Titel:
Nachbarklage, Befreiungen von Bebauungsplanfestsetzungen, Rücksichtnahmegebot, Abstandsflächen
Normenketten:
BauGB § 31 Abs. 2
BauGB § 23 Abs. 3 S. 2
BayBO Art. 6
BauGB § 2 Abs. 3
Schlagworte:
Nachbarklage, Befreiungen von Bebauungsplanfestsetzungen, Rücksichtnahmegebot, Abstandsflächen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61516
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beigeladene vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 7. Dezember 2018 in Gestalt der Tekturgenehmigung vom 2. Oktober 2019 zum Neubau einer Wohnanlage (51 WE) mit Gemeinschaftsraum sowie Betreuungsbüro („… … …“) auf den Grundstücken Fl.Nrn. …/0, …/19 und …/20, Gemarkung …
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Das Vorhaben bestehend aus acht zweigeschossigen Gebäuden jeweils mit Satteldach soll auf einer bisher unbebauten, ca. 20.000 qm großen Grünfläche zwischen S.-straße im Westen, N.-straße im Süden und F.-A.-Straße im Osten errichtet werden. Die streitgegenständlichen Grundstücke liegen im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans der Beklagten vom 2. Mai 1994 (Plan-Nr. …d). Dort sind drei reine Wohngebiete festgesetzt (WR 1 im Westen, WR 2 im Norden und WR 3 im Süden). Im WR 1 sollen die Häuser 1 und 8, im WR 2 die Häuser 5, 6 und 7 und im WR 3 die Häuser 2, 3 und 4 errichtet werden. Unmittelbar an das Vorhabengrundstück im Nordosten, östlich von Haus 5 gelegen, grenzt das Grundstück Fl.Nr. …/16 an. Die Klägerin ist Miteigentümerin zu 1/5 an einem 480/1000 Miteigentumsanteil an diesem Grundstück, verbunden mit Sondereigentum an der Doppelhaushälfte und Garage Nr. 2; dieses Grundstück liegt im Umgriff des Bebauungsplans der Beklagten vom 25. Mai 1976 (Plan-Nr. …c). Die anderen Grundstücke östlich des streitgegenständlichen Vorhabens liegen im unbeplanten Innenbereich und sind mit Einzel- und Doppelhäusern bebaut. Die nördlich des Vorhabengrundstücks Fl.Nr. …/19 anschließenden Grundstücke weisen Wohnbebauung auf und liegen im Umgriff des Bebauungsplans der Beklagten vom 10. Februar 1972 (Plan-Nr. …b). Im Süden der Vorhabengrundstücke schließen entlang der N.-straße weitere mit Einzel- und Doppelhäusern bebaute Grundstücke an.
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Mit Bescheid vom 7. Dezember 2018 (Plan-Nr. 2018- …) erteilte die Beklagte der Beigeladenen auf deren Anträge vom 18. August und 7. September 2018 hin im vereinfachten Genehmigungsverfahren die Baugenehmigung zur Errichtung einer Wohnanlage mit 51 Wohneinheiten sowie Gemeinschaftsraum und Betreuungsbüro auf den Grundstücken Fl.Nrn. …/0, …/19 und …/20, Gemarkung … unter aufschiebenden Bedingungen und naturschutzrechtlichen Auflagen sowie den Auflagen, 32 Kfz-Stellplätze und 85 Fahrrad-Stellplätze auf den Grundstücken herzustellen. Zudem wurden folgende Befreiungen vom Bebauungsplan der Beklagten vom 2. Mai 1994 (Plan-Nr. …d) erteilt:
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Überbaubare Grundstücksfläche
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- Überschreitung der westlichen Baugrenzen der drei Bauräume durch drei Gebäude im WR 2 (Haus 5, 6 und 7) nach Westen um 50 cm mit allen Geschossen
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- Überschreitung des Bauraums im WR 1 durch offene Kfz-Abstellplatzanlage nach Osten um 0,5 m (2 Stellplätze teilweise) und nach Westen um 6,20 m (2 Stellplätze teilweise, 4 Stellplätze ganz)
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- Errichtung von 8 offenen Kfz-Stellplätzen südlich des im WR 2 festgesetzten Baumraumgefüges
8
- Errichtung von 8 offenen Kfz-Stellplätzen nördlich des im WR 3 festgesetzten Bauraumes
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Maß der baulichen Nutzung
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- Überschreitung der GRZ von 0,25 im WR 2 um 0,03 auf 0,28, im WR 3 um 0,04 auf 0,29 und im WR 1 nach § 19 Abs. 4 BauNVO 1990 um 0,115, im WR 2 um 0,045 und im WR 3 um 0,035
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- Überschreitung der GFZ von 0,5 im WR 2 um 0,02 auf 0,52 und im WR 3 um 0,03 auf 0,53.
- Nichteinhaltung der im WR 1 festgesetzten Gebäudeart als Doppelhaus
- Nachweis der Errichtung von Stellplätzen nicht in Garagen, sondern in oberirdischen offenen Stellplätzen
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Überwiegend wurden die Befreiungen mit der Geringfügigkeit der Überschreitung und der Wahrung der Grundzüge der Planung begründet. Die Befreiung von der Bauweise wurde zudem mit der kleinteiligen Bauausführung begründet. Die Baukörper würden der offenen Bauweise nicht widersprechen. Im Übrigen wird auf die Bescheidsgründe Bezug genommen. Des Weiteren wurden folgende Überschreitungen der festgesetzten Bauräume nach § 23 Abs. 3 BauNVO zugelassen:
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- Bauraum im WR 1 nach Osten durch 14 Fahrradstellplätze, verteilt auf 2 Standorte
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- Baugrenze durch 19 Lichtschächte, davon 2 nördlich des Bauraums WR 1, im WR 2 westlich und 1 nördlich und 2 teilweise östlich des jeweiligen Bauraumes und im WR 3 2 westlich des Bauraumes.
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- Bauräume durch 10 ebenerdige Terrassen, davon 2 westlich und eine nördlich des Bauraumes im WR 1, je eine westlich des Bauraums im WR 2 und im WR 3 eine westlich und 3 südlich des Bauraumes
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- Bauräume durch 15 untergeordnete Balkone, davon je 2 westlich und nördlich des Bauraumes im WR 1, im WR 2 je 2 westlich des jeweiligen Bauraumes und im WR 3 3 südlich und 2 westlich des Bauraumes.
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Eine Ausfertigung der Baugenehmigung wurde der Klägerin am 12. Dezember 2018 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom … Dezember 2018, eingegangen bei Gericht am 27. Dezember 2018, erhob der Klägerbevollmächtigte Klage gegen den Bescheid vom 7. Dezember 2018 (M 29 K 18.6294).
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Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2019 beantragte die Beklagte
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und führte im Wesentlichen unter Verweis auf die Behördenakten aus, dass das Vorhaben bereits Gegenstand von Verfahren beim Stadtrat der Beklagten und dem Landtag gewesen sei und sich die Beklagte mit den Einwendungen der Klägerin intensiv auseinandergesetzt habe.
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Mit Schriftsatz vom … Juni 2019 führte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Wesentlichen unter Vorlage von Lichtbildern und weiterer umfangreicher Unterlagen zur Klagebegründung aus, dass eine Vielzahl von objektiv-rechtlichen Verstößen vorliege, die eine subjektive Rechtsverletzung aufwiesen und daher zur Nichtigkeit der Baugenehmigung führen würden. Aus dem Plan- und Textteil sowie der Begründung des Bebauungsplanes der Beklagten vom 2. Mai 1994 (Plan-Nr. …d) gehe hervor, dass nur eine kleinteilige Einzelbebauung mit geringer Besiedlungsdichte angestrebt sei, die Bauräume nur begrenzte Einwirkungsbereiche in die vorhandene Landschaft ermöglichen sollten, der Plan die in der unmittelbaren Umgebung vorherrschende Bauweise in Form von Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern aufgreife, die Pkw-Stellplätze in den Bauräumen nachzuweisen seien und das Gebiet als reines Wohngebiet festgesetzt worden sei. Auch die Begründung des Flächennutzungsplans weise auf eine maßvolle Nachverdichtung hin. Der Bebauungsplan lege für das jeweilige WR eine GFZ und GRZ fest, die für das jeweilige Wohngebiet einzuhalten seien. Dies zeige ebenso wie die festgesetzte Bauweise, dass keine Spannungsverhältnisse mit der unmittelbaren Nachbarschaft entstehen sollten. In der näheren Umgebung des Vorhabens befänden sich überwiegend Einzel- und Doppelhäuser, gelegentlich Reihenhäuser und selten Mehrfamilienhäuser. Es werde aus der Begründung des Bebauungsplanes deutlich, dass die vorhandene Struktur der Einzel- und Doppelhäuser fortgeführt werden solle.
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Ursprünglich sei ein Vorhaben mit 85 Wohneinheiten bei acht Baukörpern geplant gewesen, die aufgrund der Proteste u.a. der Klägerin nicht verwirklicht worden seien. Im Rahmen der Sitzung des Petitionsausschusses über die Petition sei explizit darauf hingewiesen worden, dass die Häusertypik erörtert werden müsse. Zwei Tage später habe die Beklagte aber bereits die streitgegenständliche Genehmigung erteilt.
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Es sei eine Einwohnerdichte von 232 Einwohnern pro ha geplant, die der ursprünglichen Bauleitplanung der Beklagten widerspreche und einen Fremdkörper zu der Anlage der Klägerin darstelle. Dieser Umstand hätte in einem Bauleitplanverfahren abgewogen werden müssen. Bei einer Anzahl von 52 bzw. 70 (jeder Stellplatz einzeln gezählt) Befreiungen vom Bebauungsplan könne die Identität mit dem Bebauungsplan nicht mehr gewahrt sein. Es sei keine Befreiung für die Überschreitung des östlichen Bauraums im WR 1 durch die Gemeinschaftsterrasse beantragt bzw. genehmigt worden.
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Es läge eine Vielzahl von qualitativen und quantitativen Verstößen vor. Die Beklagte habe willkürlich gehandelt, da sie in eklatantem Missbrauch des Instruments des § 31 Abs. 2 BauGB Befreiungen erteilt habe (vgl. VG Frankfurt, 16.5.2011 - 8 K 3785/10). Die kommunale Planungshoheit könne nicht durch die Hintertür der Befreiung ausgehebelt werden. Es liege hier aufgrund der Vielzahl an Befreiungen eine Umplanung im Vergleich zum ursprünglichen Bebauungsplan vor. Die Beklagte habe willkürlich gehandelt. Jedenfalls sei in nachbarrechtsrelevanter Weise gegen Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO i.V.m. § 1, § 13 Bauvorlagenverordnung (BauVorlV) sowie gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG verstoßen worden. Der BayVGH nehme eine Nachbarrechtsverletzung an, soweit die Baugenehmigung selbst bzw. die ihr zugrundeliegenden Vorlagen wegen Ungenauigkeiten bzw. deren Fehlen keine Entscheidung darüber zuließen, ob die zu prüfenden drittschützenden Vorschriften eingehalten seien. Dies sei etwa bei der unterschiedlichen Darstellung der Bauräume im Bebauungsplan und dieser in den Bauplänen der Fall. Es gebe auch widersprüchliche Angaben zu den Höhen (§ 7 Abs. 3 Nr. 11 BauVorlV; Aufschüttung Haus 7). Die Planunterlagen würden widersprechende Angaben enthalten. Zudem seien in den Planunterlagen für die Baukörper in den Gebieten WR 1, 2 und 3 widersprüchliche Grundflächenzahlen angegeben. Ferner seien die Gemeinschaftsterrassen falsch berechnet (2,5 m x 1,5 m; Grundfläche 0,9 m²) und die Längenmaße zu den Stellplätzen widersprüchlich (5,47 m zu 5,50 m). Die Beklagte runde bei den Längenangaben einmal ab, einmal auf. Auch seien die Abstandsflächenangaben zu den Grundstücken der Klägerin und eines weiteren Klägers falsch angegeben. Bei korrekter Berechnung würde die Abstandsfläche des Hauses 5 auf das Grundstück der Klägerin hineinragen. Die Tiefe der Abstandsflächen sei auch auf den Eingabeplänen bei allen Baukörpern identisch angegeben, was nicht stimme. Beispielhaft sei auf eine Aufschüttung bei Haus 7 verwiesen, die zu einer anderen Tiefe der Abstandsflächen führen würde. Die widersprechenden Angaben könnten zu einer Unmöglichkeit der Ausführung der Baugenehmigung führen.
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Die beantragte Befreiung hinsichtlich der Art der Nutzung im WR 1 wegen der Errichtung eines Gemeinschaftsraumes/ -büros sei nicht verbeschieden worden; diese Unklarheit habe drittschützende Wirkung. Das vorgelegte Betriebskonzept zeige, dass es sich bei diesen Einrichtungen um gewerbliche Fläche handle (s. Baubeschreibung der Beigeladenen), die auch der WAL-Anlage A.-straße und interessierten Nachbarn zugänglich sein solle. Diese Art der Nutzung sei im reinen Wohngebiet nicht zulässig und mit dem Gebietscharakter des Plangebiets nicht vereinbar. Weder § 13 BauNVO noch § 14 BauNVO kämen zur Anwendung. Zwar sei der Gebietserhaltungsanspruch grundsätzlich auf den Geltungsbereich des Bebauungsplanes bezogen, aber auch auf die angrenzenden Nachbarn, sofern diese in das nachbarschaftliche Austauschverhältnis einbezogen worden seien. Dies sei nach der Begründung des Bebauungsplanes auf Erhaltung einer nachbarschaftlich gleichbleibenden Gebietsstruktur der Fall. Zudem seinen die Einwände jedenfalls im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigen.
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Auch die beantragte Befreiung für die Bauweise im WR 3 sei jedenfalls im Bescheid nicht verbeschieden. Die Abweichung von der Bauweise als Doppel- bzw. im sozialen Wohnungsbau als Reihenhäuser im WR 3 und WR 1 widerspreche eklatant dem Willen des Planungsgebers, der eine Mehrung von Wohneinheiten, hier 51, in einem Gebäude nicht gewollt habe. Die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB sei drittschützend.
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Die Beklagte habe das Dachgeschoss des Vorhabens nicht als Vollgeschoss gewertet und somit werde nicht nur die maximale Geschossigkeit, sondern auch die festgesetzte GFZ massiv überschritten (weitere Ausführungen im Detail). Die Gemeinschaftsterrasse im WR 1 sei von der Beklagten nicht berücksichtigt worden, zum einen bei der insoweit entstehenden Erhöhung der GRZ, zum anderen der dadurch entstehende zusätzliche Lärm. Die Beklagte habe die GFZ und GRZ durch unzulässige Summierung der Gebietstypen untereinander und Verteilung auf Gebiete klein gerechnet. Die Überschreitung der GRZ im WR 3 betrage richtig 11,2% sowie die Überschreitung der GFZ sei bis zu 43%. Die unterschiedliche Darstellung der GFZ führe zur Nichtigkeit der Baugenehmigung. Die Befreiung von einer nicht drittschützenden Vorschrift, hier dem Maß der baulichen Nutzung, führe nach der Rechtsprechung nur zu einer subjektiven Rechtsverletzung, soweit die nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Die GFZ und GRZ seien nur dann drittschützend, wenn der Plangeber ihnen diese Wirkung zukommen lassen wollte, was vorliegend der Fall sei, da er Spannungen vermeiden habe wollen. Zudem führe die Erhöhung der GFZ und GRZ zur Erhöhung der Wohneinheiten, der Stellplatzanzahl und der Fahrbewegungen. Diese übermäßige Nutzungsdichte sei rücksichtslos.
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Die genannten Einwände würden auch einen Verstoß gegen das drittschützende Rücksichtnahmegebot darstellen. Hierauf könnte sich die Klägerin, deren Grundstück sich zwar außerhalb des Plangebiets, aber in unmittelbarer Nachbarschaft befinde, berufen. Auch aus verkehrsrechtlicher Sicht sei das Rücksichtnahmegebot verletzt. Die Stellplätze seien unzutreffend ermittelt worden, Behindertenparkplätze würden gänzlich fehlen. Auch Stellplätze für das Besucherzentrum seien nicht nachgewiesen. Die Stellplätze würden auch abweichend vom Bebauungsplan außerhalb des vorgesehenen Bauräumes und zudem auch nicht in Garagen erfolgen. Unter Vorlage eines Gutachtens des Büro R. C. von Juli 2018 führte der Prozessbevollmächtigte weiter aus, dass die Erschließung über die N.-straße nicht hinreichend gesichert sei und zu einer unzumutbaren Verkehrsbelastung (Park-Such-Verkehr), insbesondere für das Grundstück einer weiteren Klägerin an der N.-straße, die bereits durch den Lärm der Gemeinschaftsterrasse übermäßig belastet sei, führe.
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Die Rechtsprechung zu § 31 Abs. 2 BauGB bei Nachbarklagen konterkariere den formalen Verfahrensgrundsatz in § 2 Abs. 3 BauGB, der den Bürgern einen Anspruch auf europarechtlichen Schutz durch Verfahren gebe. Der Verfahrensgedanke im Abwägungsprozess sei zugunsten der Bürger durch die Richtlinie der EU über die strategische Umweltprüfung von Plänen und Programmen und dem darauf basierenden EAG-Bau gestärkt worden. Ein objektiver Verstoß gegen § 31 Abs. 2 BauGB müsse dazu führen, dass ein Bauleitplanänderungsverfahren unter Bürgerbeteiligung durchgeführt würde.
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Mit Bescheid vom 2. Oktober 2019 (Plan-Nr. 2019- …) erteilte die Beklagte auf Änderungsantrag der Beigeladenen vom 23. August 2019 mit Betriebsbeschreibung vom 23. September 2019 eine Tekturgenehmigung für das Vorhaben. Die Baugenehmigung gelte mit Ausnahme der naturschutzrechtlichen Auflage Ziff. 3 und der Befreiungen für die Überschreitung der GRZ nach § 19 Abs. 4 BauGB 1990 weiter. Folgende Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes der Beklagten Plan-Nr. …d wurde erteilt:
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Überschreitung der GRZ im WR 1 um 0,075 auf 0,45, im WR 2 um 0,025 auf 0,40 und im WR 3 um 0,035 auf 0,41 nach § 19 Abs. 4 BauNVO 1990
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Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass es sich nur um geringfügige Auswirkungen handle und sich die Überschreitung im WR 1 und WR 2 im Vergleich zur Ausgangsgenehmigung verringert habe, die Überschreitung im WR 3 sei unverändert. Die Grundzüge der Planung würden gewahrt bleiben. Nach den genehmigten Plänen werde auf die Gemeinschaftsterrasse im WR 1 verzichtet.
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Mit Schriftsatz vom … Oktober 2019, bei Gericht eingegangen am 17. Oktober 2019, erhob der Klägerbevollmächtigte hiergegen Klage (M 29 K 19.5236).
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Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2019, die Klage sei bereits unzulässig, da keine drittschützenden Rechte der Klägerin verletzt seien. Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheide offensichtlich aus. Durch die Tekturgnehmigung vom 2. Oktober 2019 sollten alle Unstimmigkeiten ausgeräumt werden. So sei die Betriebsbeschreibung des Bewohnerbüros im WR 1 konkretisiert worden, die vorgesehene Terrasse am Haus 1 beim Büro- und Gemeinschaftsrum gestrichen worden, die widersprüchlichen Angaben der Höhenvermaßungen der Fahrradhäuser ausgeräumt worden und Umplanungen bei Bepflanzungen und einem Gartenzugang vorgenommen worden. Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die Kläger wollten das Vorhaben an sich verhindern, da ihnen die geplanten Bewohner unerwünscht seien. Die aufschiebenden Bedingungen der Baugenehmigung seien nunmehr erfüllt und der Bau könne beginnen.
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Mit Schriftsatz vom 12. November 2019 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen,
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und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Klägerin, deren Sondereigentum lediglich nordöstlich an das WR 2 angrenze, sich nicht auf Verletzungen durch Befreiungen von Festsetzungen oder Zulassungen nach § 23 Abs. 3 BauNVO betreffend WR 1 oder WR 3 berufen könne. Dies betreffe insbesondere die Beanstandungen zur Bauraumüberschreitung, zum Gemeinschaftsraum und Betreuungsbüro sowie zur Gemeinschaftsterrasse im WR 1 sowie die Befreiung zur Häusertypik im WR 3. Insoweit sei die Klage bereits unzulässig. Weiter könne sie wegen der Lage ihres Sondereigentums auch keine Verkehrsbeeinträchtigungen geltend machen. Zudem könne sie keine Rechte geltend machen, die der Wohnungseigentümergemeinschaft zustünden, etwa den Gebietserhaltungsanspruch sowie alle vorliegenden Befreiungen von Festsetzungen im WR 2. Die Klage sei aber auch unbegründet. Die Baugenehmigung sei nicht nichtig. Die streitgegenständliche Baugenehmigung in Gestalt der Genehmigung vom 2. Oktober 2019 sei hinreichend bestimmt, da sie jeweils auf die wesentlichen Pläne und Bauvorlagen Bezug nehme. Es komme somit nicht darauf an, dass die Bauvorlagenverordnung keine drittschützenden Rechte verleihe. Dahinstehen könne, dass eine unbestimmte Baugenehmigung Rechte des Nachbarn nur verletze, soweit sie hinsichtlich drittschützender Rechte unbestimmt sei. Die Genehmigung sei auch nicht willkürlich erteilt worden. Es handle sich um geringfügige Überschreitungen und die planerische Aussage des Bebauungsplans der Beklagten Plan-Nr. …d bleibe gewahrt. Der Gemeinschaftsraum im Haus 1 (WR 1) sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im Übrigen zulässig, da er dem Wohnen diene. Es liege keine gewerbliche Nutzung beim Betreuungsbüro vor, sondern es gehe nur um die Unterkunftsverwaltung und Unterstützung der Bewohner. Die Betriebsbeschreibung sei im Rahmen der Änderung entsprechend angepasst worden. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs scheide nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits deswegen aus, da das klägerische Grundstück nicht im Umgriff des Bebauungsplans Plan-Nr. …d liege. Auch habe der Plangeber keine anderweitige Entscheidung getroffen. Zudem könne eine Wohnnutzung dem Gebietscharakter eines reinen Wohngebiets nicht widersprechen. Den Befreiungen von Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (GRZ, GFZ, Bauweise und Nutzungsmaß der Garagen) würde grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommen, es sei denn der Wille der Beklagten sei dahin gegangen. Vorliegend würden die Festsetzungen nicht auch dem nachbarlichen Interessenausgleich dienen. Die erfolgte Orientierung an der angrenzenden Bebauung diene ausschließlich städtebaulichen Gründen, insbesondere sei ein Schwerpunkt der Planung die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage gewesen. Ebenso verhalte es sich zu den Befreiungen von den Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche und zu den Nebenanlagen. Die Festsetzung der Gebäudeart sei nicht drittschützend für die Klägerin, da das klägerische Grundstück außerhalb des Plangebiets liege. Nur die im Plangebiet ansässigen Nachbarn könnten sich hierauf berufen. Aufgrund ihrer Kubatur würden die Gebäude des Vorhabens eine verträgliche Bebauung darstellen. Die Befreiungen von Festsetzungen im WR 2 seien jedenfalls städtebaulich vertretbar. Welche Festsetzungen zu den Grundzügen der Planung gehören würden, bestimme sich nach der im Plan zum Ausdruck kommenden Konzeption der Gemeinde. Vorliegend sei die Verwirklichung einer in mehrere Baukörper aufgelockerten Wohnbebauung unter Einhaltung der Abstandsflächen beabsichtigt. Im Weiteren folgen Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen zu den einzelnen Befreiungen und Zulassungen. Insbesondere wird vorgebracht, dass die Dachgeschossflächen nach den Tekturplänen zu keiner weiteren Überschreitung der GFZ oder GRZ führen würden. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots liege nicht vor. Die Abstandsflächen seien eingehalten.
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Mit weiterem Schriftsatz vom … November 2019 erwiderte der Bevollmächtigte der Klägerin umfangreich und führte im Wesentlichen aus, dass die Klage nicht bereits unzulässig und die Klägerin nach der Möglichkeits- bzw. Schutznormtheorie klagebefugt sei. Es lägen drittschützende Verstöße vor bzw. objektive Verstöße, die aufgrund der Schwere drittschützende Wirkung hätten. Der Klägerin gehe es nicht um eine bloße Verhinderung des Vorhabens. Die Ausführungen im Schriftsatz vom … Juni 2019 würden auch für die Tektur gelten. Es sei nur hinsichtlich der Überschreitung des Bauraumes durch eine Gemeinschaftsterrasse im WR 1 Abhilfe geschaffen worden. Es könne keine Trennung der Klägerbetroffenheiten, insbesondere bei der Gebietstypik und den Kfz-Stellplätzen vorgenommen werden, da die Wohngebiete miteinander verbunden seien. Die Behauptung der Beklagten und Beigeladenen, die GRZ habe sich mittlerweile verringert, sei unzutreffend, etwa seien die Erschließungswege alle nicht mehr mitgerechnet worden (s. Nachberechnungen des Klägerbevollmächtigten). Auch die Höhenangaben differierten. Auch die Berechnung zu den Dachgeschossflächen sei nicht angepasst worden, obwohl die Höhe von größer 2,30 m in den Tekturplänen auf mindestens 2,30 m korrigiert worden sei. Die vorherrschende Nutzungsdichte sei momentan bei 61 Einwohnern je ha, bei den Vorhabengrundstücken läge sie bei 232 Einwohnern je ha. Die aktualisierte Betriebsbeschreibung des Gemeinschaftsraumes ändere nichts an der Öffnung nach außen. Zudem habe die Beigeladene gerade einen Befreiungsantrag für den Gemeinschaftsraum gestellt, über den nicht entschieden sei. Zudem gehe aus den von der Beklagten an den Gemeinschaftsraum gestellten erhöhten Anforderungen an den Schallschutz hervor, dass es sich um Sozialräume handle. Das Konzept „… … …“ zeige für das Vorhaben eine gebietsfremde Nutzung auf.
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Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2019 erwiderte der Bevollmächtigte der Beigeladenen, hinsichtlich der Anzahl der Befreiungen stelle die Klägerin eine völlig überzogene Rechnung an. Sie könne sich auch nicht auf einen etwaigen Drittschutz der Festsetzungen des Bebauungsplanes berufen, da dieser sich auf die gebietsansässigen Nachbarn beschränke. Es sei nicht ersichtlich, dass durch die Befreiung für die Errichtung von Mehrfamilienhäusern die Grundzüge der Planung berührt sein könnten. Auch die Nutzungsdichte werde nicht in unverträglichem Maße erhöht. Die Berechnung der GRZ sei korrekt erfolgt. Ein Abstandsflächenverstoß durch das Haus 5 sei nicht erkennbar. Bei der Klägerin scheide eine Rechtsverletzung hinsichtlich der Abstandsflächen von vornherein aus, weil sie Sondereigentümerin sei und Abstandsflächen das gesamte Grundstück und damit die WEG beträfen. Soweit sich die Klägerin auf die Berechnung der Einwohner je Hektar stütze, sei eine Verletzung drittschützender Rechte nicht erkennbar. Der Bebauungsplan enthalte keine Festsetzungen zur Anzahl der zulässigen Wohneinheiten. Für die Frage, welche Nutzung in dem Büro- und Gemeinschaftsraum genehmigt sei, sei ausschließlich die Betriebsbeschreibung in der Fassung der Tektur relevant.
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Mit Schriftsatz vom … April 2020 brachte der Bevollmächtigte der Klägerin dann noch vor, die sehr hohe Anzahl der Befreiungen verdeutliche, wie stark das genehmigte Bauvorhaben in die Grundzüge des Bebauungsplanes eingreife. Die Beigeladene bestreite die hohe Überschreitung der GRZ nicht, ebenso wenig, dass es sich bei den Dachgeschossen um Vollgeschosse handele. Durch Aufschüttungen überlappten sich Abstandsflächen zwischen Haus 5 und Haus 6 sowie zwischen Haus 6 und Haus 7. Bei Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplans bezüglich der Lage der Baugrenzen im WR 2 sei das Grundstück der Klägerin um knapp 14 cm durch die Abstandsfläche von Haus 5 verletzt. Ausschließlich durch die unzulässige westliche Verschiebung der Baugrenzen im WR 2 um 0,35 m trete augenscheinlich bei den eingereichten Unterlagen keine abstandsflächenrechtliche Verletzung des Grundstücks der Klägerin auf. Durch die Verschiebung der Häuser 5, 6 und 7 um jeweils 0,50 m Richtung Westen entstehe eine erhebliche Baurechtsmehrung. Der Bebauungsplan weise explizit in seiner Begründung darauf hin, dass der Sinn und Zweck des Bebauungsplans auch gewesen sei, einen sinnvollen Übergang zur Nachbarschaft zu schaffen und ein homogenes Gesamtkonzept unter Einbeziehung der vorhandenen Bebauung sicherzustellen. Dies reiche aus, um aus dem Bebauungsplan Drittschutz begründen zu können. Stünden Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis, komme ihnen nach ihrem objektiven Wertgehalt Schutzfunktion zugunsten der in dem Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zu. Dies führe dazu, dass die Gesichtspunkte der Gebietstypik, der Öffnung des Gebietes nach außen, der Bauweise - Häusertypik, der GRZ, der GFZ, der Vollgeschossigkeit und der Baugrenzen drittschützende Wirkung entfalteten. In den genehmigten Plänen befänden sich widersprüchliche Angaben. Auf die europakonforme Auslegung des § 31 Abs. 2 BauGB werde verwiesen.
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Die Verwaltungsstreitsache wurde am 6. Mai 2020 mündlich verhandelt. Die von der Klägerin separat erhobenen Klagen wurden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Die Klägerin beantragt zuletzt,
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die Baugenehmigung vom 7. Dezember 2018 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 2. Oktober 2019 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt
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Die Beigeladene beantragt ebenfalls
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Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch hinsichtlich der umfangreichen Schreiben der Beteiligten im Verwaltungsverfahren, wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte sowie die Gerichtsakten in den Verfahren der anderen klagenden Nachbarn verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Klage ist - entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Beigeladenen - insgesamt zulässig.
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Die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis steht der Klägerin zu. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass das klägerische Grundstück unmittelbar an eines der Vorhabengrundstücke angrenzt. Da mit der Baugenehmigung vom 7. Dezember 2018 in Gestalt der Tekturgenehmigung vom 2. Oktober 2019 eine einheitliche Baugenehmigung vorliegt, kann es im Rahmen der Klagebefugnis nicht darauf ankommen, dass eine Rechtsverletzung der Klägerin offensichtlich ausscheidet, soweit von der Baugenehmigung die Baukörper im WR 1 und WR 3 betroffen sind. Die Baugenehmigung kann nur insgesamt angefochten werden.
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Die Nachbarrechtsposition der Klägerin ist dabei auch nicht auf die eines Sondereigentümers beschränkt (vgl. dazu BayVGH v. 8.7.2013 - 2 CS 13.807 - juris, Rn. 4 ff.). Neben dem Sondereigentum an der Doppelhaushälfte und Garage Nr. 2 steht der Klägerin auch ein Miteigentumsanteil von 1/5 an einem Miteigentumsanteil von 480/1000 an dem an das Bauvorhaben angrenzende Grundstück Fl.Nr. …/16 zu.
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2. Die Klage bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
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Insbesondere ist die angefochtene Baugenehmigung in der Fassung der Tekturgenehmigung nicht nichtig. Die Klägerin beruft sich hier einerseits auf einen Bestimmtheitsmangel, andererseits auf einen behaupteten Missbrauch des Instrumentariums der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB. Das Vorbringen greift in beiden Punkten nicht durch.
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Die Klägerin behauptet zum einen eine Nichtigkeit aufgrund eines eklatanten Missbrauchs des Instrumentariums der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB und stützt sich dabei auf ein Urteil des VG Frankfurt (v. 16.5.2011 - 8 K 3785/10.F - juris, Rn. 43). Die Berufungsentscheidung zu diesem Urteil (HessVGH v. 24.8.2012 - 3 A 565/12 - juris, Rn. 35; vgl. auch schon die Berufungszulassungsentscheidung HessVGH v. 1.3.2012 - 3 A 1330/11.Z - juris, Rn. 5) verweist jedoch darauf, dass das Verwaltungsgericht mit dieser Rechtskonstruktion in der Sache den Bereich des subjektiven Rechtschutzes, wie er so in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO als auch in § 31 Abs. 2 BauGB angelegt ist, verlässt und insoweit in unzulässiger Weise eine objektive Rechtskontrolle ausübt.
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Auch der von der Klägerin behauptete Bestimmtheitsmangel kann nicht zur Nichtigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führen.
Zwar kann ein besonders schwerer und offenkundiger Fehler, der gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG zur Nichtigkeit der Genehmigung einer Anlage führt, vorliegen, wenn das genehmigte Vorhaben in seiner Größe und Ausgestaltung in keiner Weise, weder im Bescheid noch in den Antragsunterlagen, näher spezifiziert wird (vgl. BayVGH v. 25.4.2017 - 22 CS 16.2370 - juris, Rn. 26). Diese strengen Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Das gegenständliche Vorhaben ist in den genehmigten Plänen (Lageplan, Grundrisse, Schnitte/Ansichten) sowohl nach Plan-Nr. 18- … (Genehmigung v. 7.12.2018) als auch nach Plan-Nr. 19- … (Tekturgenehmigung v. 2.10.2019) nachvollziehbar dargestellt.
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Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH v. 8.7.2013 - 2 CS 13.807, Rn. 3; BayVGH v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris, Rn. 20, m.w.N.). Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Nur nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn sind zu berücksichtigen, Änderungen zu seinen Lasten haben außer Betracht zu bleiben (BVerwG v. 8.11.2010 - 4 B 43/10 - juris, Rn. 9, m.w.N.). Bei der Überprüfung, ob Nachbarrechte verletzt sind, wird dabei das zur Genehmigung gestellte Vorhaben durch die Betriebsbeschreibung im Einzelnen be- und umschrieben und insoweit wird auch der Umfang der Baugenehmigung festgelegt (vgl. BayVGH v. 14.9.2006 - 26 CS 06.2072 - juris, Rn. 17). Die Baugenehmigung vom 7. Dezember 2018 in der Fassung der Tekturgenehmigung vom 2. Oktober 2019 verletzt keine die Klägerin schützenden Rechte im vorgenannten Sinn.
59
2.1 Das streitgegenständliche Vorhaben verstößt nicht gegen die Klägerin schützendes Bauplanungsrecht.
60
2.1.1 Die ausgesprochenen Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. … d beinhalten keinen Drittrechtsverstoß zu Lasten der Klägerin.
61
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
62
1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder
63
2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
64
3. die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
65
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
66
Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltenen Rücksichtnahmegebotes (§ 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung objektiv rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben in Folge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (BayVGH v. 23.5.2017 - 1 CS 17.693 - juris, Rn. 3; BayVGH v. 26.2.2014 - 2 ZB 14.101 - juris, Rn. 3; jeweils m.w.N.).
67
Der Bebauungsplan Nr. … d enthält keine zugunsten der Klägerin drittschützenden Festsetzungen. Weder die Festsetzungen zum Maß der Nutzung noch die zur überbaubaren Grundstücksfläche oder zur Bauweise sollen die außerhalb des Plangebietes gelegene Klägerin schützen; gleiches gilt für die Festsetzung, dass Stellplätze in Garagen errichtet werden müssen.
68
Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung durch Bebauungspläne haben grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion (BayVGH v. 16.7.2002 - 2 CS 02.1236 - juris, Rn. 34). Ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt von dem Willen der Gemeinde als Plangeber ab (BVerwG v. 9.8.2018 - 4 C 7/17 - juris, Rn. 14). Zwar können Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch dann drittschützende Wirkung entfalten, wenn der Bebauungsplan aus einer Zeit stammt, in der man ganz allgemein an einen nachbarlichen Drittschutz noch nicht gedacht hat. Der baurechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses, in dem der nachbarliche Interessenkonflikt durch Merkmale der Zuordnung der Verträglichkeit und der Abstimmung benachbarter Nutzungen geregelt und ausgeglichen ist. Dieser Gedanke prägt nicht nur die Anerkennung der drittschützenden Wirkung von Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung, sondern kann auch eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung rechtfertigen. Stehen solche Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis, kommt ihnen nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zugunsten der an dem Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zu. Daraus folgt unmittelbar, dass der einzelne Eigentümer die Maßfestsetzungen aus seiner eigenen Rechtsposition heraus auch klageweise verteidigen kann (BVerwG v. 9.8.2018 - a.a.O., Rn. 15, m.w.N.). Der Umstand, dass ein Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hatte, verbietet es nicht, die Festsetzungen nachträglich subjektiv-rechtlich aufzuladen. Es entspricht allgemeiner Rechtsüberzeugung, dass das öffentliche Baurecht nicht in dem Sinn statisch aufzufassen ist, dass es einer drittschutzbezogenen Auslegung unzugänglich wäre. Baurechtlicher Nachbarschutz ist das Ergebnis einer richterrechtlichen Rechtsfortbildung, welche hierbei von einer Auslegung der dafür offenen Vorschriften ausgeht (BVerwG v. 9.8.2018 - a.a.O., Rn. 16, m.w.N.).
69
Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baulinien und Baugrenzen haben grundsätzlich keine drittschützende Funktion. Solche Festsetzungen vermitteln Drittschutz nur dann, wenn sie ausnahmsweise nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin diese Funktion haben sollen (BayVGH v. 29.8.2014 - 15 CS 14.615 - juris, Rn. 24, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben kann. Maßgebend ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einen nachbarlichen Interessenausgleich im Sinn eines Austauschverhältnisses dienen sollte (BayVGH v. 29.8.2014 - a.a.O., Rn. 25, m.w.N.).
70
Für einen beabsichtigten Drittschutz von Festsetzungen für Bereiche außerhalb des Plangebietes sind, da es sich um einen Ausnahmefall handelt, entsprechend deutliche Anhaltspunkte erforderlich (BayVGH v. 2.5.2016 - 9 ZB 13.2048, 9 ZB 13.2051, 9 ZB 13.2052 - juris, Rn. 14, m.w.N.).
71
Gemessen an diesen Vorgaben kann nicht festgestellt werden, dass der Plangeber mit den Festsetzungen im Bebauungsplan (auch) außerhalb des Plangebiets gelegene Nachbarn schützen wollte.
72
Entsprechend deutliche Anhaltspunkte dafür, dass mit Bebauungsplanfestsetzungen des Bebauungsplans Nr. … d auch außerhalb des Plangebietes liegende Nachbarn geschützt werden sollen, fehlen. Solche Anhaltspunkte können entgegen der Annahme der Klägerin auch nicht aus der Begründung zum Bebauungsplan hergeleitet werden.
73
Soweit diese Begründung unter Ziff. 2.2.2 zur Frage der Nutzungsstruktur und Stadtgestalt ausführt, an den Rändern des Planungsgebietes bestehe eine lockere ein- bis zweigeschossige Einzel- und Doppelhausbebauung mit Satteldächern, bezieht sich dies, wie die Überschrift zu Ziff. 2.2 zeigt, auf die städtebauliche Bestandsaufnahme und kann von daher für einen beabsichtigten plangebietsübergreifenden Nachbarschutz nichts hergeben. Die unter Ziff. 3. genannten Planungsziele stellen nach ihrem eindeutigen Wortlaut keinerlei Bezug zum Bereich außerhalb des Plangebietes her. Unter Ziff. 4.2 zur Wohnbebauung ist dann ausgeführt, dass entsprechend der vorgegebenen Baustrukturen zweigeschossige Häuser mit Satteldach vorgesehen sind und dass mit der ausgewiesenen GFZ von 0,5 die Bebauungsdichte der nördlich anschließenden Wohnbebauung aufgenommen wird. Danach werden sich Höhenentwicklung und Nutzungsdichte der künftigen Bebauung gut in die vorhandene Baustruktur integrieren und keine unverträglichen Spannungen auftreten lassen. Die Knüpfung an vorhandene Baustrukturen und die Aufnahme der nördlich anschließenden Wohnbebauung zeigt aber, dass hier offensichtlich städtebauliche Erwägungen erfolgt sind. Bei den angesprochenen unverträglichen Spannungen handelt es sich demzufolge auch um städtebauliche Spannungen, die durch die Planung ausgeschlossen werden sollen. Soweit sich aus den Gesamtumständen nichts Gegenteiliges ergibt, dient eine Orientierung einer Planung an der angrenzenden Bebauung der Einbeziehung des neuen Plangebietes in die bestehenden Baustrukturen und der Fortführung der bestehenden städtebaulichen Konzeption, also städtebaulichen Gründen. Anhaltspunkte, dass dies vorliegend anders sein könnte, lassen sich aus der Bebauungsplanbegründung nicht entnehmen.
74
Auch für ein wechselseitiges Austauschverhältnis zwischen im Plangebiet gelegenen Grundstücken und solchen außerhalb des Plangebiets ist nichts ersichtlich. Die Klägerin legt - über die genannten Passagen in der Bebauungsplanbegründung hinaus - nicht dar, worin ein solches Austauschverhältnis bestehen sollte.
75
Im Hinblick auf die ausgesprochenen Befreiungen von den Bebauungsplanfestsetzungen richtet sich der Nachbarschutz zugunsten der Klägerin damit ausschließlich nach dem Rücksichtnahmegebot.
76
2.1.1.1 Die ausgesprochenen Befreiungen erweisen sich der Klägerin gegenüber nicht als rücksichtslos.
77
Eine Rücksichtslosigkeit kann sich dabei nicht allein aufgrund einer Mehrzahl von Befreiungen ergeben; es sind vielmehr die ausgesprochenen Befreiungen einzeln wie in der Gesamtwirkung in den Blick zu nehmen (vgl. BayVGH v. 6.3.2007 - 1 CS 06.2764 - juris, Rn. 32f.).
78
Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH v. 6.4.2018 - 15 ZB 17.36 - juris, Rn. 21, m.w.N.).
79
2.1.1.1.1 Die hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche ausgesprochenen Befreiungen sind gegenüber der Klägerin nach diesen Vorgaben nicht rücksichtslos.
80
Soweit der Bauraum im WR 1 durch eine offene Kfz-Abstellplatzanlage nach Osten um 0,50 m und nach Westen um 6,20 m überschritten werden darf, ist schon aufgrund der Entfernung zwischen dem klägerischen Anwesen und dem WR 1 ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot offensichtlich ausgeschlossen. Soweit im WR 2 der Bauraum nach Süden überschritten werden darf und im WR 3 der Bauraum nach Norden überschritten werden darf (jeweils mit 8 offenen Kfz-Stellplätzen), erfolgt dies nicht in Richtung des klägerischen Anwesens, das östlich des WR 2 gelegen ist. Auch insoweit ist mithin auszuschließen, dass sich die entsprechende Befreiung als rücksichtslos gegenüber der Klägerin erweist.
81
Weiter ist eine Befreiung wegen der Überschreitung der jeweils westlichen Baugrenze der drei Bauräume im WR 2 durch die Häuser 5, 6 und 7 um 50 cm mit allen Stockwerken nach Westen ausgesprochen worden. Zwar liegt das klägerische Grundstück dem östlichen Bauraum im WR 2 gegenüber, jedoch auf der Ostseite dieses Bauraums. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot durch eine Bauraumüberschreitung in Richtung Westen, also nicht in Richtung des klägerischen Grundstücks hin, ist nicht ersichtlich.
82
2.1.1.1.2 Auch soweit von den Maßfestsetzungen im Bebauungsplan Befreiungen ausgesprochen wurden, ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht ersichtlich.
83
Befreiungen wurden ausgesprochen wegen der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl im WR 2 und im WR 3, wegen der Überschreitung der Grundflächenzahl nach § 19 Abs. 4 BauNVO im WR 1, WR 2 und WR 3 sowie wegen der Überschreitung der festgesetzten Geschossflächenzahl im WR 2 und WR 3. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu Lasten der Klägerin kann dabei von vornherein nur durch Befreiungen betreffend das WR 2 vorliegen, da nur dieses Gebiet dem Grundstück der Klägerin gegenüberliegt.
84
Insoweit kann zunächst offenbleiben, ob das Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf eine falsche Berechnung der GRZ und GFZ sowie hinsichtlich einer fehlenden Einbeziehung des Dachgeschosses als Vollgeschoss zutreffen. Für die Frage, ob die ausgesprochenen Befreiungen hinsichtlich des Maßes der Nutzung gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen, sind diese Punkte nicht relevant, da ja gerade keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit zu erfolgen hat, sondern lediglich, ob insoweit ein Nachbarrechtsverstoß vorliegt, der mangels Drittschutz der Maßfestsetzungen nur aus dem Gebot der Rücksichtnahme folgen kann.
85
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann in Betracht kommen, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens das Wohngebäude des Nachbarn „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab (BayVGH v. 23.11.2011 - 14 ZB 10.493 - juris, Rn. 8, m.w.N.). Eine abriegelnde oder erdrückende Wirkung infolge des Nutzungsmaßes eines Bauvorhabens kann dabei - ungeachtet des grundsätzlich fehlenden Nachbarschutzes - bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung als unzumutbare Beeinträchtigung nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen. Hauptkriterium bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind mithin - neben der bloßen Distanz - insbesondere die besonderen Belastungswirkungen aufgrund der Höhe und der Lage des Bauvorhabens auf das benachbarte Wohngebäude (BayVGH v. 6.4.2018 - a.a.O., Rn. 28, m.w.N.). Die Möglichkeit einer erdrückenden Wirkung ist dabei grundsätzlich zu verneinen, wenn der Baukörper des angegriffenen Gebäudes nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Nachbargebäudes (BayVGH v. 6.4.2018 - a.a.O., Rn. 31, m.w.N.).
86
Nach diesen Vorgaben scheidet eine einmauernde bzw. erdrückende Wirkung des Hauses 5 - aufgrund der Entfernung zum klägerischen Grundstück kommt es auf die übrigen Häuser insoweit ohnehin nicht an - aus. Nach den genehmigten Plänen tritt das Haus 5 nach außen hin zweigeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss in Erscheinung. Für diesen maßgeblichen Eindruck kommt es auch nicht darauf an, ob es sich bei dem ausgebauten Dachgeschoss um ein Vollgeschoss handelt. Wie der Augenschein gezeigt hat, ist auch das klägerische Gebäude zweigeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss. Es kann also keine Rede davon sein, dass der Baukörper des Hauses 5 erheblich höher ist als der des klägerischen Gebäudes.
87
2.1.1.1.3 Auch soweit wegen Nichteinhaltung der für das WR 1 festgesetzten Gebäudeart als Doppelhaus eine Befreiung von der festgesetzten Bauweise ausgesprochen wurde, scheidet eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme zu Lasten der Klägerin aus.
88
Einer weiteren Befreiung hinsichtlich der Bauweise für das WR 3 bedurfte es nicht, da der Bebauungsplan für das WR 3 keine Festsetzung zur Bauweise enthält. Eine Festsetzung durch Planzeichen liegt - anders als die Doppelhausfestsetzung im WR 1 - nicht vor. Auch aus § 7 Abs. 2 der Bebauungsplansatzung kann eine Festsetzung zur Bauweise nicht entnommen werden. Dort ist geregelt, dass bei der Errichtung von Reihenhäusern mindestens 6 m breite Grundstücke zu bilden sind. Aus der Formulierung dieser Regelung ergibt sich, dass diese Regelung nur für den Fall getroffen wurde, dass Reihenhäuser - also eine Hausgruppe im Sinn von § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO - errichtet werden. § 7 Abs. 2 der Satzung enthält also keine Festsetzung einer Hausgruppe bzw. von Reihenhäusern, sondern trifft eine Regelung - nur - für den Fall, dass eine Hausgruppe bzw. Reihenhäuser realisiert werden. Nur für diesen Fall ist festgesetzt, dass mindestens 6 m breite Grundstücke zu bilden sind. Eine Festsetzung von Reihenhäusern bzw. einer Hausgruppe im Rahmen der offenen Bauweise kann dieser Regelung damit nicht entnommen werden.
89
Hinsichtlich der Doppelhausfestsetzung im WR 1 geht die Klägerin ausweislich der Klagebegründung davon aus, Doppelhäuser (ebenso Reihenhäuser) hätten zum Gegenstand, dass diese nicht mehrere Wohnräume für verschiedene Mietparteien innerhalb einer Einheit zuließen, wovon gegenständlich durch die Errichtung von Mehrfamilienhäusern abgewichen werde. Die Klägerin verkennt damit die rechtliche Bedeutung der Doppelhausfestsetzung im WR 1.
90
Nach § 22 Abs. 1 BauNVO kann im Bebauungsplan die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO werden dabei in der offenen Bauweise Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Bei der Doppelhausfestsetzung handelt es sich also um eine Festsetzung zur Bauweise im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB und gerade nicht um eine Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen im Wohngebäude auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB.
91
Ein Doppelhaus im Sinn des § 22 Abs. 2 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden, wobei das Erfordernis der baulichen Einheit nur erfüllt ist, wenn die beiden Gebäude in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (BVerwG v. 24.2.2000 - 4 C 12/98 - juris, Ls. 1. und 2.). Die Doppelhausfestsetzung hat also mit der zulässigen Anzahl der Wohnungen in Wohngebäuden nichts zu tun. Dies wird auch durch § 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO bestätigt. Nach dieser Regelung darf die Länge der in § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO bezeichneten Hausformen, also auch von Doppelhäusern, höchstens 50 m betragen. Geht man beispielsweise vor einem dreistöckigen Doppelhaus, welches die planungsrechtlichen Vorgaben für ein Doppelhaus erfüllt und welches die zulässige Doppelhauslänge ausnutzt, aus, sind je Etage in jeder Doppelhaushälfte durchaus 5 Wohnungen, mithin also 15 Wohnungen in einer Doppelhaushälfte und 30 Wohnungen im Doppelhaus denkbar. Eine bauplanungsrechtliche Doppelhausfestsetzung steht damit nicht im Widerspruch zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses, sondern ein festgesetztes Doppelhaus kann vielmehr durchaus ein Mehrfamilienhaus sein.
92
Die Doppelhausfestsetzung, von der befreit wurde, entfaltet ihre rechtliche Wirkung damit nur zwischen unmittelbaren Grundstücksnachbarn, die von dieser Festsetzung erfasst sind. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Klägerin ist, was sich schon durch die Entfernung des WR 1 zum Grundstück der Klägerin ergibt, auszuschließen.
93
2.1.1.1.4 Auch soweit eine Befreiung von § 8 Abs. 1 der Bebauungsplansatzung ausgesprochen wurde, ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Klägerin nicht ersichtlich. Der Bebauungsplan regelt in der genannten Norm, dass die erforderlichen Stellplätze in oberirdischen Garagen nachzuweisen sind. Mit der ausgesprochenen Befreiung wurden anstelle der Garagen oberirdische offene Stellplätze zugelassen.
94
Warum offene Stellplätze anstatt von Garagen gegenüber der Klägerin einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot darstellen sollen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
95
2.1.1.1.5 Auch soweit sich die Klägerin auf eine beantragte, aber nicht ausgesprochene Befreiung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im WR 1 wegen der Errichtung eines Gemeinschaftsraumes und eines Büros beruft, liegt kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu ihren Lasten vor.
96
Zwar hat die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne kraft Bundesrechts grundsätzlich nachbarschützende Funktion (BVerwG v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - juris, Ls. 2.). Berechtigte dieses Anspruchs auf Bewahrung des Gebietscharakters sind aber grundsätzlich nur Eigentümer, deren Grundstücke in demselben festgesetzten Baugebiet liegen wie das Baugrundstück; es reicht nicht aus, dass sich das Grundstück im Geltungsbereich desselben Bebauungsplanes befindet (BayVGH v. 2.10.2003 - 1 CS 03.1785 - juris, Rn. 20). Ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im Plangebiet liegt, hat grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Plangebiet; der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebietes gelegenen Grundstückseigentümers bestimmt sich bundesrechtlich vielmehr nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - juris, Rn. 6).
97
Das Grundstück der Klägerin liegt außerhalb des festgesetzten reinen Wohngebiets WR 1 und auch außerhalb des Bebauungsplanumgriffs insgesamt. Anhaltspunkte dafür, dass der Plangeber einen baugebietsübergreifenden oder gar bebauungsplangebietsübergreifenden Drittschutz einrichten wollte, bestehen - wie ausgeführt - nicht.
98
Der im WR 1 genehmigte Büro-/Gemeinschaftsraum verstößt nicht gegen die Festsetzung hinsichtlich der Art der Nutzung. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind in reinen Wohngebieten Wohngebäude zulässig. Nach der der Tekturgenehmigung vom 2. Oktober 2019 zugrundeliegenden und damit maßgeblichen Betriebsbeschreibung vom 23. September 2019 werden ein Büroraum mit mindestens 25 m² und ein Gemeinschaftsraum mit mindestens 40 m² eingerichtet. Diese Räume sollen dazu dienen, Angebote für die eingezogenen Haushalte zu machen. Die Räume sind damit nur den Bewohnern der streitgegenständlichen Gebäude zugänglich und damit dem Wohnen zugeordnet (zum Wohnbegriff vgl. auch BayVGH v. 5.2.2015 - 2 BV 14.1202 - juris, Rn. 31, zu Art. 2 Abs. 4 Nr. 20 BayBO).
99
Der Büro-/Gemeinschaftsraum nach der konkreten Betriebsbeschreibung ist damit allgemein in einem reinen Wohngebiet zulässig, so dass entgegen der Auffassung der Klägerin eine Befreiung von den Bebauungsplanfestsetzungen insoweit nicht erforderlich war.
100
Durch die Beschränkung des Zugangs zu den genannten Räumen auf Bewohner des streitgegenständlichen Vorhabens ist eine Öffnung für Personen, die außerhalb des Plangebietes leben, nicht gegeben. Schon von daher ist es nicht ersichtlich, inwieweit die im WR 1 gelegenen Räume gegenüber der Klägerin rücksichtslos sein könnten.
101
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich selbst für den Fall, dass man davon ausgehen wollte, dass eine Befreiung hinsichtlich der Nutzungsart erforderlich wäre, aber nicht ausgesprochen wurde, nichts Anderes ergeben würde. Die Festsetzung der Gebietsart ist gegenüber der Klägerin - wie ausgeführt - nicht drittschützend. Fehlt es an einer an sich erforderlichen Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans, richtet sich der Nachbarschutz nach dem Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BayVGH v. 23.3.2015 - 15 CS 14.2871 - juris, Rn. 19). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu Lasten der Klägerin liegt aber gerade nicht vor.
102
Eine Nachbarrechtswidrigkeit im Hinblick auf die Art der Nutzung kann schließlich auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, dass in den angefochtenen Baugenehmigungen Bezug auf das „… … …“ genommen wurde. Beim „… … …“ handelt es sich um eine Rahmenkonzeption der Beklagten. Abzustellen hinsichtlich der Art der Nutzung ist aber nicht auf eine solche Rahmenkonstruktion, sondern auf die konkrete, in der angefochtenen Baugenehmigung dargestellte Art der Nutzung. Konkret genehmigt sind neben dem - dem Wohnen zuzurechnenden - Büro-/Gemeinschaftsraum ausschließlich Wohnnutzungen. Soweit das Rahmenkonzept „… … …“ auch auf Gemeinschaftsflächen sowie verschiedene wechselseitige Angebote auch für die Wohnumgebung, die Schaffung von Gemeinschafts- und Verwaltungsräumen, die auch einer Öffnung ins Quartier dienen, Gemeinschaftsflächen, die nicht nur für die Bewohner, sondern auch für die Quartiersbevölkerung zugänglich und nutzbar sein sollen u.ä. spricht, ist dies nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung. Nach der insoweit allein ausschlaggebenden Betriebsbeschreibung zur Tekturgenehmigung vom 23. September 2019 sollen durch den Büro-/Gemeinschaftsraum ausschließlich Angebote für die eingezogenen Haushalte gemacht werden. Eine darüberhinausgehende, wie auch immer geartete „Öffnung nach außen“ lässt die angefochtene Baugenehmigung in der Fassung der Tekturgenehmigung damit nicht zu.
103
2.1.1.2 Die ausgesprochenen Befreiungen stehen auch nicht im Widerspruch zu den RL 2001/42/EG und 2003/35/EG und auch nicht zu § 2 Abs. 3 BauGB. Ein Schutz durch Verfahren zugunsten der Klägerin kann im Hinblick auf Befreiungen von einem Bebauungsplan aus diesen Regelungen nicht hergeleitet werden. Es bleibt daher dabei, dass im Baunachbarstreit nicht auf die objektive Rechtmäßigkeit von Befreiungen von nicht drittschützenden Bebauungsplanfestsetzungen abzustellen ist, sondern nur darauf, ob sich die jeweilige Befreiung gegenüber dem konkreten Nachbarn als rücksichtslos erweist.
104
Ziel der RL 2001/42/EG ist es nach deren Artikel 1, im Hinblick auf die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und dazu beizutragen, dass Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Annahme von Plänen und Programmen einbezogen werden, indem dafür gesorgt wird, dass bestimmte Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, entsprechend dieser Richtlinie einer Umweltprüfung unterzogen werden. Dass die Umweltprüfung Gegenstand der Richtlinie ist, ergibt sich auch aus den Erwägungsgründen (4), (8), (14), (17) und (19). Ziel der RL 2003/35/EG ist es nach deren Artikel 1a unter anderem zur Erfüllung der Pflichten aufgrund des Arhus-Übereinkommens beizutragen, insbesondere durch Bestimmungen über eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme. Die Umweltbezogenheit der Richtlinie ergibt sich auch aus deren Erwägungsgründen (3), (7) und (8). Der Umweltaspekt kann auch bei einer erstmaligen Überplanung eines Gebietes durchaus eine Rolle spielen.
105
Die Frage einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB beurteilt sich demgegenüber aber nicht an Umweltaspekten, sondern an städtebaulichen Aspekten. Die tatbestandlichen Befreiungsvoraussetzungen knüpfen an keiner Stelle an Umweltaspekte im Sinne der genannten Richtlinien an. Das von den beiden Richtlinien erfasste Schutzziel ist also bei der städtebaulich zu beurteilenden Befreiung nicht betroffen.
106
Gleiches gilt für § 2 Abs. 3 BauGB. Diese Regelung wurde durch das EAG Bau durch Umsetzung der genannten Richtlinien eingeführt. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/2250, S. 42) sollte keine Änderung zum bislang geltenden Recht erfolgen. Eine grundsätzliche „Versubjektivierung“ der Befreiungsmöglichkeiten nach § 31 Abs. 2 BauGB zugunsten der jeweiligen Nachbarn sollte also nicht geschaffen werden.
107
2.1.2 Auch die nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO zugelassenen Überschreitungen von Baugrenzen beinhalten keinen Rechtsverstoß zu Lasten der Klägerin.
108
Der Ausnahmevorbehalt in dieser Bestimmung hat definitorischen Charakter. Die hier geregelten Abweichungsmöglichkeiten gehören wesensmäßig zu den Begriffen „Baugrenze“ und „überbaubare Grundstücksfläche“ der BauNVO. Es handelt sich deshalb nicht um Ausnahmen im Sinn von § 31 Abs. 1 BauGB. Vielmehr regelt die Gemeinde, wenn sie in Anwendung des § 23 Abs. 3 BauNVO eine Baugrenze festsetzt, nicht nur, dass Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten dürfen, sondern auch, dass ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß zugelassen werden kann (vgl. BVerwG v. 27.7.1992 - 4 C 43/87 - juris, Rn. 38). Das Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß vor festgesetzte Baugrenzen ist also schon im Bebauungsplan selbst angelegt.
109
Dem klägerischen Grundstück liegt ausschließlich das Baugebiet WR 2 gegenüber, so dass zugelassene Bauraumüberschreitungen im WR 1 und WR 3 von vornherein nicht geeignet sind, eine Rechtsverletzung der Klägerin zu bewirken. Im WR 2 können wiederum nur Bauraumüberschreitungen durch das dem klägerischen Anwesen gegenüberliegende Haus 5 relevant sein. Auf der Westseite des Hauses 5 treten nach Westen hin eine Terrasse und zwei Lichtschächte sowie je ein Balkon im 1. Obergeschoss und im Dachgeschoss über die Baugrenze vor, was sich auf das auf der abgelegenen Gebäudeseite befindliche Anwesen der Klägerin jedoch nicht auswirken kann. Gleiches gilt für eine Bauraumüberschreitung durch einen Lichtschacht im Norden. Auf der dem klägerischen Anwesen zugewandten Ostseite überschreiten lediglich zwei Lichtschächte teilweise die Baugrenze. Inwieweit sich diese unterirdischen Bauteile gegenüber der Klägerin als rücksichtslos darstellen könnten, ist nicht ersichtlich.
110
2.2 Die angefochtene Baugenehmigung in der Fassung der Tekturgenehmigung verstößt auch nicht gegen die Klägerin schützendes Bauordnungsrecht.
111
2.2.1 Es liegt kein Verstoß gegen Abstandsflächenrecht zu Lasten der Klägerin vor.
112
Zwar dienen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts in ihrer Gesamtheit auch dem Nachbarschutz (vgl. BayVGH v. 11.12.2014 - 15 CS 14.1710 - juris, Rn. 15). Die Verkürzung einer Abstandsflächentiefe kann dabei nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (BayVGH v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris, Rn. 36). Die Klägerin kann damit allenfalls bei einem Abstandsflächenverstoß hinsichtlich der östlichen Außenwand des Hauses 5 betroffen sein.
113
Nach dem genehmigten Tekturplan Schnitte/Ansichten weist die Ostwand des Hauses 5 eine Wandhöhe von 6,15 m und eine Firsthöhe von 10,87 m auf. Die Dachneigung beträgt 35°. Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 4 BayBO ist die Höhe der Giebelflächen damit zu einem Drittel anzurechnen. Bei einer Giebelhöhe von 4,72 m (10,87 m - 6,15 m) ist danach eine Höhe von 1,57 m (gerundet) der Wandhöhe von 6,15 m hinzuzurechnen, was zu einer berücksichtigenden Gesamthöhe von 7,72 m (gerundet) führt. Nach dem Grundriss EG WR 2 beträgt die Wandlänge 13,50 m, so dass das Vorhaben zu Recht das Abstandsflächenprivileg nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO in Anspruch nimmt. Einzuhalten ist damit eine Abstandsfläche von 3,86 m (gerundet). Nach dem mit der Tekturgenehmigung vom 2. Oktober 2019 genehmigten Plan Längsschnitt WR 2 beträgt der Abstand der Außenwand des Hauses 5 zum klägerischen Grundstück neben den erforderlichen 3,86 m zusätzlich 0,21 m, so dass ein Abstandsflächenverstoß nicht vorliegt.
114
Die genehmigten Pläne sind hinsichtlich der gegenüber dem Grundstück der Klägerin einzuhaltenden Abstandsfläche auch nicht unbestimmt. Selbst aus einer Unbestimmtheit einer Baugenehmigung folgt nicht automatisch eine subjektive Rechtsverletzung des anfechtenden Nachbarn. Eine Baugenehmigung verletzt Rechte des Nachbarn vielmehr nur dann, wenn sie gerade hinsichtlich nahbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist und infolge des Mangels nicht beurteilt werden kann, ob das Vorhaben den geprüften nachbarschützenden Vorschriften entspricht, eine Verletzung von Nachbarrechten mithin nicht auszuschließen ist (vgl. BayVGH v. 6.2.2019 - 15 CS 18.2459 - juris, Rn. 29, m.w.N.). Auch liegt kein relevanter Verstoß gegen die Vorgaben der Bauvorlagenverordnung vor. Zwar kann eine Baugenehmigung dann subjektiv-öffentliche Rechte eines Nachbarn verletzen, wenn die der Baugenehmigung zugrundeliegenden Bauvorlagen wegen Ungenauigkeiten keine Entscheidung zulassen, ob die Anforderungen derjenigen Vorschriften gewährleistet sind, die zum Prüfprogramm des konkreten bauaufsichtlichen Verfahrens gehören und die Nachbarschutz vermitteln. Der Nachbar hat keinen materiellen Anspruch darauf, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht; die Baugenehmigung ist aber dann aufzuheben, wenn Fehlen oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (BayVGH v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris, Rn. 16).
115
Eine Unbestimmtheit im vorgenannten Sinn hinsichtlich der einzuhaltenden Abstandsfläche ist nicht gegeben. Die genannten genehmigten Pläne sind insoweit in sich stimmig. Soweit die Klägerin im Hinblick auf die behauptete Unbestimmtheit auf Höhenangaben im Freiflächengestaltungsplan verweist, ist dies schon grundsätzlich nicht geeignet, tatsächlich zu einer nachbarrechtsrelevanten Unbestimmtheit zu führen. Aufgabe des Freiflächengestaltungsplans ist es - wie schon der Name sagt - die Gestaltung der Freiflächen festzulegen. Der Freiflächengestaltungsplan betrifft also gerade nicht die genehmigten Gebäude. Aus Höhenangaben im Freiflächengestaltungsplan kann der Bauherr also nichts für sich hinsichtlich der einzuhaltenden Abstandsflächen herleiten. Darüber hinaus besteht auch keine nachbarrechtliche relevante Differenz zwischen den Höhenangaben im Freiflächengestaltungsplan, im Längsschnitt WR 2 und im Grundriss EG WR 2. Im Freiflächengestaltungsplan befinden sich auf der Grundstücksgrenze zwischen dem Haus 5 und dem Grundstück der Klägerin die Höhenkoten 506.04 und 506.05. An der Ostwand des Gebäudes 5 befindet sich hier die Höhenangabe 506.23. Berücksichtigt man den Abstand zwischen der Ostwand des Hauses 5 und der Grundstücksgrenze ist das leicht divergierende Geländeniveau ohne weiteres erklärbar. Die Höhenangabe an der Ostwand des Hauses 5 im Freiflächengestaltungsplan entspricht im Übrigen der Höhenangabe an der östlichen Außenwand des Haues 5 im Längsschnitt WR 2. Zwar ist im Grundrissplan EG WR 2 direkt vor der Nordostecke und direkt vor der Südostecke des Hauses 5 die Höhenangabe 506.08 vermerkt. Insoweit liegen tatsächlich sich widersprechende Höhenangaben zu den anderen genannten Plänen vor. Da aber - wie der genehmigte Längsschnitt WR 2 zeigt - die Abstandsfläche ausgehend von einer Höhenangabe von 506.23 gegenüber dem klägerischen Grundstück mit einer Höhenangabe von 506.04 eingehalten werden kann, ist dies erst recht der Fall, wenn das Gebäude entsprechend der Höhenangabe im Lageplan EG WR 2 tatsächlich tiefer liegen sollte. Ungeachtet der hier divergierenden Höhenkoten ist ein Abstandsflächenverstoß zu Lasten der Klägerin damit auszuschließen.
116
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Abstandsfläche nach der tatsächlichen Lage der Außenwand auf dem Baugrundstück zu berechnen ist. Dem Ansatz der Klägerin, die Abstandsfläche vor einer fiktiven Außenwand zu berechnen, die entstehen würde, wenn das Gebäude nicht um 50 cm nach Westen aus dem Bauraum herausgerückt wäre, ist nicht zu folgen.
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2.2.2 Auch soweit die Klägerin einen Verstoß gegen das Stellplatzerfordernis (Art. 47 BayBO) rügt, liegt kein Rechtsverstoß zu ihren Lasten vor.
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Die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen soll nicht den Nachbarn schützen; die Vorschrift dient vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsfläche vom ruhenden Verkehr. Rechte der Nachbarn werden nur verletzt, wenn die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (BayVGH v. 26.4.2012 - 2 ZB 10.3147 - juris, Rn. 15). Letzteres kann etwa der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist (BayVGH v. 25.8.2009 - 1 CS 09.287 - juris, Rn. 39, m.w.N.). Eine Situation im letztgenannten Sinn zu Lasten der Klägerin ist schon deshalb auszuschließen, da die verkehrliche Erschließung der Baugrundstücke von der N.-straße im Süden her erfolgt, das klägerische Anwesen aber an die Nordostecke des Bauvorhabens angrenzt.
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2.3 Auch die weiteren von der Klägerin gerügten Gesichtspunkte führen nicht zu einem Nachbarrechtsverstoß.
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Die Klägerin rügt noch die Einwohnerdichte je Hektar. Dabei handelt es sich jedoch weder um einen bauplanungsrechtlichen noch um einen bauordnungsrechtlichen Parameter. Eine Beschränkung der Wohnungszahl sieht der Bebauungsplan - wie schon unter 2.1.1.1.5 ausgeführt - nicht vor.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt und sich damit in ein Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO begeben, so dass es billigem Ermessen im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO entspricht, auch ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
122
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.