Inhalt

OLG München, Verfügung v. 05.03.2020 – 28 U 1694/19 Bau
Titel:

Behinderung, Berufung, Leistungen, Bauvertrag, Wartezeit, Bauvorhaben, Leistung, Ersatzvornahme, Auftragnehmer, Anspruch, Einheitspreis, Werklohn, Darlegung, Werklohnforderung, erstinstanzliche Entscheidung, hinreichende Darlegung, fehlende Erfolgsaussicht

Schlagworte:
Behinderung, Berufung, Leistungen, Bauvertrag, Wartezeit, Bauvorhaben, Leistung, Ersatzvornahme, Auftragnehmer, Anspruch, Einheitspreis, Werklohn, Darlegung, Werklohnforderung, erstinstanzliche Entscheidung, hinreichende Darlegung, fehlende Erfolgsaussicht
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 19.03.2019 – 11 O 11338/18
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 07.04.2020 – 28 U 1694/19 Bau
Fundstelle:
BeckRS 2020, 60731

Tenor

Hinweis:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 19.03.2019, Az. 11 O 11338/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Entscheidungsgründe

1. Endurteil des Landgerichts
1
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 41.349,67 Euro verurteilt und die darüber hinausgehende Klage abgewiesen.
2
Der Kläger habe die Beklagte mit Stahlbau- und Schlosserarbeiten für ein Bauvorhaben am A. in München unter Einbeziehung der VOB/B beauftragt; diesen Bauvertrag habe die Klägerin mit Schreiben vom 16.05.2017 gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 4 VOB/B gekündigt. Da die Beklagte mit der Vollendung der Leistung in Verzug geraten sei und sich hinsichtlich der verspäteten bzw. letztendlich nicht erfolgten Fertigstellung nicht auf Behinderungen berufen könne, stehe der Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Drittausführung in Höhe von 87.382,85 € zu.
3
Der Beklagten stünde aus der Schlussrechnung noch eine einredefreie Restwerklohnforderung in Höhe von 46.033,18 € brutto zu, mit der die Klägerin jedoch aufgerechnet habe. Die Beklagte sei daher zur Zahlung der Differenz aus der Schlussrechnung und den klägerischen Ansprüchen zu verurteilen.
2. Berufung
4
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte im vollen Umfang der Verurteilung.
5
Begehrt wird weiterhin vollständige Klageabweisung gemäß den Anträgen erster Instanz. Das Erstgericht sei zu Unrecht von einer wirksamen Kündigung gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B ausgegangen. Zudem habe das Erstgericht Rechtsnormen nicht richtig angewandt, verfahrensfehlerhaft maßgeblichen Sachvortrag der Beklagten übergangen, erforderliche Beweise nicht erhoben und Hinweispflichten verletzt. Im Ergebnis wäre die Klage vollständig abzuweisen gewesen.
Im Einzelnen:
6
a) Die von der Klägerin ausgesprochene fristlose Kündigung sei unwirksam.
7
Die Beklagte habe die von der Klägerin behauptete Verzögerung in der Ausführung der ihr übertragenen Leistungen nicht zu vertreten, da die Beklagte bis zur Kündigung des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses in der Fertigstellung der ihr übertragenen Arbeiten behindert gewesen sei. Ein Verzug der Beklagten mit der Vollendung der ihr übertragenen Leistungen habe nicht vorgelegen. Die Klägerin müsse sich an den geänderten Bauzeitenplan vom 08.04.2016 festhalten lassen (Anlage B 5).
- Hinsichtlich der Behinderung der Beklagten durch die geänderte Befestigung der Brüstungsbleche, durch die Erhöhung der Balkongeländer und durch die Änderung der Qualität der Brüstungsbleche habe das Erstgericht die seitens der Beklagten angebotenen Beweise rechtsfehlerhaft nicht erhoben und den diesbezüglichen Sachvortrag nicht berücksichtigt. Hätte es dies getan, so hätte das Erstgericht zwingend zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass vor dem 17.10.2016 an die Montage der Brüstungsbleche einschließlich Balkongeländer für die westseitigen Balkone von Haus 1 und 2 nicht zu denken gewesen war, weil zu diesem Zeitpunkt noch die Pflasterer die ihnen übertragenen Arbeiten ausführten und sich auf den betonierten Balkonrüstungen noch provisorische Absturzsicherungen befanden. Die Pflasterarbeiten auf den streitgegenständlichen Balkonen hätten bis einschließlich 17.11.2016 angedauert, sodass es während dieser Zeit für die Beklagte auch nicht möglich gewesen sei, die Glastrennwände für die streitgegenständlichen Balkone zu setzen, da diese die Pflasterer in Ausführung der ihnen übertragenen Arbeiten behindert hätten.
8
Die Annahme des Erstgerichts, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Mittel zu beschaffen, welche sie für die Ausführung der ihr übertragenen Arbeiten benötige, sei unzutreffend. Die - 3 - Ausführung eines Gerüst für den eigenen Gebrauch habe die Beklagte lediglich bis zu einer Höhe von 2 m über Gelände bzw. Fußboden geschuldet.
- Aus dem erstinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten sei ersichtlich, dass die Behinderung der Beklagten in der Ausführung der ihr übertragenen Arbeiten bis einschließlich 31.12.2016 fortbestanden habe. Die Ausführungen des Erstgerichts, dass in der Fertigstellung der Außenanlagen für das streitgegenständliche Bauvorhaben kein Behinderungstatbestand zu sehen sei, sei rechtsfehlerhaft. Die Klägerin habe gegen ihre Koordinationspflicht verstoßen, indem sie die Außenanlagen fertig stellen ließ, obgleich die Beklagte die Glastrennwände noch auf die Balkone zu heben hatte. Der Klägerin sei spätestens seit August 2016 bekannt gewesen, dass ein Einheben der Glastrennwände im Hinblick auf die vorgezogene Fertigstellung der Außenanlage nicht möglich sei, ohne diese zu beschädigen.
- Auch in der Ausführung der ihr übertragenen Nassbeschichtungsarbeiten an den Balkongeländern sei die Beklagte behindert gewesen; die Klägerin habe nicht für die Zugänglichkeit der Balkone gesorgt. Auf den Vortrag der Beklagten zur Behinderung in der Ausführung der Nassbeschichtungsarbeiten, welche wie auch die Behinderung beim Einheben der Balkontrennwände bis zur Kündigung des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses gemäß Schreiben vom 16.05.2017 andauerte, sei das Erstgericht nicht eingegangen. Dabei habe die Klägerin mit ihrem Verhalten in erheblichem Maße gegen ihre Kooperationspflicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Bauvertrag verstoßen. Die Beklagte sei daher mit der Ausführung der ihr übertragenen Leistungen bis zur Kündigung des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses behindert gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die Kündigung unwirksam.
- Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sei eine bauablaufbezogene Darstellung der Behinderungstatbestände nicht erforderlich. Insbesondere lägen hier nicht nur singuläre Ereignisse vor, welche jeweils für ein gewisses Zeitfenster zu einer Verzögerung geführt hätten. Vielmehr bauten die hier vorliegenden Behinderungstatbestände aufeinander auf bzw. lösten sich ab. Eine hinreichend bauablaufbezogene Darstellung läge im Übrigen in den erstinstanzlichen Schriftsätzen vor. Das Erstgericht habe daher zu Unrecht eine Behinderung der Beklagten in der Ausführung der ihr übertragenen Arbeiten verneint. Ferner habe es zu Unrecht den Sachvortrag der Beklagten im Hinblick auf die geforderte bauablaufbezogene Darstellung für unzureichend erachtet. Die erstinstanzliche Entscheidung beruhe daher auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung. Soweit Vortrag zwischen den Parteien streitig gewesen sei, hätte das Erstgericht hierüber Beweis erheben müssen.
9
b) Schließlich habe das Erstgericht die Kosten für die Fertigstellung der streitgegenständlichen Arbeiten fehlerhaft ermittelt.
- Hinsichtlich der Kosten der Firma S. M. GmbH habe das Erstgericht zu Unrecht die Kosten gemäß Rechnung vom 20.10.2017 in voller Höhe angesetzt. Die geltend gemachten Massen seien ebenso wenig nachvollziehbar wie der in Rechnung gestellte Einheitspreis. Dies sei bereits erstinstanzlich gerügt worden. Zu den Grundlagen der Rechnungen habe die Klägerin nichts vorgetragen. Im Übrigen sei schon erstinstanzlich gerügt worden, dass es bereits nach der eigenen Auffassung der Klägerin nicht erforderlich gewesen sei, die Nasslackierarbeiten von einer Hebebühne auszuführen. Diesem Vortrag hätte das Erstgericht nachgehen müssen.
- Hinsichtlich der Kosten der Firma A. Fensterbau GmbH sei bereits erstinstanzlich gerügt worden, dass auch hier die geltend gemachte Forderung nicht nachvollziehbar sei. Es sei unklar, auf welcher Grundlage die Firma A.Fensterbau GmbH die Kosten für die nachträgliche Montage der streitgegenständlichen Balkontrennwände ermittelt habe. Es sei der Beklagten daher nicht möglich gewesen, substantiiert zu den geltend gemachten Kosten Stellung zu nehmen. Die Vertragsgrundlagen hätten durch die Klägerin vorgetragen werden müssen.
- Nicht nachvollziehbar sei zudem die Auffassung des Erstgerichts, die Beklagte müsse die Kosten für die Wartezeit des Krans und die Kosten für die Freiräumarbeiten bezahlen. Diese Kosten seien auf ein Organisationsverschulden der Klägerin zurückzuführen und könnten daher der Beklagten nicht in Rechnung gestellt werden.
10
c) Im Übrigen habe das Erstgericht auch die Werklohnforderung der Beklagten fehlerhaft ermittelt.
11
Soweit das Erstgericht ausgeführt habe, die Beklagte habe die streitigen laufenden Meter hinsichtlich der Brüstungsbleche (Pos. 2.1.10 und Pos. 2.1.19) nicht unter Beweis gestellt, sei dies unzutreffend, da bereits in der Klageerwiderung erstinstanzlich hierfür ein Sachverständigengutachten angeboten worden sei.
12
Anschlussberufung der Klägerin Mit ihrer Anschlussberufung verfolgt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zu einer weiteren Zahlung von 9.360,94 € zuzüglich Zinsen gemäß ihren Anträgen erster Instanz weiter.
13
Das Erstgericht habe die Schadensersatzanteile von 4.240,68 € für die Wiederherstellung der Außenanlagen und für den Aufwand, den die Klägerin für eine Montage der provisorischen Zwischentrennwände getragen hat, in Höhe von 5.150,26 € zu Unrecht nicht zugesprochen.
3. Rechtliche Einschätzung des Senats
14
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
15
Entscheidungserhebliche Fehler des Landgerichts bei der Tatsachenfeststellung, Beweisaufnahme und Beweiswürdigung sind nach eigenständiger Überprüfung und Bewertung des Senats nicht festzustellen, so dass der Senat hieran nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das weitere Verfahren gebunden ist. Diese Bindung entfiele nur dann, wenn die Feststellungen des Landgerichts offensichtlich lückenhaft, widersprüchlich oder unzutreffend wären (BGH WM 2015, 1562) und somit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit wecken würden (BGH NJW 2003, 3480).
16
1. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B zugestanden hat.
17
Die Klägerin hat den Bauvertrag wirksam außerordentlich nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 VOB/B iVm § 5 Abs. 4 VOB/B wegen Verzugs der Beklagten mit der Vollendung der Leistung gekündigt.
18
Etwaige Behinderungen kann die Beklagte nicht erfolgreich geltend machen. Es fehlt insofern an einer substantiierten bauablaufbezogenen Darstellung der jeweiligen Behinderung.
19
a) Bei Kündigung wegen einer Bauzeitverzögerung gemäß § 5 Abs. 4, § 8 Abs. 3 VOB/B muss der Auftraggeber den Verzögerungstatbestand darlegen und beweisen. Dies ist der Klägerin als Auftraggeberin vorliegend gelungen.
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aa) Das Landgericht hat hierzu in den Entscheidungsgründen folgendes ausgeführt:
„b) Im vorliegenden Fall ist die Beklagte mit der Vollendung der Leistung in Verzug geraten. aa) Zwischen den Parteien war vertraglich vereinbart, dass die Beklagte mit der Ausführung der Arbeiten spätestens am letzten Werktag der Kalenderwoche 11/2016 beginnt und die Ausführung spätestens am letzten Werktag der Kalenderwoche 30/2016 beendet (…).
bb) Diese - verbindlich als Vertragsfristen - vereinbarten Fristen hat die Beklagte unstreitig nicht eingehalten.
cc) Die Beklagte hat allerdings auch die verlängerten Fristen der Klägerin nicht eingehalten und die Arbeit nicht bis 13.11.2016 fertiggestellt.
Vielmehr hat die Beklagte letztendlich die Leistungen überhaupt nicht fertiggestellt.
(1) (…)
(2) Soweit die Klägerin allerdings neue Bauzeitpläne herausgegeben hat, die sich auf den Ausführungsbeginn der Arbeiten bezogen haben und diesen nach hinten verlegt haben, muss sie sich an diesen festhalten lassen: Unstreitig ist insofern, dass sich aus den aktualisierten Bauzeitplänen der Klägerin ergibt, dass diese einen Beginn der Arbeiten der Beklagten für den 17.05.2016 vorsahen (…) - also Kalenderwoche 20/2016. An diesem Tag begann die Beklagte auch mit den Arbeiten, früher brauchte sie nicht beginnen. Aus dem Beginn der Arbeiten an dem Tag, an dem der aktualisierte Bauzeitenplan der Klägerin den Beginn vorsieht, ergibt sich, dass die Beklagte diesen Plan akzeptierte und somit auch wiederum die Ausführungsfrist von 20 Kalenderwochen. Dass die Beklagte die Ausführungsdauer von 20 Kalenderwochen aufgrund der Verschiebung (z. B. witterungsbedingt oder wegen bereits angenommener anderer Aufträge) nicht mehr einhalten konnte, hat sie selbst nicht behauptet.
(3) Die Klägerin (Anmerkung des Senats: gemeint Beklagte) hätte die Arbeiten also bis Kalenderwoche 41/2016 ausführen müssen, weil die Parteien eine Ausführungsdauer von 20 Wochen vereinbart hatten. Hinzu kommen 4 Wochen, die die Klägerin der Beklagten zugesteht für die notwendige Umplanung betreffend die Erhöhung der Balkongeländer jeweils im 4. Obergeschoss, so dass sich eine Ausführung bis Ende der 45. Kalenderwoche 2016, also bis 13.11.2016, ergibt.“
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bb) Diese Feststellungen des Landgerichts, dass der Bauzeitplan vom 08.04.2016, Anlage B 5, die Parteien gebunden hat, dass die Arbeiten danach zum 13.11.2016 fertiggestellt werden müssen, sowie, dass die Beklagte die Arbeiten weder zum 13.11.2016, noch überhaupt fertiggestellt hat, wurden weder mit der Berufung noch mit der Anschlussberufung angegriffen und begegnen auch sonst keinen Bedenken.
22
cc) Damit steht der Verzug der Beklagten mit der Leistungserbringung fest.
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b) Der Beklagten als Auftragnehmerin ist es nicht gelungen, substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass sie an der rechtzeitigen Erbringung ihrer Leistung schuldlos verhindert war. Insbesondere kann sie sich diesbezüglich nicht auf sogenannte Behinderungen berufen.
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aa) Der Auftragnehmer muss nach allgemeinem Recht nachweisen, dass er im Rahmen einer bestimmten dargelegten Zeit seine Leistung rechtzeitig erbracht hat bzw. schuldlos daran verhindert war. Letzteres gilt auch für die Frage, ob ihm ggf. einer der in § 6 Abs. 2 VOB/B - 7 - genannten Gründe zugute kommt und er die Behinderung ordnungsgemäß angezeigt hat bzw. diese Anzeige wegen Offenkundigkeit entbehrlich war (Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 20. Aufl., § 8 Abs. 3 VOB/B Rn 30).
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Für eine schlüssige Darlegung von Behinderungen durch den Auftraggeber ist es grundsätzlich nicht ausreichend, lediglich eine oder mehrere Pflichtverletzungen vorzutragen. Der Auftragnehmer muss vielmehr substantiiert zu den dadurch entstandenen Behinderungen seiner Leistung vortragen. Dazu ist in der Regel eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung unumgänglich. Demjenigen Auftragnehmer, der sich durch Pflichtverletzungen des Auftraggebers behindert fühlt, ist es zuzumuten, eine aussagekräftige Dokumentation zu erstellen, aus der sich die Behinderung sowie deren Dauer und Umfang ergeben. Ist ein Auftragnehmer mangels einer ausreichenden Dokumentation der Behinderungstatbestände und der sich daraus ergebenden Verzögerungen zu einer den Anforderungen entsprechenden Darstellung nicht in der Lage, geht dies grundsätzlich nicht zu Lasten des Auftraggebers (BGH, Urteil vom 21.3.2002 - VII ZR 224/00 -, juris).
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bb) Das Erstgericht hat diesbezüglich folgendes ausgeführt:
„Erforderlich für eine hinreichende Darlegung ist eine sogenannte bauablaufbezogene Darstellung. Unter einer konkreten bauablaufbezogenen Darstellung ist dabei grundsätzlich die konkrete Gegenüberstellung vom Soll-Ablauf zum Ist-Ablauf zu verstehen. Dabei ist jede Veränderung vom ursprünglichen bis zum letzten endgültigen Ablaufplan zu betrachten und auszuwerten. Jede konkrete Behinderung bzw. zeitliche Veränderung ist separat im Hinblick auf Ursache und die jeweils konkreten Auswirkungen zu beurteilen und darzulegen. Der jeweils gewonnene Ist-Plan ist als neuer Soll-Plan für die Betrachtung der nächsten Veränderung zugrunde zu legen.“
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Diesen zutreffenden Ausführungen des Landgerichts schließt sich der Senat an.
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cc) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn, wie hier, im Rahmen eines Anspruchs nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vom Auftragnehmer eingewendet wird, er sei schuldlos aufgrund von Behinderungen durch den Auftraggeber an der rechtzeitigen Erbringung seiner Leistung gehindert gewesen. Warum die genannten Grundsätze vorliegend nicht zur Anwendung kommen sollen, sondern nur im Rahmen von Entschädigungsansprüchen in Folge eines gestörten Bauablaufs, erschließt sich dem Senat nicht. Die Berufungsführerin nennt hierfür auch keine einschlägigen Entscheidungen, aus denen sich die Nichtanwendbarkeit ergäbe.
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dd) Hieran ändert auch der Vortrag der Berufungsführerin, die Behinderungstatbestände hätten sich überlappt bzw. hätten sich jeweils abgelöst und so eine einzige große Behinderung dargestellt, nichts. Gründe dafür, warum dann etwas anderes gelten und eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung entbehrlich sein sollte, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.
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ee) Ebenso wenig verfängt der Hinweis der Berufungsführerin auf die Koordinationspflicht der Klägerin als Auftraggeberin. Letztlich wird damit geltend gemacht, die Klägerin habe eine Pflichtverletzung begangen, die zu einer Behinderung der Beklagten geführt habe und diese an der fristgerechten Erbringung ihrer Leistung gehindert haben soll. Auch hier ist jedoch eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung gemäß den oben dargelegten Grundsätzen erforderlich.
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(1) Ohne Erfolg bringt die Berufung in diesem Zusammenhang vor, die Annahme des Erstgerichts, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, ein über 2 m hinausgehendes Gerüst für die Ausführung der ihr übertragenen Arbeiten zu beschaffen, sei unzutreffend.
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Es kommt insoweit nicht darauf an, ob es Aufgabe der Klägerin oder der Beklagten war, das Gerüst zu stellen, da es, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, auch hinsichtlich der diesbezüglich durch die Beklagte vorgebrachten Behinderung schon an der notwendigen hinreichend substantiierten bauablaufbezogenen Darstellung der behaupteten Behinderung fehlt.
33
Weitere Ausführungen des Senats hierzu erübrigen sich daher.
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(2) Ebenso verhält es sich mit dem Einwand der Beklagten, die Ausführungen des Erstgerichts, dass in der Fertigstellung der Außenanlagen für das streitgegenständliche Bauvorhaben kein Behinderungstatbestand zu sehen sei, seien rechtsfehlerhaft.
35
Auch hier hat das Landgericht vorab festgestellt, dass es schon an der notwendigen substantiierten bauablaufbezogenen Darstellung des geltend gemachten Behinderungstatbestandes fehlt. Es kann daher auch hier letztlich dahingestellt bleiben, ob in der Fertigstellung der Außenanlagen durch die Klägerin tatsächlich eine Behinderung zu sehen ist oder nicht.
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(3) Auch der Einwand der Berufungsführerin, sie sei in der Ausführung der ihr übertragenen Nassbeschichtungsarbeiten an den Balkongeländern behindert gewesen, da die Klägerin nicht für die Zugänglichkeit der Balkone gesorgt habe, verfängt nicht.
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Auch hier fehlt es an einer entsprechenden substantiierten bauablaufbezogenen Darstellung der behaupteten Behinderung. Der Vortrag, die Klägerin habe doch gegen ihre Kooperationspflicht aus dem Bauvertrag verstoßen, begründet lediglich eine mögliche Pflichtverletzung der Klägerin, die zur Behinderung der Beklagten hinsichtlich der fristgerechten Erbringung ihrer Leistung geführt haben soll, ersetzt jedoch nicht die erforderliche substantiierte bauablaufbezogene Darstellung der Behinderung (vgl. oben).
38
c) Das Erstgericht hat zutreffend und frühzeitig im Verfahren auf das Erfordernis der bauablaufbezogenen Darstellung der geltend gemachten Behinderungen hingewiesen.
39
Ein sich an diesen Grundsätzen orientierender Sachvortrag der Beklagten erfolgte jedoch weder erstinstanzlich, noch in der Berufungsbegründung. Mangels hinreichend substantiierter bauablaufbezogener Darstellung der behaupteten Behinderungen war das Erstgericht weder gehalten, auf den Sachvortrag näher einzugehen, noch war eine Beweiserhebung hierzu veranlasst.
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d) Die Feststellungen des Landgerichts zu den weiteren Anspruchsvoraussetzungen wurden weder mit der Berufung, noch mit der Anschlussberufung angegriffen und sind auch sonst nicht zu beanstanden.
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2. Ohne Erfolg rügt die Berufung, das Erstgericht habe die Kosten für die Fertigstellung der streitgegenständlichen Restarbeiten fehlerhaft ermittelt.
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a) Liegen die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B - wie hier - vor, ist der Auftraggeber berechtigt, den noch nicht vollendeten Teil der Leistung zu Lasten des Auftragnehmers durch einen Dritten ausführen zu lassen.
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Dies bedeutet, dass der Auftragnehmer verpflichtet ist, dem Besteller die Differenz zwischen den fiktiven Kosten der Fertigstellung nach Maßgabe der Vergütungsvereinbarung des gekündigten Vertrags einerseits und denjenigen Kosten andererseits zu erstatten, die der Besteller für die Fertigstellung durch Dritte aufwenden muss. Den Fertigstellungskosten muss also stets die fiktive Restvergütung des gekündigten Unternehmers gegengerechnet werden. Im Rahmen des Mehrkostenanspruchs des § 8 Abs. 3 VOB/B können nur diejenigen Kosten erstattet verlangt werden, die vom beauftragten Dritten gegenüber dem Auftraggeber tatsächlich auch abgerechnet wurden. Für die Erstattungsfähigkeit von Fremdnachbesserungskosten ist auch im Rahmen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B darauf abzustellen, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr für angemessen halten durfte. Der Höhe nach ist der Besteller gehalten, die Aufwendungen für die Fertigstellung in vertretbaren Grenzen zu halten. Als erforderlich können nur solche Aufwendungen gelten, die der Auftraggeber im Zeitpunkt der Ersatzvornahme als vernünftig und wirtschaftlich denkender Bauherr unter Berücksichtigung von Zeitdruck und Bauvolumen aufwenden durfte als vertretbare Maßnahme zur Vollendung der Bauleistung.
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Die Beweislast für Verstöße des Auftraggebers gegen diese Pflichten liegt beim Auftragnehmer. Die Anforderungen an den schlüssigen Vortrag eines Anspruchs auf Ersatz der Mehrkosten der Fertigstellung hängen von den Umständen der Vertragsabwicklung und der Ersatzvornahme ab. Sie bestimmen sich danach, welche Angaben dem Auftraggeber möglich und zumutbar sind, sowie nach den Kontroll- und Informationsinteressen des Auftragnehmers. Insbesondere muss der Auftragnehmer nachvollziehen können, ob Mehrmengen, geänderte/zusätzliche Leistungen oder Mängelbeseitigungsarbeiten ausgeführt wurden (BeckOK VOB/B, Jansen/Kandel/Preussner, 37. Edition, VOB/B § 8 Abs. 3 Rn. 22 ff).
45
b) Soweit die Berufung rügt, das Erstgericht habe zu Unrecht die Kosten der Firma S. M. GmbH gemäß Rechnung vom 20.10.2017 in voller Höhe angesetzt, greift dies nicht durch.
46
aa) Insbesondere der Einwand, die geltend gemachten Massen seien nicht nachvollziehbar, verfängt nicht.
47
(1) Mit Schriftsatz vom 30.11.2018 (dort S. 21 = Bl. 92 d. A.) hat die Beklagte zu der Rechnung der M. S. M.GmbH erstinstanzlich zuletzt folgendes vorgetragen: „1. M. S. M. GmbH:
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Es ist richtig, dass auch auf der Ostseite des streitgegenständlichen Bauvorhabens noch Geländer zu lackieren waren.
49
Die hiermit einhergehenden Mehrkosten kann die Klägerin von der Beklagten jedoch nicht verlangen, da die Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Bauvertrages unwirksam ist.“
50
Weiterer Vortrag hierzu erfolgte erstinstanzlich nicht mehr. Die Beklagte hat damit zuletzt die abgerechneten Massen unstreitig gestellt. Angesichts dieses erstinstanzlich zuletzt erfolgten Vortrags ist der nunmehrige Berufungsangriff, die geltend gemachten Massen seien nicht nachvollziehbar, als neues Verteidigungsmittel gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zu präkludieren.
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(2) Selbst wenn das Vorbringen aber zu berücksichtigen wäre, würde es der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.
52
Denn die in der Rechnung der M. S. M. GmbH (Anlage K 11) abgerechneten laufenden Metern von insgesamt 461,80 m sind sogar weniger als die sich aus dem Angebot der Beklagten (Anlage K 1) ergebenden laufenden Metern für die Balkongeländer Balkone Ostseite von 87,00 und Balkongeländer Balkone Westseite angesetzten 380,00 (insgesamt 467,00).
53
Warum die in der Rechnung K 11 angegebenen 461,80 m nicht nachvollziehbar sein sollen, erschließt sich dem Senat vor diesem Hintergrund nicht.
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bb) Auch das Vorbringen der Berufung, der in Rechnung der M. S. M. GmbH angesetzte Einheitspreis sei nicht nachvollziehbar, sowie das Benutzen einer Hebebühne sei nicht notwendig gewesen, verfängt letztlich nicht.
55
(1) Denn wie bereits dargelegt, gelten solche Aufwendungen als erforderlich und damit ersatzfähig, die der Auftraggeber im Zeitpunkt der Ersatzvornahme als vernünftig und wirtschaftlich denkender Bauherr unter Berücksichtigung von Zeitdruck und Bauvolumen als vertretbare Maßnahmen zur Vollendung der Bauleistung aufwenden durfte. Die Beweislast dafür, dass der Auftraggeber gegen seine Pflicht, vernünftig und wirtschaftlich zu denken und nur vertretbare Maßnahmen zur Vollendung der Bauleistung in Auftrag zu geben, verstoßen hat, liegt beim Auftragnehmer.
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(2) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Einheitspreis von 50,00 €, den die M. S. M. GmbH für die Nasslackierung angesetzt hat, im Verhältnis zu dem aus dem Angebot der Beklagten ersichtlichen Einheitspreis für die Herstellung, Lieferung und Nasslackierung der Balkongeländer von insgesamt 132,00 € nicht zu beanstanden. Dass die Klägerin mit der Beauftragung der M. S. M. GmbH zu einem Einheitspreis von 50,00 € gegen ihre Pflicht, vernünftig und wirtschaftlich zu denken und nur vertretbare Maßnahmen zu beauftragen, verstoßen hat, ist weder ersichtlich, noch von der Beklagten substantiiert dargelegt.
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(3) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin die M. S. M. GmbH beauftragt hat, die Malerarbeiten, wie von dieser vorgeschlagen, mittels einer Hebebühne auszuführen. Ein Verstoß gegen die Pflicht der Klägerin, die Ersatzmaßnahme unter Zugrundelegung von vernünftigen und wirtschaftlichen Erwägungen zu beauftragen, ist weder ersichtlich, noch von der Beklagten substantiiert dargelegt. Es ist schon gar nicht vorgetragen, dass die Ausführung mittels einer Hebebühne im Ergebnis teurer wäre, als die von der Beklagten angesetzte Ausführung von innen.
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(4) Dass der Leistungsinhalt nicht dem von der Beklagten geschuldeten entspreche oder dass die Klägerin die Werklohnforderung tatsächlich nicht bezahlt habe, wurde im Übrigen weder eingewendet, noch ist dies sonst ersichtlich.
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c) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Berufung, die angesetzten Kosten der Firma A. Fensterbau GmbH seien nicht nachvollziehbar.
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aa) Die Klägerin hat hierzu erstinstanzlich als Anlage K 12 die Rechnung der Firma A. Fensterbau GmbH vorgelegt, aus der sich für Lieferung und Montage von 29 Stück Balkontrennwänden ein Betrag in Höhe von 44.510,00 € ergibt. Dies entspricht in etwa dem auch von der Beklagten für Lieferung und Montage von 29 Stück angesetzten Wert. Dass die Klägerin gegen ihre Pflicht, die Ersatzmaßnahme nur unter Zugrundelegung von vernünftigen und wirtschaftlichen Erwägungen zu beauftragen, verstoßen hat, wurde seitens der Beklagten weder substantiiert dargelegt, noch ist dies sonst ersichtlich.
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Zu Recht hat das Landgericht daher diesbezüglich ausgeführt, dass die Beklagte konkrete Einwendungen gegen diesen Ansatz vorbringen hätte müssen.
62
bb) Unter Anwendung der genannten Grundsätze, insbesondere unter Berücksichtigung des Zeitdrucks und des Bauvolumens, durfte die Klägerin der Beklagten auch die Wartezeit des Krans und die Kosten für die Freiräumarbeiten auf den Balkonen in Rechnung stellen. Dass die Klägerin gegen ihre Pflicht, die Ersatzmaßnahme nur unter Zugrundelegung von vernünftigen und wirtschaftlichen Erwägungen zu beauftragen, verstoßen hat, wurde seitens der Beklagten weder substantiiert dargelegt, noch ist dies sonst ersichtlich. Soweit die Beklagte einwendet, diese Kosten seien allein auf ein Organisationsverschulden der Klägerin zurückzuführen, kann sie damit nicht durchdringen. Wie bereits oben umfassend dargestellt, hat sie nicht hinreichend substantiiert bezogen auf den Bauablauf dargestellt, dass sie durch eine Pflichtverletzung der Klägerin, nämlich das vorzeitige Herstellen der Außenanlagen, an einer rechtzeitigen Erbringung der Leistung gehindert war.
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3. Ohne Erfolg bringt die Berufung schließlich vor, das Erstgericht habe auch die Werklohnforderung der Beklagten fehlerhaft ermittelt.
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Zwar ist es zutreffend, dass bereits in der Klageerwiderung erstinstanzlich ein Sachverständigengutachten für die streitigen laufenden Meter hinsichtlich der Brüstungsbleche angeboten wurde, jedoch ist dies letztlich nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte ist insofern schon gar nicht beschwert. Denn die Klägerin hat sowohl bei Position 2.1.10 als auch bei Position 2.1.19 der Beklagten ein höheres Aufmaß zugestanden, als die Beklagte selbst angegeben hat. Die Beklagte hat insofern ausgeführt, sie habe die von ihr geschuldete Leistung nur zu 85% zur Ausführung gebracht, sodass auch nur entsprechend des geringeren Aufmaßes abzurechnen sei. Vorliegend hat die Klägerin jedoch zugunsten der Beklagten den vollen Werklohn angesetzt und den vollen Werklohn des Drittunternehmers gegengerechnet. Diese Berechnungsmethode ist zulässig. Der Ansatz eines größeren Aufmaßwertes zugunsten der Beklagten beschwert diese nicht, sodass diesbezüglich auch keine Beweisaufnahme zum Nachweis eines geringeren Aufmaßes veranlasst war.
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4. Die Berufung rügt zwar die Verletzung von Hinweispflichten des Erstgerichts, benennt jedoch in der Berufungsbegründung weder konkrete Verletzungen, noch legt sie dar, was vorgetragen worden wäre, wenn ein entsprechender Hinweis ergangen wäre, und wie sich dies auf das Urteil ausgewirkt hätte.
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Dies ist jedoch für eine ordnungsgemäße Rüge der Hinweispflicht erforderlich. Hinweispflichtverletzungen des Erstgerichts sind für den der Senat bei eigenständiger Überprüfung nicht erkennbar.
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5. Die Berufung hat somit keine Aussicht auf Erfolg.
68
Hingegen erscheint die eingelegte Anschlussberufung dem Senat derzeit als durchaus erfolgversprechend. Im Hinblick auf die fehlende Erfolgsaussicht der Berufung regt der Senat eine Rücknahme der Berufung an. Im Fall der Rücknahme der Berufung verlöre auch die Anschlussberufung ihre Wirkung.
69
Hierzu bzw. zur Stellungnahme zu diesem Hinweis besteht Gelegenheit bis zum 31.03.2020.
2. Verfügung vom 05.03.2020 hinausgeben an:
Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten … zustellen Prozessbevollmächtigte der Berufungsklägerin … zustellen
3. Wiedervorlage mit Fristablauf …