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AG München, Endurteil v. 04.12.2020 – 335 C 7458/2
Titel:

Reparaturkosten, Abtretung, Unfall, Haftpflichtversicherer, Fahrzeug, Unfallhergang, Herstellungsaufwand, Verbringungskosten, Reparaturwerkstatt, Ermessen, Fachwerkstatt, Haftung, Nebenforderung, Streitwert, Zug um Zug, billigem Ermessen

Schlagworte:
Reparaturkosten, Abtretung, Unfall, Haftpflichtversicherer, Fahrzeug, Unfallhergang, Herstellungsaufwand, Verbringungskosten, Reparaturwerkstatt, Ermessen, Fachwerkstatt, Haftung, Nebenforderung, Streitwert, Zug um Zug, billigem Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2020, 61117

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche der Klägerin wegen etwaiger Überzahlung aus dem mit der Reparaturwerkstatt A. B. GmbH anlässlich des Unfalls vom 20.08.2019 geschlossenen Werkvertrags gegen die A. B. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer M. B., Ch. B. und M. B., D. Straße 35 in ... H., sowie weitere 300,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.09.2019.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 20% und die Beklagte 80% zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 483,30 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
2
Gegenstand des Rechtsstreits sind restliche Reparaturkosten in Höhe von 83,30 € sowie eine merkantile Wertminderung in Höhe von 400,00 EUR aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 20.08.2019, bei welchem das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ... durch das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennz ... beschädigt wurde.
3
Der Unfallhergang und die alleinige Haftung der beklagten Partei für die Schäden aus dem streitgegenständlichen Unfall standen außer Streit.
4
Die Klägerin rechnet ihren Schaden konkret auf der Basis der als Anlage K2 vorgelegten Reparaturrechnung der A. B. GmbH Hagen über 2.384,62 EUR brutto unter Berücksichtigung der als Anlage K 2 vorgelegten Gutschrift über 579,96 EUR ab.
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Die Beklagtenseite beglich die Reparaturkosten mit Ausnahme der Verbringungskosten von 142,80 EUR brutto, auf welche sie lediglich 59,50 EUR erstattete.
6
Der Differenzbetrag in Höhe von 83,30 EUR sowie eine merkantile Wertminderung, welche in TÜV ... Schaden dem von der Klägerin vorgerichtlich erholten Schadensgutachten der und Wertgutachten GmbH mit 400,00 vorgegeben wurde, sind Gegenstand der Klage.
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Die Klägerin kann von der Beklagten als Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeug weitere Reparaturkosten in Höhe von 83,30 € - gemäß dem Klageantrag Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Rückzahlungsansprüche gegenüber der Reparaturwerkstatt A. B. GmbH - sowie eine Wertminderung in Höhe von 300,00 € erstattet verlangen, §§ 115 Abs. 1 S. 1 VVG, 1 PflVG i.V.m. 7, 18 StVG.
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Die noch streitigen Verbringungskosten in Höhe von 83,30 € sind vorliegend aufgrund des sogenannten Werkstatttrisikos erstattungsfähig: Der Schädiger trägt das sog. Werkstatt- und Prognoserisiko, falls den Geschädigten nicht ausnahmsweise hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft. Die Reparaturwerkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 BGB. „Bei der Instandsetzung eines beschädigten Kraftfahrzeugs schuldet der Schädiger als Herstellungsaufwand nach § 249 S. 2 BGB grundsätzlich auch die Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht hat; die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten“ (BGH, Urteil vom 29.10.1974, Az. VI ZR 42/73; Leitsatz).
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Der BGH führte weiter aus (a.a.O.): „Es darf aber nicht außer acht gelassen werden, dass seinen Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten bei der Schadenregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben hat; auch diese Grenzen bestimmen das mit, was „erforderlich“ ist. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 S. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis - sei es aus materiellrechtlichen Gründen, etwa gar in Anwendung des § 278 BGB, oder aufgrund der Beweislastverteilung - im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadenbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadenbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten, wohl auch nicht vom Schädiger kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Insoweit besteht kein Sachgrund, dem Schädiger das „Werkstattrisiko“ abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 S. 1 BGB überlassen würde. Die dem Geschädigten durch § 249 S. 2 BGB gewährte Ersetzungsbefugnis ist kein Korrelat für eine Überbürdung dieses Risikos auf ihn. Ebensowenig ist eine Belastung mit diesem Risiko deshalb angezeigt, weil der Geschädigte für das Verschulden von Hilfspersonen bei Erfüllung seiner Obliegenheiten zur Schadenminderung nach § 254 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 278 BGB einstehen müsste. In den Fällen des § 249 S. 2 BGB, in denen es lediglich um die Bewertung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes geht, ist die Vorschrift des § 254 BGB ohnehin nur sinngemäß anwendbar […]“.
10
Sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und inwieweit sodann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden. Dies darf nicht zulasten des Geschädigten gehen, welcher ansonsten einen Teil seiner aufgewendeten Kosten nicht ersetzt bekommen würde. Dem Geschädigten sind in diesem Rahmen auch Mehrkosten zu ersetzen sind, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. (so BGH, a.a.O.) Zu den in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Mehrkosten gehören auch Kosten für unnötige Zusatzarbeiten, welche durch die Werkstatt ausgeführt wurden (AG München, Urteil vom 06.07.2015, Az. 335 C 26842/14).
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Ausweislich der als Anlage K 6 vorgelegten Zahlungsbelege steht hierbei zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auch fest, dass die Klägerin den noch offenen Betrag der Reparaturkosten in Höhe von 83,30 € zwischenzeitlich an die reparierende Werkstatt beglichen hat.
12
Die Verbringungskosten in Höhe von 142,80 € brutto bzw. 120,00 € netto sind bereits in dem klägerischen erholten Sachverständigengutachten der TÜV ... vorgegeben und in diesem Umfang auch in der Reparaturrechnung enthalten. Die noch offenen Kosten in Höhe von 83,30 € sind daher zweifelsfrei durch das Werkstattrisiko abgedeckt.
13
Vorliegend ist wie ausgeführt auch eine konkrete Abrechnung erfolgt und liegen die Verbringungskosten vorliegend mit 120,00 € netto auch unterhalb des Stundenverrechnungssatzes für Arbeiten der Klasse 1-3, welche im Gutachten mit 130,00 € vorgegeben werden. Aufgrund einer Vielzahl erholter Sachverständigengutachten ist es dem Gericht insoweit bekannt, dass Verbringungskosten in der Größenordnung eines Stundenverrechnungssatzes durchaus gängig sind und sich daher im Rahmen des Üblichen bewegen. Auf Antrag der Klagepartei war insoweit eine ZugumZug Verurteilung auszutenorieren.
14
Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Wertminderung kann die Klägerin weiter einen Betrag in Höhe von 300,00 € erstattet verlangen. Der Sachverständige C. S. gelangt in dem gerichtlich geholten Sachverständigengutachten vom 06.11.2020 nachvollziehbar und überzeugend zu dem Ergebnis, dass die merkantilen Wertminderung mit 300,00 € (steuerneutral) vorzugeben sei. Unter Berücksichtigung verschiedener gängiger Berechnungsmodelle, mit welchen sich der Sachverständige umfassend auseinandersetzt, gelangt der Sachverständige nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass sich der merkantilen Minderwert in einer Bandbreite zwischen 200,00 € und 400,00 € bewege und damit im Mittel 300,00 € (steuerneutral) betrage. Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens und den besonderen Fachkenntnissen des Sachverständigen S., welche dem Gericht auch bereits aus einer Vielzahl erholter Gutachten hinreichend bekannt ist.
15
Einwendungen gegen das Gutachten wurden durch die Parteien nicht erhoben.
16
Das Gericht geht daher gemäß § 287 ZPO von einer Wertminderung in Höhe von 300,00 € aus, welche von der Beklagtenseite zu erstatten ist.
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Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
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Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
20
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne Berücksichtigung der als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen.
21
Die Voraussetzungen einer Berufungszulassung waren nicht erfüllt.