Inhalt

AG Pfaffenhofen, Endurteil v. 14.08.2020 – 1 C 720/19
Titel:

Insolvenzverfahren, Mieter, Erbengemeinschaft, Wohnung, Ablehnung, Miete, Nachlass, Vermieter, Wohnungseigentumsgemeinschaft, Insolvenztabelle, Zeitpunkt, Wohnraummiete, Zinsen, Wiederherstellung

Schlagworte:
Insolvenzverfahren, Mieter, Erbengemeinschaft, Wohnung, Ablehnung, Miete, Nachlass, Vermieter, Wohnungseigentumsgemeinschaft, Insolvenztabelle, Zeitpunkt, Wohnraummiete, Zinsen, Wiederherstellung
Fundstelle:
BeckRS 2020, 60853

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 900,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger macht Wohnraummiete gegen den Beklagten geltend.
2
Zwischen dem Kläger und dem vormaligen Mieter … war am 30.10.2003 ein Mietvertrag über die Wohnung im 1. Stock des Wohnanwesens abgeschlossen worden. Das Mietverhältnis begann am 01.11.2003. Als Miete waren vertraglich 300,- € monatlich vereinbart worden, spätestens zur Zahlung fällig am 15. Werktag des Monats.
3
Streitgegenständlich wird die Miete für Mai bis Juli 2018 geltend gemacht.
4
Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts Ingolstadt vom 06.05.2019 wurde das Insolvenzverfahren über den Nachlass des …, geboren am 17.03.1936, verstorben am 17.05.2018, unter dem Aktenzeichen … eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Beklagte bestellt.
5
Der Kläger ist Eigentümer einer von zwei Wohneinheiten im Anwesen … in …. Weitere Eigentümerin einer zweiten Wohneinheit ist eine Frau …. Daneben ist noch eine gewerbliche Einheit (Ladengeschäft) vorhanden. Diese gehört der Erbengemeinschaft bestehend aus den Erben … und …. Die Erbengemeinschaft ist nicht auseinandergesetzt. Über den Nachlass des … ist das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Erbengemeinschaft ist Rechtsnachfolger nach dem verstorbenen …, wobei die neben Frau … ursprünglich weitere Miterbin … beerbt wurde durch ….
6
Die Heizungsanlage der Wohnungseigentumsgemeinschaft ist aufgrund einer Verfügung des zuständigen Kaminkehrermeisters bzw. des Schreibens des zuständigen Landratsamtes vom 30.07.2015 bzw. 10.02.2015 stillgelegt. Darüber hinaus bestehen erhebliche Sicherheitsmängel. Es ist ein erheblicher Sanierungsrückstau vorhanden.
7
Die Wohnungseigentumsgemeinschaft hatte bis jetzt keinen Beschluss über die Wiederherstellung der Heizungsanlage bzw. die Wiederherstellung der Bewohnbarkeit des Hauses beschlossen.
8
Mit Schreiben des Beklagten vom 25.07.2019 hatte der Beklagte das Mietverhältnis gekündigt. Dieses lautet auszugsweise: „Hiermit kündige ich für die Erbengemeinschaft …/Rechtsanwalt Dr. … als Insolvenzverwalter über den Nachlass … ein etwaig bestehendes Mietverhältnis zwischen Ihnen und der Erbengemeinschaft über die Wohnung im Anwesen … zum nächstmöglichen Termin. Eine Mietzinszahlung wird aus meiner Sicht nach wie vor nicht geschuldet, nachdem die Wohnung sich in keinem bewohnbaren Zustand befindet, insbesondere eine Beheizung nicht möglich ist.“
9
Der Kläger trägt insoweit vor, dass über Jahre hinweg der verstorbene … alles nur Mögliche dafür getan habe, das Anwesen unvermietbar zu machen und zu halten und auch der Beklagte durch die Ablehnung jeglicher Sanierung genau dasselbe machen würde. Die Miterbin … habe dagegen zu jedem Zeitpunkt anerkannt, dass dem Kläger die Mietzahlungen aus Geldern der Erbengemeinschaft … zustünden. Sie habe außerdem uneingeschränkt anerkannt, dass das Anwesen natürlich von der WEG zu sanieren sei, wozu die Erbengemeinschaft Reisner als Teil der WEG ihren Teil beizusteuern habe Die Miterbin … sei jedoch finanziell nicht in der Lage, die dafür notwendigen Zahlungen aus eigener Tasche zu leisten oder vorzuschießen. Insoweit trage der verstorbene Herr … und nach ihm der Beklagte die Alleinschuld an der Tatsache, dass das Anwesen seit Jahren nicht vermietet werden könne. Die Wohnung sei darüber hinaus auch nicht an den Kläger zurückgegeben worden, da dies zu erheblichen Schadensersatzansprüchen führen würde. Die Miterbin … sei daher gegen eine Kündigung des Mietverhältnisses. Die später ausgesprochene Kündigung sei unwirksam, da sie nicht einstimmig von der Erbengemeinschaft ausgesprochen worden sei und der Beklagte für die Erbengemeinschaft nicht handlungsfähig wäre.
10
Der Kläger beantragt zuletzt,
Der Beklagte wird verurteilt, folgende Beträge zugunsten des Klägers zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren gegen den Nachlass nach … (AG Ingolstadt, …) anzuerkennen:
- 300,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.05.2018
- 300,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.06.2018
- 300,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.07.2018.
11
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
12
Der Beklagte habe bereits im Insolvenzantragsverfahren den Kläger darauf hingewiesen, dass ihm keine Mietzahlungsansprüche mehr zustünden und es daher notwendig sei, das Mietverhältnis für die Erbengemeinschat zu kündigen, worauf der Kläger den Beklagten gebeten habe, hiervon abzusehen, da es insoweit Wichtigeres gäbe. Der Beklagte hat das Mietverhältnis gekündigt mit dem Hinweis, dass auch weiterhin keine Miete geschuldet werde, da die Wohnung unvermietbar sei. Seit dem 30.07.2015 würde der Kläger keine Berechtigung mehr haben, Miete zu verlangen, da die Wohnung ab diesem Zeitpunkt sich in einem unvermietbaren Zustand befände und auch keine Möglichkeit bestanden habe, einen Energieausweis zu erlangen. Deswegen hätten auch die ehemaligen Mieter … das Mietverhältnis gekündigt. Der Erbengemeinschaft wäre es auf dieser Grundlage auch nicht möglich, einen anderen Mieter zu finden. Die Erbengemeinschaft würde über keinerlei liquide Mittel verfügen. Bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Ingolstadt sei ein Betrag in Höhe von 84.098,86 € nach Versteigerung hinterlegt, wobei die Erbengemeinschaft sich bisher nicht auf die Verfügungsberechtigung einigen habe können. Desweiteren würde noch eine verbliebene Eigentumswohnung im Objekt … bestehen.
13
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf deren dortigen Vortrag sowie auf die mit den Schriftsätzen übersandten Anlagen als auch auf den Beschluss vom 06.07.2020 (Blatt 44/46 der Akten) vollinhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage war als vollständig unbegründet abzuweisen.
15
Zwischen den Parteien besteht ein weiterhin wirksamer Mietvertrag vom 31.10.2013.
16
Durch die Kündigung als einseitige Willenserklärung des Beklagten war das Mietverhältnis nicht wirksam beendet worden. Die Kündigung war nämlich unstreitig mangels ausreichender Vollmacht des Beklagten, für die weitere Miterbin handeln zu können, unwirksam.
17
Aus dem Mietvertrag ergeben sich für die Vermieterseite vertragliche Hauptleistungspflichten. Der Umfang der Vermieterpflicht besteht in der Überlassung des Mietgegenstands in vertragsgemäßem Zustand und in der Erhaltung des Mietgegenstands während der gesamten Mietzeit in diesem vertragsgemäßen Zustand. Die Erhaltungspflicht ist dabei Hauptleistungspflicht des Vermieters und steht unmittelbar im Synallagma mit dem Anspruch zur Mietzahlung. Dazu gehört neben der Beseitigung von Schäden durch Reparatur (Instandsetzung) vor allem die Instandhaltung, die auf Vermeidung derartiger Schäden und Erhaltung des vertragsgemäßen, insbesondere auch verkehrssicheren Zustands zielt.
18
Gegenständlich ist der Kläger zugleich Vermieter und Eigentümer der Mietwohnung und somit wiederum Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft.
19
Dieser hatte mit dem zwischenzeitlich verstorbenen Herrn … den gegenständlichen Mietvertrag geschlossen.
20
Unstreitig war diese Hauptleistungspflicht des Vermieters, hier also des Klägers, gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden; denn das gesamte Haus ist nicht mehr beheizbar aufgrund der Verfügung des Bezirkskaminkehrers. Daneben besteht noch ein weiterer Sanierungsbedarf, der allerdings hier im Detail dahinstehen kann.
21
Aufgrund der Unmöglichkeit der Hauptleistungspflicht des Vermierters entfällt gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB auch der Anspruch des Klägers auf das im Synallagma stehende Mietentgelt als deren Gegenleistung.
22
Im Folgenden streiten die Parteien nun darüber, wer für diesen Zustand verantwortlich ist.
23
Beide Seiten sind neben dem Umstand, dass sie hier mietvertraglich verbunden sind, zugleich auch noch Mitglieder der Wohnungseigentumsgemeinschaft.
24
Insoweit blockieren sich beide Parteien wechselseitig, zum einen das Mietverhältnis zu beenden und zum anderen dahingehend, die Bewohnbarkeit des Hauses bzw. der vermieteten Wohneinheit wiederherzustellen.
25
Der Kläger lässt in diesem Zusammenhang nichts aus und verweist stets darauf, dass die Schuld allein bei der Beklagtenseite liegen würde.
26
Allerdings liegen hier zwei voneinander getrennte unabhängige Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien zugrunde, zum einen die Mietvertragsbeziehung, zum anderen die Wohnungseigentümergemeinschaft. Dabei hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Infolge dessen ist zwischen diesen beiden Rechtsbeziehungen strickt zu trennen. Umstände in der einen Vertragsbeziehung schlagen demgemäß nicht auf die andere Rechtsbeziehung durch.
27
Daher übersieht der Kläger, dass er, wie oben bereits ausgeführt, als Vermieter eine Hauptleistungspflicht im Rahmen des Mietvertrages zu erfüllen hat, die streitgegenständlich für ihn unmöglich erbracht werden kann.
28
Der Verweis darauf, die Beklagtenseite sei aufgrund ihrer Verweigerungshaltung allein an dieser Situation schuld, hilft ihm dabei nicht weiter. Vielmehr muss der Kläger als Vermieter, um seinen synallagmatischen Anspruch auf Mietzahlung weiterhin zu erhalten, tätig werden, notfalls eben gerichtliche Maßnahmen gegen die Beklagtenseite als Mitglied der WEG herbeiführen, eben nicht in ihrer Funktion als Mieter, sondern in ihrer Funktion als Mitglied der Wohnungseigentumsgemeinschaft. Der Kläger als Wohnungseigentümer muss daher nach hier vertretener Ansicht zwingend im Rahmen aller rechtlichen Möglichkeiten die Wohnungseigentumsgemeinschaft dazu bringen, dass er als Vermieter seiner Hauptleistungspflicht aus dem Mietverhältnis gerecht werden kann, insbesondere die Bewohnbarkeit seiner vermieteten Wohneinheit wiederherzustellen. Welche Maßnahmen hier zu treffen sind, obliegt dabei allein dem Kläger als Vermieter. Dieser kann jedoch nicht allein mit Verweis darauf, dass die Mieterseite in ihrer Stellung als Wohnungseigentümer im Rahmen des Wohnungseigentums entsprechende Mitwirkungshandlungen unterlässt, weiterhin Miete fordern, obwohl er selbst seiner Verpflichtung als Vermieter gegenüber dem Beklagten als Mieter nicht gerecht wird. Insoweit vermengt der Kläger die beiden Rechtsbeziehungen unzulässigerweise, die nach hier verstandener Auffassung jedoch voneinander getrennt zu betrachten sind; denn hier ist es reiner Zufall, dass die Parteien in zwei Rechtsverhältnissen gleichzeitig sind.
29
Bei gesonderter Betrachtung führt die Abwägung entgegen der Auffassung der Klägerseite gegenständlich dazu, dass der Kläger seiner Verpflichtung als Vermieter nicht in ausreichendem Maß nachkommt und dies gerade auf ein Verschulden des Klägers als Vermieter zurückzuführen ist Dieser unterlässt es, rechtlich gegen die Wohnungseigentumsgemeinschaft vorzugehen, um die Bewohnbarkeit, insbesondere die Beheizbarkeit, der von ihm vermieteten Wohneinheit wiederherzustellen. Dabei handelt es sich letztlich allein um seine ureigenste Vermieterpflicht. Dass der Beklagte zugleich die Funktion des Mieters in dieser Rechtsbeziehung innehat, entschuldigt den Kläger als Vermieter insoweit nicht; denn die Erhaltung und notfalls Wiederherstellung der Bewohnbarkeit des Mietobjekts obliegt allein dem Vermieter.
30
Aufgrund der Tatsache, dass der Vermieter allerdings gegenständlich keinerlei Maßnahme unternimmt, notfalls unter Zuhilfenahme der Gerichte, um mindestens die Beheizbarkeit seiner Wohneinheit wiederherzustellen, hat er die fehlende Bewohnbarkeit zu vertreten, so dass der im Synallagma stehende Mietzahlungsanspruch gem. § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt.
31
Der Kläger hat damit gegen den Beklagten keinen Mietzahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe für die Monate Mai bis Juli 2018.
32
Die Klage war daher als unbegründet zugleich mit den geltend gemachten Verzugszinsen abzuweisen.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.