Titel:
Arbeitnehmer, Abfindung, Sozialplan, Betriebsvereinbarung, Leistungen, Altersdiskriminierung, GdB, Sozialplanabfindung, Ermessen, Berechnung, Zustimmung, Abfindungsanspruch, Verzicht, Berufung, unmittelbare Benachteiligung, mittelbare Benachteiligung, schwerbehinderte Menschen
Schlagworte:
Arbeitnehmer, Abfindung, Sozialplan, Betriebsvereinbarung, Leistungen, Altersdiskriminierung, GdB, Sozialplanabfindung, Ermessen, Berechnung, Zustimmung, Abfindungsanspruch, Verzicht, Berufung, unmittelbare Benachteiligung, mittelbare Benachteiligung, schwerbehinderte Menschen
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 02.12.2020 – 3 Sa 187/20
BAG Erfurt vom 11.10.2022 – 1 AZR 129/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61897
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfährens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 50.677,42 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um eine höhere Sozialplanabfindung und um eine Klageverzichtsprämie.
2
Der im Zeitpunkt der Klageerhebung 54 Jahre alte Kläger war über 30 Jahre bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin mit einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 4.088,51 € in der Betriebsstätte in B. beschäftigt. Er ist schwerbehindert mit einem Gesamt-GdB von 80.
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Die Beklagte vereinbarte mit ihrem Betriebsrat wegen der beabsichtigten Werkschließung im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens am 05.06.2019 einen Interessenausgleich, einen Sozialplan und eine Klageverzichtsprämienvereinbarung (vgl. ab BI. 12 d.A.).
4
Mit Schreiben vom 15.07.2019 wurde der Kläger nach Zustimmung des Inklusionsamtes betriebsbedingt zum 29.02.2020 gekündigt (BI. 10 d.A.). Dagegen erhob er keine Kündigungsschutzklage.
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Mit undatiertem Schreibender Beklagten wurde dem Kläger eine Abfindungsberechnung übersandt mit einem errechneten Höchstbetrag von 75.000,- € (BI. 1 1 d.A.).
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Die im Sozialplan vereinbarte Abfindung berechnet sich nach näheren Maßgaben nach der Formel Betriebszugehörigkeit X Bruttomonatseinkommen X Faktor gem. dortiger Tabelle. Hinzu kommt nach III. 1. c. cc) für Schwerbehinderte und Gleichgestellte ein zusätzlicher Abfindungsbetrag von 1.500,- €, bei einem GdB von über 50 von 2.000,- €. Unter III. 1 . c. ee) vereinbarten die Betriebspartner allerdings eine Beschränkung des sich insgesamt ergebenden Abfindungsbetrages auf einen max. Höchstbetrag von 75.000,- € pro Arbeitnehmer (für' Mitarbeiter ab 62: 45.000,- €), die die Beklagte zur Anwendung bringt und damit auch dem Kläger keine höhere Abfindung zugesteht. Dieser.erhält damit nach seiner Berechnung eine um 19.758,07 € niedrigere Abfindung als ohne die Kappung (vgl. Berechnung in der Klageschrift: 94.758,07 € – 75.000,- G).
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Nach der in einer gesonderten Vereinbarung geregelten Klageverzichtsprämie sollen die unter den Interessenausgleich und Sozialplan fallenden abfindungsberechtigten Arbeitnehmer, die gekündigt werden und keine Kündigungsschutzklage erheben, einen Anspruch auf eine höhere Abfindung haben, und zwar dergestalt, dass sich der Faktor gem. Sozialplan um weitere 0,25 erhöht (vgl. BI. 19 d.A.). im Falle des Klägers beliefe sich die Klageverzichtsprämie nach seiner Berechnung auf 30.919,35 €. Diese kommt aber im Ergebnis nicht zur Auszahlung, da die Beklagte die Kappungsgrenze in III. 1. c. ee) des Sozialplans auch auf die Klageverzichtsprämie erstreckt, indem sie die Deckelung auf den sich insgesamt aus der Sozialplanformel und der Klageverzichtsprämie ergebenden Betrag zur Anwendung bringt (vgl. BI. 4 und Abfindungsberechnung gem. BI. 1 1 d; A.).
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Der Kläger wehrt sich gegen die Erstreckung der Kappungsgrenze aus dem Sozialplan auch auf die Klageverzichtsprämie und gegen die Anwendung der Kappungsgrenze an sich. Die Betriebsvereinbarung über eine Klageverzichtsprämie enthalte.keine Kappungsgrenze und verweise auch nicht auf die Kappung im Sozialplan. Die Sozialplankappung beziehe sich auf den sich insgesamt ergebenden Abfindungsbettag (Gesamtabfindung) aus dem Sozialplan. Nach drei der anerkannten Auslegungsmethoden (grammatische, systematische und teleologische Methode) sei der Kappung nur die Abfindung nachdem Sozialplan und nicht eine sich aus irgendwelchen Regeln ergebende Gesamtabfindung unterworfen (BI.42 f. d.A.). Wegen der unterschiedlichen Leistungsziele des Sozialplans, auf der einen und der Klageverzichts-BV auf der anderen Seite wäre es erforderlich gewesen, es besonders klar zum Ausdruck zu bringen, wolle man diese nach gleichen Regelungen abwickeln. Daran fehle es aber. Die Anwendung der Kappungsgrenze auf die Verzichtsprämie wäre ein evidenter Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz, da Arbeitnehmer vom Genuss der Prämie mit Blick auf eine aus anderen Rechtsgründen gezahlte Abfindung und deren Höhe von der Leistung ausgeschlossen würden, obwohl sie den Zweck in gleicher Weise erfüllt hätten wie anderen Arbeitnehmer, die wegen einer niedrigeren Abfindung „noch Luft bis zur Kappungsgrenze“ hätten (BI. 6, 42 f. d.A.). Die Kappungsgrenze gem. Sozialplan verstoße gegen das BetrVG, weil der dort gegebene Ermessensspielraum für die Betriebspartner überschritten worden sei; als auch gegen das AGG. Die Formelstaffelung gem. III 1. c. sei diskriminierungsfrei. Diese zulässige Ungleichbehandlung zu Gunsten der Arbeitnehmergruppe, der der Kläger zuzurechnen sei, werde nun aber durch Anwendung der Kappung vollständig konterkariert, was im Ergebnis eine mittelbare Altersdiskriminierung darstelle (vgl. BI. 7 f. und 45 f. d.A.). Der Kläger zähle. nach den Wertungen des Sozialplans zur der Gruppe, der der zweitgrößte Ausgleich zuerkannt werde. Dass bei ihm die grundsätzlich zuerkannte hohe Kompensationsleistung durch die Kappung deutlich reduziert wird, sei nicht akzeptabel. Die Betriebspartner hätten das ihnen eingeräumte Ermessen damit rechtswidrig überschritten. Dies gelte auch mit Blick auf den Schwerbehindertenzuschlag, der wegen der Anwendung der Kappungsgrenze nicht zur Auszahlung komme, sodass der Kläger im Ergebnis „keinen Cent“ mehr bekomme als ein Arbeitnehmer mit völlig gleichen Beschäftigungsdaten, aber ohne Schwerbehinderung (Bf. 6 f. und 46 d.A.). Wegen weiterer Einzelheiten zum Vortrag der Klagepartei wird vollumfänglich und bezüglich aller Details auf die hierzu eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Kläger beantragt zuletzt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 50.677,42 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.03.2020 hieraus zu bezahlen.
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, bei Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis eine Abfindungssumme von 94.758, 07 € zu zahlen, ohne dass die Kappungsgrenze gem. des Sozialplans vom 05.06.2019 (75.000,€) zur Anwendung kommt.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, unbeschadet des Abfindungsanspruches gem. Ziff. 1 eine Klageverzichtsprämje aus der gesonderten Betriebsvereinbarung vom 05.06.2019 in Höhe von 30.919,35 € zu zahlen, ohne die Kappungsgrenze des Sozialplans vom 05.06.2019 hierauf zur Anwendung zu bringen.
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Die Beklagte beantragt hingegen,
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Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass dem Kläger kein weiterer Zahlungsanspruch zustehe. Die Klageverzichtsprämie habe zulässig im Wege einer separaten Betriebsvereinbarung vereinbart werden können. Die Deckelung aus dem Sozialplan sei auch hierauf anwendbar, was sich schon aus dem Wortlaut ergebe: Die beiden Vereinbarungen seien zeitgleich unterzeichnet worden. Im Sozialplan werde von einer Deckelung der Gesamtabfindung und nicht nur von einer Deckelung der Sozialplanabfindung gesprochen. In der BV sei nur geregelt, dass sich der Faktor aus dem Sozialplan erhöhe. Alles Weitere – Rechenweg, Deckelung, Fälligkeit – ergebe sich aus dem Sozialplan. Aus der BV ergebe sich gerade nicht, dass die Prämie zusätzlich zur Abfindung gem. Sozialplan gezahlt werden solle. Dazu wäre ös erforderlich gewesen, einen eigenständigen Rechenweg hierfür aufzuzeigen, was aber nicht geschehen sei. Die Deckelung auch der Klageverzichtsprämie sei der Wille der Betriebsparteien gewesen und habe auch hinreichenden Niederschlag im Wortlaut der BV gefunden. Die Beklagte trägt weiter zur Zulässigkeit auch der Kappungsgrenze im Sozialplan vor, dass diese Deckelung der Gesamtabfindung rechtswirksam und auch nicht diskriminierend sei. Den Betriebsparteien stünde ein erheblicher Beurteilungs und Gestaltungsspielraum zu, den diese in typisierender und pauschalierender Form ausüben könnten. Im vorliegenden Sozialplan sei der Faktor für die Abfindungsberechnung am Lebensalter und somit auch an den Chancen am Arbeitsmarkt orientiert abgestuft worden. Eine solche Abstufung sei sachgerecht und nicht benachteiligend. Die Deckelung erfasse alle Altersstufen und auch die Schwerbehinderten und benachteilige niemanden. Mit der Summe von 75.000,- € seien die Nachteile aus der Betriebsänderung in erheblicher Form ausgeglichen worden. Da nicht an das Alter angeknüpft werde, liege keine unmittelbare Benachteiligung vor. Auch eine mittelbare Benachteiligung sei zu verneinen dies auch dann, wenn von der Höchstbegrenzung typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen seien. Die Arbeitnehmer würden hier gleich behandelt, die Aufnahme von Höchstbetragsklauseln sei nicht diskriminierend, sondern wirke im Gegenteil der diskriminierenden Tendenz herkömmlicher Formeln zur Abfindungsberechnung entgegen (vgl. BI. 37 d.A.). 111 Mitarbeiter seien älter als 49 Jahre und erhielten 7/8 der zur Verfügung gestellten Abfindungssumme, mithin 7,02 Millionen Euro. Die 47 Mitarbeiter, die unter 49 Jahre alt seien, erhielten in Summe lediglich 1/8 der zur Verfügung gestellten Abfindungssumme, mithin 1,08 Millionen Euro. Bereits daraus werde deutlich, dass ohne Deckelung eine vernünftige Abfindungssumme für die jüngeren Mitarbeiter gar nicht zu erreichen gewesen wäre. Wegen weiterer Einzelheiten zum Vortrag der beklagten Partei wird vollumfänglich und bezüglich aller Details auf die hierzu eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird noch auf den übrigen Akteninhalt verwiesen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
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Die Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg, da der Kläger über die-zugestandenen 75.000,€ hinaus keinen höheren Anspruch auf eine Klageverzichtsprämie oder Sozialplanabfindung hat.
13
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, 5.2 1 Nr. 3 a ArbGG. Das Arbeitsgericht Weiden ist örtlich zuständig, S. 48 1 a S. 1 ArbGG.
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Die gem. S. 259 ZPO zulässige Klage ist unbegründet. Über die zugestandenen 75.000,- € hinaus hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Klageverzichtsprämie oder Abfindung aus dem Sozialplan vom 05.06.2019.
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Der Kläger hat keinen Abfindungsanspruch aus der Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie vom 05.06.2019, da diese Betriebsvereinbarung unwirksam ist. Sie verstößt gegen das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig zu machen (vgl. BAG vom 20.12.1983, 1 AZR 442/82) bzw. – genauer formuliert – gegen das Verbot, dieses Verbot zu umgehen (vgl. dazu BAG vom 31.05.2005, 1 AZR 254/04):
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Die zum genannten Verbot führende Unwirksamkeit einer solchen Regelung („Abkaut' des Kündigungsschutzes durch Sozialplanleistung) folgt aus S. 75 1 1 BetrVG. Der u.a. dort normierte Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Wird eine Sozialplanabfindungszahlung aber von der Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht, so werden damit die Arbeitnehmer, die nicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, hinsichtlich der Abfindung schlechter behandelt als diejenigen, die von der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung absehen. Dies ist aber u.a. deshalb, da ein Sozialplan nicht dazu dient, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder gar zu beseitigen, sachlich nicht gerechtfertigt und verstößt damit – auch nach Inkrafttreten des S. 1 a KSchG – gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des S. 75 1 1 BetrVG (vgl. BAG vom 31.05.2005, 1 AZR 254/04).
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Auch wenn danach Sozialplanleistungen nicht vom Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden dürfen, ist den Betriebsparteien nicht jegliche Regelung verboten, durch die im Falle einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden soll, eine Kündigung zu akzeptieren. Jedenfalls dann, wenn die Betriebsparteienihrer Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans nachgekommen sind, können sie freiwillig eine kollektivrechtliche Regelung treffen, die im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit finanzielle Leistungen für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht. Das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem entsprechenden Verzicht abhängig zu machen, darf dadurch aber nicht umgangen werden (vgl. BAG a.a.O.; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG S 112a Rn. 169). Ob eine solche Umgehung vorliegt, kann regelmäßig nur unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Eine Umgehung kann insbesondere vorliegen, wenn der Sozialplan keine angemessene Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile vorsieht oder wenn greifbare Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dem „an sich" für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen seien zum Nachteil der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Mittel entzogen und funktionswidrig im „Bereinigungsinteresse“ des Arbeitgebers eingesetzt worden (vgl. BAG a.a.O.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, '18. Auflage 2019, S. 244 Rn. 89).
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Daraus folgt für den Fall die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung zur Klageverzichtsprämie wegen Umgehung des o.g. Verknüpfungsverbots (Abfindung nur bei Klageverzicht). Aus Sicht der erkennenden Kammer liegen nicht nur greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass Mittel aus dem „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Abfindungsvolumen entnommen und im „Bereinigungsinteresse“ des Arbeitgebers eingesetzt worden sind, sondern dieser Aspekt ist im Tatsächlichen letztlich sogar unstreitig. So hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass vom Konzern im Rahmen des Sozialplans rund 8 Millionen Euro für Abfindungen bereitgestellt wurden; was sich auch mit den Angaben aus dem Zeitungsbericht vom 13.06.2019 deckt. Im Weiteren hat die Beklagtenseite – auch insoweit unwidersprochen – geltend gemacht, dass Verhandlungen zum Sozialplan und zur Klageverzichtsprämie davon geprägt waren, zu angemessenen Ergebnissen zu gelangen und das zur Verfügung gestellte Gesamtvolumen nicht zu überschreiten. Dieser Vortrag erscheint auch gut nachvollziehbar und sehr lebensnah. Daraus ergibt sich aber, dass die Mittel für die Klageverzichtsprämie aus dem eigentlich für den Sozialplan zur Verfügung gestellten Volumen entnommen und somit tatsächlich zu einem vom Sozialplan abweichenden Zweck – nämlich der Rechts- und Planungssicherheit des Arbeitgebers – eingesetzt wurden. Es handelt sich hierbei auch nicht um einen unerheblichen Betrag, was sich alleine aus dem Umstand der erheblichen Faktorerhöhung um 0,25 ergibt, die dazu führt, dass sich die Abfindungen der bis 40-Jährigen verdoppeln und die der bis 50-Jährigen um über 70% erhöhen (ohne Berücksichtigung einer eventuellen Deckelung). Die Beklagte hat vorliegend gerade nicht über ihre Verpflichtungen aus dem Sozialplan hinaus freiwillig zusätzliche Mittel für die Klageverzichtsprämie aufgebracht und verwendet, sondern diese dem Sozialplanvolumen entnommen, das sich zwangsläufig – um das zur Verfügung gestellte Volumen nicht zu überschreiten – entsprechend verringert hat vgl. zu diesem zentralen Argument: BAG a.a.O. unter Il.3,b)). Genau dies ist den Betriebsparteien aber verwehrt (das BAG hat seine „Umgehungsrechtsprechung“, vgl. BAG a. a.O., inzwischen bestätigt, vgl. BAG vom 09.12.2014, 1 AZR 146„3).
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Der Verstoß gegen das Verknüpfungsverbot ergibt sich auch aus der konkreten Ausgestaltung der Klageverzichtsprämie. Diese ist zwar – formal – in einer separaten Betriebsvereinbarung geregelt: Inhaltlich ist sie aber tatsächlich und rechtlich unlösbar mit der Abfindung gem. Sozialplan verbunden. Eine Eigenständigkeit im Verhältnis zur Sozialplanabfindung kann bei der vorliegenden Regelung nicht mehr festgestellt werden, die Klageverzichtsprämie wird nach ihrer konkreten Ausgestaltung inhaltlich vielmehr selbst Teil der Sozialplanabfindung. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Systematik der Klageverzichts-BV und des Sozialplans. Es soll vorliegend – für den Fall des Klageverzichts – eine höhere Abfindung gezahlt werden, und zwar im Wege der Faktorerhöhung gem. III. 1. c) aa). Bereits aus dieser Anordnung wird deutlich, dass es sich hier um. keine eigenständige Abfindung, sondern um die – allerdings erhöhte- Sozialplanabfindung handelt. Noch deutlicher wird dieser Schluss, wenn man das hier explizit mitvereinbarte Beispiel in der betreffenden Betriebsvereinbarung in-den Blick nimmt. Dort ist vorgegeben, dass in den Fällen des Klageverzichts eine Faktorerhöhung stattfindet, also eine Addition des rein vom Lebensalter abhängigen Tabellenfaktors mit den weiteren 0,25 aus der gegenständlichen Betriebsvereinbarung „auf insgesamt 1,2“ (im Beispielfall). Dies kann nicht sinnvoll anders verstanden werden, als dass im Falle eines Klageverzichts keine gesonderte Verzichtsprämie neben eine Abfindung aus dem Sozialplan tritt. Vielmehr wird der Faktor „erhöht“ (Wortlaut BV) auf einheitlich den sich „insgesamt“ (Wortlaut BV) ergebenden höheren Faktor. Die vorgegebene Addition und das Fehlen sonstiger Vorgaben (wie z.B. Fälligkeit) in der BV spricht aus Sicht des Gerichts deutlich für eine Verknüpfung der beiden Komponenten zu einer einheitlichen Abfindung mit einheitlichem rechtlichen Schicksal. Dieses Verständnis fügt sich auch zwanglos in die Systematik des Sozialplans ein. So wird dort unter III. 1. c. die Abfindung errechnet, die sich nach der Klageverzichts-BV aber erhöhen soll und zwar um 0,25, so dass sich die Abfindung gem. III. 1. c. dann eben auf eine höhere Abfindung als ohne die Klageverzichts-BV beläuft, und zwar auf eine, deren Faktor sich nunmehr insgesamt zusammensetzt aus dem Lebensaltersfaktor und dem Verzichtsfaktor von 0,25. Diese einheitliche Abfindung – errechnet aufgrund der „Insgesamt-Vorgabe“ gem. der gegenständlichen BV aus den genannten beiden Komponenten – wird dann noch ggf. erhöht um die Zuschläge nach bb) und cc) (Kinder bav. Schwerbehinderte und Gleichgestellte) und ergibt gem. dd) dann die Gesamtabfindung.
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Diese einheitliche, in der Klageverzichts-BV als „höhere Abfindung“ bezeichnete Gesamtabfindung ist nach den untersuchten Regeluogen teilweise – und zwar in nicht unerheblichem Umfang, s.o. – von der Nichterhebung der Kündigungsschutzklage abhängig gemacht worden. Das aber verstößt gegen die Vorgabe, dass die für den Sozialplan „zur Verfügung stehenden Mittel (Addition aller Gesamtabfindungen) ungeschmälert für die Zwecke des Sozialplans einzusetzen sind und gerade nicht im Bereinigungsinteresse des Arbeitgebers verwendet werden dürfen.
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Die aufgezeigte Umgehung des Verknüpfungsverbots führt zur Unwirksamkeit des Verlangens nach einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und dies wiederum führt – da es sich hierbei um den zentralen Punkt der Klageverzichts-BV handelt – zur Unwirksamkeit der gesamten BV mit der Konsequenz, dass ein Abfindungsanspruch hierauf nicht gestützt werden kann (vgl. zu dieser Rechtsfolge: BAG a.a.O., 111.).
22
Der Kläger hat aber auch keinen höheren Anspruch auf eine Sozialplanabfindung. Die Deckelung gem. III. 1. c. ee) erfasst den klägerischen Abfindungsanspruch. Danach ist die Abfindung begrenzt auf 75.000,- €. Diese Regelung ist auch wirksam. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass die Arbeitsgerichte tatsächlich rechtswidrige Sozialplangestaltungen zu verhindern haben, jedoch nicht gehalten sind, bessere Lösungen zu finden als die Betriebsparteien (vgl. BAG vom 21.07.2009, 1 AZR 566/08; LAG Nürnberg vom 12.11.2014, 2 Sa 317/14). Die angegriffene Kappungsgrenze ist aber nicht rechtswidrig.
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Die Betriebsparteien haben bei der Ausgestaltung von Sozialplanansprüchen einen erheblichen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum (vgl. BAG vom 9.12.2014, 1 AZR 102/13; vgl. auch BAG vom 26.05.2009, 1 AZR 198/08). Sie können die Nachteile aus einer Betriebsänderung auf Grund dieses Regelungsspielraums in typisierter und pauschalierter Form ausgleichen. Sie sind insbesondere auch nicht gehalten, die jeweiligen Nachteile individuell zu prognostizieren und auszugleichen (vgl. LAG Nürnberg a.a.O.). Die Respektierung dieses erheblichen Gestaltungsspielraums geht soweit, dass dabei auch Härten, die mit jeder Gruppenbildung einhergehen und die bei typisierender Abschätzung wirtschaftlicher Nachteile und deren pauschalisierendem Ausgleich aus Sicht der Betriebsparteien nicht vermeidbar sind, in Kauf zu nehmen sind (vgl. BAG vom 21.07.2009, 1 AZR 566/08).
24
Die angegriffene Kappungsgrenze in III. 1. c. ee) hält sich aus .Sicht des Gerichts im Rahmen dieses weiten Regelungsspielraums. Es liegt keine Atersdiskriminierung und auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Zwar ist die unterschiedliche Behandlung von Mitarbeitern aus einem in S. 1 AGG genannten Grund – z.B. wegen des Alters – auch im Rahmen von Sozialplänen nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig. Sind diese aber erfüllt, ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt (vgl. BAG vom 23.03.2010, 1 AZR 832/08). Verboten ist nicht jede Ungleichbehandlung, aber nach S. 7 1 AGG eine Benachteiligung wegen eines in S. 1 AGG genannten Grundes, also z.B. des Alters. Dagegen verstoßende Vereinbarungen sind nach S. 7 Il AGG unwirksam.
25
Eine Benachteiligung im Sinne des AGG, dort geregelt in S. 3 AGG, liegt hier aber nicht vor.Eine unmittelbare Benachteiligung gem. S. 3 1 AGG scheidet aus, da die beanstandete Deckelung nicht nach dem Alter differenziert. Die betroffenen Arbeitnehmer werden wegen ihres Alters unmittelbar weder bevorzugt noch benachteiligt (vgl. BAG vom 21.07.2009, 1 AZR 566/08).
26
Auch eine mittelbare Altersdiskriminierung (S. 3 Il AGG) liegt nicht vor. Zwar werden von der Höchstbegrenzung typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sein. Die älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbegrenzungsklausel aber nicht anders, sondern genauso behandelt wie die jüngeren (vgl. BAG a.a.O.). Die Deckelung behandelt niemand ungleich und benachteiligt ältere Arbeitnehmer nicht. Sie begrenzt vielmehr deren mit der Altersstaffelung verbundene Bevorzugung und kann insoweit zulässig von den Betriebsparteien vereinbart werden. Das haben die Obergerichte wiederholt so entschieden, wobei diese Rechtsprechung auch der herrschenden Meinung in der Literatur entspricht (vgl. nur BAG und LAG Nürnberg a.a.O.; BAG vom 2.10.2007, 1 AZN 793/07; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG S 112a Rn. 156; ErfK, 20. Aufl., S. 1 12, 112a BetrVG Rn. 24a).
27
Auch das erkennende Gericht folgt dieser Auffassung. Es sieht dabei durchaus die auch für den Kläger entstehende Härte. Der Grund hierfür – die Kappung – ist allerdings dem nur begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanvolumen geschuldet und damit einem sachlich nachvollziehbaren und keineswegs willkürlichen Kriterium. Die Betriebsparteien können und dürfen ihr Verteilungsermessen nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel ausüben. Es liegt auf der Hand, dass dabei kein Ergebnis allen Interessen gerecht werden kann. Erhöhen sich bei gleichbleibendem Sozialplanvolumen aufgrund des steigenden Lebensalters die Abfindungen für ältere Arbeitnehmer, geht dies zwangsläufig zulasten der jüngeren Arbeitnehmer. Einer Kappungsgrenze liegt dabei die Einschätzung der Betriebsparteien zu Grunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise noch angemessen ausgeglichen oder jedenfalls substanziell abgemildert sind (vgl. BAG vom 21.07.2009, a.a.O.): Die Betriebsparteien durften bei der vereinbarten Summe von 75.000,- € aus Sicht des Gerichts davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Nachteile noch substantiell abgemildert werden. Vorliegend haben es die Betriebsparteien nach dem (unwidersprochenen) Beklagtenvorbringen auch gerade bzw. nur mit Hilfe des „Deckels“ erreicht, dass die 47 unter 49-Jährigen Mitarbeitern 1/8 der zur Verfügung gestellten Abfindungssumme erhalten (1,08 Millionen Euro), die 111 Älteren aber 7/8 (7,02 Millionen Euro). Damit haben sie aus Sicht des Gerichts ein Gesamtergebnis erzielt, das angemessen. ist und bei dem die Interessen der älteren wie der jüngeren Mitarbeiter fair gegeneinander abgewogen wurden, Die untersuchte Regelung ist daher vom weiten Gestaltungsspielraum gedeckt.
28
Eine unzulässige Altersdiskrimjnierung kann nach alldem nicht festgestellt werden. Da im Anwendungsbereich des AGG, also dann, wenn es – wie hier – um eine behauptete Atersdiskriminierung geht, die Regelungen des AGG abschließend sind und ein Rückgriff auf den Gleichbehandlungsgrundsatz weder möglich noch nötig ist (vgl. BAG vom 23.03.2010 a.a.O. und Hinrichs/Zwanziger DB 2007, 574 ff.), liegt in der Sozialplandeckelung auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. S. 75 1 BetrVG (so im Ergebnis auch BAG vom 21.07.2009 a.a.O. und LAG Nürnberg a.a.O.).
29
Eine Unwirksamkeit der Kappungsgrenze lässt sich auch mit Blick auf den Abfindungsbetrag für Schwerbehinderte wie den Kläger nicht feststellen. Eine Ungleichbehandlung oder Benachteiligung liegt nicht vor, auch wenn der zusätzliche Abfindungsbetrag der Deckelung unterfällt. Die Höchstbetragsklausel differenziert nicht nach der' Schwerbehinderung.
30
Der Kläger wird genauso behandelt wie andere Schwerbehinderte und auch wie nicht schwerbehinderte Menschen. Er bekommt nicht „wegen“ seiner Schwerbehinderung den erhöhten Abfindungsbetrag nicht, sondern wegen des Erreichens der Kappungsgrenze. Die Betriebsparteien dürfen die Zahl der nach dem Sozialplan tatsächlich begünstigten schwerbehinderten Mitarbeiter eigenständig und ggf. auch abweichend vom SGB IX festlegen, soweit die vorgenommene Differenzierung sachlich vertretbar ist (vgl. BAG vom 19.04.1983, 1 AZR 498/81). Eine Höchstbetragsregelung (wie hier unter III. 1. c. ee) vereinbart) stellt ein in diesem Sinne zulässiges Differenzierungskriterium für die Frage, ob bzw. inwieweit ein (zusätzlicher) Abfindungsbetrag tatsächlich entsteht bzw. zur Auszahlung kommt, dar. Zwar ergibt sich auch hierdurch – und das sieht das Gericht durchaus eine gewisse Härte. Auch dies ergibt sich aber aus dem nur begrenzt zur Verfügung stehenden Sozialplanvolumen und ist damit nicht willkürlich, sondern ebenfalls sachlich vertretbar. Die Betriebsparteien halten sich daher auch hiermit im Rahmen ihres Regelungsspielraumes, wenn sie auch Abfindungserhöhungsbeträge wie hier der Deckelung unterwerfen (vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 28.02.2012, 3 Sa 473/1 1; vgl. auch Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Auflage 2018; S. 75 Rn. 40; Hohensta WWillemsen in: Henss1er/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 8. Aufl. 2018, S. 112 BetrVG Rn. 52).
31
Nach alldem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf S Öl I ZPO. Der Streitwert wurde gem. SS 61 1 ArbGG, 3 ZPO in Höhe der eingeklagten höheren Abfindung festgesetzt. Die Berufung wurde nach S. 64 III Nr. 1 ArbGG zugelassen, da die hier relevanten rechtlichen Fragen über den Einzelfall hinaus für eine Vielzahl gleich oder ähnlich liegender Fälle richtungsweisend sein können (vgl. Schwab/ Weth, ArbGG, S. 64 Rn. 96).