Titel:
Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Berufung, Abtretung, Rechtsanwaltskosten, Erstattung, AGB, Abtretungsvereinbarung, Gutachten, Rechtsverfolgungskosten, Honoraranspruch, Revision, Gutachtenkosten, Haftung, Treu und Glauben, unangemessene Benachteiligung, Fortbildung des Rechts
Schlagworte:
Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Berufung, Abtretung, Rechtsanwaltskosten, Erstattung, AGB, Abtretungsvereinbarung, Gutachten, Rechtsverfolgungskosten, Honoraranspruch, Revision, Gutachtenkosten, Haftung, Treu und Glauben, unangemessene Benachteiligung, Fortbildung des Rechts
Vorinstanz:
AG Hersbruck, Endurteil vom 10.12.2019 – 1 C 750/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61263
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 10.12.2019, Az. 1 C 750/19, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 119,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.10.2016 sowie weitere 70,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prczentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.12.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 119,46 EUR festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Berufung ist zulässig und vollumfänglich begründet.
2
In tatsächlicher Hinsicht wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin als Zessionarin von der Beklagten die Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs auf Ersatz von restlichen Sachverständigengebühren nach einem Verkehrsunfall verlangen kann, den die Unfallgeschädigte … als Zedentin am 20.08.2016 (Anlage K3) an die Klägerin abgetreten hat. Der Wortlaut der Abtretungserklärung lautete:
„Ich weise hiermit die Versicherungsgesellschaft meines Unfallgegners an, die Rechnung für das vorstehend in Auftrag gegebene Gutachten, zur Erfüllung meines Schadensersatzanspruches auf Erstattung der Gutachtenkosten, an die [Klägerin] zu bezahlen. Weiter trete ich meinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Gutachtenkosten gegen den Unfallgegner und dessen Versicherungsgesellschaft an die [Klägerin] ab. Meine persönliche Haftung für die Gutachtenkosten bleibt trotz dieser Abtretung bestehen. Die Abtretung erfolgt nicht an Erfüllungs statt. Die Kosten für das Gutachten werden nach der derzeit geltenden Honorartabelle der [Klägerin] berechnet.“
4
Die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Unfallgegners ist dem Geschädigten dem Grunde nach unstreitig vollumfänglich dazu verpflichtet, für die Unfallfolgen einzustehen.
5
Das Amtsgericht Nürnberg hat die auf Zahlung von 119,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.10.2016 und außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 70,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.12.2016 gerichtete Klage mit Urteil vom 10.12.2019 (Bl. 39 ff. d. A.) abgewiesen.
6
Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es liege keine wirksame Abtretung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten gegenüber der Beklagten auf Ersatz der Kosten eines Sachverständigengutachtens vor, sodass die Klägerin schon nicht aktivlegitimiert sei. Die Abtretungsvereinbarung verstoße als Allgemeine Geschäftsbedingung gegen § 307 BGB, weil sie den Zedenten als Vertragspartner der Klägerin unangemessen benachteilige.
7
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin und Berufungsklägerin den in erster Instanz gestellten Klageantrag weiter. Sie vertritt die Auffassung, die Abtretungsvereinbarung sei wirksam, verstoße namentlich nicht gegen §§ 305 c, 307 BGB. Ihr stehe auch in der Sache der von der Beklagten nicht bezahlte Differenzbetrag zu, die Kürzung der Beklagten müsse sie nicht hinnehmen. Auch für vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten könne sie Ersatz in Höhe von 70,20 EUR verlangen.
8
Die Klägerin beantragt:
- 1.
-
Die Beklagte wird unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Hersbruck vom 10.12.2019, Az. 1 C 750/19 verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 119,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.10.2016 zu bezahlen.
- 2.
-
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.12.2016 zu bezahlen.
9
Die Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
10
Die Beklagte erachtet die Klägerin schon nicht als aktivlegitimiert, weil die Abtretungsvereinbarung zwischen Klägerin und Geschädigtem gegen § 307 BGB verstoße. Die Klausel benachteilige den jeweiligen Geschädigten unangemessen, weil dieser auf der einen Seite seinen Schadensersatzanspruch aus der Hand gebe, auf der anderen Seite werkvertraglich zur Zahlung des Gutachtenhonorars verpflichtet bleibe, ohne gleichzeitig einen Rückabtretungsanspruch zu beinhalten. Ohne Regelung darüber, welche Rechte dem jeweiligen Geschädigten gegenüber der Klägerin zustünden, wenn die Klägerin ihren vertraglichen Honoraranspruch geltend mache, werde der Geschädigte unangemessen benachteiligt.
11
Die Parteien haben im Rahmen der Berufungsinstanz einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Der Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprach, war der 15.05.2020. Beweis wurde nicht erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Endurteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 10.12.2019 (Blatt 39 ff. d. A.) verwiesen.
12
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 517, 519 f. ZPO). Das Amtsgericht hat die Berufung bei dem Grunde nach nicht erreichter Berufungssumme (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) im Endurteil zugelassen (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
13
Die Berufung ist vollumfänglich begründet.
14
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Die zugrunde zu legende Tatsachengrundlage des Verfahrens ist vollumfänglich unstreitig. Das Urteil beruht indes auf einer Rechtsverletzung.
1.) Anspruch auf (restlichen) Schadensersatz
15
Die Klägerin kann von der Beklagten die Erfüllung des Schadensersatzanspruchs der Geschädigten an sich selbst in Höhe der von ihr in Rechnung gestellten Kosten verlangen; sie ist insofern aktivlegitimiert, weil sie wirksam Inhaberin des entsprechenden Schadensersatzanspruchs der Geschädigten geworden ist.
16
Das Amtsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Abtretungsvereinbarung zwischen Klägerin und Geschädigter unwirksam war.
17
Insbesondere verstieß die Abtretungsvereinbarung nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Dieser Vorschrift zufolge kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. In seinem Urteil vom 17.07.2018 (Az.: VI ZR 274/17, Rz. 9) führte der BGH insoweit instruktiv aus, dass der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet ist, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Maßgeblich sind dabei die Verständnis- und Erkenntnismöglichkeiten eines typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden.
18
Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Abtretungsvereinbarung gerecht.
19
Im Gegensatz zum Sachverhalt, der dem bereits zitierten Urteil des BGH vom 17.07.2018 (Az.: VI ZR 274/17) zugrunde lag, enthielt die hier streitgegenständliche Abtretungsvereinbarung keine Regelung, wonach der Sachverständige im Falle der Inanspruchnahme des Geschädigten gegenüber den Schuldnern der Schadensersatzforderung, also gegenüber Schädiger und Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer, auf die Schadensersatzforderung „verzichten“ würde. Damit bleibt für den Zedenten klar, dass der Zessionar zunächst die Befriedigung aus dem Erfüllungssurrogat mit verkehrserforderlicher Sorgfalt versuchen muss. Gelingt der Befriedigungsversuch, erlischt die ursprüngliche Leistungspflicht; schlägt der Befriedigungsversuch fehl, kann der Zessionar indes die fortbestehende und gestundete alte Forderung weiterverfolgen (vgl. zum Vorstehenden nur BGH NJW 1986, 424; 1992, 683 2001, 517; 2007, 1358; Palandt-Grüneberg, 79. Aufl. 2020, § 364, Rn. 7).
20
Eine detaillierte vertragliche Regelung aller Eventualitäten kann vom AGB-Verwender hingegen nicht verlangt werden. Anerkannt ist mithin, dass die Transparenzanforderungen nicht überspannt werden dürfen. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Das Transparenzgebot will den Verwender nicht zwingen, jede AGB gleichsam mit einem Kommentar zu versehen (vgl. zum Vorstehenden nur Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 307, Rn. 22 m.w.N.). Die Klägerin durfte somit auf die ergänzende Vertragsauslegung, wie sie sich aus der oben zitierten langjährigen BGH-Rechtsprechung ergibt, vertrauen. Eine andere Wertung würde Abtretungsvereinbarungen in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen faktisch unmöglich machen.
21
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Zessionar den Zedenten nicht darauf hinzuweisen, dass der in Rechnung gestellte Betrag nicht notwendigerweise mit dem abgetretenen Schadensersatzanspruch übereinstimme. Auch ohne Abtretung kann sich der Geschädigte der Situation gegenübersehen, dass die Rechnung des Sachverständigen höher ist als sein Schadenersatzanspruch gegenüber dem Unfallverursachen und dessen Haftpflichtversicherung. Die Position des Geschädigten wird durch die Abtretung an sich damit nicht verschlechtert.
22
Entgegen der Ansicht der Beklagten war die Abtretungsvereinbarung auch nicht im Zusammenspiel mit der Zahlungsanweisung als unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 BGB zu qualifizieren. Die Zahlungsanweisung, die der BGH im zitierten Urteil vom 17.07.2018 (Az.: VI ZR 274/17) thematisierte, war anders gefasst. Sie lautete:
„Zugleich weise ich hiermit die Anspruchsgegner unwiderruflich an, den Forderungsbetrag aus der Rechnung des Sachverständigen unmittelbar durch Zahlung an den Sachverständigen oder den von ihm genannten Gläubiger zu begleichen.“
23
Ohne darüber ausdrücklich zu befinden, bezeichnete es der BGH als „nicht fernliegend“, dass es durch diese Regelung dem Schädiger beziehungsweise dessen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer ermöglicht werde, den in der Rechnung des Sachverständigen ausgewiesenen Betrag an den Sachverständigen mit Tilgungswirkung auch für den Schadensersatzanspruch des Geschädigten zu bezahlen. Da das vom Sachverständigen abgerechnete Honorar nicht notwendigerweise in voller Höhe nach § 249 BGB erstattungsfähig sei und deshalb den an den Sachverständigen abgetretenen „Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars“ auch übersteigen könne, könnte dies zu einer die Schadensposition „Sachverständigenkosten“ übersteigenden Tilgung der Schadensersatzforderung des Geschädigten führen.
24
Im vorliegenden Fall war jedoch durch die Formulierung, wonach der Versicherer des Unfallgegners angewiesen werde, die Rechnung für das Schadensgutachten
„zur Erfüllung meines Schadensersatzanspruches auf Erstattung der Gutachtenskosten […] zu bezahlen“,
[hervorgehoben durch das Gericht]
klargestellt, dass eine übersteigende Tilgung nicht ausgelöst werden kann.
25
Die Abtretungsvereinbarung stellt auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar.
26
Zur Unwirksamkeit führt die unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Diese liegt nach st. Rspr. des BGH vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH NJW 2001, 2331; 2000, 1112; 1997, 3022).
27
Eine Benachteiligung des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben sieht die Kammer vorliegend nicht.
28
Insbesondere ergibt sich keine Unwirksamkeit daraus, dass eine ausdrückliche Regelung fehlt, ob, ggf. wann und ggf. in welcher Höhe dem Geschädigten ein Anspruch auf Rückabtretung des Schadensersatzanspruches zusteht. Bewertungsmaßstab in objektiver Hinsicht ist ohnehin die Rechtslage nach dem Gesetzesrecht, von der durch die zu prüfende Klausel abgewichen werden soll (vgl. nur H. Schmidt in: BeckOK BGB, Stand: 01.11.2019, § 307, Rn. 30 m.w.N.). Gerügt wird bereits nicht, dass die streitgegenständliche Abtretungsvereinbarung eine Abweichung von der dispositiven gesetzlichen Regelung enthält, sondern letztlich lediglich, dass Rechtsfolgen der Abtretung nicht erläutert werden. Wie bereits oben dargelegt kann aber eine detaillierte vertragliche Regelung sämtlicher Eventualitäten vom Verwender nicht verlangt werden. Die Zessionarin durfte vielmehr - wie bereits dem Rechtsgedanken des § 307 Abs. 3 BGB entnommen werden kann - grundsätzlich auf eine ergänzende Vertragsauslegung vertrauen. Wie bereits oben dargelegt würde eine andere Wertung Abtretungsvereinbarungen in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen faktisch unmöglich machen.
29
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem angeführten Urteil des BGH vom 24.10.2017 (Az.: VI ZR 504/16). Dort wurde die (Erst-)Abtretung des Geschädigten an den Sachverständigen gerade für wirksam erachtet. Durch die vertragliche Regelung, welche eine Leistung erfüllungshalber durch den Geschädigten vorsieht, kommt dieser regelmäßig in den Genuss einer Stundung der ursprünglichen Forderung des Sachverständigen, die entweder mit der Erfüllung der Forderung oder dadurch endet, dass der Versuch der anderweitigen Befriedigung misslingt (vgl. nur Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 364, Rn. 8 mit zahlreichen Nachweisen). Dieser Vorteil steht mit der zusätzlichen Sicherung der Klägerin in einem noch angemessenen Verhältnis.
30
Die Klausel ist auch nicht „überraschend“ im Sinne des § 305 c BGB. Gemäß § 305 c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Die Klausel ist schon nicht objektiv ungewöhnlich. Es ist gängige Praxis, dass Dienstleister nach Verkehrsunfällen - namentlich solche, die Schadensgutachten erstellen - sich die korrespondierenden Schadensersatzansprüche abtreten lassen. Darüber hinaus ist es auch nicht so, dass der jeweilige Zedent (also der Verkehrsunfallgeschädigte) mit einer derartigen Klausel vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Eine Abtretung gleich mehrerer Ansprüche (BGH, Urteil vom 21.06.2016, Az.: VI ZR 475/15) sieht die Klausel nicht vor. Dass ein Geschädigter zur Sicherung des vertraglich vereinbarten Vergütungsanspruchs im Rahmen des Auftrags zur Erstellung des Gutachtens seinen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger auf Erstattung der Sachverständigenkosten - also nur einen Anspruch - an den Sachverständigen abtritt, ist aber gerade nicht ungewöhnlich und auch nicht überraschend (BGH a.a.O.).
31
Nachdem sich die Abtretungsvereinbarung insofern als insgesamt zulässig darstellt, ist die Klägerin auch aktivlegitimiert.
32
Was die erstattungsfähige Höhe des abgetretenen Schadensersatzanspruchs anbelangt, begegnet die Gesamtrechnungshöhe weder nach Überprüfung auf Basis der seinerzeit gültigen BVSK-Befragung (Schätzung auf BVSK-Grundlage nach ständiger Rechtsprechung der Kammer gebilligt), noch in Relation zur eigentlichen, in der Sache unstreitigen (Sach-) Schadenshöhe Bedenken (§ 287 ZPO).
33
Anspruch auf Zinsen hat die Klägerin aus §§ 286, 288 BGB (Anlage K10).
2.) Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten
34
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen eigenen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes gem. § 286 BGB.
35
Die Beklagte befand sich bei Mandatierung der Klägervertreter in Verzug mit der Erfüllung der Forderung der Klägerin, weil sie auf die Zahlungsaufforderungen der Klägerin (Anlagen K10, K11) binnen dort festgelegter Frist nicht reagiert hatte.
36
Anerkannt ist, dass der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten umfasst. Allerdings hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. nur Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 249 Rn. 57 m.z.N.). In einfach gelagerten Fällen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts nur erforderlich, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregulierung verzögert wird (BGH, Urteil vom 16.07.2015, Az: IX ZR 197/14; Urteil vom 06.10.2010, Az: VII ZR 271/09; Urteil vom 10.01.2006, Az: VI ZR 43/05) Hierbei muss sich die Notwendigkeit der anwaltlichen Vertretung schon beim infrage stehenden Erstkontakt mit der jeweiligen Gegenseite begründen lassen, wobei insbesondere zu fragen ist, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Leistungspflicht in Abrede gestellt werden würde (BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az: Vi ZR 196/11; Urteil vom 11.07.2017, Az: VI ZR 90/17). Der Bundesgerichtshof hat mit aktueller Entscheidung vom 29.10.2019 (Az.: VI ZR 45/19, veröffentlicht in NJW 2020, 144) nunmehr klargestellt, dass die schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls, an dem (mindestens) zwei Fahrzeuge beteiligt waren, jedenfalls im Hinblick auf die Schadenshöhe regelmäßig keinen einfach gelagerten Fall darstellt. Zur Begründung verweist der BGH u.a. darauf, dass bei einem Fahrzeugschaden die rechtliche Beurteilung nahezu jeder Schadensposition in Rechtsprechung und Lehre seit Jahren intensiv und kontrovers diskutiert, die umfangreiche, vielschichtige und teilweise uneinheitliche Rechtsprechung hierzu nach wie vor fortentwickelt und dementsprechend zwischen den Geschädigten und den in der Regel hoch spezialisierten Rechtsabteilungen der Haftpflichtversicherer nicht selten um einzelne Beträge bis in die letzte Gerichtsinstanz gestritten werde. Klargestellt hat der BGH bei dieser Gelegenheit folgendes: Handelt es sich nicht um einen einfach gelagerten Fall, ist der Geschädigte, gleich ob Privatperson, Behörde oder Unternehmen, ungeachtet etwaiger Erfahrungen und Fachkenntnisse zur eigenen Mühewaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet. Nichts anderes gilt für den vorliegenden Sachverhalt: Zwar macht die Klägerin lediglich (restliche) Sachverständigengebühren aus abgetretenem Recht geltend. Allerdings ist Anspruchsvoraussetzung hierfür - und damit grundsätzlich inzident zu prüfen - die Haftung des Schädigers dem Grunde nach. Der Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung können aber auch gegenüber der Zessionarin sämtliche den Haftungsgrund betreffende Einwendungen erheben, § 404 BGB. Dass der Geschädigte nur einmal einen Rechtsanwalt beauftragen kann, vermag den Anspruch der Zessionarin auf Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu verhindern. Denn dieser folgt aus dem Gesichtspunkt des Verzuges. Anerkannt ist, dass dem Zessionar bei Leistungsstörungen die Ansprüche aus §§ 280, 281-283, 286 i.V.m. § 285 BGB zustehen (vgl. nur Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 398, Rn. 19 m.w.N.). Eine gegenteilige Ansicht würde den Zessionar an der effektiven Wahrnehmung seiner Rechte hindern oder diese gar unmöglich machen.
37
Anspruch auf Zinsen hat die Klägerin aus §§ 286, 288 BGB (Anlage K12).
38
Das Endurteil des Amtsgerichts Nürnberg war darum abzuändern und dem Klagebegehren voll stattzugeben.
3.) Zulassung der Revision
39
Die Revision war zuzulassen.
40
Gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
41
Die Instanzrechtsprechung zur Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung ist uneinheitlich. Beide Parteien zitierten zahlreiche ihre Position jeweils stützende Urteile. Nachdem die Abtretungsvereinbarung - dies ist der Kammer, die seit Jahren für Verkehrsunfallsachen zuständig ist, bekannt - in der Praxis in zahllosen Fällen in der hier gegenständlichen Fassung verwendet wurde, wird die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO) zugelassen.
4.) Prozessuale Nebenentscheidungen
42
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 281 Abs. 3 S. 2, 708 Nr. 10 ZPO.