Inhalt

LG Augsburg, Endurteil v. 18.11.2020 – 572 S 3229/19
Titel:

Verkehrsunfall, Abtretung, Haftpflichtversicherung, Schadensersatzanspruch, Unfall, AGB, Berufung, Haftpflichtversicherer, Rechtsanwaltskosten, Erstattung, Inhaltskontrolle, Anspruch, Zahlung, Gutachten, deklaratorisches Schuldanerkenntnis, Treu und Glauben, Zug um Zug

Schlagworte:
Verkehrsunfall, Abtretung, Haftpflichtversicherung, Schadensersatzanspruch, Unfall, AGB, Berufung, Haftpflichtversicherer, Rechtsanwaltskosten, Erstattung, Inhaltskontrolle, Anspruch, Zahlung, Gutachten, deklaratorisches Schuldanerkenntnis, Treu und Glauben, Zug um Zug
Vorinstanz:
AG Augsburg, Endurteil vom 22.07.2019 – 20 C 1703/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61461

Tenor

I. Das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 22.07.2019, Az. 20 C 1703/19, wird abgeändert und neu gefasst wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 39,07 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.12.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.04.2017 zu bezahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin macht aus behauptetem abgetretenen Recht restliche Sachverständigenkosten als Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 26.10.2016 ereignete.
2
Die Geschädigte … beauftragte die Klägerin am 08.11.2016 mit der Erstellung eines Gutachtens zu dem durch den Verkehrsunfall entstandenen Schaden. Das Auftragsformular enthält folgende Zahlungsanweisung und Abtretungserklärung:
„Ich weise hiermit die Versicherungsgesellschaft meines Unfallgegners an, die Rechnung für das vorstehend in Auftrag gegebene Gutachten, zur Erfüllung meines Schadensersatzanspruches auf Erstattung der Gutachterkosten, an die … zu bezahlen. Weiter trete ich meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachtenkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft an die … ab. Meine persönliche Haftung für die Gutachterkosten bleibt trotz dieser Abtretung bestehen. Die Abtretung erfolgt nicht an Erfüllungs statt. (…)“.
3
Die Klägerin fertigte das Gutachten und stellte hierfür 632,07 € brutto in Rechnung. Die Beklagte ist die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners und haftet zu 100 % für den durch den Unfall entstandenen Schaden. Die Klägerin machte den Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber der Beklagten geltend. Diese regulierte im Dezember 2016 einen Betrag von 593,00 € brutto. Eine weitere Zahlung erfolgte trotz Mahnung nicht, woraufhin die Klägerin ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten beauftragte, welche die Beklagte mit Schreiben vom 02.03.2017 zur Zahlung der 39,97 € sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aufforderte.
4
Die Beklagte behauptet, die Geschädigte … sei lediglich Leasingnehmerin und nicht Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs.
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Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin sei mangels wirksamer Abtretung nicht aktivlegitimiert.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die beantragt:
I. Die Beklagte wird unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Augsburg vom 22.07.2019, Az. 20 C 1703/19 verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 39,07 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.12.2016 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2017 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird als unbegründet zurückgewiesen.
8
Die Klägerin vertritt die Ansicht, die vorbehaltlose Teilregulierung der Sachverständigenkosten durch die Beklagte stelle ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar bzw. lasse die Berufung auf die fehlende Aktivlegitimation zumindest als treuwidrig erscheinen.
9
Während die Klägerin die in dem Auftragsformular enthaltene Abtretung für wirksam erachtet, geht die Beklagte davon aus, dass die AGB-Klausel der Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff BGB nicht standhalten könne, da ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliege und die Klausel den Geschädigten (Zedenten) unangemessen benachteilige. Intransparent sei die Klausel insbesondere deshalb, weil für den Geschädigten nicht hinreichend klar und verständlich sei, was mit seiner Verbindlichkeit bei einer nur teilweisen Regulierung durch den Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung passiere. Es sei nicht geregelt, welche Folge eintritt, wenn der Geschädigte die Forderung der Klägerin erfüllt. Das Schicksal beider Anspruchssituationen (Honoraranspruch und Schadensersatzanspruch) würde für den Geschädigten völlig im Dunkeln bleiben. Weiterhin wird von der Beklagten die Erstattungsfähigkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin in Abrede gestellt.
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Mit Schriftsatz vom 03.06.2020 wurde von Beklagtenseite im Berufungsverfahren erstmals eingewandt, der Vortrag der Klägerin zur Honorarhöhe sei unschlüssig, die Entgelttabelle der Klägerin könne insoweit nicht als Maßstab herangezogen werden.
11
Mit Schriftsatz vom 03.08.2020 wurde von der Klägerin eine weitere Abtretungsvereinbarung zwischen der Geschädigten … und der Klägerin, datierend auf den 27.07./31.07.2020, vorgelegt (Anlage BK4). Die dortige Abtretungserklärung lautet wie folgt:
„Der Auftraggeber/Zedent tritt hiermit seinen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten gegenüber der Haftpflichtversicherung an die T./Zessionarin ab und ermächtigt die …/Zessionarin diese Kosten gerichtlich geltend zu machen. Im Zeitpunkt der Abtretung erlischt der Anspruch der … auf Erfüllung ihres Werklohnanspruchs gegenüber dem Auftraggeber. Die Abtretung erfolgt somit ausdrücklich an Erfüllungs statt.“
12
Zur Ergänzung des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften vom 04.03.2020 und 14.10.2020 Bezug genommen.“
II.
13
Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung erweist sich als begründet.
14
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht einen Zahlungsanspruch in Höhe von 39,07 € gemäß §§ 7 I StVG, 115 I 1 Nr. 1 VVG.
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Die Haftung der Beklagten zu 100 % für den Unfallschaden ist dem Grunde nach unstreitig. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die Einwendungen gegen die Schadenshöhe erweisen sich als unbegründet. Der Anspruch ist durchsetzbar.
16
1. Die Zedentin war Inhaberin des auf Erstattung der Sachverständigenkosten gerichteten Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte.
17
Auch wenn die Klägerin nicht Eigentümerin sondern Leasingnehmerin des beschädigten PKW gewesen sein sollte, konnte sie als berechtigte Besitzerin gemäß §§ 7 I StVG, 115 I Nr. 1 selbst gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung vorgehen. Sie war als unmittelbare Unfallbetroffene in den Schutzbereich der genannten Vorschriften einbezogen (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 7 StVG RN 26; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 20.01.2017, Az. 8 O 20977/16).
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2. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, da eine wirksame Abtretung erfolgt ist, § 398 BGB.
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Gegen die Wirksamkeit der als Anlage BK4 vorgelegte Abtretungsvereinbarung vom 27.07./31.07.2020 bestehen weder unter dem Gesichtspunkt des § 305c I BGB (überraschende Klausel), noch unter dem Gesichtspunkt des § 307 I 2, 1 BGB (Transparenzgebot) oder des § 307 I 1, II BGB (unangemessene Benachteiligung) Bedenken.
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Die Abtretung erfolgt ausdrücklich an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB). D.h., die Klägerin nimmt die Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Auftraggebers/ Zedenten gegen den Haftpflichtversicherer anstelle der Zahlung des vertraglichen Vergütungsanspruchs als Erfüllung an. Die Klägerin trägt damit das Risiko, dass die Haftpflichtversicherung nicht oder nicht vollständig leistet. Sie hat keine Möglichkeit, sich im Falle einer unterbliebenen oder nur teilweise erfolgten Zahlung wieder an den Zedenten und Unfallgeschädigten zu wenden und diesem gegenüber ihren vertraglichen Anspruch geltend zu machen. Für den Zedenten bestehen durch diese an Erfüllungs statt erfolgte Abtretung keinerlei Risiken und Unsicherheiten, er wird vielmehr endgültig von seiner Leistungspflicht befreit.
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Die Klausel kann nach den Grundsätzen objektiver Auslegung - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden - nicht dahingehend verstanden werden, dass - wie es der Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 27.08.2020 suggerieren möchte - die Abtretung dazu führt, dass der abgetretene Schadensersatzanspruch des Zedenten gegen die Haftpflichtversicherung entfällt. Mit Satz 1 Absatz 2 der Abtretungserklärung soll ersichtlich lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass mit der Abtretung Erfüllungswirkung hinsichtlich des vertraglichen Erfüllungsanspruchs des Zessionars gegen den Zedenten eintritt. Dies wird dann durch die Bezugnahme im nächsten Satz („Die Abtretung erfolgt somit ausdrücklich an Erfüllungs statt“) unmissverständlich klargestellt.
22
3. Im Übirgen geht die Kammer davon aus, dass bereits die im ursprünglichen Gutachtensauftrag enthaltene Klausel „Zahlungsanweisung und Abtretungsvereinbarung“ wirksam in den Vertrag einbezogen wurde und als AGB auch der Inhaltskontrolle standhält.
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a) Soweit sich die Beklagte zur Begründung der Unwirksamkeit der Abtretung auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 17.07.2018 stützt, namentlich die Entscheidung im Verfahren VI ZR 274/17, ist zu berücksichtigen, dass sich die vorliegende Klausel in zwei Punkten wesentlich von der Klausel unterscheidet, mit der sich seinerzeit der BGH befasst hatte.
24
Zum einen sah die Regelung in den vom BGH entschiedenen Fällen in demselben Formular, in dem der Auftraggeber seinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars an den Gutachter abgetreten hat, eine Weiterabtretung des Schadensersatzanspruchs an einen Dritten (zu Inkassodienstleistungen berechtigte Verrechnungsstelle) vor. Diese Weiterabtretung begründet für den unfallgeschädigten Auftraggeber eine spezifische Gefährdungslage, da er das Honorar an den Gutachter zahlen muss, ohne die Gewähr zu haben, im Gegenzug den Schadensersatzanspruch zurückzuerlangen.
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Zum anderen, und dieser Aspekt erscheint nicht weniger relevant, enthielt die vom BGH zu beurteilende Regelung eine für den Vertragspartner des Verwenders schwer verständliche Formulierung, derzufolge der Sachverständige im Gegenzug zu der direkten Inanspruchnahme seines Auftraggebers Zug um Zug gegen Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern verzichtet. Ein solcher „Verzicht“ erscheint rechtlich unsinnig bzw. für den Zedenten jedenfalls irrelevant, da der Honoraranspruch durch Erfüllung gemäß § 362 I BGB erlischt.
26
Die gewählte Formulierung verschleiert geradezu die Rechte des Auftraggebers gegenüber dem Gutachter im Falle einer direkten Inanspruchnahme. Die hier vorliegende Klausel verhält sich demgegenüber zur Zug um Zug-Frage und etwaigen „Gegenrechten“ des Geschädigten im Falle einer direkten Inanspruchnahme nicht.
27
b) Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Zahlungsanweisung und Abtretungserklärung nicht um eine überraschende Klausel, die gemäß § 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil werden konnte.
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Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat einen überraschenden Inhalt im Sinne von § 305c I BGB, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Das Wesensmerkmal überraschender Klauseln liegt in dem ihnen innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt. Beurteilungsmaßstab sind insoweit die Kenntnisse und Erfahrungen des typischerweise an Rechtsgeschäften dieser Art beteiligten Personenkreises (BGH, Urteil vom 21.06.2016, Az. VI ZR 475/15, Rz 10).
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(1) Gegenstand der Abtretung ist vorliegend allein der Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten. In der zitierten Entscheidung vom 21.06.2016 führt der BGH aus, dass es nicht als ungewöhnlich oder überraschend anzusehen ist, dass ein Geschädigter zur Sicherung des vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruchs im Rahmen des Auftrags zur Erstellung des Gutachtens seinen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen abtritt. Die Abtretung entspreche hier regelmäßig auch dem Interesse des durchschnittlichen geschädigten Auftraggebers, der unter Beschränkung des eigenen Aufwands möglichst schnell einen Ausgleich vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung erhalten möchte.
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(2) Einen überraschenden Charakter kann die streitgegenständliche Klausel deshalb nach Ansicht der Kammer allenfalls unter dem Gesichtspunkt haben, den der BGH am Ende seiner Entscheidung vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17 (dort Rz 15), anspricht, nämlich unter dem Gesichtspunkt einer überschießenden Tilgungswirkung. In diesem obiter dictum befasst sich der BGH mit der Frage, ob die Anweisung des Auftraggebers an die gegnerische Haftpflichtversicherung, den Rechnungsbetrag an die Klägerin zu bezahlen, für den Auftraggeber das Risiko einer überschießenden Tilgungswirkung birgt, nämlich dann, wenn die von der gegnerischen Haftpflichtversicherung beglichene Honorarforderung nicht in voller Höhe einen erstattungsfähigen Schaden i.S.d. § 249 II 1 BGB darstellt. Dies könnte u.U. zu einer die Schadensersatzposition „Sachverständigenkosten“ übersteigenden Tilgung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten führen, mit welcher der Geschädigte nicht rechnen musste.
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Dieses Risiko sieht die Kammer jedenfalls bei der hier vorliegenden Formulierung nicht. Während die Klausel in dem vom BGH diskutierten Fall hinsichtlich der Zahlungsanweisung keine Einschränkung enthalten hat („Zugleich weise ich hiermit die Anspruchsgegner unwiderruflich an, den Forderungsbetrag aus der Rechnung des SV unmittelbar durch Zahlung an den SV oder den von ihm genannten Gläubiger zu begleichen.“), ist die Anweisung vorliegend wie folgt formuliert: „Ich weise hiermit die Versicherungsgesellschaft meines Unfallgegners an, die Rechnung für das vorstehend in Auftrag gegebene Gutachten, zur Erfüllung meines Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Gutachterkosten, an die T. S. A. Service GmbH zu bezahlen.“ D.h., die Zahlungsanweisung erfolgt ausdrücklich nur zum Zwecke der Erfüllung der Schadensposition „Gutachterkosten“. Deshalb kann ein Tilgungswille der gegnerischen Haftpflichtversicherung über die im Rahmen des § 249 II 1 BGB erstattungsfähigen Sachverständigenkosten hinaus (mit etwaigen nachteiligen Auswirkungen für den Geschädigten) hier nicht angenommen werden.
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c) Die Klausel ist nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 I 2, 1 BGB unwirksam.
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Nach § 307 I 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich formuliert ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Maßgeblich sind hier die Verständnis- und Erkenntnismöglichkeiten eines typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden (BGH, Urteil vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, Rz 9).
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(1) Die in ihrer Gesamtheit zu betrachtende Klausel wird nicht bereits deshalb intransparent, weil sie den Satz „Die Abtretung erfolgt nicht an Erfüllungs statt.“ enthält. Aus dem Kontext ergibt sich, dass die negative Formulierung „nicht an Erfüllungs statt“ hier nichts anderes bedeuten kann als „erfüllungshalber“. In § 3641 BGB ist die Leistung an Erfüllungs statt gesetzlich normiert. Der Verwender von AGB darf auf juristische Fachbegriffe wie „erfüllungshalber“ oder „an Erfüllungs statt“ zurückgreifen und muss sie nicht selbst in seinem Klauselwerk näher erläutern.
35
(2) Auch der Umstand, dass die Klausel keine Regelung zu den Rechten des Auftraggebers enthält, der - insbesondere nach nicht vollständiger Befriedigung durch die Haftpflichtversicherung - vom Gutachter direkt in Anspruch genommen wird, begründet keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot.
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Eine Abtretung erfüllungshalber bedeutet i.d.R. eine fiduziarische Vollrechtsübertragung ähnlich einer Sicherungsübereignung (Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 364 RN 7). Führt die erfüllungshalber vorgenommene Abtretung nicht zur Befriedigung des Zessionars, dann impliziert dieses treuhänderische Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar, dass der vom Zessionar (hier Gutachter) direkt in Anspruch genommene Zedent (hier Auftraggeber/Geschädigter) nur Zug um Zug gegen Rückabtretung des Schadensersatzanspruchs gegen den Unfallgegner zu leisten verpflichtet ist. Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, einer vertraglichen Vereinbarung bedarf es hierfür nicht (BGH, Urteil vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17 Rz 12). Die vorliegende Klausel, die sich zu den Rechten des Auftraggebers bei einer direkten Inanspruchnahme und zur Frage der Zug um Zug-Verknüpfung nicht verhält, ändert daran nichts. Sie schränkt die Rechte des Auftraggebers nicht ein.
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Die AGB müssen, um transparent zu sein, keine ausdrückliche Regelung dazu enthalten, welche Rechte dem Auftraggeber bei einer direkten Inanspruchnahme zustehen. Etwas anderes lässt sich aus Sicht der Kammer auch der Entscheidung des BGH im Verfahren VI ZR 274/17 nicht entnehmen. Die Kammer versteht diese Entscheidung nicht so, dass eine solche Klausel schon dann unklar ist, weil aus ihr für einen als durchschnittlichen Kunden angesprochenen (durchschnittlichen) Unfallgeschädigten nicht hinreichend deutlich wird, welche Rechte ihm gegenüber dem Sachverständigen zustehen, wenn dieser den ihm verbleibenden vertraglichen Honoraranspruch geltend macht. Sowohl den Entscheidungsgründen als auch dem Leitsatz lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Verstoß gegen das Transparenzgebot erst in Verbindung mit der dortigen, bereits an anderer Stelle diskutierten missverständlichen „Verzichtsklausel“ und der Weiterabtretung angenommen wurde.
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d) Die Entscheidung des BGH vom 18.02.2020 (Az. VI ZR 135/19) steht dem nach Ansicht der Kammer nicht entgegen.
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Der BGH hat dort einen Verstoß gegen das Transparenzgebot angenommen, weil aus der Abtretungsklausel für den durchschnittlichen Auftraggeber nicht hinreichend deutlich wurde, unter welchen Voraussetzungen er den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurückerhält und welche Rechte er in diesem Zusammenhang hat.
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Die dieser Entscheidung zugrunde liegende Abtretungsklausel unterscheidet sich inhaltlich jedoch maßgeblich von der hier zu beurteilenden Klausel. Die Bewertung durch den BGH lässt sich somit nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Insbesondere erscheint aus Sicht der Kammer ein Erstrecht-Schluss dahingehend, dass eine Klausel, die - wie vorliegend - keine Regelung zum Rückerhalt der Forderung enthält - in jedem Fall und unabhängig von den oben unter a) - d) ausgeführten rechtlichen Überlegungen unwirksam ist, für nicht geboten. Die Unklarheiten, die der BGH in der Entscheidung vom 18.02.2020 für den Durchschnittskunden gesehen hat, wurden durch die - aus Sicht des BGH - mehrdeutige Klauselgestaltung selbst, d.h. die vom Verwender gewählte Formulierung, hervorgerufen. Diese Klauselgestaltung ist dem Verwender zurechenbar. Davon zu Unterscheiden ist die Frage, in welchem Umfang den Verwender aus Gründen der Klarheit und Verständlichkeit i.S.d. § 30712 BGB eine Regelungspflicht trifft. Eine umfassende Aufklärung über die Rechtsposition, die sich bereits aus dem Gesetz ergeben, schuldet der Verwender aus Sicht der Kammer gerade nicht (ebenso LG Hamburg, Urteil vom 21.08.2020, Az. 306 S 6/20). Der BGH hat insoweit selbst in einer früheren Entscheidung ausgeführt, dass das Transparenzgebot den Verwender nicht dazu zwingt, jede AGB-Regelung gleichsam mit einem umfassenden Kommentar zu versehen (Urteil vom 10.07.1990, AZ. XI ZR 275/89). Auch unter diesem Gesichtspunkt lässt die Entscheidung vom 18.02.2020 deshalb keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die rechtliche Beurteilung der vorliegenden Klausel zu.
41
e) Die vorliegende Zahlungsanweisung und Abtretungserklärung stellt keine Bestimmung dar, die den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen, § 30711, II BGB.
42
Eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 I 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten eines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 307 RN 12 unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH).
43
Eine unzulässige Risikoverlagerung zu Lasten des Zedenten liegt nicht vor. Der Rückabtretungsanspruch im Falle der direkten Inanspruchnahme durch den Gutachter besteht unabhängig von einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung. Die Regelung hat nicht einseitig die Interessen des Gutachters im Auge, sondern trägt auch den Interessen des Unfallgeschädigten Rechnung, für den die Regelung letztlich eine Stundung der Honorarforderung bedeutet. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Das Risiko einer überschießenden Tilgungswirkung besteht vorliegend nicht. Auch diesbezüglich kann auf die Ausführungen zum Transparenzgebot verwiesen werden.
44
4. Aufgrund der Wirksamkeit der Abtretung bedarf es keiner Klärung der Frage, ob die Beklagte sich trotz der an die Klägerin geleisteten Teilzahlung auf eine fehlende Aktivlegitimation hätte berufen können.
45
5. Die Sachverständigenkosten stellen in der eingeklagten Höhe einen erstattungsfähigen Schaden dar.
46
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte, die in erster Instanz insoweit keinerlei Einwände erhoben hatte, sich im laufenden Berufungsverfahren überhaupt noch erfolgreich auf eine fehlende Schlüssigkeit des Klägervortrags zur Höhe der Sachverständigenkosten berufen kann.
47
Die Beklagte stellt auf Ziffer 6.1 der AGB der Klägerin (Anlage K5) ab. Diese Klausel, derzufolge die Vergütung nach den zum Zeitpunkt der Leistungserbringung gültigen Preisen des ... erfolgt, sofern nicht ausdrücklich ein Festpreis oder eine andere Bemessungsgrundlage vereinbart ist, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Dass sich die Preise zwischen Auftragserteilung und Begutachtung geändert haben, wird im Übrigen nicht behauptet. Unabhängig von der Wirksamkeit der Klausel Ziffer 6.1 enthält die Zahlungsvereinbarung und Abtretungserklärung Anlage K3 am Ende folgende Regelung: „Die Kosten für das Gutachten werden nach der derzeit geltenden Honorartabelle der … berechnet. Im Übrigen gelten für diesen Auftrag die beigefügten Geschäftsbedingungen.“ D.h., die AGB gelten ohnehin nur, soweit keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. Im Auftragsformular wird ausdrücklich auf die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung („derzeit geltende“) Honorartabelle abgestellt.
48
6. Der Anspruch ist durchsetzbar. Die Einrede der Verjährung wurde bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erhoben.
49
Soweit die Einrede in dem Schriftsatz vom 19.10.2020 geltend gemacht wurde, ist dies gemäß § 296a ZPO unbeachtlich, da es sich nicht um einen nachgelassenen Schriftsatz handelt. Die Voraussetzungen für eine Schriftsatzfrist lagen nicht vor, ein entsprechender Antrag war von der Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht gestellt worden.
III.
50
Auch hinsichtlich der Nebenforderungen erweist sich die Klage als begründet.
51
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stellen einen erstattungsfähigen Schaden der Klägerin gemäß § 286 I BGB dar. Da die Kammer von der Wirksamkeit des Abtretungsvertrags vom 08.11.2016 ausgeht, befand sich die Beklagte zum Zeitpunkt des vorprozessualen Tätigwerdens der jetzigen Klägervertreter bereits in Zahlungsverzug.
52
Ungeachtet der zuvor erklärten Ablehnung einer weitergehenden Regulierung der Sachverständigenkosten durch die Beklagte durfte die Klägerin die außergerichtliche anwaltliche Geltendmachung der Forderung als erforderlich und zweckmäßig ansehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Aktivlegitimation der Klägerin vorprozessual offensichtlich gar nicht in Streit stand. Die Klägerin musste nicht damit rechnen, dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht geeignet war, ein Klageverfahren über eine Hauptforderung in Höhe von 39,07 € abzuwenden.
53
Erstattungsfähig ist eine 1,3 Gebühr nach dem RVG aus einem Gegenstandswert von bis zu 500,00 € zuzüglich 20 % Pauschale.
54
Der Zinsanspruch hinsichtlich Haupt- und Nebenforderung folgt aus §§ 288 I, 2861 BGB.
IV.
55
Die Kostenentscheidung beruht auf § 911 ZPO.
56
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
57
Die Revision war zuzulassen, da gemäß § 543 II Nr. 2 ZPO die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Die vorliegend für die Nebenforderungen entscheidungserhebliche Frage der Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung, wie sie vorliegend in dem am 08.11.2016 unterschriebenen Antragsformularformular zur Gutachtenerstellung enthalten ist, wird in der Instanzrechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Auf die von den Parteien zitierten Entscheidungen wird Bezug genommen.