Titel:
Vertragsschluss, Berufung, Auslegung, Schadensersatzforderung, Klausel, Verwender, Leistung, form, Abtretungsvereinbarung, Anspruch, Transparenzgebot, Benachteiligung, Vertragspartner, Vermittlung, unangemessene Benachteiligung, Treu und Glauben, Zug um Zug
Schlagworte:
Vertragsschluss, Berufung, Auslegung, Schadensersatzforderung, Klausel, Verwender, Leistung, form, Abtretungsvereinbarung, Anspruch, Transparenzgebot, Benachteiligung, Vertragspartner, Vermittlung, unangemessene Benachteiligung, Treu und Glauben, Zug um Zug
Vorinstanz:
LG Coburg, Endurteil vom 15.02.2019 – 11 O 321/18
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61786
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 15.02.2019, Az. 11 O 321/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen, da weder die Revision gegen das Urteil zulässig ist, noch gemäß § 544 ZPO dagegen die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann, weil die Beschwer des Klägers durch dieses Urteil die dafür erforderliche Grenze von 20.000,00 € nicht überschreitet.
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Wegen der Feststellungen wird daher auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie im Übrigen auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
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Im Hinblick auch den Klageantrag zu Ziffer 6. aus der Berufungsbegründung vom 13.05.2019 hat der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 22.09.2020 die Teilerledigung erklärt, da die Forderung durch die Beklagte zwischenzeitlich beglichen worden sei. Der Beklagtenvertreter hat der Teilerledigterklärung nicht zugestimmt (Hauptverhandlungsprotokoll vom 22.09.2020).
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Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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Die Berufung ist statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere liegt auch das für die als (unproblematisch zulässige) Klageänderung in eine Feststellungsklage auszulegende einseitige Erledigterklärung erforderliche Feststellungsinteresse vor soweit der Kläger die Klage im Hinblick auf den Klageantrag zu Ziffer 6. aus der Berufungsbegründung vom 13.05.2019 für erledigt erklärt hat und die Beklagte dieser Teilerledigterklärung widersprochen hat.
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Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Es fehlt an der Aktivlegitimation, weil die Abtretungen sowie die Anweisungsklausel wegen Verstößen gegen das Transparenzgebot und das Verbot der unangemessenen Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB) sowie aufgrund des Überraschungscharakters der Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB) unwirksam sind bzw. nicht Vertragsbestandteil wurden. Der Kläger ist daher nicht Inhaber der geltend gemachten Forderungen durch Abtretung geworden. Die Anweisungsklausel bietet ebenfalls keine Grundlage für eine Geltendmachung einer Zahlung an sich in eigenem Namen.
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1. Bei den zu Grunde liegenden Erklärungen handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird insoweit Bezug genommen.
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2. Der Anwendungsbereich des § 307 Abs. 1 und 2 BGB ist vorliegend nicht nach § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Zwar liegt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung vor. Der fehlende Verweis auf das Recht des Geschädigten, den Honoraranspruch des Sachverständigen nur Zug um Zug gegen Rückabtretung des Schadensersatzanspruchs erfüllen zu müssen, stellt nach Ansicht des Senats in der Gesamtschau des verwendeten Klauselwerks jedoch eine zumindest missverständliche Regelung dar, die den Anwendungsbereich des § 307 Abs. 1 und 2 BGB eröffnet (vgl. MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl. 2019, BGB § 307 Rn. 9).
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3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten folgende Grundsätze im Hinblick auf das Transparenzgebot (zuletzt BGH, Urteil vom 18.2.2020, Az.: VI ZR 135/19):
Nach § 307 I 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (vgl. Senat NJW-RR 2020, 112 Rn. 23; NJW 2019, 51 Rn. 9; BGH NJW-RR 2020, 292 = ZIP 2020, 310 Rn. 24; NJW 2020, 986 Rn. 25, jew. mwN). Der Vertragspartner soll unter anderem davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden. Die eindeutige und durchschaubare Vermittlung der mit einem beabsichtigten Vertragsschluss verbundenen Rechte und Pflichten ist Voraussetzung für eine informierte Sachentscheidung. Die Klausel muss deshalb nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich verdeutlichen (vgl. Senat NJW-RR 2020, 112 Rn. 23; BGH NJW 2020, 986 Rn. 25). Eine Intransparenz kann sich nicht nur bei einzelnen Klauseln aus ihrer inhaltlichen Unklarheit, mangelnden Verständlichkeit oder der unzureichenden Erkennbarkeit der Konsequenzen ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung (vgl. Senat NJW-RR 2020, 112 Rn. 23; NJW 2019, 51 Rn. 10, jew. mwN). Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden (vgl. Senat NJW-RR 2020, 112 Rn. 23; NJW 2019, 51 Rn. 9; BGH NJW-RR 2020, 292 = ZIP 2020, 310 Rn. 24; NJW 2020, 986 Rn. 25, jew. mwN). Für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in erster Linie ihr Wortlaut relevant (vgl. Senat NJW 2019, 51 Rn. 10; NJW 2018, 455 Rn. 22, jew. mwN).
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Diesen Anforderungen wird die verwendete Klausel nicht gerecht, da sie das Schicksal des Schadensersatzanspruches bei Geltendmachung der Honorarforderung durch den Kläger gegenüber dem Geschädigten selbst nicht regelt. Eine solche Regelung wäre nach Ansicht des Senats, in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Erstgerichts, jedoch erforderlich gewesen, weil es dem durchschnittlichen Vertragspartner weder ersichtlich noch als bekannt zu unterstellen ist, dass er - einer interessengerechten Auslegung folgend - die Honorarforderung nur Zug um Zug gegen Rückabtretung der Schadensersatzforderung begleichen muss. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, welche sich der Senat zu eigen macht, wird insoweit Bezug genommen. Der Einwand des Klägers, die Abtretungsvereinbarung sei transparent gestaltet, weil die Anführung gesetzlich bestehender Rechte bzw. die Anführung der allgemeinen Rechtslage nicht erforderlich sei, weshalb aus deren Fehlen nicht auf die Intransparenz einer Klausel geschlossen werden könne, greift vorliegend nicht durch. Zwar kann nicht generell gefordert werden, dass gesetzliche bestehende Rechte oder die allgemeine Rechtslage angeführt werden. In der vorliegenden konkreten Vertragskonstellation jedoch ist der fehlende Hinweis auf den Anspruch auf Rückabtretung und das Zurückbehaltungsrecht des Geschädigten als intransparente Regelung zu beurteilen, weil sie zur Verschleierung der Rechtslage führt (vgl. zur Fallgruppe der irreführenden Darstellung oder Verschleierung der Rechtslage: MüKoBGB/Wurmnest, a.a.O., § 307 Rn. 63). Der durchschnittliche Vertragspartner wird nicht wissen oder erkennen, dass ihm in dieser Situation ein Anspruch auf Rückabtretung und ein Zurückbehaltungsrecht zustehen. Die fehlende Angabe des Anspruchs auf Rückabtretung und des Zurückbehaltungsrechts in der Vertragsklausel sind geeignet, dieses Erkenntnis- und Wissensdefizit des Vertragspartners zu vertiefen bzw. auszunutzen und ihn von der Durchsetzung seiner Rechte abzuhalten. In dieser Fallgestaltung kann die Darstellung der gesetzlichen Rechte zur Herstellung der Transparenz vom Verwender verlangt werden.
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Auch der Senat ist, wie das Erstgericht, der Rechtsansicht, dass das diese rechtliche Bewertung stützende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.07.2018, Az. VI ZR 275/17, unabhängig von der im dortigen Verfahren vorliegenden Weiterabtretung des Schadensersatzanspruchs gilt. Dies ergibt sich mit unzweifelhafter Eindeutigkeit aus dem Wortlaut der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, welche ausführt, dass eine Unklarheit „schon deshalb“ gegeben sei, weil die Kundenrechte nicht hinreichend deutlich dargestellt waren. Diese Erwägung ist deutlich räumlich abgesetzt und ohne jede inhaltlich-gedankliche Verknüpfung zu der nachfolgend erwähnten Weiterabtretung dargelegt. Die im weiteren Urteilstext hervorstechende Wortwahl „auch“ im Kontext der erwähnten Weiterabtretung belegt zudem, dass die weiterführenden Überlegungen zur dort vorliegenden Weiterabtretung für die grundsätzliche Beurteilung durch den Bundesgerichtshof nicht maßgeblich waren (vgl. BGH a.a.O., Rdnr. 10).
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3. Desweiteren gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine Klausel überraschend i.S.d. § 305 c BGB ist, wenn sie im Hinblick auf den typischen Inhalt eines derartigen Vertrags aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nach den Gesamtumständen objektiv ungewöhnlich ist und sie von den Erwartungen des Vertragspartners so deutlich abweicht, dass dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. BGH, Urteil vom 25.1.2018 - VII ZR 219/14).
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich die Abtretungsvereinbarung, soweit sie die Anweisung der Versicherungsgesellschaft des Unfallgegners zur Bezahlung der Honorarrechnung des Sachverständigengutachtens enthält, als überraschend und unangemessen benachteiligend. Die Klausel enthält, zumindest in der hier anzuwendenden kundenfeindlichsten Auslegung (§ 305c Abs. 2 BGB) eine den gesamten Schadensersatzanspruch des Geschädigten betreffende Einwilligung nach §§ 362 Abs. 2, 185 BGB in Höhe des vom Sachverständigen abgerechneten Betrags. Dieser Klausel nach wäre es dem Schädiger beziehungsweise dessen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer möglich, den in der Rechnung des Sachverständigen ausgewiesenen Betrag an den Sachverständigen mit Tilgungswirkung auch für den Schadensersatzanspruch des Geschädigten zu bezahlen. Da das vom Sachverständigen abgerechnete Honorar nicht notwendigerweise in voller Höhe nach § 249 BGB erstattungsfähig ist (vgl. nur Urteil des BGH vom 21.06.2016 - VI ZR 475/15 = DAR 2016, 646 Rn. 16) und deshalb den an den Sachverständigen abgetretenen „Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars“ auch übersteigen kann, könnte dies zu einer die Schadensposition „Sachverständigenkosten“ übersteigenden Tilgung der weitergehenden z.B. den Sachschaden, den Nutzungsausfall, das Schmerzensgeld oder den Haushaltsführungsschaden betreffenden Schadensersatzforderung der Geschädigten führen. Mit einer solchen Regelung braucht ein durchschnittlicher Geschädigter nach Ansicht des Senats vernünftigerweise nicht zu rechnen. Sie stellt sich auch als ungewöhnlich dar, weshalb sie als überraschend einzustufen ist.
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Die Anweisungsklausel beinhaltet aufgrund der vorstehend dargelegten Auswirkungen auch eine unangemessene Benachteiligung des Geschädigten zu Lasten einer nicht gerechtfertigte Bevorzugung der Interessen des Verwenders.
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Diese Regelung ist deshalb als überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB einzustufen. Gleichzeitig stellt sie eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (vgl. BGH, Urteil vom17.07.2018 - VI ZR 275/17, Rdnr. 15), weshalb die Klausel unwirksam ist bzw. nicht Vertragsbestandteil wurde.
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4. In den Teilzahlungen der Beklagten ist kein Anerkenntnis zu sehen. Die Berufung der Beklagten auf die fehlende Aktivlegitimation des Klägers erweist sich zudem nicht als treuwidrig.
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Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts, welche sich der Senat zu eigen macht, wird Bezug genommen.
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5. Da die Hauptforderungen nicht bestehen, kann der Kläger auch keine weitergehenden auf Verzug beruhenden Forderungen geltend machen.
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6. Die Feststellungsklage erweist sich als unbegründet, da der Kläger vorstehenden Erwägungen nach auch betreffend den Klageantrag zu Ziffer 6. aus der Berufungsbegründung vom 13.05.2019 keinen eigenen Anspruch auf Zahlung hatte, welcher sich durch zwischenzeitliche Bezahlung hätte erledigen können.
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7. Dem Hilfsantrag auf Zurückverweisung an das Landgericht Coburg zur weiteren Sachverhaltsaufklärung war nicht nachzukommen, da nicht ersichtlich ist, dass das Landgericht Coburg durch einen Verfahrensverstoß die Sache nicht bis zur Entscheidungsreife aufgeklärt hätte.
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Die Klage war daher abzuweisen. Die Berufung des Klägers war zurückzuweisen.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen. Die streitgegenständlichen Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Wirksamkeit der formularmäßigen Abtretung von Schadensersatzansprüchen an die zur Schadensbegutachtung beauftragten Sachverständigen sind sowohl in den anzuwendenden grundlegenden Rechtsgrundsätzen wie auch etwaigen Fallbesonderheiten zwischenzeitlich durch den BGH rechtskräftig entschieden. Insoweit wird auf die oben angeführten Urteile des BGH hingewiesen.