Titel:
Schadensersatz, Fahrzeug, Annahmeverzug, Vertragsschluss, Kaufpreis, Software, Nebenbestimmung, Reparaturkosten, Rechtsanwaltskosten, Streitwert, Kenntnis, Anspruch, Vollstreckung, Schadensbeseitigung, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, positive Kenntnis
Schlagworte:
Schadensersatz, Fahrzeug, Annahmeverzug, Vertragsschluss, Kaufpreis, Software, Nebenbestimmung, Reparaturkosten, Rechtsanwaltskosten, Streitwert, Kenntnis, Anspruch, Vollstreckung, Schadensbeseitigung, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, positive Kenntnis
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 10.10.2022 – 21 U 5374/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61854
Tatbestand
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- Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem PKW-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten „Abgasskandal“.
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Die Klägerin erwarb am 18.11.2013 von privat einen PKW Audi A1 (Fahrgestellnummer …90 als Gebrauchtwagen mit einem Kilometerstand von 24.175 km zu einem Kaufpreis von 15.500,00 € brutto (Anlage K1). Weiter sind der Klägerin Reparaturkosten i.H.v. 340,01 € entstanden (Anlage K1a). Eingebaut in das Fahrzeug, das von der Beklagten hergestellt wurde, ist ein Motor des Typs EA 189.
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Bereits im Zeitpunkt der Übergabe war eine Software in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut, die so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf dem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte, bei dem eine erhöhte Rückführung und Verbrennung von Abgasen stattfand, während bei Fahrten auf der Straße dieser Modus abgeschaltet wurde (Modus 0). Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) stellte fest, dass derart ausgestattete Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet seien und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmung für die jeweils erteilten Typengenehmigungen an, dass die Beklagte die unzulässige Abschalteinrichtung entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen habe.
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Das Softwareupdate wurde im Oktober 2017 durchgeführt.
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Zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug der aktuelle Kilometerstand 125.198 km.
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Mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreter vom 13.08.2019 forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung sowie zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter Fristsetzung bis zum 30.08.2019 auf. Die Klageschrift wurde der Beklagten am 02.10.2019 zugestellt.
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Die Klägerin behauptet, der EA189 Motor sei als Gemeinschaftsentwicklung der Beklagten zusammen mit der Volkswagen AG entwickelt worden.
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Die Klägerin trägt im Wesentlichen weiter vor:
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Die Beklagte habe in der Motorsteuerung des Motors EA 189 eine illegale Abschalteinrichtung verwendet, um die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Das Fahrzeug sei daher durch die Beklagte werksseitig manipuliert gewesen hinsichtlich der Schadstoffwerte. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche gegen die Beklagte auf verschiedene deliktische Anspruchsgrundlagen, mitunter auch auf §§ 823 II BGB, 27 EG-FGV und auf § 826 BGB. Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Weder habe die Klägerin im Jahr 2015 von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Abgasskandal gewusst, noch habe er insofern Obliegenheiten verletzt. Die Klägerin sei insbesondere nicht zur Informationsgewinnung durch die Tagespresse und die Beklagte verpflichtet gewesen.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei 15.500,00 € zzgl. Reperaturkosten in Höhe von 340,01 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 19.11.2013 bis 30.08.2019 für den Betrag von 15.500,00 € und seither von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 4.805,82 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A1 1.6 TDI mit der Fahrgestellnummer …90 zu zahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 30.08.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
- 3.
-
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.570,80 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2019 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte behauptet, der EA189 Motor sowie die Motorsteuerungssoftware wurden von der Volkswagen AG allein entwickelt.
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Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
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Weiter ist sie der Ansicht, es liege keine deliktische Handlung der Beklagten vor. Der Kläger habe eine Täuschung der Beklagten oder eine andere gegenüber der Klägerin als besonders verwerflich anzusehende Handlung nicht dargelegt. Auch ein kausaler Schaden und Vorsatz seien nicht gegeben.
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Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen Schutzgesetze vorliege. Für das Fahrzeug liege eine wirksame EG-Typengenehmigung vor. Die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer Software ausgestattet gewesen sei, welche den Stickoxidausstoß im Prüfstand beeinflusste, habe an Bestand und Wirksamkeit der Genehmigung nichts geändert. Das Fahrzeug sei für den Straßenverkehr zugelassen worden und habe jederzeit uneingeschränkt genutzt werden können. Die Beklagte bestreitet die Kausalität zwischen einer etwaigen Täuschung/ Schädigungshandlung und dem konkreten Vertragsschluss mit Nichtwissen. Die Emissionswerte hätten für die Kaufentscheidung des Klägers keine Rolle gespielt.
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Etwaige Ansprüche seien jedenfalls verjährt. Der Abgasskandal habe durch öffentliche Bekanntmachung und Pressemitteilung der Beklagten sowie die öffentliche Presseberichterstattung ab dem 22. September 2015 permanent alle deutschen Medien beherrscht. Auch habe die Beklagte im Oktober 2015 eine Website zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit einzelner Fahrzeuge durch Eingabe per Fahrzeugidentifikationsnummer geschaltet. Nach der Lebenserfahrung habe die Klägerin daher bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs vom Abgasskandal gehabt. Jedenfalls läge grob fahrlässige Unkenntnis vor. Im Jahr 2015 sei der Klägerin auch nach den vom Gericht zugrunde gelegten Kriterien bereits eine schlüssige Klage möglich gewesen.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.06.2020 hat das Gericht die Klägerin informatorisch angehört. Mit der Ladungsverfügung hat das Gericht rechtliche Hinweise erteilt. Auf das Protokoll vom 23.06.2020 (Bl. 319/323 d.A.) wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 9.823,01 € zuzüglich der Reperaturkosten i.H.v. 340,01 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus § 826 BGB. Weiter besteht ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Verzugszinsen auf die Hauptforderung sowie auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Eine Verjährung ist nicht eingetreten. Der Annahmeverzug war festzustellen. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.
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I. Der klägerische Anspruch ergibt sich aus § 826 BGB. Die Beklagte hat die Klägerin in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt.
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1. Die Handlung, durch die die Beklagte die Klägerin geschädigt hat, war der Einbau und das spätere Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit den Dieselmotoren, deren Motorsteuerung so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im NEFZ erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte, wobei die Beklagte das Vorhandensein der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung verschwieg. An der Unzulässigkeit der installierten Einrichtungen ist spätestens seit der vom KBA angeordneten Rückrufaktion nicht mehr zu zweifeln.
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2. Die schädigende Handlung ist der Beklagten zuzurechnen.
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Die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben zunächst die unzulässige Software aufgespielt und in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Typenzulassung wegen des Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG gemäß Art. 10 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG nicht vorliegen, vorsätzlich eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne des § 6 Abs. 1 EG-FGV für das Fahrzeug ausgestellt. Die damit einhergehenden Täuschungshandlungen sind nach Überzeugung der Kammer auch nur vorsätzlich denkbar, weil die Beklagte als etablierte Fahrzeugherstellerin die Kenntnis der Programmierung ihrer eigenen Fahrzeuge sowie der für sie einschlägigen Rechtsnormen unterstellt werden kann. Jedenfalls liegt insofern aufgrund der substanziierten Darlegung der Klägerin eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, welcher die Beklagte nicht genügt hat.
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Eine Zurechnung der jeweiligen Handlungen auch verschiedener Mitarbeiter an die Beklagte erfolgt über eine entsprechende Anwendung von § 831 BGB sowie § 31 BGB. Dabei muss im Rahmen der Rechtsprechung zur Repräsentantenhaftung auch denjenigen Personen das deliktische Handeln der Mitarbeiter nach § 31 BGB zugerechnet werden, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung, bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob diese Personen satzungsgemäß oder (nur) im Rechtsverkehr die juristische Person vertreten, da letztere nicht selbst darüber entscheiden soll (durch die eigene Satzung), für welche Personen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will (vgl. BGH III ZR 296/11).
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Unstreitig und amtsbekannt ist insoweit, dass die Beklagte eine 100%ige Tochter der Herstellerin des Motors ist und diese ihre Motoren serienmäßig im Rahmen einer konzerninternen Arbeitsteilung in die Fahrzeuge einbaut.
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Es bedarf keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klägerin, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt. Auch der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 15.06.2020 (Bl. 303/317), wonach der Motor allein von der Volkswagen AG entwickelt wurde, ist hierfür nicht ausreichend. Der Vortrag der Klägerin im Rahmen der Kenntnis der Vorstände, bezog sich nicht nur auf die Entwicklung der Motoren, sondern es wurde auch ausführlich zum Wissenstransfer zwischen den Konzernunternehmen vorgetragen. Weiter ist im Rahmen des Einbaus und der Inverkehrgabe der Fahrzeuge mit dem Motor für das Gericht entscheidend, wie sich der Informationsfluss zu Eigenschaften der fremdenwickelten Teile in die eigenen Fahrzeuge gestaltet, wie auch der Informationsfluss gegenüber dem KBA in der Folge. Auch hierzu äußert sich die Beklagte nicht. Auch das OLG München hat bereits festgestellt, dass alleine der Umstand, dass der Motor von der Volkswagen AG entwickelt wurde nichts an einer Zurechnung nach § 826 BGB i.V. § 31 BGB ändert (OLG München Hinweisbeschluss vom 20.02.2020, Az.: 21 U 6938/19). Soweit sich die Beklagte diesbezüglich auf das BGH Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19 stützt ist anzumerken, dass es sich in diesem Verfahren nicht um die streitgegenständlich Beklagte handelte und keine negativen Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Vielmehr können die einzelnen Verursachungsbeiträge der Volkswagen AG und der Beklagten gleichwertig nebeneinander stehen.
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Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt ist für die Kammer jedoch nicht anzuzweifeln, da insoweit ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar ist.
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3. Die Beklagte hat der Klägerin den Schaden vorsätzlich zugefügt. Die Programmierung der hier in Rede stehenden Software setzt eine aktive und ergebnisorientierte präzise Programmierung der Motorsteuersoftware voraus. Die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes ist daher ausgeschlossen, so dass es keiner weiteren Beweisaufnahme hierzu bedurfte. Dasselbe gilt für die Verwendung des Motors, in dem die Software implementiert war.
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Mangels jeglicher entgegenstehender Anhaltspunkte muss ebenso davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten völlig klar war, dass die Beklagte Dieselmotoren in den von ihr hergestellten Fahrzeugen verkaufte, die hinsichtlich der Abgaswerte nicht den einschlägigen Vorschriften entsprachen, und dass somit die Kunden der Beklagten selbst sowie die Käufer von betroffenen Gebrauchtwagen wirtschaftlich nachteilige Kaufverträge abschlossen. Zur Kenntnis der Vorstände s.o. im Rahmen der Zurechnung.
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4. Das Verhalten der Beklagten verstieß auch gegen die guten Sitten. Die Täuschung durch die Beklagte diente – andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit (siehe zum Ganzen statt vieler BGH vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19).
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5. Der Klägerin ist durch die Bindung an einen nicht erwartungsgerechten Vertrag ein Schaden entstanden, der einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs auslöst gemäß §§ 249 ff. BGB.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
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Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, führt dies zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber wie die Klägerin infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt. Hätte der Hersteller keine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und stattdessen offengelegt, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätten deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen.
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Die Klägerin hat ausgeführt, dass ihr zum Zeitpunkt des Kaufs die Nachhaltigkeit sehr wichtig war, da sie bei „Alnatura“, also einem nachhaltigen Unternehmen gearbeitet hat. Daher waren Umweltaspekte ein großes Thema für sie.
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Letztlich kommt es auf das konkrete Motiv der Klägerin jedoch nicht an. Aus Sicht des Gerichts ist jeder Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrgabe keinen rechtlichen Bedenken unterliegt (diesem Erfahrungssatz ist der BGH auch in seiner Entscheidung vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19 ausdrücklich beigetreten). Jedenfalls lässt sich keinem Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug, das diese Eigenschaft nicht aufweist, ist aus Sicht des jeweiligen Erwerbers dann zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsträchtige Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße geführt hat.
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Die informatorische Anhörung hat keine Anhaltspunkte ergeben, die an diesem allgemeinen Lebenssatz in Bezug auf die Klägerin Zweifel aufkommen lassen.
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6. Damit kann auch das durchgeführte Softwareupdate den einmal eingetretenen Schaden, nämlich die Bindung an den so nicht gewollten Vertrag, nicht beseitigen.
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Unabhängig von der Frage, ob dieses im Hinblick auf seine höchst umstrittenen Folgen überhaupt technisch geeignet ist, den Schaden zu beseitigen, kommt es auf dessen Wirkung nicht an. Maßgeblich für die Frage des Schadens ist der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs. Der Schadenseintritt war zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Dem Deliktsrecht ist eine Nacherfüllungsverpflichtung und eine damit korrespondierende Pflicht zur Hinnahme der Nacherfüllung, wie sie das Kaufrecht vorsieht, fremd.
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Hinzu kommt, dass die Klägerin das Softwareupdate nicht aus Gründen der Schadensbeseitigung hat durchführen lassen, sondern weil das Fahrzeug von der vom KBA angeordneten Rückrufaktion betroffen war und anderenfalls eine Betriebsuntersagung gedroht hätte. In der Durchführung des Updates kann daher kein Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gesehen werden.
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7. Da es hier nicht um den Schutz des Vermögens geht, sondern der Vertrag als solcher den zu beseitigenden Schaden darstellt, hat die Klägerin zwar Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, muss sich aber die erlangten Gebrauchsvorteile im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB in Abzug bringen lassen. Dies hat die Klägerin bereits selbst in seinem Klageantrag berücksichtigt. Im Termin wurde der Nutzungsersatz vom Kläger dann auf 4.805,82 € beziffert.
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Die Nutzungsentschädigung, die die Klägerin an die Beklagte im Wege der Zug-um-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist im vorliegenden Fall auf 5.676,99 € festzusetzen. Die Berechnung nimmt das Gericht dabei nach folgender Formel vor (vgl. BGH, Entscheidung vom 09.12.2014, VIII ZR 196/14):
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Bruttokaufpreis (€) x gefahrene Strecke (km)
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Restleistung bei Vertragsschluss (km)
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Da die Klägerin das Fahrzeug als Gebrauchtwagen erworben hat, hat sie für die seit dem Kauf gefahrenen Kilometer von unstreitigen 101.023 km (125.198 km – 24.175 km)
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Nutzungsentschädigung zu leisten. Dies ergibt sich nach gerichtlicher Schätzung gemäß § 287 ZPO.
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Das Gericht geht im Rahmen der Berechnung weiter aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus (so auch LG München I, Az. 23 O 23033/15).
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Die Nutzungsentschädigung beläuft sich daher auf 15.500,00 € (Kaufpreis) x 101.023 (gefahrene km) : 275.825 (Gesamtlaufleistung abzüglich Kilometer beim Kauf) = 5.676,99 €.
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Es verbleibt daher ein Rückzahlungsbetrag an den Kläger in Höhe von 9.823,01 € zuzüglich der Reparaturkosten in Höhe von 340,01 €.
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II. Der Anspruch ist auch nicht verjährt.
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Es gilt die regelmäßige Drei-Jahres-Frist nach § 195 BGB. Diese beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den, den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Als diejenige, der die Einrede der Verjährung zugute käme, ist die Beklagte für die dafür maßgeblichen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Der streitgegenständliche Anspruch ist bereits mit Kaufvertragsschluss, spätestens jedoch mit Verjährung der kaufvertraglichen Mängelrechte entstanden. Allerdings hat die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts bis Ende des Jahres 2015 weder von allen anspruchsbegründenen Umständen Kenntnis erlangt, noch ist der Klägerin insofern grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen.
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1. Die Klägerin hatte von den anspruchsbegründenden Umständen, insbesondere von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs vom Abgasskandal, im Jahr 2015 noch keine positive Kenntnis erlangt.
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a) Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BGH, Urteil vom 15.3.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187).
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b) Zunächst beruht die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik und allen anderen anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt, lediglich auf der Mutmaßung der Beklagten, dass durch öffentliche Bekanntmachungen, öffentliche Berichterstattung und der Schaffung einer Website zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit durch die Beklagte im Jahr 2015 der Abgasskandal allgemein bekannt gewesen sei und deshalb auch der Klägerin nicht verborgen geblieben sein könne.
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Dieser Sachvortrag lässt jedoch jeden individuellen Bezug zur Klägerin vermissen.
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Insbesondere hat die Beklagte nicht einmal vorgetragen, dass die Fahrzeugidentifikationsnummer des klägerischen Fahrzeugs im Jahr 2015 in die Suchmaske der zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit vom Abgasskandal geschalteten Website eingetragen und eine Abfrage gestartet worden sei. Nicht einmal allgemein trägt die Beklagte vor, wie viel Prozent der betroffenen Fahrzeugidentifikationsnummern im Jahr 2015 überhaupt tatsächlich bereits auf der Homepage überprüft wurden, wie stark die Homepage also zu diesem frühen Zeitpunkt des Skandals von den getäuschten Fahrzeugeigentümern angenommen wurde. Eine andere Erkenntnismöglichkeit des Klägers von der individuellen Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Jahr 2015 trägt die Beklagte auch nicht vor. Ihre Behauptung, die Klägerin habe Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik gehabt, dürfte bereits vor diesem Hintergrund als Äußerung „ins Blaue hinein“ unbeachtlich sein.
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Die informatorische Anhörung der Klägerin hat auch keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass diese im Jahr 2015 positive Kenntnis davon hatte, dass das streitgegenständliche Fahrzeug überhaupt vom Abgasskandal betroffen ist. Sie hat – für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend – dargestellt, dass sie erst 2016 über das Schreiben von der Beklagten von ihrer Betroffenheit erfahren habe. Davor habe sie zwar von dem Abgasskandal etwas allgemein mitbekommen, aber nicht, welche Motoren usw. es genau betreffe. Dies genügt jedenfalls nicht für den der Beklagten obliegenden Beweis der Kenntnis im Jahr 2015.
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Es gibt keinen Anlass, am grundsätzlichen Wahrheitsgehalt der Aussage der Klägerin zu zweifeln. Die Klägerin hat sich im Termin dahingehend geäußert, dass sie kein großes Interesse an Medien hat. Aus Sicht des Gerichts bedurfte es aber jedenfalls im Jahr 2015 schon einer überdurchschnittlichen Aufmerksamkeit für Automobilthemen, um aus den damaligen ersten Meldungen bereits positive Kenntnis der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs zu erlangen.
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2. Die Klägerin muss sich auch nicht entgegen halten lassen, dass eine fehlende Kenntnis der anspruchsbegründenden Umständen im Jahr 2015 zumindest grob fahrlässig war.
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Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die oben genannten Umstände dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (BGH, Urteil vom 15.3.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187).
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Der Gläubiger ist zwar nicht gehalten, umfängliche Nachforschungen über die anspruchsbegründenden Tatsachen und die Person seines Schuldners anzustellen, aber es besteht die Obliegenheit, sich zumindest über diejenigen Umstände zu informieren, bei denen dies mühelos und ohne erheblichen Kostenaufwand möglich ist, so dass das Unterlassen von Ermittlungen geradezu unverständlich erscheint. Dabei sind jedoch die konkreten Umstände des Einzelfalls zu beachten: Im Vertragsrecht können von einem Vertragspartner regelmäßig weitergehende Nachforschungen erwartet werden als von dem Geschädigten im Deliktsrecht, auch ist die Nachforschungsobliegenheit eines Unternehmers weitergehender als jene eines Verbrauchers. Eine generelle Obliegenheit des Gläubigers, Presseveröffentlichungen zu verfolgen, besteht dabei nicht (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 199 Rn. 31 m.w.N.).
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Vorliegend hätte die Klägerin also, um noch im Jahr 2015 eine schlüssige Klage erheben zu können, zwischen dem 22. September 2015 und dem 31. Dezember 2015 die Presseberichterstattung so umfassend verfolgen müssen, dass er zumindest die folgenden Punkte erfahren hätte: 1. Es gibt einen Abgasskandal. 2. Der streitgegenständliche Fahrzeughersteller ist betroffen. 3. Der streitgegenständliche Motortyp ist betroffen. 4. Die individuelle Betroffenheit kann (ausschließlich) über eine Homepage des Herstellers abgeprüft werden. 5. Laut Hersteller ist das streitgegenständliche Fahrzeug betroffen. 6. Mitarbeiter des Herstellers haben die Software absichtlich programmiert. 7. Dies ist dem Hersteller zuzurechnen. 8. Zweck der Software war eine Kostensenkung zulasten eines erhöhten Schadstoffausstoßes (sittenwidriges Gepräge).
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Dazu, dass auch die zuletzt genannten Punkte durch sorgfältiges Verfolgen der Presseberichterstattung bereits im Jahr 2015 für die Klägerin erkennbar gewesen wären, hat die Beklagte schon nicht hinreichend substanziiert vorgetragen.
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Während mit Blick auf die Zurechnung nach § 31 BGB analog mittlerweile eine Vielzahl von Anknüpfungstatsachen durch Parallelverfahren bekannt ist, war dies im Jahr 2015 noch nicht so, so dass damals für eine schlüssige Klage ein weitergehender Sachvortrag zu fordern war, als dies heute der Fall ist. Dies wäre allenfalls durch Kombination verschiedenster Pressequellen im Jahr 2015 möglich gewesen. Ein derart sorgfältiges Verfolgen der Presseberichterstattung stellte aber jedenfalls keine Obliegenheit der Klägerin dar. Die Klägerin ist Verbraucher, die Beklagte vorsätzlich handelnder deliktischer Schädiger. Einem Verbraucher ist schlicht nicht zuzumuten, Skandale eines jeden Herstellers zu verfolgen, dessen Produkte er jemals erworben hat. Auch muss ein Verbraucher schlicht aufgrund des öffentlich bekannten Bestehens eines solchen Skandals noch nicht davon ausgehen, dass ihn der Hersteller absichtlich geschädigt hat, folglich muss er die Berichterstattung auch nicht mit Blick hierauf gezielt verfolgen. Diese Situation ist auch nicht vergleichbar mit Fällen, in denen das Fahrzeug erst in den Jahren nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals erworben wurde, da man sich beim Neuerwerb eines Pkws üblicherweise deutlich umfassender informiert, als bei Skandalen zu Herstellern, deren Produkt man bereits erworben hat.
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Mit Blick auf den Fahrlässigkeitsvorwurf ist auch äußerst fraglich, ob von der Klägerin überhaupt erwartet werden konnte, die Homepage der Beklagten als Informationsquelle zu nutzten. Zu beachten ist dabei, dass hier nicht etwa eine Information von einem (selbst gewählten) Vertragspartner abzufragen war, sondern vielmehr dem Geschädigten zugemutet wurde, sich an den Hersteller, der sie getäuscht und vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, zu wenden und sich auf dessen Angaben zu verlassen. Eine dahingehende Obliegenheit scheint unbillig. Eine andere Quelle zur individuellen Betroffenheit gab es aber nicht, insbesondere hatte das KBA im Jahr 2015 die Fahrzeughalter noch nicht angeschrieben. Vor diesem Hintergrund erscheint es keinesfalls unverständlich, dass der Kläger im Jahr 2015 die Berichterstattung noch nicht hinreichend verfolgt hat, um alle anspruchsbegründenen Umstände zur Kenntnis zu nehmen, sofern dies im Jahr 2015 überhaupt schon möglich war.
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III. Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 1 BGB soweit er sich auf den Kaufpreis abzüglich der Nutzungsentschädigung bezieht. Betreffend die Reperaturkosten ergibt sich der Anspruch aus § 291, 288 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 1 BGB.
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IV. Das Feststellungsinteresse und die materiellen Voraussetzungen des Annahmeverzugs gemäß dem Antrag zu 2) nach §§ 293 ff. BGB liegen vor. Insbesondere wurde in dem anwaltlichen Schreiben der Klägerin bereits eine zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung angekündigt.
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V. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind als Teil des deliktischen Schadens, § 249 BGB, (nur) in der tenorierten Höhe aus dem zusprechenden Klageantrag zu 1) samt Verzugszinsen zu ersetzen.
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Bei der Berechnung ist lediglich eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV, § 13 RVG (eine Gebühr: 558,00 €) anzusetzen.
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Es liegt keine Angelegenheit großen Umfangs oder hoher Schwierigkeit vor. Vielmehr ist das Verfahren ein Massenverfahren, bei dem die Schriftsätze zu mehr als 95% aus Textbausteinen bestehen, was allenfalls den Ansatz der Mittelgebühr rechtfertigt.
71
Hinzuzurechnen ist die Pauschale Nr. 7002 VV in Höhe von 20,00 €. Unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer ergibt sich der tenorierte Betrag von 887,03 €.
72
Die Verzinsung dieses Anspruchs ergibt sich ebenfalls aus §§ 286, 288 Abs. 1 S. 2, 187 Abs. 1 BGB.
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Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
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I. Die Klägerin muss sich die oben dargestellte weitere Nutzungsentschädigung anrechnen lassen.
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II. Verzugszinsen sind nur auf den Betrag zu zahlen, der den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung betrifft. Die Reparaturkosten wurden in dem anwaltlichen Schreiben vom 13.08.2013 noch nicht angekündigt. Daher können hier lediglich Rechtshängigkeitszinsen verlangt werden.
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III. Zinsen nach § 849 BGB ab Kaufvertragsschluss bzw. Bezahlung des Kaufpreises schuldet die Beklagte nicht.
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§ 849 BGB ist bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Die Beklagte hat weder eine Sache des Klägers entzogen noch beschädigt. Der Kaufpreis ging vielmehr an den Verkäufer.
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Außerdem ist § 849 BGB zwar über den bloßen Wortlaut hinaus auch auf die Entziehung von Geldmitteln anzuwenden (BGH, Versäumnisurteil vom 26. 11. 2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084), allerdings ist der Anwendungsbereich auf die Überlassung von Geldern ohne gleichzeitig nutzbare Gegenleistung zu beschränken. Der Zinsanspruch nach § 849 BGB soll nämlich mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der Geschädigte eine nutzbare Gegenleistung erhalten hat, auch wenn diese später im Rahmen eines Schadensersatzanspruches an den Schädiger übereignet wird. Denn durch einen Fahrzeugkauf, den der Kläger in jedem Fall beabsichtigte und nach dem er das Fahrzeug auch nutzte, hätte er auch ohne die Täuschung der Beklagten den Kaufpreis nicht gewinnbringend anlegen können. Ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend, dass Schadensersatzansprüche ab dem Zeitpunkt der Entstehung zu verzinsen seien, ist dem deutschen Recht fremd (Wagner, in: MüKo, § 849 Rn. 4) .
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IV. Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Klage abzuweisen, soweit mehr als der tenorierte Betrag beantragt war. C.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.
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Angesichts der Höhe der beantragten, aber nicht ausgeurteilten Deliktszinsen von 3.584,11 € sowie der weiteren Nebenforderungen war ein fiktiver Streitwert zu bilden und anhand dessen die Obsiegens- und Unterliegensquote zu ermitteln (vgl. hierzu MüKo-Schulz, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 92 Rn. 4). Dieser fiktive Streitwert (11.034,19 € zuzüglich der Deliktszinsen und eingeklagte Rechtsanwaltskosten) beträgt 16.189,10 €. Hiervon obsiegt die Klägerin in Höhe von 11.050,05 € (10.163,02 € in der Hauptsache zuzüglich 887,03 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten), mithin von etwa 68%.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO
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Der Gebührenstreitwert bemisst sich nach dem Wert der Hauptsache, Nebenforderungen und Zug-um-Zug-Leistungen sind nicht zu berücksichtigen.