Inhalt

LG München I, Endurteil v. 19.11.2020 – 27 O 8009/20
Titel:

Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit höherrangigem Recht ist Rechtsfrage

Normenkette:
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz:
Die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit höherrangigem Recht ist eine Rechtsfrage und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen (Rn. 45). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerrufsbelehrung, Parteivorbringen, Rechtsfrage
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 14.04.2021 – 19 U 7332/20
BGH Karlsruhe, Urteil vom 18.10.2022 – XI ZR 226/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 60948

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche nach Widerruf eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeugs geltend.
2
Am 6.12.2014 schloss die Klagepartei mit der Beklagten unter Vermittlung der Autohaus … einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Gebrauchtwagens B. 320d XDrive über einen Nettodarlehensbetrag von 20.375,00 Euro und einem Darlehensgesamtbetrag von 23.591,20 Euro ab. Der Kaufpreis betrug 24.375,00 Euro. Die Klagepartei leistete eine Anzahlung von 4.000,00 Euro. Der vertraglich vereinbarte Sollzinssatz wurde mit 4,32 % angegeben. Das Darlehen sollte in 59 monatlichen Raten zu je 246,99 Euro und einer Schlussrate von 9.018,75 Euro zurückgezahlt werden.
3
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K1 verwiesen.
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Parallel schloss die Klagepartei mit der Verkäuferin des Fahrzeugs, der Autohaus … einen Kaufvertrag über das von der Beklagten zu finanzierende Fahrzeug.
5
Die der Klagepartei ausgehändigten Darlehensvertragsunterlagen bestanden aus insgesamt 10 Seiten. Auf den Seiten 1 bis 3 befand sich die „Europäische Standardinformation für Verbraucherkredite“, auf Seite 4 die „Informationen zu Ihrem Darlehensvertrag“ und auf den Seiten 5 und 6 das Darlehensantragsformular. Auf Seite 5 oben befand sich folgender Hinweis:
„Zur Finanzierung des Kaufes des nachstehend näher bezeichneten Fahrzeuges bzw. zur Bezahlung anliegender Reparaturrechnungen beantragt der/beantragen die Unterzeichner als Darlehensnehmer/Mitdarlehensnehmer bei der B. Bank GmbH (…) die Gewährung eines Darlehens in der unten genannten Höhe unter Anerkennung der nachstehenden Bedingungen und beigefügten Allgemeinen Darlehensbedingungen.“
6
Auf Seite 6 befand sich ein Kasten „Unterschrift Darlehensantrag“, in dem es unmittelbar vor der Unterschriftenzeile auszugsweise hieß:
„Der Darlehensnehmer/Mitdarlehensnehmer erklärt/erklären sich durch seine/ihre Unterschrift/-en auf diesem Antrag mit den Bedingungen dieses Darlehensantrages, den Allgemeinen Darlehensbedingungen und (…) einverstanden.“
7
Die Allgemeinen Darlehensbedingungen waren auf den Seiten 9 und 10 abgedruckt.
8
Auf Seite 7 war eine die gesamte Seite einnehmende, grau unterlegte „Widerrufsinformation“ abgedruckt, die auszugsweise lautete wie folgt:
„Widerrufsinformation
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem Sie alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten haben. Sie haben alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für Sie bestimmten Ausfertigung Ihres Antrags oder in der für Sie bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für Sie bestimmten Abschrift Ihres Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und Ihnen eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben können Sie nachträglich auf einem dauerhaften Datenträger informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Sie sind mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs, wenn die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger (z.B. Brief, Telefax, E-Mail) erfolgt. Der Widerruf ist zu richten an: …
Besonderheiten bei weiteren Verträgen
- Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, so sind Sie auch an den Kaufvertrag über das o.g. Fahrzeug (im Folgenden: verbundener Vertrag) nicht mehr gebunden.
- Steht Ihnen in Bezug auf den verbundenen Vertrag ein Widerrufsrecht zu, so sind Sie mit wirksamem Widerruf des verbundenen Vertrags auch an den Darlehensvertrag nicht mehr gebunden. Für die Rechtsfolgen des Widerrufs sind die in dem verbundenen Vertrag getroffenen Regelungen und die hierfür erteilte Widerrufsbelehrung maßgeblich.
Widerrufsfolgen
Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, haben Sie es spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 0,00 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde.
Besonderheiten bei weiteren Verträgen
- Steht Ihnen in Bezug auf den verbundenen Vertrag ein Widerrufsrecht zu, sind im Falle des wirksamen Widerrufs des verbundenen Vertrags Ansprüche des Darlehensgebers auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen Sie ausgeschlossen.
- Sind Sie aufgrund des Widerrufs dieses Darlehensvertrags an den verbundenen Vertrag nicht mehr gebunden, sind insoweit die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
- Sie sind nicht verpflichtet, die Sache zurückzusenden, wenn der an dem verbundenen Vertrag beteiligte Unternehmer angeboten hat, die Sachen abzuholen. Grundsätzlich tragen Sie die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Dies gilt nicht, wenn der an dem verbundenen Vertrag beteiligte Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen, oder er es unterlassen hat, den Verbraucher über die Pflicht, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung zu tragen, zu unterrichten. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers geliefert worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
Wenn Sie die aufgrund des verbundenen Vertrags überlassene Sache nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren können, haben Sie insoweit Wertersatz zu leisten. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war.
- Wenn Sie infolge des Widerrufs des Darlehensvertrags nicht mehr an den weiteren Vertrag gebunden sind oder infolge des Widerrufs des weiteren Vertrags nicht mehr an den Darlehensvertrag gebunden sind, gilt ergänzend Folgendes: Ist das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs Ihrem Vertragspartner aus dem verbundenen Vertrag bereits zugeflossen, tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zu Ihnen hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem weiteren Vertrag ein.
Einwendungen bei verbundenen Verträgen
(…)“
9
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K2 verwiesen.
10
Das Darlehen wurde ausgekehrt.
11
Mit Schreiben vom 10.3.2020 erklärte die Klagepartei den Widerruf des Darlehensvertrages (Anlage K4). Die Beklagte wies den Widerruf zurück.
12
Die Klagepartei begehrt die Rückabwicklung des Vertrags und Rückzahlung der geleisteten Zahlungen, hilfsweise Auskunft, hilfsweise Zahlung von zuviel entrichteten Zinsen.
13
Die Klagepartei meint, dass ihr zum Zeitpunkt des Widerrufs noch ein Widerrufsrecht zugestanden habe, weil die Beklagte nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt habe. In der Widerrufsbelehrung und den sonstigen Regelungen des Vertrags lägen folgende Fehler vor, die dazu führten, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei:
- Die gegenständliche Widerrufsinformation sei unrichtig, da der Darlehensnehmer etwa nicht nachträglich auf einem dauerhaften Datenträger über beispielsweise den effektiven Jahreszins informiert werden können. Die Belehrung hinsichtlich der Nachbelehrung sei bezüglich der Angaben zu Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3, 5, 6 und 10 unzutreffend.
- Die Angaben zur Aufsichtsbehörde seien unvollständig, da als weitere Aufsichtsbehörde die Deutsche Bundesbank anzugeben sei.
- Die Angaben zu Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Raten seien unzutreffend. Rechne man die angegebenen Raten zusammen ergebe sich ein Gesamtbetrag von 23.591,16 Euro, und nicht der angegebene Gesamtbetragt von 23.591,20 Euro. Hilfsweise sei der Gesamtbetrag unrichtig.
14
Höchsthilfsweise sei der Gesamtsollzinsbetrag falsch, da sich Gesamtsollzinsen von 3.156,02 und nicht wie angegeben von 3.216,21 Euro ergäben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 26.06.2020 verwiesen.
15
Im Falle einer späteren Auszahlung des Darlehensbetrags als zum 20.12.2014 käme es zu einer Überzahlung von Zinsen, welche ohne Rechtsgrund erfolgt wäre und daher nach § 812 BGB zurückzugewähren sei. Die maximale Zinsüberzahlung betrage nicht 73,35 Euro, sondern könne auch höher sein.
16
Die Klagepartei beantragt:
I. Hauptanträge
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 27.591,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug-um-Zug gegen [hilfsweise: nach] Herausgabe und Übereignung des B. 320d mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … nebst Fahrzeugschlüssel;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 genannten Fahrzeug nebst Fahrzeugschlüssel in Annahmeverzug befindet;
II. Hilfsweise hinsichtlich der Hauptanträge:
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, an welchem Tag die Auszahlung des Darlehensvertrags 09.01.2015 über 20.375,00 EUR erfolgte;
2. die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern;
3. die Beklagte zu verurteilen (hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,) eine Zahlung an den Kläger zu leisten, die der Summe der zu viel gezahlter Zinsen entspricht, welche sich aufgrund der Auszahlung des unter II. 1. gerannten Darlehens ab dem 20.12.2014 ergibt.
17
Mit Schriftsatz vom 10.11.2020 erweiterte der Kläger die Klage und beantragte:
I. Hauptanträge
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 27.591,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug-um-Zug gegen [hilfsweise: nach] Herausgabe und Übereignung des B. 320d mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … nebst Fahrzeugschlüssel;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 genannten Fahrzeug nebst Fahrzeugschlüssel in Annahmeverzug befindet;
II. Hilfsweise hinsichtlich der Hauptanträge:
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, an welchem Tag die Auszahlung des Darlehensvertrags 09.01.2315 über 20.375,00 EUR erfolgte;
2. die Beklagte zu verurteilen, erforderlichenfalls die Richtickeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern;
3. die Beklagte zu verurteilen (hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,) eine Zahlung an den Kläger zu leisten, die der Summe der zu viel gezahlten Zinsen entspricht, welche sich aufgrund der Auszahlung des unter II. 1. genannten Darlehens ab dem 20.12.2014 ergibt.
III. Hilfsweise hinsichtlich der Anträge zu I. und II.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 73,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seiü Rechtshängigkeit zu zahlen
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
19
Für den Fall, dass die Klage zugesprochen werden sollte, erhebt die beklagte Partei hilfsweise Widerklage und beantragt:
20
Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des B. 320XDrive mit der Fahrgestellnummer … zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war und der über den anhand der gefahrenen Kilometer zu ermittelnden Wertersatz nach der Wertverzehrtheorie hinausgeht.
21
Die Klagepartei beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
22
Die Beklagte meint, dass der von der Klagepartei erhobene Feststellungsantrag unter Ziffer 2 unzulässig sei.
23
Die Beklagte erklärt für den Fall, dass dem Widerruf stattgegeben würde, hilfsweise die Aufrechnung mit bestehenden Nutzungsansprüchen wegen des eingetretenen Wertverlusts des gegenständlichen Fahrzeugs.
24
Die Beklagte meint, dass sie sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB berufen könne. Die von der Beklagten erteilte Widerrufsinformation entspreche vollständig den Vorgaben des Musters aus Anlage 7 zu Art. 247 § 6 EGBGB.
25
Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung enthalte alle gem. § 492 Abs. 2 BGB vorgeschriebenen Pflichtangaben. Die Pflichtangaben müssten dabei nicht notwendigerweise in dem Darlehensvertrag beinhaltet sein. Es genüge, wenn dies in den ADB bzw. in dem beigefügten Standardisierten Merkblatt enthalten seien.
26
Im übrigen hätte die Klagepartei ihr Widerrufsrecht verwirkt bzw. es sei als rechtsmissbräuchlich zurückzuweisen.
27
Im Falle eines wirksamen Widerrufs müsste die Klagepartei Wertersatz für die Nutzung des Fahrzeugs zahlen.
28
Eine Zinsüberzahlung im Falle einer späteren Auszahlung als zum 20.12.2014 würde sich maximal auf 73,35 Euro belaufen. Auf diesen Betrag verzichte die Klagepartei ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und werde ihn für den Fall des Unterliegens des Klägers mit dem Hauptantrag überweisen. Daher bestünde für den Hilfsantrag kein Informationsinteresse. Auf für den hilfsweise gestellten Feststellungsantrag fehle das Feststellungsinteresse.
29
Mit Beschluss vom 19.10.2020 (Bl. 95) hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
30
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Schriftsätze der Klagepartei vom 26.6.2020 und 10.11.2020, die Schriftsätze der Beklagten vom 28.8.2020 und 15.10.2020 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

31
Die Klage erweist sich als zulässig, jedoch unbegründet.
A.
32
Der Feststellungsantrag erweist sich als zulässig. Die Feststellung des Annahmeverzugs kann Gegenstand eines Feststellungsantrags sein (vgl. Becker-Eberhard in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 256 Rz. 5).
33
Hinsichtlich der Hilfsanträge wäre ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Die Klagepartei berühmt sich eines Anspruchs auf Auskunft und eines Zahlungsanspruchs. Die bloße Ankündigung der Beklagten, ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht eine Zahlung in Zukunft zu leisten, lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, zumal die Klagepartei vorträgt, dass auch höhere Ansprüche als die von der Beklagten angekündigte Zahlung möglich erscheinen (III.).
B.
34
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 27.591,16 Euro und Feststellung des Annahmeverzugs. Der von der Klagepartei erklärte Widerruf erweist sich als unwirksam. Zwar bestand grundsätzlich ein Widerrufsrecht (I.). Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen (II.). Auch ein Anspruch auf Auskunft, Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung oder Nachzahlung von Zinsen besteht nicht.
I.
35
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag vom 06.12.2014 um ein Verbraucherdarlehen im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB (in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung v. 13.06.2014 bis 20.03.2016) handelt, sodass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB (in der entsprechenden Fassung) zustand.
II.
36
Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs mit Schreiben vom 10.3.2020 bereits abgelaufen. Insbesondere sind die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist gemäß § 356 b Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB (in der maßgeblichen Fassung bis 20.03.2016) eingehalten. Die von der Klagepartei gerügten Fehler liegen nicht vor. Im Einzelnen:
37
1. Die Angaben in der Widerrufsinformation sind nicht zu beanstanden. Die Beklagte kann sich hier auf die Schutzwirkung des Musters nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB berufen, da sie gegenüber dem Kläger in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung auf Seiten 28 ff. (Bl. 51 ff. der Akte) durch eine Gegenüberstellung deutlich gemacht, dass sie das Muster übernommen hat.
38
Dass die Beklagte den Darlehensnehmer im Gegensatz zum Muster direkt angesprochen hat, ist nach den Gestaltungshinweisen zur Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ausdrücklich zulässig.
39
2. Die für den Darlehensgeber zuständige Aufsichtsbehörde ist entsprechend Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB auf Seite 5 des vorgelegten Darlehensantrags mit „Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, G. Str. 108, 5... B.“ benannt.
40
Die Deutsche Bundesbank war nicht als Aufsichtsbehörde anzugeben. Soweit die Klagepartei meint, dass die Beklagte auch der der Deutschen Bundesbank unterstehe, ist das Gericht aber der Auffassung, dass die Nichtbenennung der Deutschen Bundesbank nicht geeignet ist, die Widerrufsfrist nicht anlaufen zu lassen, weil schon abstrakt ein Fehlen einer solchen Angabe nicht geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines gesetzlichen Widerrufsrechts abzuhalten. Zudem führt es nach Ansicht des Gerichts auch deutlich zu weit von der Beklagten die Angabe der indirekten Aufsicht Deutschen Bundesbank als weitere Pflichtangabe zu fordern, wenn die nationale direkte Aufsichtsbehörde unzweifelhaft benannt wurde.
41
3. Soweit die Klagepartei rückt, dass die Summe der angegebenen monatlichen Raten nicht im Gesamtbetrag entspreche, kann sie damit nicht durchdringen. Zieht man von dem Darlehensgesamtbetrag die Schlussrate von 9.018,75 Euro ab, so verbleibt ein Betrag von 14.572,45 Euro teilt man diesen Betrag auf 59 Raten auf, so ergibt sich ein einzelner Raten Betrag von 246,990678 Euro. Die Beklagte hatte diesen Betrag auf ganze Cent Beträge gerundet sodass einmonatliche Raten Betrag von 246,99 € verbleibt. Dies ist nicht zu beanstanden, da Teile von Centbeträgen bereits banktechnisch nicht abgewickelt werden können. Insofern entsteht dem Kläger zudem kein Nachteil. Die Richtigkeit der Anzahl, Betrag und Fälligkeit der einzelnen Zahlungen und des Gesamtbetrags ist durch eine derart marginale Rundung nicht beeinträchtigt und stellt keine fehlerhafte Pflichtangabe dar.
42
Soweit die Klagepartei vorträgt, der Gesamtsollzinsbetrag sei unzutreffend, kann sie damit nicht durchdringen. Die von der Klagepartei in der Klageschrift vorgenommene Berechnung erweist sich als nicht zielführend, da die Klagepartei von einem Zeitabstand zwischen Auszahlung und 1. Rate von 11 Tagen ausgegangen ist. Ein derartiges Auszahlungsintervall ergibt sich jedoch nicht aus dem Vertrag. Vielmehr ist im Vertrag auf Seite 1 geregelt, dass die Raten zahlbar jeweils am 20. eines Monats sind, beginnend mit dem auf die Auszahlung folgenden Monat erfolgt. Ein Zeitraum von 11 Tagen zwischen Auszahlung und 1. Rate widerspricht daher den vertraglichen Bestimmungen.
43
Zudem erweist sich die Berechnung der Klagepartei als entscheidungsunerheblich, da die Parteien die zu zahlenden Zinsen dem Betrag nach fixiert haben. Die Parteien haben vorliegend im Vertrag vereinbart, dass der Nettodarlehensbetrag 20.375,00 Euro beträgt und ein Zinsbetrag von 3.216,21 Euro zu leisten ist. Hinsichtlich der Zinsen haben die Parteien vereinbart, dass diese „gebunden für die gesamte Vertragslaufzeit“ sind. Damit haben die Parteien den Zinsbetrag als absolute Zahl fixiert. Es handelt sich somit vorliegend nicht um einen Vertrag, bei welchem der zu zahlende Zinsbetrag danach berechnet wird, wann das Darlehen ausgezahlt wird und wie lange es gewährt wird. Vielmehr haben die Parteien einen festen Überlassungszeitraum und einen festen Zinsbetrag vereinbart. Die Angabe des Nominalzinsbetrags von 4,32 % stellt somit lediglich eine aus dem fest vereinbarten Zinsbetrag ermittelte Angabe dar. Wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Berechnungen (Anlage B6 und B7), welche vom Gericht rechnerisch nachvollzogen wurden, ergibt wurde der Zinsbetrag auch auf zwei Nachkommastellen gerundet. Diese Berechnungsmethode ist auch Seite 5 des Vertrages optisch dargestellt, da die Zinssätze jeweils lediglich in Klammern angegeben sind.
44
Auch ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den sich aus der Ratenshöhe unter der Schlussrate ergebenden Nominalzinssatz von 4,323 % im Vertrag auf 4,32 % gerundet hat. Dies erfüllt weiterhin den Informationsanforderungen des Verbrauchers.
45
4. Das Gericht hat im Übrigen - entsprechend der Vorgabe des BGH, wonach die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit höherrangigem Recht eine Rechtsfrage ist und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen ist (BGH, Urteil vom 20.06.2017 - XI ZR 72/16, BeckRS 2017, 120503) - die streitgegenständlichen Widerrufsinformationen auch über die von der Klagepartei beanstandeten Passagen hinaus überprüft, indes keinen, den Lauf der Widerrufsfrist hindernden Fehler feststellen können. Nach alledem sind die streitgegenständlichen Widerrufsinformationen nicht zu beanstanden, so dass der Klage kein Erfolg beschieden.
46
Die 14-tägige Widerrufsfrist war damit ordnungsgemäß in Gang gesetzt worden und bei Widerruf des Darlehensvertrages durch die Klagepartei bereits längstens abgelaufen. Auf die Frage des Rechtsmissbrauchs bzw. der Verwirkung sowie einer etwaigen Wertersatzpflicht der Klagepartei kommt es daher nicht mehr an.
III.
47
Ein Anspruch auf Auskunft, Eidesstattliche Versicherung oder Zahlung von 73,35 Euro besteht nicht. Ein Auskunftsanspruch besteht nicht, da eine Rechtsgrundlage für den Anspruch nicht gegeben ist. Im Vertrag haben die Parteien keinen Auskunftsanspruch vereinbart. Eine gesetzliche Regelung, wonach in einem Ratenkreditvertrag eine Partei von der anderen Partei Auskunft verlangen könnte besteht nicht.
48
Auch besteht kein Anspruch aus § 242 BGB auf Auskunft. Zwar ist in einem Vertragsverhältnis möglich, dass ein Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben besteht. Dies setzt jedoch neben anderen Voraussetzungen mindestens voraus, dass die Auskunft begehrende Partei aufgrund berechtigter Interessen auf die Auskunft angewiesen ist. Vorliegend ist die Klagepartei jedoch auf die Auskunft nicht angewiesen. Die Kenntnis von dem genauen Zeitpunkt der Auszahlung des Kredits ist für die Klagepartei nicht von Bedeutung, da sie hieraus keine Rechte ableiten kann. Insbesondere kann sich entgegen der klägerischen Rechtsauffassung kein Anspruch aus § 812 BGB abhängig vom konkreten Auszahlungszeitpunkt ergeben.
49
Die Parteien haben einen festen Zinsbetrag vereinbart (s.o.). Soweit daher die Klagepartei einen Anspruch daraus begründen will, dass sie ausgehend von dem angegebenen Nominalzinssatz unabhängig von einem Auszahlungsdatum einen anderen Gesamtzinsbetrag errechnet, kann sie damit nicht durchdringen. Die Parteien haben gerade keinen variablen Gesamtzinsbetrag, sondern einen festen Gesamtzinsbetrag vereinbart. Dieser ist unabhängig von dem Auszahlungsdatum zu entrichten. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass die Parteien gerade feste Ratenbeträge vereinbart haben. Vertragliche Regelungen zur Abrechnung des Vertrags abhängig vom Auszahlungsdatum sind gerade nicht vorhanden. Dies erscheint auch interessengerecht. Entgegen den Berechnungen des Klägervertreters wäre es nämlich auch möglich, dass eine Auszahlung länger als 30 Tage vor der ersten Ratenzahlung erfolgt. In diesem Fall würde sich, würde man klägerischen Auffassung folgen, eine Nachzahlungspflicht des Verbrauchers ergeben. Ein derartiger Wille der Vertragspartei ist im Vertrag jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr zeigt das Gesamtkonzept des Vertrages, dass die Parteien einen festen Zinsbetrag und vorher betragsmäßig bestimmte Raten vereinbart haben, welche vom Auszahlungsdatum unabhängig sind. Ein Bedürfnis der Klagepartei nach Kenntnis des genauen Auszahlungsdatums besteht daher nicht.
50
Aus dem vorgenannten folgt, dass auch der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht besteht. Die Höhe der Zinsen und der Gesamtzahlungsanspruch sind betragsmäßig fixiert Nachzahlung oder Erstattungsansprüche bestehen nicht.
51
Ein Zahlungsanspruch besteht auch nicht aus der Ankündigung der Beklagten, einen Betrag von 73,35 Euro zu überweisen. Die Beklagte hat ausgeführt, dass dies ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht erfolgen wird. Ein prozessuales Anerkenntnis liegt daher nicht vor. Vielmehr hat die Beklagte Klageabweisung auch insoweit beantragt.
C.
52
Nachdem die Klage abzuweisen ist, ist die von der Beklagten genannte Bedingung für die Hilfswiderklage nicht eingetreten. Ein Eingehen auf die Hilfswiderklage ist daher nicht notwendig.
D.
53
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
E.
54
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 ZPO.
F.
55
Nachdem die Klage insgesamt abgewiesen wurde, bedurfte es der Gewährung der im Termin vom 16.11.2020 von der Beklagtenvertreterin beantragten Schriftsatzfrist nicht.