie vor. Auf den Leistungsnachweisen der Firma F… sei jeweils die Pflegeadresse angegeben. Dabei erbringe die Firma F… lediglich ambulant die Pflegeleistungen sowie eine 24-Stunden-Bereitschaft. Der Kläger sei in einer sogenannten Beatmungs-WG untergebracht. Er habe dort ein eigenes Zimmer angemietet. Vermieter sei die Firma Sa… GmbH. Die Wohneinheit bestehe aus sechs Zimmern. Bereits im Jahr 2014 habe man diesbezüglich mit der Beklagten Gespräche wegen der Kostenübernahme geführt. Technisch sei es nicht möglich, für jedes Zimmer einen einzelnen Stromkostenzähler zu installieren. Jedes medizinische Gerät habe aber einen sogenannten Betriebsstundenzähler. Diese würden jährlich ausgelesen und schriftlich vom Versorgungsdienstleister in Form der Stromkostenbescheinigung dokumentiert. Weitere Stromkosten würden gewöhnlich nicht anfallen, wenngleich in den monatlichen Abschlagszahlungen an die Sa… GmbH überwiegend nur die Stromkosten der medizinischen Geräte berücksichtigt seien. Kosten würden also monatlich für zwei Positionen entstehen, die anhand von Kontoauszügen unter Beweis gestellt würden: Die für das Zimmer sowie Nebenkosten. Die Nebenkosten würden jährlich neu festgelegt, als Berechnungsgrundlage diene die Stromverbrauchsbescheinigung. In diesen Nebenkosten sei monatlich eine Pauschale für den Strom des Fernsehgerätes und die Zimmerbeleuchtung in Höhe von 10 Euro enthalten. Weitere Stromverbraucher gebe es im Zimmer des Klägers nicht. Eine Grundgebühr für den Strombezug werde nicht erhoben, lediglich die Kilowattstunden entsprechend der Stromverbrauchsbescheinigung würden berücksichtigt. Der Verbrauch sei statisch. Aktuell betrage der Stromverbrauch monatlich gerundet 525 kWh, was bei 0,32 Euro/kWh einem Betrag von 160 Euro entspreche. Der Kläger benötige 24 Stunden am Tag Sauerstoff. Der Sauerstoffkonzentrator habe einen Verbrauch von 295 W. Er sei zudem den ganzen Tag auf einen Kommunikationscomputer mit Augensteuerung angewiesen, um kommunizieren zu können. Dieses Gerät verbrauche 300 W. Das ergebe sich aus den beigelegten Kontoauszügen.
18
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 02.11.2020, dass der Kläger weiterhin keinen ausreichenden Nachweis über die von ihm getätigten Aufwendungen für Stromkosten vorgelegt habe. Bisher habe der Kläger die – offensichtlich irrelevanten – Stromverbrauchsbescheinigungen der Firma L… … vorgelegt, aus denen die Meldeadresse des Klägers in der D…straße hervorgehe. Die Beklagte könne nicht wissen, dass der Bevollmächtigte die nicht relevante Stromkostenrechnung geschickt habe. Man speichere aus Datenschutzgründen keine Belege über die gesetzlich zulässigen Fristen hinaus. Verschiedene Sachbearbeiter könnten frühere Belege nach Ablauf dieser Frist nicht mehr einsehen. Der Kläger möge Nachweise über die Stromkosten im Jahr 2017 vorlegen, die über die mit Bescheid vom 13.03.2018 anerkannten Stromkosten hinausgingen.
19
Die Klägerseite legte mit Schriftsatz vom 23.02.2021 die Stromverbrauchsbescheinigung der L… … GmbH & Co. KG vom 15.01.2021 vor. Aus dieser mit „Stromverbrauchsbescheinigung 2016/2017“ überschriebenen Anlage ergeben sich folgende Daten:
„Kunde: …, D…straße …, … – …1937 Verbrauchsstelle: …, Schloss…, … es wird bescheinigt, dass der Verbrauch an Kilowattstunden in dem o.g. Zeitraum auch tatsächlich angefallen ist. Die Auswertung der Stromkosten erfolgte auf Grundlage der internen Betriebsstundenzähler der jeweiligen Geräte. Die Verbrauchsstelle für den o.g. Zeitraum war Schloss … in … Die Angabe der Verbrauchsstelle wurde in den Stromkostenbescheinigungen der Folgejahre berücksichtigt.“
20
Daraufhin monierte die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.03.2021 erneut, dass weiterhin kein Nachweis über die gezahlten Stromkosten im Jahr 2017 übermittelt worden sei. Man benötige die Kontobelege 2017 oder die Nebenkostenabrechnung.
21
Der Klägerbevollmächtigte legte sodann mit Schriftsatz vom 18.06.2021 die Stromkostenabrechnung der Sa… GmbH, Schreiben vom 31.05.2021 in Kopie, sowie die Stromverbrauchsbescheinigung der L… … GmbH & Co. KG vom 15.01.2021 für die Jahre 2016-2020 in Kopie vor. Die bereits mit Schriftsatz vom 16.10.2020 dargestellte Abrechnungspraxis in der Einrichtung, in der der Kläger gepflegt werde, würde sicherstellen, dass auch nur die medizinisch notwendigen Kosten erfasst würden, indem der Verbrauch auf der Grundlage der Leistungsaufnahme der Geräte und deren Betriebsdauer, diese wiederum mittels des internen Betriebsstundenzählers, ermittelt werde.
22
Die L… … GmbH Co. KG teile in den Stromverbrauchsbescheinigungen 2016-2020 die ermittelten Kilowattstunden mit bzw. bestätige diese wie folgt:
„15.08.2016 – 31.12.2017 4.919 kWh
01.01.2018 – 31.12.2018 6.287 kWh
01.01.2019 – 31.12.2019 6.289 kWh
01.01.2020 – 31.12.2020 6.316 kWh“
23
Die Sa… GmbH rechne die verbrauchten kWh dann in Euro ab wie folgt:
„15.08.2016 – 31.12.2017 1.482,59 Euro
01.01.2018 – 31.12.2018 1.948,97 Euro
01.01.2019 – 31.12.2019 1.949,59 Euro
01.01.2020 – 31.12.2020 1.957,96 Euro Belegt würden die Verbräuche und die dadurch verursachten Kosten für die zur Verbrauchsstelle des Klägers in den Verbrauchsbescheinigungen der L… … GmbH & Co. KG gelisteten medizinischen Geräte.“
24
Die Beklagte rügte im Schriftsatz vom 12.07.2021, dass auch die nunmehr vorgelegten Belege keinen neuen Nachweis für bisher nicht erstattete Stromkosten darstellten. Der Kläger habe nun eine zusammenfassende Übersicht der Stromkostenabrechnungen der Firma Sa… vom 31.05.2021 vorgelegt und daraus ergebe sich kein Verbrauch, der nicht schon erstattet wäre. Man beantrage daher
Klageabweisung.
25
Der Klägerbevollmächtigte teilte mit Schriftsatz vom 23.08.2021 mit, dass der Kläger am …2021 verstorben sei. Er werde von der Ehefrau beerbt, die den Prozess aufnehme. Auch diese werde vom gemeinsamen Sohn vertreten. Sie sei ebenfalls pflegebedürftig.
26
Weiter teilte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsätzen vom 23.08.2021 bzw. vom 01.02.2022 mit, dass durch die Wohnungsauflösung beim verstorbenen Kläger nicht mehr alle Dokumente vorliegen würden bzw. diese bei der Wohnungsauflösung entsorgt worden seien und dass der Sohn der Klägerin sich außerstande sehe, die Ausführungen der Gegenseite, nachzuvollziehen.
27
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördensowie die Gerichtsakte Bezug genommen. Hinsichtlich des Vorbringens der – einzig erschienenen – Klägerseite in der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll 26.04.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

28
Das Gericht kann trotz des Nichterscheinens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beklagte bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 1 und 2 VwGO).
29
I. Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.04.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.03.2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf Beihilfegewährung durch die Beklagte in Höhe von weiteren 441,78 Euro für den im Jahr 2017 entstandenen Stromverbrauch in Höhe von 1.971 kWh durch den Betrieb des Augenkommunikationscomputers Tobii Eyetrack (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
30
1. Die Klägerin kann den eingeklagten Beihilfeanspruch als eigenen geltend machen. Der Beihilfeanspruch des vormaligen Klägers ist mit dessen Tod im Wege der Erbfolge gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) auf die Klägerin übergegangen. Diese führt den Rechtsstreit fort; eine Klageänderung liegt nicht vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2012 – 2 C 24.10 – juris Rn. 12). Die Klägerseite hat im Laufe des gerichtlichen Verfahrens sowohl den entsprechenden Erbschein als auch die Sterbeurkunde für den ursprünglichen Kläger, Herrn …, vorgelegt.
31
Die Erfüllung des Beihilfeanspruchs ist auch theoretisch möglich. Gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 3 BBhV kann nach dem Tod der beihilfeberechtigten Person die Beihilfe mit befreiender Wirkung auf ein Konto einer oder eines durch Erbschein oder durch eine andere öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde ausgewiesene Erbin oder Erben gezahlt werden.
32
Des Weiteren kann der Sohn der nunmehrigen Klägerin als deren Vertreter den streitgegenständlichen Beihilfeanspruch geltend machen, weil der Sohn die Vertretung seiner Mutter durch von ihm und der Klägerin unterzeichnete Vollmacht vom 01.05.2018 nachgewiesen hat (Bl. 141 ff. der Gerichtsakte).
33
2. Für die rechtliche Beurteilung der von der Klägerin geltend gemachten beihilferechtlichen Ansprüche ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die eine Beihilfe begehrt wird, soweit nicht eine später ergangene Regelung Rückwirkung für vergangene Zeiträume entfaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 – 5 C 9.14 – juris Rn. 8). Anwendbar ist deshalb § 80 Abs. 4 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) i.V.m. der im Jahr 2017 geltenden Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326) in der Fassung der Achten Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 24.07.2018 (BGBl. I S. 1232, ber. 2019, S. 46).
34
3. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten weiteren Stromkosten für den Betrieb des Augensteuerungscomputers Tobii Eyetrack des damals pflegebedürftigen ehemaligen Klägers in Höhe von insgesamt 441,78 EUR im Wege der Beihilfe aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BBhV i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BBhV.
35
Danach besteht auf die Gewährung von Beihilfe ein Rechtsanspruch, sofern im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen die Beihilfeberechtigung besteht und diese notwendig und wirtschaftlich angemessen sind.
36
Die Beihilfeberechtigung des verstorbenen Klägers ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
37
Zwischen den Beteiligten war bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren unstreitig, dass die beantragten Stromkosten für einen Verbrauch in Höhe von 1.971 kWh grundsätzlich dem Grunde und der Höhe nach gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV beihilfefähig sind. Weder wurde diese Position von Klägerseite zu spät geltend gemacht, noch fehlt es an einem ausreichenden Nachweis über die entstandenen Kosten. Die Pflegeadresse des verstorbenen früheren Klägers dieses Verfahrens war der Beklagten nach Auffassung des Gerichts bekannt.
38
Der Anspruch der Klägerin ist bereits nicht durch § 54 BBhV wegen Ablaufs der Jahresfrist erloschen. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 BBhV wird Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Rechnungsdatum beantragt wird.
39
Die Beklagte hatte zunächst die Auffassung vertreten, dass die erstmals mit Beihilfeantrag vom 13.03.2019 geltend gemachte Position von 1.971 kWh für das Tobii Eyetrack Kommunikationssystem für das Jahr 2017 nicht innerhalb der Jahresfrist geltend gemacht worden und damit nicht mehr erstattungsfähig sei. Dies trifft nicht zu. So enthält die streitgegenständliche Stromverbrauchsbescheinigung der L… … GmbH & Co. KG vom 20.02.2019 explizit als Erläuterung den Hinweis, dass dieser Verbrauch in der Bescheinigung für 2017 versehentlich nicht mit ausgewiesen gewesen sei und diese Stromkosten für 2017 daher nunmehr erstmalig hätten berechnet werden können. Auch aus dem auf Blatt 27 der Beihilfeakte befindlichen, nahezu identischen Nachweis der L… GmbH & Co. KG vom 20.02.2019 für den Zeitraum 01.01.2018-31.12.2018, betreffend …, D…straße …, …, geht hervor, dass der Verbrauch 2017 (01.01.2017 – 31.12.2017) für das Tobii Eyetrack Kommunikationssystem in Höhe von insgesamt 1.971 kWh in der letzten Bescheinigung versehentlich nicht mit ausgewiesen und somit erstmals mit dieser Bescheinigung (2019) monetär bewertet und fakturiert worden sei.
40
Selbst nach einem internen Vermerk der Beklagten vom 13.02.2020 stellte diese schließlich fest, dass die Jahresfrist des § 54 BBhV in Bezug auf die streitgegenständliche Position nicht verstrichen war.
41
Weiterhin ist auch von Seiten der Klägerin unstreitig, dass nach § 25 Abs. 5 BBhV von den Kosten ein Selbstbehalt in Höhe von 100 Euro in Ansatz zu bringen ist, den die Klägerin selbst zu tragen hat.
42
Das Gericht geht zudem davon aus, dass die zur Erstattung begehrte Summe auch durch Vorlage eines formell ordnungsgemäßen und inhaltlichen hinreichend aussagekräftigen Belegs nachgewiesen ist. Die Beklagtenseite moniert durchweg, dass eine Stromverbrauchsbescheinigung nicht mit einer von ihr geforderten Stromkostenrechnung gleichzusetzen sei und es daher am ordnungsgemäßen Nachweis der vermeintlich entstandenen Kosten mangle.
43
Von der Klägerseite war im Laufe des Verfahrens eine sog. Stromverbrauchsbescheinigung 2018 mit dem nachträglich ausgewiesenen Verbrauch für den Kommunikationscomputer in Höhe von 1.971 kWh vorgelegt worden. Darüber hinaus findet sich in den Verfahrensakten eine von der Klägerseite vorgelegte Übersicht über die Stromtarife der S…, aus dem sich der klagegegenständliche Wert von 631,11 bzw. 624,78 Euro errechnen lässt. Die L… … GmbH & Co. KG erstellte auf Anforderung der Klägerseite für das gerichtliche Verfahren unter dem Datum 15.01.2021 erneut eine zusammenfassende Übersicht, in der jeweils unter dem Titel „Stromverbrauchsbescheinigung“ der Jahresgesamtverbrauch für die Jahre 2020, 2019 und 2018 erneut für jedes vom verstorbenen Kläger benötigte Versorgungsgerät einzeln dargelegt war. Die Bescheinigungen erläutern außerdem, dass der o.g. Verbrauch an Kilowattstunden tatsächlich angefallen sei. Die Auswertung der Stromkosten erfolge auf Grundlage der internen Betriebsstundenzähler der jeweiligen Geräte. Der o.g. Stromverbrauch sei grundgebührenfrei, für jede kW/h würden 0,31 Euro an Stromkosten angesetzt. Im Hinblick auf den Verbrauch für die Jahre 2016 und 2017 versicherte die L… … GmbH & Co. KG hierzu, dass die Verbrauchsstelle für diesen Zeitraum Schloss …, … – also die Pflegeadresse des Verstorbenen – gewesen sei. Die Angabe der Verbrauchsstelle sei in den Stromkostenbescheinigungen der Folgejahre berücksichtigt worden.
44
Für das Gericht lässt sich dadurch und durch die erläuternden klägerischen Ausführungen zweifelsfrei die Entstehung des geltend gemachten Betrags nachvollziehen und auch belegen.
45
Unschädlich ist dabei, welche Adresse des verstorbenen früheren Klägers in den Verbrauchsbescheinigungen zunächst angegeben war. Die Beklagte moniert, dass ihr bis zur Klageerhebung nicht bekannt gewesen sei, dass der verstorbene Kläger und Beihilfeberechtigte sich in einer Pflegeeinrichtung und nicht an seiner Meldeadresse, also zu Hause, aufhalte. Eine Erwiderung darauf, dass ihr dieser Umstand nach Vortrag der Klägerseite bekannt sein müsse, weil sich anders auch nicht erklären lasse, warum die Beihilfestelle monatlich Kosten in Höhe von ungefähr 12.000 Euro für die Unterbringung des verstorbenen Klägers in der Pflegeeinrichtung erstatte, erfolgte nicht. Aus diesem Umstand der Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung meint die Beklagte jedoch – für das Gericht nicht nachvollziehbar – erhöhte Anforderungen an den Nachweis zusätzlich entstandener Stromkosten ableiten zu können. Woraus sich diese Anforderung ergeben soll – sprich, dass bei für den Betrieb der Geräte entstandener Stromverbrauch in der Meldeadresse einer geringeren Nachweispflicht unterliege, als bei Anfall an der Pflegeadresse – erläutert die Beklagte nicht. Darüber hinaus ergibt sich auch aus der vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Bestätigung der Sa… GmbH vom 31.05.2021 (Bl. 114 der Gerichtsakte), dass der verstorbene Kläger die Räumlichkeiten auf Schloss … bereits seit 2014 angemietet hatte. Der Hauptanteil der anfallenden Stromkosten sei auf die medizinisch notwendige Benutzung der patientenspezifischen Geräte zurückzuführen. Bauartbedingt verfügten die Patientenzimmer über keine eigenen Stromkostenzähler. Die gezahlten Stromkosten seien Bestandteil der Nebenkosten und diese seien Pauschalbeträge. Die Be- und Abrechnungen der angefallenen Stromkosten erfolge auf Grundlage der Betriebsstundenzähler der jeweiligen medizinischen Geräte. Die Auswertung erfolge durch den jeweiligen Versorgungsdienstleister, im Fall des Verstorbenen die Firma L… … und man verweise hierzu auf die beigefügte Anlage. Die Vorgehensweise der Abrechnung sei nach Kenntnis der Sa… GmbH gängige Praxis bei den Krankenkassen, da so sichergestellt sei, dass auch nur die medizinisch notwendigen Kosten erfasst würden. Auch diese Ausführungen lassen lediglich den Schluss zu, dass der Beklagten die Tatsache bekannt gewesen sein muss, dass der verstorbene Kläger seit langem nicht mehr an seiner früheren Wohn-, sondern an einer Pflegeadresse untergebracht sein musste.
46
Schließlich gibt die Beklagte auch durch ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 27.07.2020 zu erkennen, dass ihr der Umstand, dass der Kläger in einer Pflegeeinrichtung untergebracht war, durchaus bekannt gewesen sein muss. Denn sie weist – sich selbst widersprechend – darauf hin, dass sich bei Versorgung in einer Pflegestelle, wo der Kläger nicht selbst Vertragspartner des Stromanbieters sei, die Frage stelle, ob der Stromverbrauch der Hilfsmittel nicht schon in der Pauschale für die Behandlungspflege des Klägers enthalten sei. Hierfür bezahle die Beklagte monatlich 12.245,10 EUR.
47
Dass die hier streitgegenständliche Summe – wie von der Beklagten mehrfach geltend gemacht – bereits im Zuge eines gewährenden früheren Bescheids erstattet worden sein soll, ergibt sich schließlich ebenfalls nicht aus den Akten. Die streitgegenständliche Position wurde nach Aktenlage in der Stromverbrauchsbescheinigung vom 20.02.2019 erstmals erwähnt und eine Beihilfegewährung von der Beklagten mit der Bemerkung, dass die geltend gemachte Position bereits nicht fristgemäß beantragt worden sei, unmittelbar abgelehnt.
48
Nach alledem war dem Klagebegehren vollumfänglich stattzugeben.
49
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
50
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).