Inhalt

LG Würzburg, Beschluss v. 19.03.2020 – 1 Qs 48/20
Titel:

Verteidiger, Beschwerde, Hauptverhandlung, Fahrverbot, Staatsanwaltschaft, Festsetzung, Verfahren, Rechtspfleger, Akteneinsicht, Fahrzeug, Telekommunikation, Einspruch, Rechtsmittel, Einstellung, sofortige Beschwerde, Einstellung des Verfahrens, Kosten des Verfahrens

Schlagworte:
Verteidiger, Beschwerde, Hauptverhandlung, Fahrverbot, Staatsanwaltschaft, Festsetzung, Verfahren, Rechtspfleger, Akteneinsicht, Fahrzeug, Telekommunikation, Einspruch, Rechtsmittel, Einstellung, sofortige Beschwerde, Einstellung des Verfahrens, Kosten des Verfahrens
Vorinstanz:
AG Würzburg, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.02.2020 – 206 OWi 952 Js 20812/19
Fundstelle:
BeckRS 2020, 60942

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 10.02.2020 dahingehend abgeändert, dass die dem Betroffenen aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 573,58 € festgesetzt werden.
Die darüber hinausgehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beschwerdegebühr wird um 55/100 ermäßigt. Von den notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers in den Beschwerdeverfahren hat die Staatskasse 55/100 zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 345,10 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Gegen den vormals Betroffenen erging am 18.09.2019 ein Bußgeldbescheid, mit dem gegen diesen ein Bußgeld von 120,00 EUR verhängt wurde, ferner die Eintragung von einem Punkt in das Punktesystem angeordnet wurde. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, am 06.07.2019 gegen 18:58 Uhr bei Randersacker auf der BAB A3, Abschnitt 440, km 0,5, in Fahrtrichtung Frankfurt mit dem Pkw, …, amtl. Kennzeichen …, gefahren zu sein und die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h überschritten zu haben.
2
Mit Schriftsatz vom 04.10.2019 (Bl. 4 d.A.) legte der Verteidiger des Betroffenen unter Vollmachtsvorlage bei dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und beantragte zugleich die Gewährung von Akteneinsicht, welche ihm mit Verfügung vom 24.10.2019 gewährt wurde.
3
Das Verfahren wurde mit Verfügung der Bußgeldbehörde vom 05.11.2019 der Staatsanwaltschaft W. gem. § 69 OWiG vorgelegt und ging bei dieser am 11.11.2019 ein (Bl. 17 d.A.).
4
Mit einem an die Bußgeldbehörde gerichteten Schriftsatz vom 13.11.2019 (Bl. 23 ff. d.A.) beantragte der Verteidiger die Einstellung des Verfahrens mit dem Vortrag, dass nicht der Betroffene, sondern dessen Sohn zum Vorfallszeitpunkt das Fahrzeug geführt habe. Zugleich wies er darauf hin, dass die auf dem Messfoto (Bl. 9 d.A.) abgebildete Person jünger sei als der Betroffene. Der Verteidiger fügte dem Schriftsatz ein Lichtbild bei, welches den Sohn des Betroffenen zeige (Bl. 289 d.A.).
5
Mit Verfügung vom 26.11.2019 leitete die Staatsanwaltschaft W. die Akte dem Amtsgericht Würzburg zu, wo sie am 29.11.2019 einging (Bl. 19 d.A.).
6
Mit Schreiben vom 02.12.2019 regte das Amtsgericht bei dem Betroffenen und dem Verteidiger eine Rücknahme des Einspruches an (Bl. 20 d.A.).
7
Am 29.11.2019 ging beim Amtsgericht Würzburg der an die Bußgeldbehörde gerichtete Schriftsatz des Verteidigers vom 13.11.2019 ein, welcher von dieser an das Gericht im Nachgang zur Akte weitergeleitet worden war (Bl. 22 d.A.).
8
Das Amtsgericht Würzburg leitete nun mit Verfügung vom 04.12.2019 die Akte der Staatsanwaltschaft W. zu und teilte zugleich unter Bezugnahme auf den schriftsätzlichen Vortrag des Verteidigers mit, dass es der Auffassung sei, dass der Sohn des Betroffenen zum Vorfallszeitpunkt der Fahrer des Fahrzeuges gewesen sein.
9
Die Stadtanwaltschaft W. leitete die Akte mit Verfügung vom 09.12.2019 an das Amtsgericht zurück, teilte dessen Auffassung und erklärte ihr Einverständnis mit einer Sachbehandlung nach § 47 Abs. 2 OWiG (Bl. 30 Rückseite. d.A.)
10
Mit Verfügung vom 12.12.2019 fragte das Amtsgericht bei dem Verteidiger an, ob mit einer Verfahrenseinstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG Einverständnis bestünde (Bl. 34 d.A.).
11
Mit Schriftsatz vom 19.12.2019 teilte der Verteidiger mit, dass „eigentlich keine Veranlassung bestünde, das Bußgeldverfahren einzustellen“, sondern der Betroffene bei der vorliegenden Beweislage freizusprechen sei. Er führte in diesem Zusammenhang ferner aus, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen im Falle einer Verfahrenseinstellung der Staatskasse aufzuerlegen seien, was bei dem von ihm favorisierten Freispruch zwingende Kostenfolge sei (Bl. 36, 37 d.A.).
12
Mit Beschluss vom 30.12.2019 stellte das Amtsgericht das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG ein und legte die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auf (Bl. 38 d.A.).
13
Mit Schriftsatz vom 08.01.2020 (Bl. 44 ff. d.A.) beantragte der Verteidiger die notwendigen Auslagen des Betroffenen wie folgt zu erstatten (Spalte 3), woraufhin das Amtsgericht Würzburg diese mit Beschluss vom 18.02.2020 wie folgt (Spalte 4) festgesetzt und den darüber gehenden Antrag des Verteidigers zurückgewiesen hat:

VV RVG

Antrag

Festsetzung

Grundgebühr in Bußgeldsachen

5100

100,00 EUR

70,00 EUR

Verfahrensgebühr für Verfahren vor

5103

160,00 EUR

110,00 EUR

Verwaltungsbehörde (Geldbuße 60 EUR

- 5.000 EUR)

Verfahrensgebühr für Verfahren vor dem

5109

160,00 EUR

110,00 EUR

Amtsgericht

Mitwirkung am Verfahren zur Vermeidung der

5115

160,00 EUR

-,- EUR

Hauptverhandlung

Pauschale für Post und Telekommunikation

7002

20,00 EUR

20,00 EUR

Gebühr für Akteneinsicht

12,00 EUR

12,00 EUR

Zwischensumme (netto):

612,00 EUR

322,00 EUR

Umsatzsteuer (19%)

7008

116,28 EUR

61,18 EUR

Gesamtsumme (brutto):

728,28 EUR

383,18 EUR

14
Bezüglich der Einzelheiten wird insoweit auf den o.g. Schriftsatz des Verteidigers und die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
15
Gegen diesen, dem Verteidiger am 20.02.2020 zugestellten Beschluss legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 24.02.2020 (Bl. 56 f. d.A.), bei Gericht elektronisch eingegangen am selben Tag, das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ein und begründete diese zugleich. Bezüglich der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den o. g. Schriftsatz Bezug genommen.
II.
1. (Zulässigkeit)
16
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.02.2020 stellt die sofortige Beschwerde gem. §§ 46 OWiG, 464 b StPO, 104 Abs. 3 ZPO das statthafte Rechtsmittel dar.
17
Gegen deren Zulässigkeit bestehen im vorliegenden Falle keine Bedenken. Sie wurde innerhalb der Zwei-Wochenfrist des § 464 b Satz 4 StPO eingelegt.
18
Die Beschwerdesumme (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 304 Abs. 3 StPO) ist überschritten.
2. (Begründetheit)
19
Die sofortige Beschwerde ist im Ergebnis teilweise begründet, soweit das Amtsgericht die Erledigungsgebühr VV RVG 5115 in Höhe von 160,00 EUR (netto) nicht als entstanden angesehen hat.
20
Im Übrigen ist sie hingegen unbegründet.
21
Das Bußgeldverfahren hat durch das RVG eine eigenständige Regelung in §§ 42 und 43 RVG in Zusammenhang mit dem Anhang 5100 bis 5200 VV (Vergütungsverzeichnis) erhalten.
22
Die Gebühr ist für den Wahlverteidiger eine Rahmengebühr, die nach § 14 Abs. 1 RVG nach dem Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen und gegebenenfalls des besonderen Haftungsrisikos des Rechtsanwalts zu bestimmen ist.
23
Aus dem o. g. Vergütungsverzeichnis ergeben sich - für den Wahlverteidiger - im Einzelnen folgende Rahmengebühren:
24
Grundgebühr VV RVG 5100 Verfahrensgebühr VV RVG 5103 Verfahrensgebühr VV RVG 5109 Erledigungsgebühr gem. VV RVG 5115
30,00 - 170,00 EUR
30,00 - 290,00 EUR
30,00 - 290,00 EUR
i. H. der jeweiligen Verfahrensgebühr
25
Während die Grundgebühr (VV 5100) von der Höhe der verfahrensgegenständlichen Geldbuße unabhängig ist, ist die Verfahrensgebühren (VV 5103 und 5109) vorgesehen für Geldbußen zwischen 60,00 EUR und 5.000,00 EUR.
26
Unter Berücksichtigung der o. g. Ausführungen ist hier Folgendes festzuhalten:
27
Der Bußgeldbescheid sah eine Geldbuße in Höhe der nicht erhöhten Regelgeldbuße (BKatV lfd. Nr. 11.3.6.) von 120,00 EUR vor, ferner die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister. Ein Fahrverbot wurde nicht angeordnet.
28
Bei der Festsetzung der Gebühren innerhalb der oben aufgezeigten Gebührenrahmen ist auch deren jeweiliges Spektrum zu sehen, konkret: dass die Grundgebühr Gegenstandswerte bis zu bis zu 50.000,00 EUR und die Verfahrensgebühr Bußgelder bis zu 5.000,00 EUR erfasst. Das verfahrensgegenständliche Bußgeld von 100,00 EUR ist hinsichtlich beider Gebührenrahmen unverkennbar im untersten Bereich angesiedelt (2,4% bzw. 0,24% des jeweiligen Höchstwertes!).
29
Die von der Verteidigung vertretene Auffassung, dass es falsch sei, „aus der Höhe des Bußgeldes zu schließen, dass die Angelegenheit von geringerer Bedeutung sei“ (Schriftsatz vom 24.02.2020, S. 2, Bl. 56 d.A.), wird von der Kammer nicht geteilt. § 14 Abs. 1 RVG nennt als eines von mehreren Beurteilungskriterien die „Bedeutung der Sache“ für den Mandanten. Die Höhe eines drohenden oder verhängten Bußgeldes ist für den Betroffenen ohne jeden Zweifel von Bedeutung, etwa ob es 100,00 EUR oder 1.000,00 EUR sind. Dass der Gesetzgeber die Höhe der Gebühr nicht an die Höhe des Bußgeldes gekoppelt hat, steht dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat das System des Gebührenrahmens gewählt und Kriterien benannt, welche für die Festsetzung der Gebühr heranzuziehen ist.
30
Die genannten Gebührenrahmen sind auch auf Bußgeldverfahren anzuwenden, welche wesentlich umfangreicher und schwieriger sind als das Vorliegende, das bei der erforderlichen objektiven Betrachtung weder als besonders rechtlich schwierig noch als besonders umfangreich eingestuft werden kann.
31
Von dem Verfahrensausgang waren offensichtlich keine Schadensersatzansprüche abhängig.
32
Ein Fahrverbot, das eine besondere Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen begründen könnte, war nicht angeordnet.
33
Die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen ist daher bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung eher als unterdurchschnittlich anzusehen.
34
Zu den einzelnen Gebühren:
(1) Grundgebühr VV RVG 5100
35
Die Grundgebühr entsteht für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall. Ihr Rahmen reicht von 30,00 EUR bis 170,00 EUR und muss sämtliche denkbaren Bußgeldverfahren abdecken, mithin auch solche, in denen ein Bußgeld von 50.000,00 EUR verhängt wurde und welche sehr umfangreich sind, in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten beinhalten.
36
Bei dem vorliegenden Verfahren geht es um einen einfach gelagerten, punktuellen Sachverhalt, der im Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 120,00 EUR sanktioniert wurde, nämlich darum, ob der Betroffene zum Vorfallszeitpunkt Führer des Kraftfahrzeuges war und die zulässige Höchtgeschwindigkeit um 33 km/h überschritten hat.
37
Die Grundgebühr gilt die gesamte Information des Verteidigers ab. Die Akte hatte im Zeitpunkt der erfolgten Akteneinsicht - einschließlich der Schriftsätze des Verteidigers - einen Umfang von 14 Seiten.
38
Die Kammer hält es nach den Beurteilungskriterien des § 14 RVG für zutreffend, der Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen entsprechend und rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht die Grundgebühr mit 70,00 EUR unterhalb der Mittelgebühr (100,00 EUR) festgesetzt hat, die von der Verteidigung beantragte Mittelgebühr hingegen für nicht gerechtfertigt und daher unbillig.
(2) Verfahrensgebühren (Behörde, Gericht) VV RVG 5103, 5109
39
Der für Geldbußen zwischen 60,00 EUR und 5.000,00 EUR gesetzlich vorgesehene Rahmen der Verfahrensgebühren (Verwaltungsbehörde, Gericht) reicht von 30,00 EUR bis zu 290,00 EUR.
40
Nach den genannten gesetzlichen Kriterien des § 14 RVG erachtet die Kammer die vom Amtsgericht mit jeweils unterhalb der Mittelgebühr (160,00 EUR) festgesetzten Verfahrensgebühren von jeweils als angemessen und unter keinem Aspekt zu beanstanden.
41
Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind - im Vergleich mit anderen der Kammer bekannten Bußgeldverfahren - im Ergebnis unter dem Durchschnitt liegend zu bezeichnen.
42
Sie besteht - lt. dem Inhalt der vorliegenden Akte - in dem schriftsätzlichen Einlegen des Einspruches und der gleichzeitigen Beantragung der Akteneinsicht beim Bayerischen Polizeiverwaltungsamt (Bl. 4 d.A.) sowie dem weiteren Schriftsatz vom 13.11.2019 mit Anlagen, mit dem die Einstellung des Verfahrens bei der Bußgeldstelle beantragt wurde (Bl. 23 ff. d.A.).
43
Im gerichtlichen Verfahren wurde mit Schriftsatz vom 11.12.2019 erklärt, dass der Einspruch aufrechterhalten bleibe (Bl. 32 ff. d.A.), zugleich wurden Beweisanträge gestellt, zum Beweis der Tatsache, dass der Betroffene nicht der Fahrer gewesen sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 19.12.2019 wurde der Verfahrenseinstellung konkludent widersprochen in Favorisierung eines Freispruches mit umfassender Kostentragungspflicht der Staatskasse (Bl. 36 ff. d.A.).
44
Zusätzlich zu den bereits oben genannten Kriterien des § 14 RVG wird angemerkt, dass weder ein besonderer zeitlicher Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit noch ein besonderes Haftungsrisiko (§ 14 Abs. 1 Satz 2 RVG) ersichtlich sind.
45
Auch hinsichtlich der beiden Verfahrensgebühren hält die Kammer die vom Amtsgericht unterhalb der jeweiligen Mittelgebühren festgesetzten Gebühren für in jeder Hinsicht angemessen und billig.
zu sämtlichen Gebühren (1) - (2):
46
Würde man in diesem einfach gelagerten Verfahren die Gebühren in der von der Verteidigung beantragten Höhe der Mittelgebühr festsetzen, bestünde für das Ausgangsgericht nicht mehr die Möglichkeit, in tatsächlich umfangreicheren und rechtlich schwierigeren, für den Betroffenen bedeutsameren Verfahren die Gebühren innerhalb der vorgegebenen Gebührenrahmen unter Wahrung der erforderlichen Proportionalität festzusetzen. Die gesetzlich vorgegebenen Gebührenrahmen sind nach der ständigen Rechtsprechung dieser Kammer bei Anwendung der Kriterien des § 14 RVG in ihrem gesamten Spektrum zu sehen, d.h. auch in dem Bereich unterhalb der Mittelgebühr.
47
Der von der Verteidigung vorgetragene Umstand, dass der Betroffene für die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei und deshalb „jeder Punkt und jeder Fall, der zu einem Punkt führen würde, für ihn per se bereits relevant sei“, ist bei der Bestimmung der Gebühr im Rahmen des § 14 RVG nicht heranzuziehen. Die Kammer vertritt - in ihrer ständigen Rechtsprechung - die Auffassung, dass allein der Umstand, dass für die verfahrensgegenständliche Verkehrsordnungswidrigkeit die Eintragung eines oder mehrere Punkte im Punktesystem vorgesehen ist, nicht per se die besondere Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen begründet, sondern nur dann, wenn mit dem/den anzuordnenden Punkt/en unmittelbare Auswirkungen auf den Bestand der Fahrerlaubnis des Betroffenen verbunden sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Laut der eingeholten Auskunft aus dem Fahreignungsregister vom 10.03.2020 ist für den Betroffenen dort lediglich ein Punkt eingetragen.
48
Soweit der Verteidiger in der Begründung des Rechtsmittels (sc. trotz angeblich ausgeübter „größter Zurückhaltung“) ausführt, dass es „mehr als anmaßend sei, dass ein Rechtspfleger, der offensichtlich von der Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit keine Ahnung hat und monatlich sein regelmäßiges Entgelt bekommt, ohne dafür jede einzelne Tätigkeit abrechnen zu müssen“, beschränkt sich die Kammer auf den Hinweis, dass die von dem Rechtspfleger erfolgte Festsetzung der Gebühren der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer entspricht und der Umstand, dass die Gebührenfestsetzung durch das Gericht erfolgt, gesetzlich vorgegeben ist. Auch darf als bekannt vorausgesetzt werden, dass die Kostenfestsetzung stets auf der Grundlage der Akten erfolgt und die im Rahmen des § 14 RVG relevanten Umstände von dem Rechtspfleger zutreffend aus dem Inhalt der Akten festgestellt wurden.
(3) Erledigungsgebühr VV RVG 5115
49
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Würzburg ist die Erledigungsgebühr VV RVG 5115 entstanden und mithin Teil der notwendigen Auslagen des Betroffenen.
50
Das Amtsgericht führt zwar zutreffend aus, dass der Verteidiger die Einstellung des Verfahrens mit Schriftsatz vom 13.11.2019 im Verwaltungsverfahren beantragt hat und dem dort nicht entsprochen wurde, und dass er im gerichtlichen Verfahren einer Einstellung letztlich aus kostenrechtlichen Erwägungen entgegengetreten ist.
51
Nach Auffassung der Kammer ist jedoch zu sehen, dass dem Antrag des Verteidigers auf Einstellung des Verfahrens im Verwaltungsverfahren nicht entsprochen werden konnte, da sein entsprechender Schriftsatz vom 13.11.2019 bei der Verwaltungsbehörde zu einem Zeitpunkt eingegangen ist, als diese die Akte / das Verfahren mit Verfügung vom 05.11.2019 (Bl. 17 d.A.) bereits an die Staatsanwaltschaft W. abgegeben hatte. Der Schriftsatz des Verteidigers vom 13.11.2019 wurde mit Verfügung des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 27.11.2019 (Bl. 22 d.A.) an die Staatsanwaltschaft W. im Nachgang zur Akten übersandt.
52
Die Kammer sieht es als sehr naheliegend an, dass die Bußgeldbehörde das Verfahren auf Grund des anwaltlichen Vortrages in derselben Weise eingestellt hätte, wie es das Amtsgericht mit Beschluss vom 30.12.2019 tat, wenn der anwaltliche Schriftsatz bei der Bußgeldbehörde eingegangen wäre, als das Verfahren dort noch anhängig war.
53
Zugleich ist zu sehen, dass die von dem Verteidiger für die von ihm beantragte Einstellung des Verfahrens vorgetragenen Umstände, Beweismittel und Argumente bis in das gerichtliche Verfahren fortwirkten. Nach Eingang der Akten bei dem Amtsgericht Würzburg am 29.11.2019 sind keine neuen Umstände eingetreten oder Erkenntnisse bekannt geworden, welche für die Einstellung des Verfahrens zusätzlich von Bedeutung hätten sein können.
54
Die Einstellung des Verfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 30.12.2019 beruht, wie sich aus der Aktenzuleitung an die Staatsanwaltschaft W. und deren Zustimmung ergibt, auf dem Vortrag des Verteidigers und den von ihm vorgelegten Dokumente.
55
Dies belegt zur Überzeugung der Kammer, dass die Hauptverhandlung „durch die anwaltliche Mitwirkung“ entbehrlich wurde, was Voraussetzung für das Entstehen der Erledigungsgebühr nach VV RVG 5115 ist.
56
Dem Verteidiger kann hierbei argumentativ nicht entgegengehalten werden, dass er in dem gerichtlichen Verfahren einer Verfahrenseinstellung wegen des dargelegten Kostenrisikos für den Mandanten nicht zugestimmt hat. Dass das Amtsgericht Würzburg bei der Einstellung des Verfahrens auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt hat, stand gem. § 476 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG in dessen Ermessen, war daher nicht zwingend und von dem Verteidiger nicht vorherzusehen.
57
Der Vortrag des Verteidigers in seiner Beschwerdebegründung, er habe mit dem zuständigen Richter telefoniert und hierbei signalisiert, dass mit einer Verfahrenseinstellung Einverständnis bestünde, ist für die Entscheidung über das Entstehen der Erledigungsgebühr nicht mehr entscheidend.
58
Die Erledigungsgebühr ist daher entstanden. Sie fällt stets in der Höhe der Mittelgebühr an und beträgt daher 160,00 EUR (netto).
59
Somit erhöhen sich die dem Betroffenen zu erstattenden notwendigen Auslagen - im Vergleich zu den durch Beschluss des Amtsgerichts Würzburg festgesetzten Kosten um die Erledigungsgebühr i.H.v. 160,00 EUR (netto) zzgl. der Mehrwertsteuer i.H.v. 30,40 EUR, mithin insgesamt um 160,40 EUR auf 573,78 EUR.
III.
60
Die Kostenentscheidung trägt dem anteiligen Erfolg der sofortigen Beschwerde Rechnung (§ 464 b StPO, 97 Abs. 1 ZPO). Der Beschwerdeführer hat zu 55% obsiegt.
61
Der Beschwerdewert errechnet sich aus der Differenz zwischen dem beantragten (728,28 EUR) und dem in den angefochtenen Beschluss festgesetzten Betrag (383,18 EUR) auf 345,10 EUR.