Inhalt

LG Ingolstadt, Endurteil v. 07.02.2020 – 41 O 657/19
Titel:

Schadensersatz, Kaufpreis, Fahrzeug, Annahmeverzug, Software, Berichterstattung, Berufung, Leistungen, Vertragsschluss, Kenntnis, Anspruch, Kaufpreiszahlung, Schaden, Zahlung, Kosten des Rechtsstreits, Sinn und Zweck, von Amts wegen

Schlagworte:
Schadensersatz, Kaufpreis, Fahrzeug, Annahmeverzug, Software, Berichterstattung, Berufung, Leistungen, Vertragsschluss, Kenntnis, Anspruch, Kaufpreiszahlung, Schaden, Zahlung, Kosten des Rechtsstreits, Sinn und Zweck, von Amts wegen
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 14.12.2022 – 7 U 1756/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61529

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.109,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.03.2019 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten seit dem 21.03.2019 mit der Rücknahme des in Ziffer 1. genannten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 54% und die Beklagte 46% zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 39.707,24 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten „Abgasskandal“.
2
Die Klagepartei erwarb mit Kaufvertrag vom 26.09.2012 einen – ursprünglich finanzierten – Pkw Audi Q3 2.0 TDI 103 KW von der ASAG GmbH als Neuwagen mit einem Kilometerstand von 0 km zu einem Kaufpreis in Höhe von 33.333,01 € brutto. Eingebaut in das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA 189, welcher vom Mutterkonzern der Beklagten, der ...-AG, hergestellt wurde. Das Fahrzeug ist Gegenstand eines Rückrufs des Kraftfahrtbundesamtes, da der streitgegenständliche Motor über eine Abschalteinrichtung verfügt, durch die softwaretechnisch im Prüfstand eine im Vergleich zum normalen Fahrbetrieb erhöhte Rückführung von Abgasen vorgenommen wird. Zum Schluss der mündlichen Verhandlung betrug der aktuelle Kilometerstand 125403. Die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei forderten mit vorgerichtlichem Schreiben vom 06.03.2019 die Beklagte vergeblich auf, den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen bis 20.12.2018. Am 22. März 2019 reichte die Klagepartei die Klage ein. Die Finanzierungskosten beliefen sich auf 6.374, 23 €.
3
Die Klagepartei trägt im Wesentlichen vor:
4
Die Beklagte habe in der Motorsteuerung des Motors EA 189 eine illegale Abschalteinrichtung verwendet, um die geltenden Abgasnormen zu umgehen. Das Fahrzeug sei daher durch die Beklagte werksseitig manipuliert gewesen hinsichtlich der Schadstoffwerte. Die Klagepartei stützt ihre Ansprüche gegen die Beklagte auf verschiedene deliktische Anspruchsgrundlagen, mitunter auch auf §§ 823 II BGB, 27 EG-FGV und auf § 826 BGB. Sie erhebt auch Anspruch auf Deliktszinsen aus §§ 849, 246 BGB ab Kaufzeitpunkt bis zum Verzugseintritt durch die vorgerichtliche Zahlungsaufforderung.
5
Sie trägt vor, bei Kenntnis von der Abschalteinrichtung wäre der Fahrzeugkauf und die Kaufpreiszahlung nicht erfolgt, sie hätte bei Abschluss des Kaufvertrags darauf vertraut, ein umweltfreundliches und vorschriftsgemäßes Fahrzeug zu erwerben und sei insoweit getäuscht worden. Es sei davon auszugehen, dass die Organe der Herstellerin und deren Tochter, die Beklagte, in den Betrug eingeweiht gewesen seien und Mittäterschaft vorliege, da es sich weitestgehend um arbeitsteilige Prozesse handelt und es Überkreuzregelungen im Vorstand der Beklagten der V. AG mit Personenidentität gebe oder gegeben habe, so dass davon auszugehen ist, dass die maßgeblichen Entscheidungen zur Einbau der betreffenden Software von beiden Vorständen getroffen worden seien. Sie begründet die Haftungszurechnung der als sittenwidrig angesehenen Handlungen daher mit § 31 BGB und beruft sich unter Verweis auf den naturgemäß fehlenden Einblick des Verbrauchers auf interne Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten auf die sekundäre Darlegungslast der Herstellerkonzerne zur Frage, welches ihrer Organe Kenntnis hatte, wobei sich Anhaltspunkte aus zahlreichen Veröffentlichungen der Medien und eigenen öffentlichen Stellungnahmen der Beklagten und ihres Mutterkonzerns in den USA und in Deutschland ergäben.
6
Sie vertritt ferner die Rechtsauffassung, zur Leistung einer Nutzungsentschädigung für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs nicht verpflichtet zu sein, da das Fahrzeug mangelhaft gewesen sei und auch die Nutzung wegen fehlender EU-Typengenehmigung unzulässig gewesen sei. Jedenfalls aber sei diese mit einer Laufleistung von 500.000 km zu berechnen.
7
Eine Verjährung sei nicht eingetreten, weil der Kläger im Jahr 2015 noch keine hinreichende Kenntnis von den Haftungsvoraussetzungen für eine zumutbare Prognose der Erfolgsaussichten einer Klage gehabt hätte. Eine Verweigerung der Übernahme des Fahrzeugs bei Finanzierungsende Mitte 2017 wäre finanziell ungünstiger gewesen als die Rückabwicklung, daher sei ihm diese nicht zumutbar.
8
Auch diese Finanzierungskosten seien der Klagepartei als Teil des Schadens zu ersetzen. Die Nutzungsentschädigung beziehe sich jedenfalls nicht auf die Finanzierungskosten, da diese an der Abnutzung des Fahrzeugs und dessen Wert keinen Anteil hätten.
9
Die Klagepartei beantragt daher:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 39.707,24 EUR € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 27.09.2012 bis 21.03.2019 und seither fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz abzüglich einer im Termin auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 350.000 km auf 11.943,03 € bezifferten Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer …11 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 21.03.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.256,24 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.03.2019 zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt,
die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor:
11
Es liege keine deliktische Handlung der Beklagten vor. Die Klagepartei habe eine Täuschung der Beklagten oder eine andere gegenüber der Klagepartei als besonders verwerflich anzusehende Handlung nicht dargelegt. Sie sei auch nicht Vertragspartei beim streitgegenständlichen Fahrzeugkauf gewesen. Auch die subjektiven Voraussetzungen eines Betrugs lägen nicht vor, ebenso wenig eine Stoffgleichheit. Der Beklagten sei keinerlei Vorteil aus dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs zugeflossen. Bei der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Software handle es sich auch nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen Schutzgesetze vorliege. Für das Fahrzeug liege eine wirksame EG-Typengenehmigung vor. Die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer Software ausgestattet gewesen sei, welche den Stickoxidausstoß im Prüfstand beeinflusste, habe an Bestand und Wirksamkeit der Genehmigung nichts geändert. Das Fahrzeug sei für den Straßenverkehr zugelassen worden und habe jederzeit uneingeschränkt genutzt werden können. Die Beklagte bestreitet die Kausalität zwischen einer etwaigen Täuschung/Schädigungshandlung und dem konkreten Vertragsabschluss mit Nichtwissen. Die Emissionswerte hätten für die Kaufentscheidung der Klagepartei keine Rolle gespielt.
12
Die Beklagte bestritt hinsichtlich der geltendgemachten außergerichtlichen Gebühren die Aktivlegitimation des Klägers unter Hinweis auf eine bestehende Rechtschutzversicherung, dass diese vom Kläger bezahlt wurde, und auch die Angemessenheit der Höhe der geltendgemachten 2,0 Geschäftsgebühr.
13
Sie verweist darauf, dass der Kläger aufgrund des verbrieften Rückgaberechts im Rahmen der Finanzierung das Fahrzeug nicht hätte übernehmen, sondern einfach zurückgeben können, und daher keinen Schaden gehabt hätte. Jedenfalls seien die Finanzierungskosten als Sowiesokosten einzustufen, da der Kläger erklärt habe, auch beim Kauf eines anderen Fahrzeugs dieses mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls finanziert zu haben. Und sie seien überdies in die Nutzungsentschädigung einzurechnen.
14
Außerdem erhob die Beklagte die Einrede der Verjährung mit Ablauf des Jahres 2018, da die Problematik seit Mitte September 2015 allgemein bekannt gewesen sei, die Klage aber erst in 2019 erhoben worden sei.
15
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht mit den Parteivertretern die Sach- und Rechtslage erörtert, und den Kläger persönlich formlos angehört. Mit der Ladungsverfügung und im Termin selbst hat das Gericht rechtliche Hinweise erteilt. Auf das Protokoll vom 24.01.2020 wird Bezug genommen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

A.
17
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
18
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 23.109,22 € Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus § 826 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 EG-FGV. Weiter besteht ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf Zahlung von Verzugsszinsen auf die Hauptforderung sowie auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe. Der Annahmeverzug war festzustellen. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.
19
I. Der klägerische Anspruch ergibt sich aus § 826 BGB. Die Beklagte hat der Klägerpartei in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.
20
1. Die Handlung, durch die die Beklagte die Klagepartei geschädigt hat, war das Inverkehrbringen – unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung – von Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs, deren Motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte. Wie mittlerweile allgemein bekannt ist, waren die Fahrzeuge aus dem ...-Konzern, damit auch das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers, mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet. Obwohl die Hersteller teilweise bereits das Vorliegen eines Mangels bestreiten und die Abschaltvorrichtungen teilweise als „Motorenschutzmaßnahmen“ etc. beschönigen, ist an der Unzulässigkeit der installierten Einrichtungen spätestens seit dem am 15.10.2015 vom KBA gegenüber der ... AG angeordneten Rückrufaktion (abzurufen unter https://www...de/DE/Presse/Archiv/VW/vw_inhalt.html?nn=1633522) der betroffenen Fahrzeuge mit EA 189-Motoren nicht mehr an der Unzulässigkeit der verbauten Einrichtungen zu zweifeln.
21
2. Die schädigende Handlung ist der Beklagten zuzurechnen. Die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten haben in – jedenfalls zurechenbarer – Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzlichen Typenzulassung der Fahrzeuge derjenigen Baureihe, der das Klägerische Fahrzeug angehört wegen des Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG gemäß Art. 10 Abs. 2 der EU-Verordnung 715/2007/EG nicht vorliegen, vorsätzlich eine falsche Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne des § 6 Abs. 1 EG-FGV für das Fahrzeug ausgestellt. Die damit einhergehenden Täuschungshandlung sind nach Überzeugung der Kammer auch nur vorsätzlich denkbar, weil der Beklagten als etablierte Fahrzeugherstellerin unter arbeitsteiligem Einbau des von ihrem Mutterkonzern hergestellten Motors die Kenntnis der Programmierung ihrer eigenen Fahrzeuge bzw. der von ihr massenweise bezogenen und eingebauten Fahrzeugteile, sowie der für sie einschlägigen Rechtsnormen unterstellt werden kann. Jedenfalls liegt insofern aufgrund der substanziierten Darlegung der Klagepartei eine sekundäre Darlegungslast bei der Beklagten, welcher die Beklagte nicht genügt hat. Diese beruft sich lediglich darauf, dass die Klagepartei eine Kenntnis ihrer Organe nicht nachgewiesen habe.
22
Eine Zurechnung der jeweiligen Handlungen auch verschiedener Mitarbeiter an die Beklagte erfolgt über eine entsprechende Anwendung von § 831 BGB sowie § 31 BGB. Dabei muss im Rahmen der Rechtsprechung zur Repräsentantenhaftung auch denjenigen Personen das deliktische Handeln der Mitarbeiter nach § 31 BGB zugerechnet werden, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung, bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob diese Personen satzungsgemäß oder (nur) im Rechtsverkehr die juristische Person vertreten, da letztere nicht selbst darüber entscheiden soll (durch die eigene Satzung), für welche Personen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will (vgl. BGH III ZR 296/11).
23
Es bedarf keiner konkreten Feststellung, welcher konkrete Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klagepartei, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten und der Konzernmutter ... hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.
24
Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt ist für die Kammer jedoch nicht anzuzweifeln, da insoweit ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar ist (siehe auch KG Berlin, Urteil vom 26.09.2019, 4 U 77/18 zit. juris Rz. 80 ff.)
25
3. Die Beklagte hat der Klagepartei den Schaden vorsätzlich zugefügt. Die Programmierung der hier in Rede stehenden Software setzt eine aktive und ergebnisorientierte präzise Programmierung der Motorsteuersoftware voraus. Die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes ist daher zur Überzeugung der Kammer ausgeschlossen, so dass es keiner weiteren Beweisaufnahme hierzu bedurfte, § 291 ZPO. Mangels jeglicher entgegenstehender Anhaltspunkte muss ebenso davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten völlig klar war, dass der Mutterkonzern Dieselmotoren an Tochterunternehmen lieferte und auch selbst in eigenen Fahrzeugen verkaufte, die hinsichtlich der Abgaswerte nicht den einschlägigen Vorschriften entsprachen, und dass somit die Kunden der Beklagten selbst und ihrer Tochterunternehmen sowie die Käufer von betroffenen Gebrauchtwagen wirtschaftlich nachteilige Kaufverträge abschlossen (siehe Urteil wie vor).
26
4. Das Verhalten der Beklagten verstieß auch gegen die guten Sitten. Die Täuschung durch die Beklagte diente – andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit (siehe zum Ganzen statt vieler LG Hildesheim, Urt. v. 17.01.2017, Az. 3 O 139/16, VuR 2017, 111 und Urteil KG Berlin wie vor Rz. 68 ff)
27
5. Der Klagepartei ist nach Überzeugung der Kammer durch die Bindung an einen nicht erwartungsgerechten Vertrag ein Schaden entstanden, der einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs auslöst gemäß §§ 249 ff. BGB.
28
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
29
Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber, wie die Klägerpartei hier, infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt.
30
Hätte der Hersteller keine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und stattdessen offengelegt, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätte deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen. Dabei spielt es keine Rolle, welches konkrete Motiv für den einzelnen Erwerber bestimmend gewesen wäre. Ein Teil der Käufer mag besonderen Wert darauf gelegt haben, im Interesse des Umweltschutzes ein Fahrzeug zu nutzen, das die geltenden Grenzwerte für Abgasemissionen einhält, ein anderer Teil nicht. Aber nach Ansicht der Kammer waren zumindest alle Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrgabe keinen rechtlichen Bedenken unterlag. Jedenfalls lässt sich nach Überzeugung der Kammer keinem der Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig gewesen, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug war deshalb aus Sicht der Erwerber jedenfalls zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsträchtige Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße bei den Fahrzeugerwerbern geführt hat.
31
Nach Ansicht der Kammer liegt hierin auch kein allgemeiner Vermögensschutz, der im Deliktsrecht ja gerade nicht gelten soll, sondern es wird konkret auf den Vertragsschluss als Schaden abgestellt. Durch die Rückabwicklung des Vertrages soll vorwiegend der Sinn und Zweck der EG-FGV effektiv umgesetzt werden. Dass dies auch die Rückzahlung des Kaufpreises (und gegebenenfalls weiterer Kosten des Vertragsschlusses wie Finanzierungskosten) nach sich zieht, ist die konsequente Wirkung dieser Rechtsfolge. Dass das Vermögen allein aber nicht geschützt wird, ist auch aus der anzurechnenden Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer ersichtlich, welche sich manche Kläger unter Berufung auf den rechtswidrigen Zustand nicht anrechnen lassen wollen.
32
Die Klagepartei hat daher gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Anrechnung von Gebrauchsvorteilen im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB.
33
Zunächst hat die Klagepartei daher einen Anspruch auf Rückzahlung des bezahlten Kaufpreises, einschließlich sonstiger Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erwerb, insbesondere auch der Finanzierungskosten, also Bearbeitungsgebühren der Banken, Zinsaufwendungen. Auch diese sind – soweit vom Kläger tatsächlich verauslagt worden – Teil der Kosten für die Beschaffung des Fahrzeugs und damit grundsätzlich auch von dem nach §§ 249 ff BGB im Wege der Naturalrestitution zu leistenden Schadensersatz.
34
Diese sind auch nicht als Sowiesokosten zu qualifizieren, wie die Beklagte meint, da nicht unterstellt werden kann, dass derartige Kosten für ein etwaiges Ersatzgeschäft in der nämlichen Höhe angefallen wären. Zwar hat der Kläger angegeben, er hätte vermutlich dann ein anderes, nicht betroffenes Fahrzeug erworben und voraussichtlich aus steuerlichen Gründen ebenfalls finanziert, aber es bleibt völlig unklar, um welches Fahrzeug mit welchen Kosten es sich dann gehandelt hätte. Im übrigen ändert auch diese Annahme nichts daran, dass es sich um Aufwendungen des Kaufvertrags handelte, die zu ersetzen sind (vgl. Urteil KG Berlin, b.b. Rz. 174 ff).
35
6. Im Rahmen der Rückabwicklung muss sich die Klagepartei jedoch den Abzug von Gebrauchsvorteilen in Form einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen, welche sie auch bereits selbst in ihrem Klageantrag – vorläufig ohne jede Bezifferung – berücksichtigte. Allerdings hat sie den Nutzungsersatz im Termin nicht bzw. ausdrücklich mit „Null“ beziffert und sich insoweit auch auf ihre bereits schriftsätzlichen Ausführungen bezogen, dass sie diesen bei sittenwidriger Täuschung nicht schulde. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Vorteilsausgleich, der nach Überzeugung des Gerichts auch bei einer deliktischen Haftung vorzunehmen ist. Dem zivilen Schadensersatzrecht ist nämlich ein Bereicherungsanspruch für den Geschädigten fremd. Nach dem im Deutschen Recht geltenden Schadensausgleich soll nämlich der Geschädigte durch die schädigende Handlung grundsätzlich nicht besser gestellt werden, als ohne das schädigende Ereignis, §§ 249 ff BGB. Da die Klagepartei aber offensichtlich ein Bedürfnis für die Nutzung eines Pkws – zu privaten und/oder beruflichen Zwecken – hatte und das streitgegenständliche Fahrzeug entsprechend genutzt hat, wie sich aus der Kilometerleistung ergibt, ist davon auszugehen, dass sie für den Fall, dass sie dieses Fahrzeug nicht gekauft hätte, ein anderes Fahrzeug erworben und ebenfalls in gleicher Weise genutzt hätte, was zu einem entsprechenden Verschleiss und Wertverlust geführt hätte (siehe auch Kammergericht Berlin, b.b. Rz. 123 ff). Das gilt auch im Zeitraum des Annahmeverzugs, da es hier dem Kläger freigestanden hätte, ab Kenntnis bzw. Rückgabeangebot das Fahrzeug nicht länger zu nutzen. Sie hatte damit einen wirtschaftlichen Vorteil durch die Nutzung des Fahrzeugs, der von Amts wegen – auch ohne ausdrücklichen Antrag – auszugleichen wäre.
36
Die Nutzungsentschädigung, die die Klagepartei an die Beklagte im Wege der Zug-um-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall auf 16.598,02 € festzusetzen.
37
Das Verhältnis zwischen der durch die Klagepartei mit dem Fahrzeug zurückgelegten Strecke und der Strecke, die erwartungsgemäß mit dem Fahrzeug zukünftig noch zurückgelegt werden kann, entspricht dem Verhältnis zwischen dem Nutzungsersatz, also dem Wert, den das Fahrzeug durch die von der Klagepartei zurückgelegte Strecke eingebüßt hat, und dem von der Klagepartei gezahlten Kaufpreis, wobei im vorliegenden Fall zum Kaufpreis die Finanzierungskosten zu addieren waren. Insofern muss berücksichtigt werden, dass der Kläger das Fahrzeug nach wirtschaftlicher Betrachtung nicht für den Kaufpreis in Höhe von 33.333,01 €, sondern für den Kaufpreis zuzüglich der Finanzierungskosten in Höhe von 6374,23 € erwarb. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise ist auch bei der Berechnung des Nutzungsersatzes anzulegen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 26.09.2019 Az. 4 U 77/18 (juris).
38
Die Berechnung nimmt die Kammer dabei nach folgender Formel vor:
Nutzungsersatz in € =
39
Mithin verbleibt ein klägerischer Anspruch auf Zahlung in Höhe von 23.109,22 €.
40
Da die Klagepartei das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von Null erworben hat, hat sie bei einem unbestritten gebliebenen Kilometerstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung von 125.403 km Nutzungsentschädigung für diese gefahrenen Kilometer zu leisten. Dies bestimmt sich nach gerichtlicher Schätzung gemäß § 287 ZPO.
41
Das Gericht geht im Rahmen der Berechnung weiter aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus, da hier von einer durchschnittlichen Laufleistung der leistungsstarken Dieselmotoren auszugehen ist (so auch LG München I, Az. 23 O 23033/15; Kammergericht Berlin, b.b. Rz. 151 mit zahlreichen Verweisungen auf gleiche Entscheidungen anderer Gerichte, insbesondere OLG Köln).
42
Die Nutzungsentschädigung beläuft sich daher auf 39.707,24 € (Kaufpreis incl. Finanzierungskosten) x 125.403 km (gefahrene Strecke) :
300.000 km (Restlaufzeit bei Kauf) = 16.598,02 €.
43
Es verbleibt daher ein Rückzahlungsbetrag an die Klagepartei in Höhe von 39.707,24 € – 16.598,02 € = 23.109,22 €.
44
II. Der klägerische Anspruch ergibt sich vorliegend außerdem auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, §§ 249 ff. BGB (vgl. beispielsweise LG Ingolstadt, Urteil vom 08.04.2019, Az. 53 O 1520/17; a.A. OLG München, Beschluss vom 03.09.2019, Az. 21 U 1896/19). Nähere Ausführungen dazu erübrigen sich derzeit aufgrund des oben bereits festgestellten Anspruchsgrundes.
45
III. Der klägerische Anspruch ist nach fruchtloser Mahnung gemäß § 286, 288 BGB zu verzinsen.
46
Die Rückforderung des Kaufpreises ist wie aus dem Tenor ersichtlich erst ab wirksamer Inverzugsetzung zu verzinsen (§ 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB). Den Beklagten wurde eine erfolglose Frist zur Rückabwicklung des Kaufvertrags spätestens zum 20.03.2018 gesetzt, die den Verzug begründet. In dem Schreiben wurde auch Zugum-Zug die Rückgabe des Fahrzeugs und die Anrechnung eines Nutzungsersatzes für die bis dahin gefahrenen Kilometer angeboten.
47
IV. Der klägerische Anspruch ist auch nicht verjährt.
48
Die Ansprüche der Klagepartei verjähren grundsätzlich innerhalb der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB. Diese beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Als diejenige, der die Einrede der Verjährung zugute käme, ist die Beklagte für die dafür maßgeblichen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig.
49
Der streitgegenständliche Anspruch ist bereits mit Kaufvertragsschluss, spätestens jedoch mit Verjährung der kaufvertraglichen Mängelrechte entstanden. Allerdings hat die Klagepartei zur Überzeugung des Gerichts bis Ende des Jahres 2015 weder von allen anspruchsbegründenen Umständen Kenntnis erlangt, noch ist ihr insofern grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen.
50
1. Die Klagepartei hatte von den anspruchsbegründenden Umständen, insbesondere von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs vom Abgasskandal, im Jahr 2015 noch keine positive Kenntnis erlangt.
51
Nach der Rechtsprechung des BGH liegt die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. (BGH, Urteil vom 15.3.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187).
52
a) Die diesbezüglich beweisbelastete Beklagte konnte bereits nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass die Klagepartei bis Ende 2015 Kenntnis davon erlangte, dass ihr Fahrzeug überhaupt vom Abgasskandal betroffen war.
53
Die Behauptung der Beklagten, die Klagepartei habe bereits im Jahr 2015 positive Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik und allen anderen anspruchsbegründenden Tatsachen gehabt, beruht lediglich auf der Mutmaßung der Beklagten, dass durch öffentliche Bekanntmachungen, öffentliche Berichterstattung und die Schaffung einer Website zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit durch die Beklagte im Jahr 2015 der Abgasskandal allgemein bekannt gewesen sei und deshalb auch der Klagepartei nicht verborgen geblieben sein könne. Dieser Sachvortrag lässt jedoch jeden individuellen Bezug zur Klagepartei vermissen. Insbesondere hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass die Fahrzeugidentifikationsnummer des klägerischen Fahrzeugs im Jahr 2015 in die Suchmaske der zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit vom Abgasskandal geschalteten Website eingetragen und eine Abfrage gestartet worden sei. Nicht einmal allgemein trägt die Beklagte vor, wie viel Prozent der betroffenen Fahrzeugidentifikationsnummern im Jahr 2015 überhaupt tatsächlich bereits auf der Homepage überprüft wurden, wie stark die Homepage also zu diesem frühen Zeitpunkt des Skandals von den getäuschten Fahrzeugeigentümern angenommen wurde. Eine andere Erkenntnismöglichkeit der Klagepartei von der individuellen Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Jahr 2015 trägt die Beklagte auch nicht vor. Ihre Behauptung, die Klagepartei habe Kenntnis von der im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Umschaltlogik gehabt, dürfte bereits vor diesem Hintergrund als Äußerung „ins Blaue hinein“ unbeachtlich sein.
54
Jedenfalls ist das Gericht aber aufgrund der informatorischen Anhörung der Klagepartei zu der Überzeugung gelangt, dass diese im Jahr 2015 keine positive Kenntnis davon hatte, dass das streitgegenständliche Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist.
55
Die Klagepartei hat – für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend – dargestellt, dass er von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal erst durch ein Schreiben Mitte 16 erfahren hätte, und danach noch Ende 2016 ein Schreiben mit der Aufforderung, das Update durchführen zu lassen, bekommen hätte. Zunächst habe er auch nicht gewusst, was das bedeute, danach aber Nachteile an seinem Fahrzeug bemerkt. Der Kläger hatte sich offensichtlich keine besonderen Gedanken beim Kauf seines Fahrzeugs im Jahr 2012 gemacht, wozu damals auch kein begründeter Anlass bestand. Das Gericht sieht keinen Anlass, am grundsätzlichen Wahrheitsgehalt dieser Aussage in Bezug auf die Kenntniserlangung erst nach dem Jahr 2015 zu zweifeln. Das Gericht hält diese Darstellung für plausibel, dass ein Fahrzeugeigentümer zwischen dem 22. September 2015 und dem 31. Dezember 2015, also innerhalb eines Zeitraums von gerade einmal 106 Tagen zum Jahresende hin, nicht so genau der allgemeinen Medienberichterstattung folgt, dass er auf das Thema Abgasskandal im Allgemeinen aufmerksam wird, erfährt, dass hiervon auch sein Fahrzeughersteller betroffen ist, erfährt, dass der in seinem Fahrzeug verbaute Motor betroffen sein könnte, weiter von der Abfragemöglichkeit auf der Website der Beklagten erfährt und diese schließlich dann auch nutzt. Dies würde ein besonderes Interesse voraussetzen, das der Kläger nicht bekundet hat und ihm nicht unterstellt werden kann.
56
Die Presseberichterstattung ist vielmehr voll von Skandalthemen wie beispielsweise Bad Banks, Umweltverschmutzung oder Lebensmittelskandalen, die oft negative Auswirkungen für den Einzelnen haben, aber meist zumindest nicht sofort dazu führen, dass der einzelne Verbraucher beginnt und auch nicht beginnen muss, sich über seine individuelle Betroffenheit aktiv zu informieren.
57
b) Selbst eine Kenntnis der Klagepartei von der Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeugs unterstellt, wäre ihr bis zum 31.12.2015 keine hinreichend erfolgversprechende Klage gegen die Beklagte möglich und zumutbar gewesen.
58
Für eine solche Klage wäre nicht nur die Kenntnis vom Abgasskandal als solchem und davon, dass die unzulässige Abschaltvorrichtung in das streitgegenständliche Fahrzeug verbaut wurde, erforderlich, sondern weiter, dass Mitarbeiter des Herstellers die Software absichtlich entsprechend programmiert haben, dies dem Hersteller zuzurechnen ist und Zweck dieser Software eine Kostensenkung zulasten eines erhöhten Schadstoffausstoßes war, so dass auf eine Sittenwidrigkeit geschlossen werden kann.
59
Dass die Klagepartei hiervon Kenntnis noch im Jahr 2015 erlangt hat, wird von der Beklagten bereits nicht substantiiert vorgetragen. Auch der Verweis auf die Mitteilungen der Fahrzeughersteller und Händler und die Presseberichterstattung im Jahr 2015 vermag hieran nichts zu ändern. Die Presseberichterstattung begann am 22.09.2015 mit der Ad hoc-Mitteilung von ... Am 02.10.2015 folgte die Mitteilung der Beklagten. Ab dem 02.10.2015 war auch die Website zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit mittels der Eingabe der Fahrzeugidentifikationsnummer freigeschalten. Die weitere Berichterstattung kreiste zunächst um die Frage, wie viele Fahrzeuge und welche Modelle betroffen sind. Desweiteren stand die Möglichkeit zur Umrüstung der betroffenen Fahrzeuge im Mittelpunkt. Mitte Oktober stand fest, dass es ab Januar 2016 einen Rückruf durch das KBA geben wird. Erst am 25.11.2015 teilte ... mit, dass sie das Update dem KBA vorgestellt habe und das KBA die Maßnahmen nach intensiver Begutachtung bestätigt habe. Des Weiteren informierte ... über die Art und Weise der Beseitigung der Umschaltlogik. Über die Kenntnis von Entscheidungsträger der betroffenen Fahrzeughersteller wurde im Jahr 2015 lediglich spekuliert. Auch die Frage, ob die Abschaltvorrichtung absichtlich installiert wurde und ob dieses Verhalten den Fahrzeugherstellern zurechenbar ist, wurde in der Berichterstattung wenn überhaupt, nur ganz am Rand gestreift. Hierüber und über die Beweggründe der Fahrzeughersteller, die auf ein sittenwidriges Verhalten schließen lassen, wurde erst nach 2015 durch investigative Berichterstattung und die strafrechtlichen Ermittlungen nach und nach mehr bekannt.
60
Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Klagepartei dies alles bereits im Jahr 2015 bekannt war. Eine „Erfolg versprechende, wenn auch nicht risikolose“ Klageerhebung war der Klageparteidaher bis zum 31.12.2015 nicht möglich, so dass ihr eine Beschreitung des Klagewegs bereits im Jahr 2015 nicht zumutbar war.
61
Tatsächlich wurden sämtliche auf den Abgasskandal gestützte Klagen zunächst abgewiesen, weswegen auch die Rechtschutzversicherer für ein entsprechendes Vorgehen keine Deckung zusagten.
62
2. Die Klagepartei musste von den anspruchsbegründenden Umständen auch im Jahr 2015 noch nicht ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis erlangen.
63
Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die oben genannten Umstände dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (BGH, Urteil vom 15.3.2016 – XI ZR 122/14, NJW-RR 2016, 1187). Der Gläubiger ist zwar nicht gehalten, umfängliche Nachforschungen über die anspruchsbegründenden Tatsachen und die Person seines Schuldners anzustellen, aber es besteht die Obliegenheit, sich zumindest über diejenigen Umstände zu informieren, bei denen dies mühelos und ohne erheblichen Kostenaufwand möglich ist, so dass das Unterlassen von Ermittlungen geradezu unverständlich erscheint. Dabei sind jedoch die konkreten Umstände des Einzelfalls zu beachten: Im Vertragsrecht können von einem Vertragspartner regelmäßig weitergehende Nachforschungen erwartet werden als von dem Geschädigten im Deliktsrecht, auch ist die Nachforschungsobliegenheit eines Unternehmers weitergehender als jene eines Verbrauchers. Eine generelle Obliegenheit des Gläubigers, Presseveröffentlichungen zu verfolgen, besteht dabei nicht (MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, BGB § 199 Rn. 31 m.w.N.).
64
Vorliegend hätte die Klagepartei also, um noch im Jahr 2015 eine schlüssige Klage erheben zu können, zwischen dem 22. September 2015 und dem 31. Dezember 2015 die Presseberichterstattung so umfassend verfolgen müssen, dass sie zumindest die folgenden Punkte erfahren hätte: 1. Es gibt einen Abgasskandal. 2. Der streitgegenständliche Fahrzeughersteller ist betroffen. 3. Der streitgegenständliche Motortyp ist betroffen. 4. Die individuelle Betroffenheit kann (ausschließlich) über eine Homepage des Herstellers abgeprüft werden. 5. Laut Hersteller ist das streitgegenständliche Fahrzeug betroffen. 6. Mitarbeiter des Herstellers haben die Software absichtlich programmiert. 7. Dies ist dem Hersteller zuzurechnen. 8. Zweck der Software war eine Kostensenkung zulasten eines erhöhten Schadstoffausstoßes (sittenwidriges Gepräge).
65
Dazu, dass auch die zuletzt genannten Punkte durch sorgfältiges Verfolgen der Presseberichterstattung bereits im Jahr 2015 für die Klagepartei erkennbar gewesen wären, hat die Beklagte schon nicht hinreichend substanziiert vorgetragen. Während mit Blick auf die Zurechnung nach § 31 analog mittlerweile eine Vielzahl von Anknüpfungstatsachen durch Parallelverfahren bekannt ist, war dies im Jahr 2015 noch nicht so, so dass damals für eine schlüssige Klage ein weitergehender Sachvortrag zu fordern war, als dies heute der Fall ist. Dies wäre allenfalls durch Kombination verschiedenster Pressequellen im Jahr 2015 möglich gewesen. Ein derart sorgfältiges Verfolgen der Presseberichterstattung stellte aber jedenfalls keine Obliegenheit der Klagepartei dar. Die Klagepartei ist Verbraucher, die Beklagte vorsätzlich handelnder deliktischer Schädiger. Einem Verbraucher ist schlicht nicht zuzumuten, Skandale eines jeden Herstellers zu verfolgen, dessen Produkte er jemals erworben hat. Auch muss ein Verbraucher allein aufgrund des öffentlich bekannten Bestehens eines solchen Skandals noch nicht davon ausgehen, dass ihn der Hersteller absichtlich geschädigt hat, folglich muss er die Berichterstattung auch nicht mit Blick hierauf gezielt verfolgen.
66
Diese Situation ist auch nicht vergleichbar mit Fällen, in denen das Fahrzeug erst in den Jahren nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals erworben wurde, da man sich beim Neuerwerb eines Pkws üblicherweise deutlich umfassender informiert, als bei Skandalen zu Herstellern, deren Produkt man bereits erworben hat.
B.
67
Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
68
I. Bezüglich des Klageantrags zu 1) war Nutzungsersatz anzusetzen und in Abzug zu bringen (siehe hierzu oben). Diesen hat die Klagepartei jedoch im Antrag zunächst nicht und erst bei Antragstellung im Termin konkret, jedoch zu gering, beziffert, weshalb die Klage in Höhe des vom Gericht festzusetzenden Nutzungsersatzes in der Hauptsache abzuweisen war.
69
Abzuweisen war auch die Zuvielforderung hinsichtlich der außergerichtlichen Verfahrensgebühr.
70
II. Zinsen nach § 849 BGB ab Kaufvertragsschluss bzw. Bezahlung des Kaufpreises schuldet die Beklagte nicht. § 849 BGB ist bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Die Beklagte hat weder eine Sache der Klagepartei entzogen noch beschädigt. Der Kaufpreis ging vielmehr an den Verkäufer. Außerdem ist § 849 BGB zwar über den bloßen Wortlaut hinaus auch auf die Entziehung von Geldmitteln anzuwenden (BGH, Versäumnisurteil vom 26. 11. 2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084), allerdings ist der Anwendungsbereich auf die Überlassung von Geldern ohne gleichzeitig nutzbare Gegenleistung zu beschränken. Der Zinsanspruch nach § 849 BGB soll nämlich mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der Geschädigte eine nutzbare Gegenleistung erhalten hat, auch wenn diese später im Rahmen eines Schadensersatzanspruches an den Schädiger übereignet wird. Denn durch einen Fahrzeugkauf, den die Klagepartei in jedem Fall beabsichtigte und nach dem sie das Fahrzeug auch nutzte, hätte sie auch ohne die Täuschung der Beklagten den Kaufpreis nicht gewinnbringend anlegen können. Ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend, dass Schadensersatzansprüche ab dem Zeitpunkt der Entstehung zu verzinsen seien, ist dem deutschen Recht fremd (Wagner, in: MüKo, § 849 Rn. 4 und wiederum KG Berlin, b.b. Rz. 204 ff).
71
Soweit eine weitere Verzinsung nach § 849 BGB gefordert wurde, war der Antrag daher abzulehnen. Die Sondervorschrift des § 849 BGB gilt nur für die z. B. betrügerisch erlangte Entziehung einer Sache oder deren Beschädigung mit Eintritt einer Wertminderung bei Unterstellung, dass keine entsprechende Gegenleistung erbracht wurde.
72
Vorliegend ist als Schaden aber nicht die Entziehung des Kaufpreises anzusehen, sondern das Eingehen eines wirtschaftlich nachteiligen Vertrags, der dann erst auf Verlangen hinsichtlich der gegenseitig gewährten Leistungen rückabzuwickeln ist. Die Sache war auch nicht beschädigt dergestalt, dass eine Gebrauchs- oder Wertminderung nachweislich eingetreten wäre, die es rechtfertigen könnte, ausnahmsweise von einem Vorteilsausgleich abzusehen. Der Geldbetrag wurde zwar auf Grundlage eines bemakelten Vertrags hingegeben, jedoch in Abwicklung des zunächst wirksam geschlossenen Vertrags (keine Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts im Sinne von § 134 oder § 138 BGB!).
73
Bei der Vorschrift des § 849 BGB handelt es sich gerade nicht um einen allgemeinen Rechtsgedanken im Schadensrecht, der großzügig ausweitend auszulegen wäre (Pal. 78. Aufl. § 849 – Sprau – Rz. 1 mit Hinweis auf BGH NJW 18, 2479 Rz. 45). Eine Ausweitung dieser Sondervorschrift mit Ausnahmecharakter im Deliktsrecht ist auch nicht geboten, denn im Deliktsrecht ist die Frage, ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, nach der sogenannten Differenzhypothese durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen. Dabei ist der deliktische Schadensersatzanspruch auf das negative Interesse beschränkt (vgl. BGH Urteil vom 25.11.1997, Az. VI ZR 402/96; Pal. BGB 78. Aufl. Einf. Vor § 823 Rn. 24). Damit kann der Kläger lediglich fordern so gestellt zu werden, wie er ohne die Täuschung stünde. Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass er damals zwar nicht das betreffende Fahrzeug, aber ein vergleichbares anderes Fahrzeug gegebenenfalls auch eines anderen Herstellers erworben hätte, da davon auszugehen ist, dass der Kläger auf jeden Fall ein Fahrzeug für seine beruflichen und privaten Zwecke benötigt hätte. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass er dieses Geld dann alternativ angelegt und damit Zinseinkünfte erwirtschaftet hätte. Ein genereller Verzinsungsanspruch des ursprünglich bezahlten Kaufpreises aus dem Kaufvertrag mit einem Dritten kann somit auch aus § 849 BGB, bei der es sich vielmehr um einen eng begrenzten Ausnahmetatbestand im Deliktsrecht handelt, nicht entnommen werden.
74
Dies erscheint auch im Hinblick darauf, dass dem Kläger umgekehrt eine Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs vom Kaufpreis in Abzug gebracht wird, nicht unbillig. Denn anders als der Kaufpreis, der im vorliegenden Fall auch nicht an die Beklagte, sondern an einen Händler bezahlt wurde, wird das streitgegenständliche Fahrzeug durch die bestimmungsgemäße Nutzung tatsächlich „verbraucht“ und verliert dadurch zunehmend an Wert, während der abstrakte Geldwert als solcher nicht „verbraucht“ wird, und allenfalls einer möglichen, aber nicht zwingenden Inflation unterfällt. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte den irgendwann aufgrund eines eigenen Vertragsverhältnisses unabhängig vom Kläger als späteren Endkunden erhaltenen Händlereinkaufspreis zur gewinnbringenden Nutzung zur Verfügung hatte, da von diesem Preis zunächst ihre eigenen Aufwendungen für die Entwicklung, Produktion und Vertrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs abzuziehen wären, so dass allenfalls ein hier nicht näher bekannter möglicher Gewinnanteil der Beklagten verbleiben würde, aus dem diese einen wirtschaftlichen Nutzen gezogen haben könnte.
75
III. Die vorgerichtlich geltend gemachten Kosten waren abzuweisen, da die Klagepartei ihre bestrittene Aktivlegitimation nicht nachgewiesen hat. Sie hat weder dargelegt, dass sie über keine Rechtschutzversicherung verfügt, die diese Kosten nicht übernommen hätte, noch dass sie von dieser berechtigt worden wäre, etwaige Ansprüche in ihrem Namen geltend zu machen, die bei Leistung an die Versicherung übergegangen wären. Auch mangelt es an jeder Stellungnahme, ob die Gebühren vom Kläger überhaupt bezahlt wurden.
76
Im übrigen wäre die Gebühr als übersetzt auf eine hier auch in vergleichbaren Verfahren für angemessen angesetzte 1,3 fachte Gebühr zu kürzen und nur aus dem zuletzt zugesprochenen Gegenstandswert von 23.109,22 EUR zu berechnen gewesen. Zutreffend bestritt die Beklagte die geforderte Gebühr als überhöht, da keine Gründe geltend gemacht wurden, die es rechtfertigen, die Kappungsgrenze der Nr. 2300 VV RVG zu überschreiten. Der Rechtsstreit betrifft lediglich eine Kaufsache und deliktische Ansprüche, basierend auf einer behaupteten Täuschung/betrügerischen Handlung, wobei der Sachverhalt in den zahlreichen gleichgelagerten Fällen weitgehend identisch ist und sich letztlich auf Vortrag einer Erwerbshandlung und einer Betroffenheit des Fahrzeugs im Sinne des sog. „Dieselskandals“ erschöpft. Dabei handelt es sich zudem um Massenklagen, die bei allenfalls kleinen Nuancen der Einzelsachverhalte letztlich einen massenhaft gleichartigen Sachverhalt und identische rechtliche Argumente beinhalten, die in der Regel seit Beginn der Klagewellen in 2016 von den meisten Anwaltskanzleien lediglich von Musterschriftsätzen kopiert oder abgeschrieben werden und sich gegenüber den Herstellern mittlerweile alle auf §§ 823 II, 826 i.V. m. § 831 und §§ 249 ff BGB beschränken. Eine besondere Schwierigkeit des hier betreffenden Einzelfalls ist insoweit auch nicht vorgetragen oder erkennbar, es handelt sich vielmehr um einen typischen Rückabwicklungsfall derartiger „Dieselfälle“.
C.
77
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO. Allerdings war hier zu berücksichtigen, dass die Klagepartei ein erhebliches Zuviel an deliktischen Zinsen seit dem Kaufzeitpunkt gefordert hatte und insoweit unterlegen ist. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH und verschiedener Obergerichte (vgl. z. B. BGH VIII ZR 222/59, BGH NJW 1988, 2173, BGH III ZR 143/12, OLG Koblenz 5 U 52/08 und KG 8 U 258/11), sowie einschlägiger Kommentierungen zu § 92 ZPO (z. B. Zöller ZPO, 32. Aufl. § 92 Rz. 11) war hier ein fiktiver Streitwert unter Hinzurechnung des geltend gemachten Zinsbetrags für den Zeitraum ab Kauf bis zum Eintritt des Verzugszinsanspruchs zu bilden, und die Kosten waren im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens auch in Ansehung der Zuvielforderung an Deliktszinsen zu verteilen.
78
Dies ergibt einen nur für die Kostenentscheidung zu berücksichtigenden fiktiven Streitwert von 39.707,24 EUR (Klageforderung Hauptsache) zuzüglich dem Verzugszinsanspruch von 4% aus dem Kaufpreis für den Zeitraum 27.09.2012 bis 21.03.2019 (10.294,46 EUR), somit in Höhe von 50.001,70 EUR. Insoweit obsiegt die Klagepartei lediglich in Höhe von 23.109,22 EUR, denn sie verlor in Höhe der Nutzungsentschädigung und des deliktischen Zinsanspruchs. Dies ergibt aus dem fiktiven Streitwert eine Kostenquote der Klagepartei in Höhe von 54%, für die Beklagte ergibt sich eine Kostenquote von 46%.
D.
79
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
E.
80
Der Streitwert bemisst sich allein nach der Höhe des Leistungsantrags zu 1), wie er in der Klageschrift im Leistungsantrag zum Ausdruck kam. Mangels Angabe zur damaligen Höhe eines abzuziehenden Nutzungsersatzes verbleibt es bei der vollen Höhe des Kaufpreises und der Finanzierungskosten, da darüber streitig zu entscheiden war.
81
Die Zinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleiben als Nebenforderungen unberücksichtigt.
82
Die Feststellung des Annahmeverzugs hat keinen messbaren Wert, da kein nennenswerter Betrag einer Kostenersparnis für die Klagepartei ersichtlich ist, wenn er sich durch die Feststellung den Aufwand, die eigene Leistung anbieten zu müssen, erspart. Ein solcher Aufwand ist auch klägerseits nicht näher dargelegt oder beziffert worden. Da dieser sich allenfalls im geringfügigen Bereich von wenigen Euro bewegen dürfte, kann er beim vorliegenden Streitwert keinen Kostensprung auslösen und ist daher nicht zu berücksichtigen.