Titel:
Leistungen, Bescheid, Insolvenzverfahren, Krankenversicherung, Bewilligung, Arbeitslosengeld, Betriebskostenabrechnung, Verwaltungsakt, Leistungsausschluss, Regelbedarf, Widerspruchsbescheid, Pflegeversicherung, Bachelorstudiengang, Immatrikulation, ALG II, Sicherung des Lebensunterhaltes, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Schlagworte:
Leistungen, Bescheid, Insolvenzverfahren, Krankenversicherung, Bewilligung, Arbeitslosengeld, Betriebskostenabrechnung, Verwaltungsakt, Leistungsausschluss, Regelbedarf, Widerspruchsbescheid, Pflegeversicherung, Bachelorstudiengang, Immatrikulation, ALG II, Sicherung des Lebensunterhaltes, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Rechtsmittelinstanz:
LSG München, Urteil vom 18.01.2023 – L 11 AS 95/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61909
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 3. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig ist die Aufhebung und Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 38.102,12 € für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 30. April 2019.
2
Die 1982 in Kirgisien geborene Klägerin hat nach einer Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau an der Universität B. seit Oktober 2007 Betriebswirtschaftslehre studiert und dieses Studium am 21. November 2011 mit dem Bachelor abgeschlossen. Während des Studiums erhielt die Klägerin Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) und nahm ein Studiendarlehen bei der K.-Bank auf. Den begonnenen Masterstudiengang Wirtschaftsinformatik hat die Klägerin nicht abgeschlossen.
3
Am 1. Oktober 2011 ist die Klägerin in ein möbliertes Einzelappartement im Studentenwohnheim „St. A.“ der J.-Stiftung in B. gezogen. In § 1 3.) Satz 1 des Mietvertrags vom 19. August 2011 ist geregelt: „Das Nutzungsrecht besteht nur so lange, wie der Bewohner an der Universität ordnungsgemäß studiert.“
4
Für das Wintersemester 2014/2015 hat sich die Klägerin in das Studium „In. Info. Systems Mgmt.“ an der Universität B. eingeschrieben.
5
Die Klägerin beantragte am 4. September 2014 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Der Beklagte hat im Vermerk vom 4. September 2014 folgendes festgehalten (vgl. Blatt 13 der Verwaltungsakte): „… Fr. F ist noch bis 300914 immatrikuliert und beantragt ab 011014 Alg II; … Fr. F gibt an, dass sie aktuell im Studentenwohnheim wohnt und dort zu 011014 ausziehen muss – sie fragt ob sie weiterhin immatrikuliert bleiben kann und trotzdem Alg II bekommt? Eine neue Wohnung in B. würde sich nicht rentieren, da sie div. Bewerbungen laufen hat und noch nicht weiß wo eine Anstellung klappt, sie bewirbt sich bundesweit → an LS verwiesen.“
6
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 bat der Beklagte die Klägerin um Vorlage noch fehlender Unterlagen: Mietvertrag, Mietbescheinigung, Unterlagen Kredit und Exmatrikulationsbescheinigung. Auf dem o. g. Schreiben (vgl. Blatt 16 der Verwaltungsakte) hat der Beklagte neben Mietvertrag, Mietbescheinigung und Exmatrikulationsbescheinigungen einen roten Haken gesetzt.
7
Die Klägerin reichte beim Beklagten die Mietbescheinigung vom 8. Oktober 2014, eine Studienbescheinigung für das Sommersemester 2014 und für das Wintersemester 2014/2015 sowie eine Exmatrikulationsbescheinigung vom 16. Oktober 2014 ein.
8
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 Leistungen an die Klägerin für den Zeitraum vom 16. Oktober 2014 bis 30. April 2015 in Höhe von 348,02 € (Oktober 2014) bzw. monatlich 652,55 € (November 2014 bis April 2015) gewährt. Im Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass die Klägerin bis 15. Oktober 2014 Studentin ist. Sie ist gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II vom Alg II-Bezug ausgeschlossen. Ein Ausnahmetatbestand nach § 7 Abs. 6 SGB II liegt nicht vor. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 27 Abs. 3 SGB II bestehen nicht. Mit Änderungsbescheid vom 1. Dezember 2014 wurden Leistungen ab 1. Januar 2015 bis April 2015 in Höhe von monatlich 660,55 € bewilligt.
9
Im Weiterbewilligungsantrag vom 30. März 2015 teilte die Klägerin mit: „Seit Erstantrag liegen keine Änderungen vor.“ Im Weiterbewilligungsantrag vom 5. Oktober 2015 kreuzte sie bei „Es sind weitere Änderungen eingetreten“ „Nein“ an. Mit Bescheiden vom 31. März 2015 und 6. Oktober 2015 hat der Beklagte Leistungen an die Klägerin von Mai bis Oktober 2015 und von November 2015 bis Oktober 2016 in Höhe von monatlich 660,55 € bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 29. November 2015 wurden Leistungen von Januar bis Oktober 2016 in Höhe von monatlich 665,55 € bewilligt.
10
In den weiteren Weiterbewilligungsanträgen vom 28. September 2016, 22. September 2017 und vom 29. März 2018 kreuzte die Klägerin wiederum „Nein“ bei der Frage nach dem Eintritt von weiteren Änderungen an.
11
Der Beklagte bewilligte an die Klägerin mit Bescheid vom 19. Oktober 2016 vorläufig Leistungen von November 2016 bis Oktober 2017 in Höhe von monatlich 665,55 € von November 2016. Nachdem die J.-Stiftung am 16. Dezember 2016 an den Beklagten die Betriebskostenabrechnung für die Wohnung der Klägerin für 2015 übermittelte, wurde mit Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2016 das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung in Höhe von 305,46 € und die Mieterhöhung ab Januar 2017 berücksichtigt. Für Januar 2017 wurden Leistungen in Höhe von 409,00 € für Februar 2017 in Höhe von 647,84 € und für März 2017 bis Oktober 2017 in Höhe von monatlich 671,85 € bewilligt.
12
Im Zeitraum vom 8. März 2017 bis 1. September 2017 nahm die Klägerin an einer Weiterbildung teil.
13
Nach der Vorlage der Betriebskostenabrechnung für 2016 im September 2017 hat der Beklagte mit Bescheid vom 11. Oktober 2017 Leistungen an die Klägerin von November 2017 bis April 2018 vorläufig in Höhe von monatlich 671,85 € bewilligt. Mit Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 10. Oktober 2017 wurde das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung in Höhe von 277,66 € für September und Oktober 2017 angerechnet und eine Erstattung in Höhe von 277,66 € geltend gemacht, Leistungen wurden für September (409,00 €) und für Oktober 2017 (657,04 €) endgültig festgesetzt. Mit Änderungsbescheid vom 25. November 2017 wurde der Regelbedarf für 2018 angepasst und Leistungen von Januar bis April 2018 in Höhe von monatlich 678,85 € bewilligt. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 3. April 2018 an die Klägerin Leistungen in Höhe von monatlich 678,85 € für Mai 2018 bis April 2019 bewilligt.
14
Am 15. Mai 2018 stellte die Klägerin einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens beim Amtsgericht B.. Im Antrag wurden Forderungen der K.-Bankengruppe in Höhe von 36.011,91 € und des Bundesverwaltungsamts L. in Höhe von 27.378,68 € genannt. Das Amtsgericht B. hat mit Beschluss vom 22. Mai 2018 das Insolvenzverfahren über das Vermögend der Schuldnerin eröffnet und als Insolvenzverwalterin Frau Rechtsanwältin E. bestellt. Diese informierte den Beklagten am 29. Mai 2018 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
15
Nachdem die Klägerin die Betriebskostenabrechnung für 2017 beim Beklagten einreichte wurde mit Änderungsbescheid vom 8. Oktober 2018 das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung in Höhe von 284,04 € im Oktober 2018 angerechnet und Leistungen für November 2018 in Höhe von 529,48 € und für Dezember 2018 in Höhe von 544,18 € bewilligt. Mit Änderungsbescheiden vom 24. November 2018 und 28. November 2018 wurde der geänderte Regelbedarf für 2019 ab Januar 2019 (monatliche Leistungen 686,85 €) und die Mieterhöhung ab Januar 2019 (monatliche Leistungen 693,31 € Januar bis April 2019) berücksichtigt. Mit Änderungsbescheid vom 28. November 2018 wurden Leistungen für November 2018 in Höhe von 416,00 € und für Dezember 2018 in Höhe von 657,66 € bewilligt (geänderte Anrechnung Guthaben aus Betriebskostenabrechnung).
16
Im Insolvenzverfahren gab die Insolvenzverwalterin am 21. Januar 2019 ihren Schlussbericht ab. Es bestehen keine Bedenken gegen die Erteilung der Restschuldbefreiung.
17
Im Weiterbewilligungsantrag vom 22. März 2019 kreuzte die Klägerin „Nein“ bei der Frage nach weiteren Änderungen an. Der Beklagte forderte am 25. März 2019 bei der Klägerin die Kontoauszüge der letzten drei Monate an. Am 2. April 2019 übermittelte die Klägerin die Kontoauszüge, eine Notenbescheinigung der Universität vom 29. März 2019 („Keine Prüfung abgelegt““ im Bachelorstudiengang Interdisziplinäre Mittelalterstudien!“) und ein Schreiben vom 29. März 2019. Im Schreiben vom 29. März 2019 erläuterte die Klägerin den Kontoauszug 2/2019 (am 8. Februar 2019 Onlineüberweisung an O.-F-Universität B. in Höhe von 90,40 €). Da sie sich auf der Arbeitssuche befinden würde und dies unter Umständen auch einen erneuten Umzug erfordern könnte, sei sie in St. A. geblieben. Die Wohnberechtigung in St. A. hätte eine Immatrikulation erfordert. Sie hätte keine Veranstaltungen besucht und würde keine Veranstaltungen besuchen noch hätte sie Prüfungen in Interdisziplinären Mittelalterstudien abgelegt.
18
Der Beklagte forderte mit Schreiben vom 4. April 2019 von der Klägerin alle Immatrikulationsbescheinigungen für die Zeit ab Oktober 2014 und Nachweise/Bestätigungen, falls die Klägerin ein Urlaubssemester eingelegt hätte. Am 9. April 2019 übermittelte die Klägerin ihre Immatrikulationsbescheinigungen ab dem Sommersemester 2015 (ab 1. April 2015):
- Studienfach Wirtschaftsinformatik Vollzeitstudium Bachelorstudiengang (Sommersemester 2015, Wintersemester 2015/2016 und Sommersemester 2016)
- Studienfach Allgewandte Informatik Vollzeitstudium Bachelorstudiengang (Wintersemester 2016/2017 und Sommersemester 2017) und
- Studienfach Interdisziplinäre MA-Studien (International Information Systems Management) Vollzeitstudium Bachelorstudiengang (Wintersemester 2017/2018, Sommersemester 2018, Wintersemester 2018/2019 und Sommersemester 2019).
19
Am 9. April 2019 erfolgte die Anhörung der Klägerin nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich der Aufhebung und Erstattung der Leistungen ab 1. April 2015 bis 30. April 2019 in Höhe von 38.102,12 € nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die fehlerhafte Bewilligung dürfte erfolgt sein, da die Klägerin in ihrem Antrag vom 30. März 2015 zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben gemacht hätte. Es sei erstmals am 2. April 2019 bekannt geworden, dass die Klägerin weiterhin studiert hätte bzw. immatrikuliert sei.
20
In ihrer Stellungnahme vom 25. April 2019 wies die Klägerin darauf hin, dass sie seit ihrem Erstantrag arbeitssuchend beim Jobcenter sei. Sie sei ihren Verpflichtungen nachgegangen. Die Immatrikulation sei lediglich eine Notwendigkeit aufgrund ihrer Wohnsituation.
21
Das Amtsgericht B. hat mit Beschluss vom 29. April 2019 als Treuhänderin Frau Rechtsanwältin E. bestellt und das Insolvenzverfahren nach Abhalten des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren und Ankündigung der Restschuldbefreiung aufgehoben.
22
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 3. Mai 2019 die Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 17. Oktober 2014, 30. November 2014, 31. März 2015, 6. Oktober 2015, 29. November 2015, 19. Oktober 2016, 16. Dezember 2016, 11. Oktober 2017, 25. November 2017, 3. April 2016 und 28. November 2018 aufgehoben und eine Erstattung in Höhe von 38.102,12 € geltend gemacht. Die Klägerin sei seit 1. April 2015 immatrikuliert und hätte gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Der Klägerin sei mit Bewilligungsbescheid vom 17. Oktober 2014 mitgeteilt worden, dass sie bis 15. Oktober 2014 Studentin sei und somit gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II vom Alg II-Bezug ausgeschlossen sei. Daher sei davon auszugehen, dass die Klägerin gewusst hätte, dass sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II hätte, solange sie studieren würde bzw. immatrikuliert sei. Für den Leistungsausschluss sei nicht relevant, ob die Klägerin Prüfungen ablegen würde oder nicht. Allein die Tatsache, dass die Klägerin immatrikuliert gewesen sei bzw. aktuell sei führe zum Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II. Sie hätte ab 16. Oktober 2014 nur vom 8. März 2017 bis 1. September 2017 eine Weiterbildung gemacht. Daher sei davon auszugehen, dass sie nicht intensiv auf Jobsuche gewesen sei. In 4,5 Jahren sei sie weder sozialversicherungspflichtig noch geringfügig beschäftigt gewesen. Die Entscheidung sei wegen Angabe unrichtiger oder unvollständiger Tatsachen zurückzunehmen (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III). Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil die Klägerin in ihren Anträgen vom 30. März 2015, 5. Oktober 2015, 22. September 2017 und 29. März 2018 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hätte. Die überzahlten Leistungen (Regelbedarf, KdU – Miete/Eigentum, Krankenversicherung, Pflegeversicherung) von insgesamt 38.102,12 € seien zu erstatten, da die Leistungen aufgehoben worden seien (§ 50 Abs. 1 SGB X, § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i. V. m. § 335 Abs. 1 und 5 SGB III).
23
Mit einem weiteren Bescheid vom 3. Mai 2019 hat der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 22. März 2019 abgelehnt. Die Klägerin hätte keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, weil sie in Ausbildung sei und diese Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sei. Auszubildende hätten über die Leistungen nach § 27 SGB III hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Entscheidung würde auf § 7 Abs. 5 und 6 SGB II beruhen.
24
Die Treuhänderin, Frau Rechtsanwältin E., wies den Beklagten mit Schreiben vom 7. Mai 2019 darauf hin, dass da Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 29. April 2019 aufgehoben worden sei. Die Forderung sei vor Insolvenzeröffnung entstanden, eine Forderungsanmeldung sei nicht mehr möglich. Das Schreiben vom 7. Mai 2019 übermittelte der Beklagte am 10. Mai 2019 an die Agentur für Arbeit R., Inkasso Service, die Einzugsstelle des Beklagten.
25
Am 14. Mai 2019 reichte die Klägerin Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3. Mai 2019 und am 21. Mai 2019 gegen den Ablehnungsbescheid vom 3. Mai 2019 ein, Am 22. Mai 2019 ging ein Eilverfahren der Klägerin bzw. Antragstellerin beim Sozialgericht Bayreuth (Az.: S 17 AS 347/19 ER) ein. Nach dem Hinweis des Gerichts im Eilverfahren am 22. Mai 2019 (vgl. Blatt 12 der Akte S 17 AS 347/19 ER) übermittelte die Klägerin bzw. Antragstellerin ihre Exmatrikulationsbescheinigung vom 27. Mai 2019. Sie wies darauf hin, dass die Immatrikulation Voraussetzung für einen Wohnheimplatz gewesen sei. Der Beklagte bzw. Antragsgegner hätte der Klägerin bzw. Antragstellerin angekündigt, die Kosten für einen etwaigen Umzug nicht zu übernehmen, weshalb sie für sich keine andere Möglichkeit gesehen hätte, als immatrikuliert zu bleiben, um nicht obdachlos zu werden. Das sei dem Beklagten bzw. Antragsgegner bekannt. Seit dem 27. Mai 2019 müsse die Klägerin die Kündigung ihrer Wohnung befürchten.
26
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 5. Juni 2019 an die Klägerin Leistungen ab 27. Mai 2019 bis 31. Mai 2020 bewilligt: 27. Mai bis 31. Mai 2019 115,58 € und Juni 2019 bis Mai 2020 in Höhe von monatlich 693,31 €. Dieser Bescheid werde nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchverfahrens.
27
Nach der Übermittelung des Bescheids vom 5. Juni 2019 hat die Klägerin bzw. Antragstellerin am 26. Juni 2019 ihr Eilverfahren für erledigt erklärt.
28
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin am 5. Juli 2019 zur Begründung vor, dass sie das Studium nicht betrieben hätte. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für den Fall eines Urlaubssemesters (Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 102/11 R) sei davon auszugehen, dass Förderungsfähigkeit nach dem BAföG nur dann vorliegen würde, wenn ein Studium tatsächlich betrieben werde. Darüber hinaus hätte der Beklagte Kenntnis von der Problematik der Immatrikulation gehabt bzw. hätte hiervon Kenntnis haben müssen. Die Klägerin hätte am 4. September 2014 persönlich angefragt, ob sie wegen ihrer Wohnung im Studentenwohnheim weiterhin immatrikuliert bleiben und dann Alg II beziehen könnte. Am 11. September 2014 hätte sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie „derzeit“ noch immatrikuliert sei. Eine Antwort des Beklagten auf die Anfragen bzw. Hinweise der Klägerin sei vom ausgehend vom Akteninhalt nicht erfolgt. Auch der Mietvertrag vom 12. Oktober 2011, der vorgelegt worden sei, sei eindeutig. Aus diesem würde hervorgehen, dass es sich um ein Appartement im Studentenwohnheim handeln würde. Dem Beklagten hätte bekannt sein müssen, dass nur Studenten Appartements in Studentenwohnheimen über einen derart langen Zeitraum beziehen dürfen. Jedenfalls würde hier das berechtigte Vertrauen der Klägerin in die Richtigkeit der jeweiligen Bescheide und Zahlungen der gegenständlichen Aufhebung und Erstattung entgegenstehen. Darüber hinaus sei ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin am 22. Mai 2018 eröffnet worden. Etwaige Rückforderungen hätte dort weitgehend geltend gemacht werden müssen.
29
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2019 hat der Beklagte den Widerspruch vom 21. Mai 2019 gegen den Ablehnungsbescheid vom 3. Mai 2019 in der Gestalt des Bewilligungsbescheids vom 5. Juni 2019 zurückgewiesen. Das von der Klägerin angeführte Urteil des BSG würde nur Ausführungen enthalten, wie die Frage des Leistungsausschlusses bei einem Urlaubssemester zu beurteilen sei. Nur in diesem Falle komme es zusätzlich auf die Klärung des tatsächlichen Betreibens des Studiums an. Im Falle einer Scheinimmatrikulation würde es jedoch beim Leistungsausschluss bleiben (so zum Beispiel auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Januar 2010, Az.: L 23 AY 1/07 zur korrespondierenden Ausschlussvorschrift § 22 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII)).
30
Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2019 den Widerspruch vom 14. Mai 2019 gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3. Mai 2019 zurückgewiesen. Soweit Leistungen ursprünglich vorläufig bewilligt worden und noch nicht endgültig verbeschieden worden seien, handele es sich bei der nunmehr getroffenen Feststellung, dass ein Leistungsanspruch nicht bestanden hätte, um die endgültige Entscheidung im Sinne des § 41a Abs. 3 SGB X. Die Aufhebung zum Zeitraum 1. April 2015 bis 30. April 2015 würde sich – anders als im Bescheid ausgeführt – nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB III, § 330 Abs. 3 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. 4 SGB X richten. Nachdem zu Vertrauensschutzgesichtspunkten im Rahmen der Anhörung vom 9. April 2019 ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahe gegeben worden sei, können von einer weiteren Anhörung vor Umstellung der Rechtsgrundlage im Widerspruchsverfahren abgesehen werden, da ein einheitlicher Sachverhalt zum Gesamtzeitraum zugrunde liegen würde. Die Klägerin hätte eine wesentliche Änderung in ihren Verhältnissen (hier die erneute Immatrikulation) nicht mitgeteilt. Aus dem ersten Bewilligungsbescheid sei der Klägerin bekannt gewesen, dass sie trotz Antragstellung am 4. September 2014 wegen ihrer Immatrikulation von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen sei. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass sie sich – um Leistungen nach dem SGB II zu beziehen – exmatrikulieren müsse. Dies hätte sie am 16. Oktober 2014 – wohl genau aus diesem Grund – auch getan, so dass ihr abweichend von § 37 Abs. 1 SGB II Leistungen erst ab dem 16. Oktober 2014 bewilligt hätten werden können. Der Bescheid vom 17. Oktober 2014 sei auf den vorliegenden Sachverhalt auch unmissverständlich eingegangen. In Kenntnis dieser Rechtslage hätte sich die Klägerin dann wohl spätestens zum 1. April 2015 erneut an der Universität B. eingeschrieben und diese Änderung nicht mitgeteilt. Für die Folgezeiträume sei jeweils bestätigt worden, dass weitere Änderungen gegenüber dem Erstantrag nicht eingetreten seien. Hier sei aufgrund der klaren Kenntnis der Klägerin mindestens grobe Fahrlässigkeit augenscheinlich, wenn nicht gar Vorsatz gegeben sei. Somit seien sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. 4 SGB X als auch § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X erfüllt. Vertrauensschutz sei daher unter keinem möglichen Gesichtspunkt gegeben. Insbesondere könne dem Beklagten nicht entgegengehalten werden, man hätte wissen müssen, dass die Klägerin ohne erneute Immatrikulation ihre Wohnung verloren hätte. Die Änderung in den Verhältnissen mitzuteilen und bei jeder Antragstellung korrekte Angaben zu machen, würde ausschließlich im Obliegenheitsbereich der Klägerin liegen. Der Beklagte sei nicht gehalten, Rückschlüsse aus Gegebenheiten zu ziehen, die keine direkte Verknüpfung zum Leistungsrecht hätten. Schließlich könne der Vermieter einer Studentenwohnung nicht offensichtlich gezwungen werden, das Mietverhältnis allein aufgrund der Tatsache einer nicht vorgenommenen Immatrikulation zu kündigen und könne den Mieter bzw. die Mieterin weiterhin in der Unterkunft dulden. Soweit Leistungen vorläufig bewilligt worden seien (Zeiträume 1. November 2016 bis 31. August 2017 sowie 1. November 2017 bis 30. April 2018) würde es sich bei der getroffenen Entscheidung um die abschließende Entscheidung im Sinne des § 41a Abs. 5 Nr. 2 SGB II handeln. Schlussendlich würde auch ein inzwischen eröffnetes Insolvenzverfahren der Geltendmachung einer Erstattungsforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X nicht entgegenstehen.
31
Im Juli 2019 stellte die Beklagte Strafanzeige gegen die Klägerin.
32
Die Klage der Klägerin gegen den Bescheid vom 3. Mai 2019 in der Fassung des Bescheids vom 5. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 9. Juli 2019 ging am 12. August 2019 beim Sozialgericht ein (S 9 AS 502/19). Eine weitere Klage der Klägerin – Bescheid vom 3. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18. Juli 2019 – ging am 19. August 2019 beim Sozialgericht ein (S 9 AS 506/19).
33
Mit Kündigungsschreiben vom 29. Oktober 2019 hat die J.-Stiftung der Klägerin den Miet- bzw. Nutzungsvertrag zum 31. Januar 2020 gekündigt und zweimal die Räumungsfrist bei zum 31. März 2020 verlängert.
34
Weiteren Klage der Klägerin gingen am 17. Februar 2020 (S 9 AS 88/20 Sanktion wegen Meldeversäumnis), 13. Mai 2020 (S 9 AS 646/20 Sanktion wegen Meldeversäumnis) und am 15. Oktober 2020 (S 9 AS 1015/20 teilweise Versagung von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung bei Prüfung der Erwerbsfähigkeit) beim Sozialgericht ein. Streitgegenständlich sind hier Sanktionen wegen Meldeversäumnissen bzw. eine teilweise Versagung von Leistungen, da die Klägerin nicht zu Untersuchungsterminen ihrer gesundheitlichen Leistungsfähigkeit erschienen ist bzw. sie einer Untersuchung nicht zugestimmt hat.
35
Die Klägerin übermittelte am 14. Juli 2020 (S 9 AS 502/19) dem Gericht auf dessen Anforderungen hin drei Notenbescheinigungen (keine Prüfung abgelegt) für drei Studiengänge (Interdisziplinäre Mittelalterstudien, Angewandte Informatik und International Information Systems Management), das IHK-Prüfungszeugnis vom 5. Juli 2004 (Ausbildungsberuf Kauffrau im Groß- und Einzelhandel), das Zeugnis der Universität vom 21. November 2011 (Bachelor Betriebswirtschaftslehre) und Unterlagen aus dem Räumungsklageverfahren der J.-Stiftung Kirchliches Wohnungsunternehmen gegen die Klägerin (Amtsgericht B. 0103 C 618/20) aus Juni 2020.
36
Auf die Aufforderung des Gerichts sandte der Beklagte am 15. Juli 2020 folgende Unterlagen: Auszug aus dem Merkblatt, dass die Klägerin erhalten hat, Unterlagen zur Weiterbildung zur geprüften Bilanzbuchhalterin (IHK, 8. März 2017 bis 1. September 2017) in Vollzeit bei der W.-Training B. sowie die Änderungsbescheide vom 1. Dezember 2014 und 29. November 2015.
37
Das Amtsgericht B. hat mit Endurteil vom 19. August 2020 die Klägerin (bzw. Beklagte im Räumungsverfahren) verurteilt, das von ihr gemietete möblierte Einzel-Appartement von den persönlichen Sachen geräumt, an die J.-Stiftung herauszugeben.
38
Zur Begründung bringt die Klägerin vor, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3. Mai 2019 unwirksam und aufzuheben sei, da mit diesem auch lediglich vorläufige Entscheidungen aufgehoben worden seien, anstatt eine abschließende Entscheidung zu treffen. Der Bescheid sei auch zu unbestimmt, da nicht zwischen aufgehobenen endgültigen und endgültig zu entscheidenden vorläufigen Entscheidungen differenziert worden sei. Erst im Widerspruchsverfahren sei eine Korrektur der unzutreffenden Rechtsgrundlage erfolgt und bislang auch die erforderliche Anhörung der Klägerin nicht nachgeholt worden. Ausgehend von der Rechtsprechung des BSG für den Fall des Urlaubssemesters sei davon auszugehen, dass Förderungsfähigkeit nach dem BAföG nur dann vorliegen würde, wenn auch Studium auch tatsächlich betrieben worden sei. Leistungsnachweise würden ihr nicht vorliegen, da sie nicht an Veranstaltungen teilgenommen und keine Prüfungen abgelegt hätte. Der Beklagte hätte etwaige Erstattungsansprüche im Insolvenzverfahren gelten machen müssen. Jedenfalls würde § 294 Insolvenzordnung (InsO) der Vollstreckung aus den streitgegenständlichen Bescheiden entgegenstehen.
39
Die Klägerin beantragt,
der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des vom 3. Mai 2019 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. Juli 2019 werden aufgehoben.
40
Hilfsweise wird beantragt, es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, die Erstattungsforderung aus dem Bescheid vom 3. Mai 2019 und dem Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2019 rechtlich, insbesondere im Wege der Aufrechnung oder Vollstreckung durchzusetzen.
41
Der Beklagte beantragt,
42
Er verweist darauf, dass der Bescheid keineswegs zu unbestimmt sei. Es würde zweifelsfrei zum Ausdruck kommen, dass im streitigen Zeitraum ein Anspruch nicht bestanden hätte und deswegen sämtliche erbrachten Leistungen zu erstatten seien. Mehr als eine Klarstellung, dass es sich insgesamt um eine endgültige Entscheidung handeln würde, auch wenn zum Teil ursprünglich vorläufige Bewilligungen vorgelegen hätte, sei nicht geboten, da es sich bei der vollständigen Rücknahme einer Bewilligung bereits aus der Logik ergeben würde, dass es sich nur um eine abschließende Entscheidung handeln könnte (so z. B. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 2018 – L 7 AS 3870/16 – juris, Rdnr. 56). Eine erneute Anhörung sei nicht erforderlich gewesen, da zum einen keine neue Regelung im Sinne des Verwaltungsaktes vorliegen würde und zum anderen aus Sicht des Bevollmächtigten der erneuten Anhörung unterliegende Sachverhalt keinen Schuldvorwurf im Sinne des § 45 SGB X beinhalten würde und die vorgenommene Anhörung insofern ausreichend gewesen sei.
43
Am 24. Juni 2020 fand im Verfahren ein Erörterungstermin statt.
44
Die vom Gericht vorgeschlagenen weiteren Ermittlungen beim Insolvenzgericht, Studentenwerk Z. und bei der Universität B. konnten nicht durchgeführt werden, da die Klägerin die entsprechende Einverständniserklärung nicht unterschreiben wollte.
45
Im Berufungsverfahren der Klägerin im Strafverfahren (nach Verurteilung in der ersten Instanz) wurde der Verhandlungstermin am 22. Oktober 2020 wegen Nachermittlungen aufgehoben.
46
Der Beklagte und die Klägerin haben sich mit Schreiben vom 10. November 2020 bzw. 20. November 2020 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
47
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten S 17 AS 347/19 ER, S 9 AS 502/19, S 9 AS 506/19, S 9 AS 88/20, S 9 AS 646/20 sowie S 9 AS 1015/20, den Inhalt der Verwaltungsakte (eAkten) des Beklagten und der Akten des Amtsgerichts B. Insolvenzgericht (1 IK 191/18) verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG).
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2019 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht die an die Klägerin für April 2015 bis April 2019 bewilligten Leistungen ganz aufgehoben bzw. zurückgenommen und eine Erstattung in Höhe von 38.102,12 € geltend gemacht. Die Klägerin ist dadurch nicht in ihren Rechten verletzt, vgl. § 54 Abs. 2 SGG.
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Der Bescheid vom 3. Mai 2019 ist nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen nicht zu beanstanden. Die Klägerin wurde am 9. April 2019 angehört (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 37/09). Eine erneute Anhörung bedurfte es für die Umdeutung für nur einen Zeitraum von einem Monat (April 2015) nicht, vgl. Steinwedel in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Werkstand 111. EL September 2020, § 43, Rdnr. 19 – BAYERN.RECHT). Zudem hatte die Klägerin im Widerspruchsverfahren die Gelegenheit erhalten, zu den sie belastenden Verwaltungsakten Stellung zu nehmen (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2020 – B 14 AS 24/17 R – juris).
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Die Entscheidung des Beklagten beruht für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 30. April 2015 auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III und für die Zeit vom 1. Mai 2015 bis 30. April 2019 auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III.
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Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Wer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, kann sich gleichfalls nicht auf Vertrauen berufen. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt im besonders schwere Maße verletzt hat, vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X.
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Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Verhältnisse aufgehoben werden,
- soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X),
- soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakte ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen ist oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).
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Im Hinblick auf den Bewilligungsbescheid vom 17. Oktober 2014 und den Änderungsbescheid vom 30. November 2014 ist eine wesentliche Änderung eingetreten, da die Klägerin nach Bekanntgabe dieser Bewilligungsbescheide ab 1. April 2015 wieder an der Universität B. immatrikuliert wurde.
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Die Bewilligungsbescheide vom 31. März 2015, 6. Oktober 2015, 19. Oktober 2016, 11. Juli 2017 und 3. April 2018 sowie die Änderungsbescheide vom 29. November 2015, 16. Dezember 2016, 25. November 2017 und 28. November 2018 waren zum Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrig (§ 45 Abs. 1 SGB X), da die Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der o. g. Bescheide / Änderungsbescheide (Bekanntgabe nach dem 1. April 2015) als Studentin immatrikuliert war.
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Der Beklagte hat zutreffend für die Zeiträume von November 2016 bis August 2017 und vom November 2017 bis April 2018 eine Entscheidung nach § 41a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SGB II getroffen (vgl. Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2019). Die Rechtswidrigkeit beruht vorliegend auf Tatsachen, die nicht ursächlich für die vorläufige Entscheidung waren. Die Immatrikulation bzw. Exmatrikulation wurden nicht als vorläufiger Grund genannt (vgl. Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, SGB II, 5. Auflage, § 41a, Rdnr. 70 f.).
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Die Klägerin erfüllt die Grundvoraussetzungen, um ALG II zu erhalten hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit, der Hilfebedürftigkeit und des gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 3 und 4 SGB II. Die Klägerin war jedoch ab 1. April 2015 bis 26. Mai 2019 aufgrund ihrer Immatrikulation bei der Universität B. vom Leistungsbezug ausgeschlossen, vgl. § 7 Abs. 5 SGB II.
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Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 20. Dezember 2011 (gültig ab 1. April 2012 bis 31. Juli 2016) haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
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Nach § 7 Abs. 6 SGB II ist § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht anzuwenden auf Auszubildende,
- 1.
-
die aufgrund von § 2 Absatz 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben oder aufgrund von § 60 SGB III keinen Anspruch auf Berufsbildungsbeihilfe haben,
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-
deren Bedarf sich nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG, nach § 61 Abs. 1 oder § 124 Abs. 1 Nr. 1 SGB III bemisst oder
- 3.
-
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund von § 10 Abs. 3 BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
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Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 20. Dezember 2011 gültig ab 1. April 2012 erhalten Auszubildende im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach Maßgabe der folgenden Absätze. Die Leistungen für Auszubildende gelten nicht als Arbeitslosengeld. Nach § 27 Abs. 2 SGB II werden Leistungen in Höhe der Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 2, 3, 5 und 6 SGB II und in Höhe der Leistungen nach § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II erbracht, soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sind. Leistungen können für Regelbedarfe, Bedarfe für Unterkunft und Heizung und Teilhabe und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Darlehen erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II eine besondere Härte bedeutet, vgl. § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II.
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Die Klägerin ist nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom 1. Mai bis 26. Mai 2019 ausgeschlossen, da sie dem Grunde nach förderungsfähig nach dem BAföG ist. Voraussetzungen für die Förderungsfähigkeit einer Ausbildung dem Grunde nach ist der Besuch einer Ausbildungsstätte. Ein Besuch der Ausbildungsstätte ist gegeben, wenn und solange ein Student immatrikuliert ist, denn dies begründet seine organisationsrechtliche Zugehörigkeit (vgl. Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, Stand 22. Juni 2020, § 7, Rdnr. 357). Für den Leistungsausschluss ist es ausreichend, dass der Studierende immatrikuliert ist, egal ob das Studium ernsthaft betrieben wird oder nicht (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 29. Jui 2010 – L 7 AS 756/09 B ER – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juli 2010 – L 7 AS 123/09 – juris; Leopold in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, Stand 22. Juni 2020, § 7, Rdnr. 355; Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB, 08/19, § 7 SGB II, Rdnr. 287). Maßgeblich ist auf die objektiven Verhältnisse abzustellen und nicht darauf, ob nur eine sogenannte „pro-forma-Immatrikulation“ bzw. Scheinimmatrikulation vorliegt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Januar 2020 – L 23 AY 1/07 – juris zu § 22 SGB XII).
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Die Klägerin ist auch grob fahrlässig ihrer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) zur Mitteilung aller für die Leistung erheblichen Tatsachen und Änderungen in den Verhältnissen nicht nachgekommen, vgl. §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 X und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X.
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Grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des Kennenmüssens liegt nach der zivil- und verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung dann vor, wenn die in der Personengruppe herrschende Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist, wenn außer Acht gelassen worden ist, was im gegebenen Falle jedem hätte einleuchten müssen; der Versicherte muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit seine Sorgfaltspflichten in außergewöhnlich hohem Maße, d. h. in einem das gewöhnliche Maß an Fahrlässigkeit erheblich übersteigendem Ausmaß verletzt haben (Schütze in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 45, Rdnr. 60 – BAYERN.RECHT). Das Außerachtlassen von gesetzlichen oder Verwaltungsvorschriften, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen wurde, ist im Allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Vorschriften nicht verstanden hat (vgl. BSG, Urteil vom 20. September 1977 – 8/12 RKg 8/76 – juris; Steinwedel in: Kasseler Kommentar, § 45 SGB X, Rdnr. 10).
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Vorliegend hat die Klägerin keine Angaben zu ihrer erneuten Immatrikulation zum 1. April 2015 in ihren Anträgen vom 30. März 2015, 5. Oktober 2015, 28. September 2016, 22. September 2017 und 29. März 2018) gemacht. Die Klägerin ist auch nach ihren individuellen Möglichkeiten (Berufsschulabschluss und Bachelorabschluss) und ihrer persönlichen Einsichtsfähigkeit grobe Fahrlässigkeit anzulasten, da sie die Immatrikulation nicht angegeben hat. Zudem wurde die Klägerin mit dem Bescheid vom 17. Oktober 2014 darauf hingewiesen, dass ihre Immatrikulation bis 15. Oktober 2014 einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II zur Folge hat. Gleichfalls wurde die Klägerin mit dem ausgehändigten Merkblatt auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen. Mangels Vorlage von ärztlichen Unterlagen bzw. mangels Vorhandensein eines ärztlichen Gutachtens ist von der Einsichtsfähigkeit der Klägerin ab der ersten Antragstellung für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum auszugehen.
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Dem zumindest grob fahrlässigen Handeln der Klägerin steht kein vertrauensschutzrelevantes Handeln des Beklagten gegenüber (vgl. hierzu: Schütze in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 45, Rdnr. 48 – BAYERN.RECHT). Fehler auf Behördenseite sind nicht zu berücksichtigen. Der Beklagte durfte aufgrund der Mitteilung und Übermittelung der Exmatrikulationsbescheinigung vom 16. Oktober 2014 davon ausgehen, dass die Klägerin nicht mehr immatrikuliert ist. Nachforschungen musste der Beklagten im Hinblick auf den Vermieter und die Wohnung im Studentenheim nicht vornehmen. Anhaltspunkte, dass der Beklagte Umzugskosten bei einem möglichen Auszug aus dem Wohnheim abgelehnt hat, sind aus der gesamten Verwaltungsakte nicht ersichtlich. Nachweise hierfür hat die Klägerin nicht erbracht.
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Die gebundene Entscheidung des Beklagten nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 2 und 3 SGB III ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat auch in atypischen Fällen kein Ermessen auszuüben, vgl. § 330 Abs. 2 und 3 SGB III (vgl. Aubel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 40, Rdnr. 90).
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Einer Aufhebung nach § 48 SGB X für April 2015 steht nicht entgegen, dass der Beklagte den Bescheid vom 3. Mai 2019 für April 2015 auf § 45 SGB X gestützt hat. Da der angefochtene Bescheid in seinem Verfügungssatz nicht geändert worden ist und die Aufhebung nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet wird, sind die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 SGB X hier nicht zu prüfen. Ein Austausch der Rechtsgrundlage aus dem Bescheid vom 3. Mai 2019 ist möglich, weil nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt – wegen § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 3 SGB III – gleichfalls ohne Ermessensausübung – mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (vgl. zur Umdeutung: BSG, Urteil vom 27. Juli 2000 – B 7 AL 88/99 R – juris). Dies ist hier der Fall.
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Der Bescheid vom 3. Mai 2019 ist hinreichend bestimmt, vgl. § 33 SGB X. Die maßgeblichen Bewilligungsbescheide vom 17. Oktober 2014, 31. März 2015, 6. Oktober 2015, 19. Oktober 2016, 11. Oktober 2017 und 3. April 2018 und die Änderungsbescheide vom 30. November 2014, 29. November 2015, 16. Dezember 2016, 25. November 2017 und 28. November 2018 wurden genannt (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 196/11 R). Die Nennung des endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheids vom 10. Oktober 2017 war nicht erforderlich, da dieser kein Leistungsbescheid ist. Die aufgehobenen Erstattungsbeträge wurden im Bescheid vom 3. Mai 2019 nicht genannt und nicht von der Klägerin zurückgefordert. Außerdem war die Nennung der Änderungsbescheide vom 8. Oktober 2018 und 25. November 2018 nicht erforderlich, da diese durch den Änderungsbescheid vom 28. November 2018 abgeändert wurden. Der Änderungsbescheid vom 28. November 2018 wurde im Bescheid vom 3. Mai 2019 genannt.
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Der Beklagte hat die Rücknahme und Erstattung von Arbeitslosengeld II fristgemäß geltend gemacht. Er hat innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Tatsachen (hier Einreichung vom Kontoauszug am 9. April 2015 und der Immatrikulationsbescheinigung am 2. April 2015, Anhörung vom 9. April 2015) mit Bescheid vom 3. Mai 2019 und somit innerhalb eines Jahres die Aufhebung bzw. Rücknahme und Erstattung geltend gemacht, vgl. § 41a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SGB II und § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB. Die in § 41a Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SGB II und in § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X maßgebliche Frist seit Bewilligung des Arbeitslosengeldes II mit Bescheiden vom 17. Oktober 2014, 31. März 2015, 6. Oktober 2015, 19. Oktober 2016, 11. Oktober 2017 und 3. April 2018 sowie Änderungsbescheide vom 30. November 2014, 29. November 2015, 16. Dezember 2016, 25. November 2017 und 28. November 2018 ist eingehalten.
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Die Klägerin hat gewährte Leistungen (Regelbedarf, Bedarfe für Unterkunft und Heizung, Krankenversicherung, Pflegeversicherung) in Höhe von insgesamt 38.102,12 € zu erstatten, vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 5 SGB II i. V. m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB III.
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Der Rechtmäßigkeit der Aufhebungs- und der Erstattungsverfügung steht auch der Umstand nicht entgegen, dass über das Vermögen der Klägerin am 22. Mai 2018 ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wurde und eine Treuhänderin bestellt wurde. Der Beklagte hat nicht während eines laufenden Insolvenzverfahrens einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erlassen, sondern nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 29. April 2019 (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. März 2019 – L 13 AS 234/17 – juris, Rdnr. 40 und LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Oktober 2014 – L 5 AS 673/13 – juris).
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Der Bescheid vom 3. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2019 ist rechtmäßig.
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Dem Hilfsantrag war nicht stattzugeben. Die Klägerin hat die Möglichkeit, bei der Inkassostelle, der Agentur für Arbeit R., einen Antrag auf Stundung bzw. Niederschlagung bzw. Erlass zu stellen, vgl. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bzw. Art. 59 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO). Daneben besteht auch die Möglichkeit eines Antrags auf Erlass beim Beklagten nach § 44 SGB II. Zielführend dürfte hier wohl eher ein Antrag auf Niederschlagung, d. h. die Verwaltung nimmt Abstand von der Einziehung der Forderung, sein (vgl. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Auflage, § 44, Rdnr. 11 ff.).
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Daher war die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 183, 193 SGG.