Titel:
Schadensersatz, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Annahmeverzug, Berichterstattung, Streitwert, Kaufpreis, Vollstreckung, Zahlung, Leistung, Wirksamkeit, Sicherheitsleistung, Rechtsverfolgung, Schadenersatz, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Schlagworte:
Schadensersatz, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Annahmeverzug, Berichterstattung, Streitwert, Kaufpreis, Vollstreckung, Zahlung, Leistung, Wirksamkeit, Sicherheitsleistung, Rechtsverfolgung, Schadenersatz, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61714
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 50.396,33 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A6 mit der Fahrgestellnummer WAUZZZ4GXFN054763 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2019 an den Kläger zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 12 % und die Beklagte 88 % zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 57.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit den in der öffentlichen Berichterstattung als „Abgasskandal“ bekannt gewordenen Vorgängen.
2
Der Kläger erwarb am 17.12.2016 von der Privatperson David Pfanner den streitgegenständlichen Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI mit der Fahrgestellnummer …63 zu einem Kaufpreis von 57.000,00 €. Das Fahrzeug verfügt über 240 KW. Es wies zum Zeitpunkt des Kaufes einen Kilometerstand von 46.560 km auf.
3
In dem Fahrzeug, das von der Beklagten, einer Tochter der Volkswagen AG, hergestellt wurde, ist ein von der Volkswagen AG und der Beklagten entwickelter Dieselmotor 3,0 l Hubraum eingebaut, der der Abgasnorm Euro 6 entsprechen soll.
4
Im Januar 2019 wurde dem Kläger durch Schreiben der Beklagten hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeuges mitgeteilt, dass aufgrund eines angeordneten Rückrufes ein Software-Update am Motorsteuergerät des Fahrzeuges vorgenommen werden muss. Es seien Unregelmäßigkeiten in der Motorsteuerungssoftware dieser Fahrzeuge im Hinblick auf die Funktionsweise des Emissionsminderungssystems festgestellt worden. Das Kraftfahrtbundesamt habe daraufhin die Entfernung dieser Unregelmäßigkeiten angeordnet. Hinsichtlich des genauen Wortlautes des Rückrufschreibens wird auf die als Anlage K 19 vorgelegte Kopie verwiesen Hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps A6 3.0 TDI hatte das Kraftfahrtbundesamt zuvor einen Bescheid zur Anordnung nachträglicher Nebenbestimmungen zur EG-Typ Genehmigung erlassen. Gerichtsbekannt führt das Kraftfahrtbundesamt auf seiner Internetseite eine Liste der von Rückrufen betroffenen Fahrzeugvarianten.
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Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 21.07.2020 betrug der Kilometerstand des Fahrzeuges 75.922 km.
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Die Klagepartei hatte die Beklagte außergerichtlich durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten zur Zahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges sowie zur Zahlung vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten erfolglos aufgefordert. Zum Datum des Aufforderungsschreibens und zur gesetzten Frist wurde schriftsätzlich nicht ausdrücklich vorgetragen. Vielmehr verweist die Klagepartei zum Inhalt dieses Schreibens auf eine Anlage K 14.
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Der Kläger behauptet, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei ein Motor des Typs EA897 evo verbaut. Er trägt weiter vor, die Beklagte habe in der Motorsteuerung des Motors eine illegale Abschalteinrichtung verwendet, um die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Das Fahrzeug sei daher durch die Beklagte bezüglich der Schadstoffwerte manipuliert worden. Die Manipulation führe dazu, dass das Fahrzeug auf dem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) geringere Abgaswerte aufweise, während bei Fahrten unter normalen Fahrbedingungen auf der Straße die Abgaswerte dadurch erhöht seien, dass im Emissionskontrollsystem verwendete Strategien zur Reduzierung der Abgaswerte nicht zur Anwendung kommen. Insbesondere handele es sich dabei um die sogenannte Aufheizstrategie.
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Damit liege eine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Bei Kenntnis der Motormanipulation hätte der Kläger das Fahrzeug nicht erworben, da aufgrund der Manipulation damit zu rechnen gewesen wäre, dass das Fahrzeug wegen Verstoßes gegen die geltenden Abgasvorschriften im Straßenverkehr nicht regulär betrieben werden hätte dürfen.
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Er ist der Ansicht, die Beklagte habe vorsätzlich sittenwidrig gehandelt und ihm dadurch einen Vermögensschaden zugefügt.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei 57.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 4% seit dem 19.12.2016 bis 17.09.2019 und seither von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich eines Betrages in Höhe von 4.735,27 € für Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer …63 zu zahlen.
- 2.
-
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 17.09.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
- 3.
-
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.994,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2019 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte behauptet, es komme in dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz. Entgegen der Annahme der Klagepartei sei in dem Fahrzeug ein Motor des Typs EA 896 Gen2 verbaut. Bei den vom Kraftfahrtbundesamt untersuchten Funktionen der Motorsteuerungssoftware handele es sich um keine unzulässigen Abschalteinrichtungen. Dies sei vom Kraftfahrtbundesamt auch so nicht festgestellt worden. Diese Funktionen der Motorsteuerungssoftware sei mit der in den Motoren des Typs EA189 verbauten Umschaltlogik, die dauerhaft zwischen dem Betrieb auf dem Prüfstand und dem Betrieb auf der Straße unterscheidet, nicht zu vergleichen.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat zur Sache mündlich verhandelt. Diesbezüglich wird hinsichtlich der informatorischen Anhörung des Klägers auf das Protokoll der Sitzung des Landgerichts Ingolstadt vom 21.07.2020 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Ingolstadt ist nach §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig.
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II. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises als Schadenersatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges und auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie jeweils Zinsen aus beiden Beträgen aufgrund Rechtshängigkeit der geltend gemachten Ansprüche gemäß §§ 826, 249, 291, 288 BGB zu.
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Die von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung, den mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Motor in unterschiedlichen Fahrzeugtypen und damit auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug einzubauen und dieses sodann in Verkehr zu bringen, war sittenwidrig (vergleiche hierzu OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019,17 U 160/18). Durch diese Entscheidung ist dem Kläger kausal ein Schaden entstanden, da er in Unkenntnis der durchgeführten Manipulation an der Abschalteinrichtung einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug abgeschlossen hat, den er bei entsprechender Kenntnis nicht eingegangen wäre. Der Beklagten ist zum Zeitpunkt der ihr zur Last zu legenden Handlung des Inverkehrbringens des Fahrzeuges die Kenntnis hinsichtlich hierdurch kausal verursachter Schäden beim Erwerb solcher Fahrzeuge, die bei den für sie handelnden Organen vorlag, zuzurechnen. Gleiches gilt für die Sittenwidrigkeit des Verhaltens ihrer Organe.
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1. Das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuges mit einer erschlichenen Typgenehmigung stellt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des jeweiligen Erwerbers dar.
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a) Es kann dahinstehen, ob in dem Fahrzeug der Klägerin ein Motor des Typs EA897 evo oder ein Motor des Typs EA896 Gen2 verbaut ist. Unabhängig von der konkreten Motorenbezeichnung steht aufgrund des unstreitigen Sachvortrages fest, dass das Fahrzeug der Klägerin von der Anordnung des Rückrufes durch das Kraftfahrtbundesamt in Bezug auf dessen Emissionsverhalten betroffen ist.
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Aufgrund des am 27.11.2018 freigegebenen Rückrufes für Fahrzeuge des Herstellers Audi mit den Verkaufsbezeichnungen A 6, A 7 mit der Beschreibung: „Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems“ steht zur Überzeugung des Gerichts die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug fest. Die vom Kraftfahrtbundesamt festgestellte Abschalteinrichtung ist nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässig. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist von diesem Rückruf betroffen. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus einem Vergleich der in der Zulassungsbescheinigung des streitgegenständlichen Fahrzeuges aufgeführten Genehmigungsnummer mit den Genehmigungsnummern der Fahrzeuge, die gemäß der vom Kraftfahrtbundesamt veröffentlichten Liste der betroffenen Fahrzeugvarianten von dem angesprochenen Rückruf betroffen sind. Auch die weiteren Merkmale der betroffenen Fahrzeuge liegen beim streitgegenständlichen Fahrzeug vor, wie die Leistung von 240 KW, die Typ- und Variantenbezeichnung sowie der Motorkennbuchstabe. Hinsichtlich der diesbezüglichen Angaben zum streitgegenständlichen Fahrzeug wird auf die vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung übergebene Zulassungsbescheinigung I verwiesen, die sich als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung befindet. Hinsichtlich der hiermit korrespondierenden Angaben zu den betroffenen Fahrzeugvarianten eines Rückrufbescheides des Kraftfahrtbundesamtes wird auf den in der auf der Internetseite des Kraftfahrtbundesamtes veröffentlichten Liste enthaltenen Rückrufbescheid der Fahrzeuge Audi A6, A7 mit 2967 ccm, mit 235 und 240 KW, Motorkennbuchstabe CVU, Typ 4G, Variante CVU, Emissionsstufe Euro 6, Genehmigungsnummer des Gesamtfahrzeuges e1* 2007/46*0436*16-25 mit Datum der Freigabe 27.11.2018 verwiesen.
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b) Die Herstellung und das Inverkehrbringen von Dieselmotoren wie im streitgegenständlichen Fahrzeug unter Verwendung einer Motorsteuerungssoftware, durch welche Stickoxidwerte im Vergleich zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden und damit das Emissionsverhalten des Motors auf dem Prüfstand im NEFZ anders gesteuert wird als im regulären Fahrbetrieb, erfüllt die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der jeweiligen Käufer derartiger Fahrzeuge gemäß § 826 BGB. Die Täuschung durch die Beklagte diente - andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich - dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mithilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit.
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Die schädigende Handlung ist der Beklagten zuzurechnen.
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(a) Im Rahmen der Repräsentantenhaftung wird auch denjenigen Personen das deliktische Handeln der Mitarbeiter nach § 31 BGB zugerechnet, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren, wobei es nicht notwendigerweise auf die satzungsgemäße Vertretung der juristischen Person ankommt.
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(b) Es bedarf keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klagepartei, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.
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Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt liegt jedoch unzweifelhaft vor. Ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar.
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Der Kläger hat substantiiert dazu vorgetragen, dass es sich bei den Modellen der Beklagten um Gemeinschaftsentwicklungen mit der Volkswagen AG handele, bei der die Technik der Fahrzeuge in konzernübergreifender Plattformbauweise neben der Konzernmutter auch den Töchtern zur Verfügung stünden und im Wesentlichen durch unterschiedliche Karosserien markenspezifisches Design erreicht werde. Damit widerspricht er der Darstellung der Beklagten, dass der streitgegenständliche Motor allein von der Volkswagen AG entwickelt worden sei und die Beklagte sich daher keine mangelhafte Organisation vorwerfen lassen müsse. Weiterhin hat der Kläger dargestellt, dass durch die Überkreuzregelungen der Vorstände der einzelnen mit der Volkswagen AG verbundenen Unternehmen die wesentlichen Entscheidungen von denselben Entscheidungsträgern getroffen worden seien und dementsprechend auch die Kenntnis von den Manipulationen konzernübergreifend vorhanden war, wobei er Namen und Funktionen beteiligter Funktionsträger benennt. Ein darüber hinaus gehender Vortrag des Klägers ist nicht erforderlich.
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Die Beklagte hat der Klagepartei den Schaden vorsätzlich zugefügt. Die Programmierung der hier in Rede stehenden Software setzt eine aktive und ergebnisorientierte präzise Programmierung der Motorsteuersoftware voraus. Die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes ist daher ausgeschlossen, so dass es keiner weiteren Beweisaufnahme hierzu bedurfte. Dasselbe gilt für die Verwendung des Motors, in dem die Software implementiert war.
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Mangels jeglicher entgegenstehender Anhaltspunkte muss ebenso davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten völlig klar war, dass die Beklagte Dieselmotoren in den von ihr hergestellten Fahrzeugen verkaufte, die hinsichtlich der Abgaswerte nicht den einschlägigen Vorschriften entsprachen, und dass somit die Kunden der Beklagten selbst und ihrer Tochterunternehmen sowie die Käufer von betroffenen Gebrauchtwagen wirtschaftlich nachteilige Kaufverträge abschlossen.
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e) Der Klagepartei ist durch die Bindung an einen nicht erwartungsgerechten Vertrag ein Schaden entstanden, der einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs auslöst gemäß §§ 249 ff. BGB.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
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Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, führt dies zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber wie die Klägerin infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt. Hätte der Hersteller keine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und stattdessen offengelegt, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätten deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen.
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Letzlich kommt es auf das konkrete Motiv der Klägerin für den Erwerb des Fahrzeuges nicht an. Aus Sicht des Gerichts ist jeder Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrnahme keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Jedenfalls lässt sich keinem Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug, das diese Eigenschaft nicht aufweist, ist aus Sicht des jeweiligen Erwerbers dann zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsträchtige Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße geführt hat.
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Hierin liegt auch kein allgemeiner Vermögensschutz, der im Deliktsrecht ja gerade nicht gelten soll, sondern es wird konkret auf den Vertragsschluss als Schaden abgestellt.
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f) Da es hier nicht um den Schutz des Vermögens geht, sondern der Vertrag als solcher den zu beseitigenden Schaden darstellt, hat die Klägerin zwar Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, muss sich aber die erlangten Gebrauchsvorteile im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB in Abzug bringen lassen.
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Die Nutzungsentschädigung, die die Klagepartei an die Beklagte im Wege der Zug-um-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist im vorliegenden Fall auf 6.603,67 € festzusetzen. Die Berechnung nimmt das Gericht dabei nach folgender Formel vor (vgl. BGH, Entscheidung vom 09.12.2014, VIII ZR 196/14):
Bruttokaufpreis (€) x gefahrene Strecke (km)
Restleistung bei Vertragsschluss (km)
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Da die Klagepartei das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 46.560 km erworben hat und der Kilometerstand jetzt 75.922 km beträgt, hat sie für seit dem Kauf gefahrene 29.362 Kilometer Nutzungsentschädigung zu leisten.
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Das Gericht geht im Rahmen der Berechnung weiter aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus (so auch LG München I, Az. 23 O 23033/15).
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Die Nutzungsentschädigung beläuft sich daher auf 57.000,00 € (Kaufpreis) x 29.362 (gefahrene km) : 253.440 (Gesamtlaufleistung abzüglich Kilometer beim Kauf) = 6.603,47 €.
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Es verbleibt daher ein Rückzahlungsbetrag an die Klagepartei in Höhe von 50.396,33 €.
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2. Der Anspruch auf Verzinsung des Anspruchs ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Verzugszinsen können nicht zugesprochen werden, da zu einer Inverzugsetzung durch außergerichtliches Aufforderungsschreiben mit Fristsetzung nicht substanziiert vorgetragen wurde. Die Bezugnahme auf eine Anlage ist nicht ausreichend.
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3. Auch der Feststellungsantrag ist nicht begründet. Mangels substantiierten Vortrages zum Aufforderungsschreiben ist es dem Gericht nicht möglich festzustellen, ob die Voraussetzungen eines Annahmeverzuges vorliegen.
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4. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind als Teil des deliktischen Schadens, § 249 BGB, (nur) in der tenorierten Höhe aus dem zusprechenden Klageantrag zu 1) samt Zinsen ab Rechtshängigkeit zu ersetzen.
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Bei der Berechnung ist lediglich eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV, § 13 RVG (eine Gebühr: 1.248 €) anzusetzen. Dass beide anwaltlichen Vertreter viel schreiben, macht aus dem Rechtsstreit keine Angelegenheit großen Umfangs, andernfalls hätten Rechtsanwälte es in der Hand, durch exzessiven Umgang mit der „copy and paste“-Technik hohe Gebühren zu generieren.
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Weiter handelt es sich auch nicht um eine Angelegenheit hoher Schwierigkeit. Vielmehr ist das Verfahren ein Massenverfahren, bei dem die Schriftsätze zu mehr als 95% aus Textbausteinen bestehen, was allenfalls den Ansatz der Mittelgebühr rechtfertigt.
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Hinzuzurechnen ist die Pauschale Nr. 7002 VV in Höhe von 20,00 €. Damit ergibt sich ein Gesamtbetrag von 1.336,90 €. Die zu zahlende Umsatzsteuer ist aus den oben genannten Gründen nicht ersatzfähig.
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Die Verzinsung auch dieses Anspruchs ergibt sich ebenfalls aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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5. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
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a) Dies gilt hinsichtlich der in Abzug gebrachten Gebrauchsvorteile. Da der Klägervertreter diese im Termin mit 4.735,27 € beziffert hat, wurde die Klage, die ursprünglich noch keine konkrete Bezifferung der abzuziehenden Nutzungsentschädigung beinhaltete, teilweise zurückgenommen. Mangels Zustimmung der Beklagten hierzu, ist diese teilweise Klagerücknahme jedoch unwirksam. Aufgrund der anzurechnenden Nutzungsentschädigung war die Klage hinsichtlich des geltend gemachte Schadenersatzanspruches daher im übrigen zurückzuweisen.
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b) Zinsen nach § 849 BGB ab Kaufvertragsschluss bzw. Bezahlung des Kaufpreises schuldet die Beklagte nicht.
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§ 849 BGB ist bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Die Beklagte hat weder eine Sache der Klagepartei entzogen noch beschädigt. Der Kaufpreis ging vielmehr an den Verkäufer.
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Außerdem ist § 849 BGB zwar über den bloßen Wortlaut hinaus auch auf die Entziehung von Geldmitteln anzuwenden (BGH, Versäumnisurteil vom 26. 11. 2007 - II ZR 167/06, NJW 2008, 1084), allerdings ist der Anwendungsbereich auf die Überlassung von Geldern ohne gleichzeitig nutzbare Gegenleistung zu beschränken. Der Zinsanspruch nach § 849 BGB soll nämlich mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der Geschädigte eine nutzbare Gegenleistung erhalten hat, auch wenn diese später im Rahmen eines Schadensersatzanspruches an den Schädiger übereignet wird. Denn durch einen Fahrzeugkauf, den die Klagepartei in jedem Fall beabsichtigte und nach dem sie das Fahrzeug auch nutzte, hätte sie auch ohne die Täuschung der Beklagten den Kaufpreis nicht gewinnbringend anlegen können. Ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend, dass Schadensersatzansprüche ab dem Zeitpunkt der Entstehung zu verzinsen seien, ist dem deutschen Recht fremd (Wagner, in: MüKo, § 849 Rn. 4) .
51
c) Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Klage abzuweisen, soweit mehr als der tenorierte Betrag beantragt war.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Dabei ist von einem Streitwert von 57.000,00 € auszugehen. Der Streitwert bemisst sich nach der ursprünglichen Höhe des Leistungsantrages zu 1., wie er in der Klageschrift zum Ausdruck kam. Mangels Angabe der damaligen Höhe eines abzuziehenden Nutzungsersatzes verbleibt es bei der Höhe des angegebenen Schadenersatzbetrages.
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Bei der Beurteilung des Obsiegens und Unterliegens ist darüber hinaus hinsichtlich der geltend gemachten Deliktszinsen kein fiktiver Streitwert zu bilden.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.