Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 25.11.2020 – 3 U 5553/20
Titel:

Schadensersatzanspruch aus Beteiligungen am grauen Kapitalmarkt 

Normenketten:
BGB § 249, § 280 Abs. 1 S. 2, § 425
ZPO § 286 Abs. 1, § 529 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Der zwischen einem Anlageinteressenten und einem Anlagevermittler zustande gekommene Vertrag zielt lediglich auf eine Auskunftserteilung ab. Er verpflichtet den Vermittler aber gleichwohl zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Frage, ob die Übergabe eines Prospekts rechtzeitig ist, ist nicht anhand von abstrakten Zeiträumen zu definieren, vielmehr kommt es auf eine entsprechende Würdigung im Einzelfall an. Dabei kann zu berücksichtigen sein, dass ein Prospekt umfangreich ist und wenn die Übergabe des Prospektes in einer Zeit, nämlich der Vorweihnachtszeit, erfolgt, in welcher allgemein bekannt die Organisation des Weihnachtsfestes im Vordergrund steht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Fehler der von § 286 Abs. 1 ZPO geforderten Beweiswürdigung sind Widersprüche, Lückenhaftigkeit der Würdigung, ein Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, sonstige Widersprüchlichkeiten sowie die Verkennung des Beweismaßes. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Anlageberatung, Auskunftserteilung, sichere Kapitalanlage, Aufklärungspflicht, Pflichtverletzung, Prospekt
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 14.08.2020 – 22 O 249/20
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 23.02.2021 – 3 U 5553/20
BGH Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2022 – III ZR 229/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 62014

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 14.08.2020, Az.: 22 O 249/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Die Anträge der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens werden zurückgewiesen.
III. Die Beklagten können zu Ziffer I. dieses Beschlusses bis zum 11.01.2021 Stellung nehmen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um Schadenersatz aus Beteiligungen des Klägers am grauen Kapitalmarkt.
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Der Kläger beteiligte sich am 23.12.2009 mittels des Abschlusses dreier Treuhandverträge an der V + GmbH & Co. Fonds 2 KG. Bei der ersten Beteiligung (Anlage K1), welche eine Anlagesumme von 16.800,00 € beinhaltete, war vereinbart worden, dass der Kläger einen Betrag in Höhe von 3.360,00 € als Einmalzahlung erbringt, während der restliche Betrag in monatlichen Raten von jeweils 100,00 € gezahlt werden sollte. Insgesamt zahlte der Kläger auf diese Beteiligung 11.700,00 € ein. Bei der zweiten Beteiligung mit einer Anlagesumme von 45.000,00 € wurde vereinbart, dass der Kläger die Anlagesumme in voller Höhe als Einmalzahlung leistet (Anlage K2). Aufgrund dieser Beteiligung erhielt der Kläger Ausschüttungen in Höhe von 569,09 €. Bei der dritten Beteiligung (Anlage K3) mit einer Anlagesumme von 50.400,00 € sollte eine Einmalzahlung in Höhe von 10.080,00 € erfolgen und im Übrigen monatliche Raten in Höhe von 300,00 €. Auf diese Beteiligung wurden 34.100,00 € eingezahlt.
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Vor der Zeichnung der Beteiligungen erfolgten mehrere Beratungsgespräche, in welchen der Kläger mit dem Beklagten zu 2) allgemein über die wirtschaftliche Lage sprach. Die Vorstellung der Beteiligung erfolgte allein durch den Beklagten zu 1).
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Den Emissionsprospekt las der Kläger kurz nach der Zeichnung im Jahr 2009.
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Der Kläger behauptet erstinstanzlich, dass zwischen ihm und den Beklagten ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen sei. Die Beklagten haben in nach bestehenden Lebens- und/oder Rentenversicherungen gefragt, ihm diese schlecht geredet und eine Kündigung und einen Verkauf empfohlen. Dieser Erlös habe dann in dem streitgegenständlichen Fonds angelegt werden sollen. Dabei hätten die Beklagten ihm angeboten, die Lebensversicherungen zu analysieren und auf Werthaltigkeit zu prüfen. Nach Aussage der Beklagten habe es sich um eine absolut sichere Anlage mit einer sehr guten Rendite gehandelt. Risikohinweise seien durch die Beklagten nicht erteilt wurden, weder auf das Totalverlustrisiko und die unternehmerische Beteiligung noch auf die Laufzeit und die fehlende Fungibilität sei er hingewiesen worden. Auch eine Aufklärung über die sehr hohen Provisionen sowie die hohen sonstigen Kosten des Fonds sei nicht erfolgt. Er sei auch nicht auf die fehlende Plausibilität der Anlage aufgrund der hohen Weichkosten und des Geschäftskonzepts hingewiesen worden.
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Die Beklagten traten der Klage entgegen und führten aus, man habe über ein höheres Risiko aufgeklärt. Der Kläger habe von sich aus mitgeteilt, dass er sich von seinen Lebensversicherungen trennen wolle. Er habe die Beklagten gebeten, ihm eine Alternative vorzuschlagen, dabei sei er auch bereit ein höheres Risiko einzugehen. Eine Erklärung, dass er eine absolut sichere Anlage wünsche, sei nicht erfolgt. Die Anlage sei sodann unter Vorlage des Emissionsprospekts erläutert worden. Dabei sei das Totalverlustrisiko angesprochen worden, welches jedoch durch Streuung des Kapitals in eine Vielzahl von Unternehmen versucht werde zu minimieren. Bei dem Zeichnungstermin am 23.12.2009 habe der Kläger erklärt, er habe den Prospekt gelesen und verstanden.
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Ein Beratungsvertrag sei nicht zustande gekommen, es handle sich vielmehr um einen Auskunftsvertrag. Der Beklagte zu 2) unterliege aufgrund seiner bloß allgemeinen Ausführungen überhaupt keiner vertraglichen Haftung. Zudem liege Verjährung vor.
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Weiterhin sei der Kläger verpflichtet, etwaige Erlöse aus einer Investition in eine Anlage „S. “, welche auf Vorschlag des Beklagten zu 1) erfolgt sei, zu erstatten.
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Das Landgericht Landshut gab der Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Endurteil vom 14.08.2020 im Wesentlichen statt und verurteilte die Beklagten zur Zahlung von Schadenersatz aufgrund Beratungsfehlers. Dieses Endurteil wurde dem Beklagtenvertreter am 19.08.2020 zugestellt. Mit Beschluss vom 23.09.2020 nahm das Landgericht Landshut auf Antrag der Beklagten eine Berichtigung des Tatbestandes auf Seite 3 des Urteils vor und wies den Antrag auf Tatbestandsberichtigung im Übrigen zurück. Mit Schriftsatz vom 18.09.2020, eingegangen bei Gericht am selben Tage, legten die Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut Berufung ein. Diese Berufung wurde nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 19.11.2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründet. Zugleich wurde beantragt, den Beklagten Prozesskostenhilfe zu gewähren.
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Die Berufung trägt vor, dass entgegen der Ansicht des Landgerichts Landshut ein Vertragsverhältnis mit dem Beklagten zu 2 nicht zustande gekommen sei. Eine gegenseitige Zurechnung der Aussagen, so wie von dem Erstgericht angenommen, komme nicht in Betracht. Selbst mit dem Beklagten zu 1 sei jedoch kein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen, sondern vielmehr nur ein Auskunftsvertrag. Die Empfehlung der streitgegenständlichen Anlage sei anlegergerecht gewesen. Dem Kläger sei es ausweislich seiner Anhörung nicht um eine absolut sichere Anlage gegangen, vielmehr sei es ihm darum gegangen, „mehr Geld mit V+“ zu machen. Auch sei dem Kläger, wie dieser in seiner Anhörung selbst angab, die Anlage nicht als absolut sicher dargestellt wurden. Die Beweiswürdigung sei durch das Erstgericht falsch vorgenommen worden. Zudem sei dem Kläger auch der Verkaufsprospekt rechtzeitig übergeben worden. Es sei für die Frage der Rechtzeitigkeit der Einzelfall maßgeblich, eine starre Frist bestehe nicht. Auch die objektgerechte Beratung sei ordnungsgemäß erfolgt. Letztendlich habe das Erstgericht auch die Frage der Verjährung falsch beurteilt.
II.
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Die Voraussetzungen für die Zurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO sind gegeben, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Das Urteil des Landgerichts Landshut vom 14.08.2020 begegnet aus Sicht des Senats keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich dabei nach § 529
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ZPO, demnach sind die vom Gericht der I. Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen.
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Im Hinblick auf die Klageabweisung werden keine neuen berücksichtigungsfähigen Tatsachen im Sinne des § 529 ZPO vorgetragen. Zur Überzeugung des Senats hat das Erstgericht die Beklagten im ausgesprochenen Umfang zu Recht verurteilt. Zu den Angriffen der Berufung im Einzelnen:
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1. Das Erstgericht hat zu Recht ein bestehendes Vertragsereignis zwischen dem Kläger und den Beklagten angenommen. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung dieses Vertragsverhältnis bedarf es auf die Berufung der Beklagten hin zunächst einer Präzisierung dieses Vertragsverhältnisses. Die Frage, zwischen wem und mit welchem Inhalt ein Vertrag zustande gekommen ist, ist anhand des objektiven Empfängerhorizontes zu beurteilen. Im hier vorliegenden Fall traten dem Kläger von Anfang an die Beklagten gemeinschaftlich entgegen. Die persönlich durchgeführten Gespräche fanden stets in Anwesenheit beider Beklagten statt. Für einen objektiven Empfänger musste sich damit die Frage des Vertragspartners auf Beklagtenseite dahingehend beantworten, dass bei der Beklagte gemeinschaftlich Vertragspartner wurden. Dies folgt für den Senat zunächst aus dem Inhalt des unstreitigen Tatbestandes, an welchen der Senat gemäß § 529 ZPO gebunden ist. In diesem führt das Erstgericht aus, dass die telefonische Kontaktaufnahme von den Beklagten ausging und in den Beratungsgesprächen zunächst der Beklagte zu 2 allgemein über die wirtschaftliche Lage sprach und sodann der Beklagte zu 1 die streitgegenständliche Anlage vorstellte. Daraus folgt, dass die Anbahnung in Form der telefonischen Kontaktaufnahme durch beide Beklagte erfolgte und diese auch an den Gesprächen beide teilnahmen, wobei sie sich in den Gesprächen auch beide mit unterschiedlichen Schwerpunkten einbrachten. Darüber hinaus ist dem Senat auch nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte zu 2, wenn er den kein Vertragspartner werden sollte, an den Gesprächen überhaupt teilnahm und sich entsprechend den obigen Ausführungen einbrachte. Ausführungen von Seiten der Beklagten, warum denn der Beklagte zu 2 ebenfalls tätig wurde, wenn nicht um eine Provision aus der Vermittlung zu verdienen, finden sich nicht. Auch wäre es aus einem objektiven Empfängerhorizont heraus nicht nachvollziehbar, dass eine Person, welche sich bei den Beratungsgesprächen ebenfalls einbringt und unter Berücksichtigung, dass die Beklagten stets von „wir“ sprachen, keine rechtliche Position einnehmen soll. Letztendlich sind auch die Beklagten selbst der Auffassung, dass mit beiden Beklagten jedenfalls ein Vermittlungsvertrag zustande gekommen ist: In ihrer Klageerwiderung vom 26.11.2018, dort Seite 2, führen diese aus, dass sich der Kläger unstreitig auf Vermittlung der Beklagten zu 1 und 2 an der streitgegenständlichen Anlage beteiligt hatte. Weiterhin erläutert die Klageerwiderung auf Seite 3, dass die Beklagten zu 1 und 2 unter anderem Sachwertanlagen wie Unternehmensbeteiligungen vermitteln würden. Auch in den danach folgenden Ausführungen wird nicht zwischen einer Beteiligung der beiden Beklagten differenziert, diese werden vielmehr stets gemeinsam genannt. Daraus folgt für den Senat, dass auch die Beklagten davon ausgegangen sind, dass sie als gemeinsame Vermittler aufgetreten sind und somit ein Vertragsverhältnis mit ihnen beiden zustande gekommen ist. Die Ausführungen der Berufung lassen insoweit nicht erkennen, warum ein Vertragsverhältnis entgegen ihrer Ansicht in der Klageerwiderung mit dem Beklagten zu 2 nicht zustande gekommen sein soll. Die von der Berufung thematisierte Frage der Zurechnung spielt für den Vertragssschluss keine Rolle.
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2. Die aus diesem Vertrag resultierenden Pflichten haben die Beklagten bei der Vermittlung der Anlage auch verletzt, womit aus dieser Verletzung ein Schadensersatzanspruch, § 280 Abs. 1, § 249 BGB, resultiert.
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a) Anlageberatung wie Anlagevermittlung verpflichten objektbezogen zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind. Stellung und Aufgaben eines Anlagevermittlers und eines Anlageberaters sind indes unterschiedlich. Ihre Pflichtenkreise decken sich nicht. Dabei sind aber Überschneidungen möglich. Der jeweilige Pflichtenumfang kann nicht allgemein bestimmt werden, sondern nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls. Einen Anlageberater wird der Kapitalanleger im Allgemeinen hinzuziehen, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung, die er auch besonders honoriert. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitgehende Pflichten gegenüber dem betreuten Kapitalanleger. Als unabhängiger individueller Berater, dem weitreichendes persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten (BGH NJW-RR 1993, 1115).
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b) Der zwischen dem Anlageinteressenten und einem Anlagevermittler zustande gekommene Vertrag zielt demgegenüber lediglich auf Auskunftserteilung ab. Er verpflichtet den Vermittler aber gleichwohl zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (BGH NJW-RR 1993, 1114, zur Bezeichnung als „sichere Kapitalanlage“).
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c) Das Erstgericht hat diese Grundsätze nicht verkannt und hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Beklagten ihre Aufklärungspflicht schuldhaft verletzt haben, da sie dem Kläger die Anlage als sicher empfohlen und daher bereits keine objektgerechte Beratung erbracht habe. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Parteien vorliegend einen Anlageberatungs- oder lediglich einen Anlagevermittlungsvertrag geschlossen haben, da Anlageberatung wie Anlagevermittlung objektbezogen zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind, verpflichten, welche die Beklagten nach den Feststellungen des Erstgerichts nicht erbracht hat. Das Landgericht hat die schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten darin gesehen, dass diese dem Kläger gegenüber die streitige Beteiligung als sichere Anlage empfohlen habe, obwohl es sich wegen der geplanten Investition der Anlegergelder in Venture Capital um ein riskantes Produkt mit erheblichen Risiken und sogar dem Risiko eines Totalverlustes des eingesetzten Kapitals des Klägers gehandelt habe, auf welches sie den Kläger jedoch nicht in der erforderlichen Form und Deutlichkeit hingewiesen haben (UA S. 12). Die Annahme des Erstgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen tragen die vom Landgericht angenommene schuldhafte Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten.
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d) Soweit die Berufung auf die Einzelwirkung hinsichtlich beider Beklagten verweist, vermag sie damit ebenfalls nicht durchzudringen. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB ist, dass die Schuldner dieses Anspruches eine Pflicht aus dem Vertragsverhältnis verletzt haben. Die Pflichtverletzung als solcher ist einer Einzelbetrachtung, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 425 Abs. 2 BGB ergibt, nicht zugänglich. Es ist vielmehr ausreichend, dass die Verpflichtung aus dem Vertrag verletzt wurde, der subjektiven Frage, wer dieser verletzt hat, wird erst im Rahmen des Verschuldens Rechnung getragen. Damit stellt sich im Rahmen der Pflichtverletzung die Frage, ob eine solche zugerechnet werden kann bzw. muss, nicht. Anders dagegen sieht es für die Frage des Verschuldens aus, welches nach § 425 BGB anhand einer Einzelbetrachtung des jeweiligen Schuldners festgestellt werden muss. Hier wird der individuellen Verantwortung des Einzelnen Rechnung getragen. Zu beachten ist jedoch, dass gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB das Verschulden vermutet wird, es somit in der Verantwortung des jeweiligen Schuldners liegt, sich von dieser Vermutung zu exkulpieren. Vorliegend fehlt es jedoch an einem ausreichenden Vortrag bzw. an einem entsprechenden Beweisangebot, dass die Schuldner, insbesondere der Beklagte zu 2), kein Verschulden an der Pflichtverletzung trifft. Ein solcher Vortrag könnte zum Beispiel dahingehend erfolgen, dass der Beklagte zu 2) den Beklagten zu 1) auf dem jeweiligen Pflichtenkatalog hingewiesen hat oder es eine Absprache für die Verantwortungsbereiche gab. Da somit keine Anhaltspunkte für ein fehlendes Verschulden des Beklagten zu 2) ersichtlich sind, wird entsprechend der gesetzlichen Norm vermutet, dass dieser die Pflichtverletzung ebenfalls zu vertreten hat. Es handelt sich dabei um ein Einstehen für ein eigenes Verschulden, die Frage der Zurechnung, welche von der Berufung ausführlich thematisiert wird, stellt sich somit nicht.
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3. Ohne Erfolg rügt die Berufung die Beweiswürdigung als fehlerhaft, da das Landgericht widersprüchliche Angaben des Klägers, die Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit begründet hätten, nicht gewürdigt, und glaubhafte Angaben der Beklagten nicht berücksichtigt habe.
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a) Das Berufungsgericht ist grundsätzlich an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Solche Anhaltspunkte können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern des Erstgerichts ergeben. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich dann vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die in § 286 Abs. 1 ZPO normiert und von der Rechtsprechung hierzu entwickelt worden sind (BGH NJW 2004, 1876, 1877). § 286 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme „nach freier Überzeugung“ zu entscheiden hat und in dem Urteil die Gründe anzugeben hat, die für die Überzeugungsbildung „leitend“ waren.
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Es muss dabei einerseits erkennbar werden, dass der Parteivortrag erfasst und in Betracht gezogen wurde und eine individuelle und argumentative Auseinandersetzung mit dem Beweiswert eines Beweismittels erfolgt ist (BGH NJW 1988, 566; Zöller/Greger, § 286 ZPO, Rn. 21). Der Tatrichter muss sich aber andererseits im Urteil nicht mit jedem denkbaren Gesichtspunkt, jeder Behauptung und jeder Zeugenaussage ausdrücklich auseinandersetzen. Erforderlich ist nur, dass sich aus den Gründen ergibt, dass eine sachgerechte Beurteilung im Sinn von § 286 Abs. 1 ZPO überhaupt stattgefunden hat (Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, Rn. 447 m.w.N. unter Fn. 1524). Fehler der von § 286 Abs. 1 ZPO geforderten Beweiswürdigung sind Widersprüche, Lückenhaftigkeit der Würdigung, ein Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, sonstige Widersprüchlichkeiten sowie die Verkennung des Beweismaßes (BGH NJW-RR 2009, 1193).
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b) Auf der Basis der soeben dargestellten Gesetzes – und Rechtslage erweist sich die Beweiswürdigung des Erstgerichts auch im Lichte der Berufungsrügen als fehlerfrei; sie überzeugt auch den Senat. Das Landgericht hat die Angaben des Klägers, der bekundet hat, dass er aufgrund seiner geringen Rente eine sichere Anlage wünsche und ihm die Anlage als eine solche mit einem nur kleinen Risiko erläutert worden war, für plausibel und glaubhaft erachtet, und hierdurch den Nachweis einer Aufklärungspflichtverletzung wegen einer nicht objektgerechten Beratung des beweispflichtigen Klägers als geführt angesehen, während es sich von der Richtigkeit der Angaben der Beklagten, welche erklärt hatten, über das bestehende Totalverlustrisiko aufgeklärt zu haben, aber zugleich den Prospekt mit seinen 15 oder 30 Seiten Risikohinweisen nicht in jedem Detail durchgegangen zu sein, nicht überzeugen konnte. Die Beweiswürdigung ist widerspruchsfrei, nachvollziehbar, deckt sich mit den aus den Protokollen erkennbaren Aussagen und läuft weder Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungssätzen zuwider. Der Senat vermag mithin nicht zu erkennen, dass die Beweiswürdigung unvollständig bzw. lückenhaft ist und dass das Erstgericht die Glaubhaftigkeit der Aussage und die Glaubwürdigkeit des Klägers hätten verneinen müssen.
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aa) Soweit die Berufung auf einen Widerspruch zwischen dem schriftsätzlichen Vorbringen und dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung hinweist, vermag sie damit nicht durchzudringen. Ein solcher Widerspruch ist dahingehend aufzulösen, dass das Erstgericht zutreffend die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben berücksichtigt hat. Es ist nicht unüblich, dass schriftsätzliches Vorbringen bei Befragung der Partei konkretisiert wird, da eine solche Übermittlungsfehler zwischen Anwalt und Partei verringern kann. Entsprechend hat jedoch das Gericht die Angaben der Partei selbst zugrunde gelegt und nicht den insoweit für die Beklagten nachteiligeren Vortrag im schriftlichen Vorbringen.
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bb) Ein Denkgesetz dergestalt, dass ein Zögern bei dem Abschluss einer Kapitalanlage eine Folgerung auf die dem Anleger bekannten Risiken zulassen würde, besteht nicht. Es ist vielmehr nachvollziehbar, dass bei einer Anlage über einen hohen Betrag der Vertragspartner diesen Schritt überdenkt bzw. sich in seiner Entscheidung unsicher ist. Daraus jedoch zu schlussfolgern, dass er sich etwaiger Risiken bewusst ist, ist nicht möglich. Entsprechend hat das Erstgericht insoweit auch eine fehlerhafte Beweiswürdigung nicht vorgenommen.
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cc) Letztendlich ist allein die mangelhafte Fungibilität nicht ausschlaggebend für die Annahme einer Haftung der Beklagten, die Frage ob diese kausal war, war somit nicht zu beantworten.
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4. Der Senat folgt der Auffassung des Erstgerichtes, wonach der Prospekt nicht rechtzeitig übergeben worden war und somit nicht Grundlage der Beratung gewesen sein konnte. Zutreffend weist die Berufung darauf hin, dass die Beweislast für eine fehlende bzw. nicht rechtzeitige Übergabe des Prospekts auf Seiten der Klagepartei liegt. Der damit einhergehende Nachteil des Beweises des Negativen wird dadurch abgemildert, in dem den Beklagten eine sekundäre Darlegungslast der Gestalt auferlegt wird, dass sie konkret vortragen müssen, wann und wie der Prospekt übergeben wurde. Dem sind die Beklagten vorliegend nachgekommen, in dem sie schilderten, dass der Kläger am 18.12.2009, also 5 Tage vor der Zeichnung am 23.12.2009, den Prospekt erhalten habe. Die Frage, ob diese Übergabe rechtzeitig war, ist nicht anhand von abstrakten Zeiträumen zu definieren, vielmehr kommt es auf eine entsprechende Würdigung im Einzelfall an (BGH NJW-RR 2019, 428, 432). Diese Würdigung ist abstrakt vorzunehmen, so dass es unerheblich ist, wenn die Berufung vorbringt, dass in einem anderen Verfahren die Ehefrau des Klägers den Prospekt innerhalb von 3 Tagen lesen konnte. Vorliegend war zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Kläger auch unter Zugrundelegung der von der Beklagtenseite vorgebrachten vorangegangenen Anlage nicht um einen erfahrenen Anleger handelte, weiterhin war zu berücksichtigen, dass der Prospekt durchaus umfangreich war und dass die Übergabe des Prospektes in einer Zeit, nämlich der Vorweihnachtszeit, erfolgte, in welcher allgemein bekannt die Organisation des Weihnachtsfestes im Vordergrund steht. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die verbleibende Zeit von 5 Tagen für den Kläger ausreichend war, um den Prospekt umfassend zur Kenntnis zu nehmen.
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Eine Rechtzeitigkeit der Übergabe lag somit nicht vor.
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5. Der Anspruch des Klägers ist, wie auch das Erstgericht zutreffend ausführte, nicht verjährt. Die Darlegung- und Beweislast für eine Verjährung liegt bei dem Schuldner, also hier den Beklagten. Es muss daher vorgetragen und gegebenenfalls bewiesen werden, dass der Kläger sowohl von den Tatsachen als auch von den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen in einem Zeitpunkt positive Kenntnis oder in grober Fahrlässigkeit keine Kenntnis hatte, welcher zu einer Verjährung führen würde. Der Kläger gab an, dass er im Jahr 2018 erstmals anwaltliche Beratung einholte. Ein konkreter Vortrag, dass er bereits vor dieser anwaltlichen Beratung Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von der Pflichtverletzung hatte, erfolgte nicht. Soweit die Berufung darauf abstellt, dass der Kläger den Prospekt gelesen hatte, folgt allein aus diesem Umstand noch keine Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der sich daraus ergebenden Folgen. Auf die Frage, ob er den Prospekt tatsächlich gelesen oder nur durchgeblättert hatte, kommt es somit nicht an.
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6. Auch die Verurteilung zum Ersatz entgangenen Gewinns begegnet keinen Bedenken. Das Erstgericht hat den in der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwendungen Rechnung getragen. So konnte sich das Erstgericht eine Überzeugung im Sinne des § 287 ZPO nur hinsichtlich des Betrages verschaffen, welcher zuvor in die Lebensversicherung investiert gewesen war. Zutreffend nimmt das Erstgericht insoweit an, dass bei unterlassener Kündigung diese weitergelaufen wäre, was zu einem Zinsausfallschaden in Höhe der geschätzten 2% geführt hätte. Hinsichtlich des verbleibenden Restes konnte sich das Erstgericht gerade keine Überzeugung davon bilden, da ein Vortrag, in welcher Form der Kläger das Geld investiert hätte, nicht erfolgt war. Damit trägt das Erstgericht den Einwänden der Berufung jedoch gerade Rechnung. Eine Einvernahme weiterer Zeugen war nicht notwendig, da das Gericht hinsichtlich der Höhe des entgangenen Zinsausfalls von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch gemacht hat. Eine Anlage, welche einen Zinsertrag von 2% erwirtschaftete, war allgemein bekannt zu dieser Zeit noch möglich.
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7. Zu Recht hat das Landgericht das Feststellungsinteresse bejaht und die auf Freistellung von weiteren Verpflichtungen aus und in Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Beteiligungen gerichteten Feststellungsklagen als zulässig angesehen. Die Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht setzt die Möglichkeit eines weiteren Schadeneintritts voraus (z.B. BGH BKR 2013, 506 Rn. 31). Der von dem Kläger hier gestellte Feststellungsantrag zielt allgemein auf die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere aus der Beteiligung entstehende Schäden ab. Ein solcher weiterer Schadenseintritt ist hier schon deshalb wahrscheinlich, weil der Kläger die Beteiligungen noch weiter hält und sich daraus demzufolge auch noch weitere Belastungen für ihn ergeben können. Der Kläger hat den ihm entstandenen Schaden, soweit möglich, bereits in der Klageschrift beziffert. Da der Kläger aufgrund der gezeichneten Beteiligungen künftig weiterhin zur Ratenzahlung verpflichtet ist, besteht insoweit ein Feststellungsinteresse an der Freistellung von dieser Verpflichtung, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.
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8. Zutreffend hat das Erstgericht auch die erhobene Widerklage als unbegründet abgewiesen. Der von Seiten der oberinstanzlichen Rechtsprechung geforderte qualifizierte Zusammenhang für die Annahme eines Vorteilsausgleichs ist bezüglich der weiteren Anlage, welche in einem Abstand von 5 Jahren erfolgte, nicht gegeben. Entgegen der Annahme der Berufung ergibt sich ein solcher qualifizierter Zusammenhang nicht aus der Motivation des Beklagten zu 1). Auch aus der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.10.2018, NJW 2019, 215, ergibt sich nichts anderes. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die Grundsätze der Vorteilsanrechnung bei zwei Anlagen erörtert und dabei ausgeführt, dass eine, wie auch das Erstgericht zutreffend erkannt hat, „Verklammerung“ beider gezeichneter Anlagen vorliegen muss. Eine solche Verklammerung kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Zeichnung aufgrund eines einheitlichen Beratungsgesprächs erfolgte. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf die hier vorliegende Konstellation war jedenfalls im Zeitpunkt des Beratungsgesprächs über die hier streitgegenständliche Anlage eine Verklammerung mit der zweiten, damals noch nicht absehbaren Anlage nicht gegeben. Aber auch für die Zeichnung der 2. Anlage liegt eine Verklammerung aufgrund der vergangenen Zeit von 5 Jahren nicht vor, allein der Umstand dass der Beklagte zu 1) die Empfehlung dieser Anlage als Kompensation ansah, wobei noch nicht einmal ersichtlich ist, ob dies dem Kläger bekannt war, führt nicht dazu, dass eine solche geforderte Verklammerung der beiden Anlagen gegeben ist. Das Erstgericht hat somit zutreffend einen Vorteilsausgleich abgelehnt.
III.
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Da somit Erfolgsaussichten der Berufung nicht bestehen, war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen, so wie in Ziffer 2 dieses Beschlusses erfolgt.
IV.
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Der beklagten Partei wird aufgegeben, zu Ziffer 1 dieses Beschlusses binnen der oben gesetzten Frist Stellung zu nehmen. Die Berufungsrücknahme wird ausdrücklich angeregt, auf die in diesem Fall eintretende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 wird hingewiesen.