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AG Aschaffenburg, Endurteil v. 16.11.2020 – 130 C 188/20
Titel:

Verkehrsunfall, Rechtsanwaltskosten, Ermessen, Unfallgeschehen, Erstattung, Sachschaden, Schmerzensgeldanspruch, Mutter, Personenschaden, Verfahren, Freistellung, Behandlung, Anspruch, Vollstreckbarkeit, billigem Ermessen, mehrere Auftraggeber, verschiedene Angelegenheiten

Schlagworte:
Verkehrsunfall, Rechtsanwaltskosten, Ermessen, Unfallgeschehen, Erstattung, Sachschaden, Schmerzensgeldanspruch, Mutter, Personenschaden, Verfahren, Freistellung, Behandlung, Anspruch, Vollstreckbarkeit, billigem Ermessen, mehrere Auftraggeber, verschiedene Angelegenheiten
Fundstelle:
BeckRS 2020, 60726

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Kanzlei … & Kollegen aufgrund des Verkehrsunfallereignisses vom 26.01.2019 in K. in Höhe von 83,54 € freizustellen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 83,54 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das, Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
I.
2
Die Parteien streiten um die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten infolge eines Verkehrsunfallereignisses vom 26.01.2019 in K.. Bei dem Verkehrsunfall entstand dem Kläger ein Personenschaden. Der Mutter des Klägers entstand ein Sachschäden. Der Kläger und dessen Mutter ließen sich durch den hiesigen Prozessbevollmächtigten vertreten. Es wurden zwei Mandate erteilt. Zwischen den Parteien ist nun streitig, ob in der Vertretung des Klägers und dessen Mutter gebührenrechtlich eine einheitliche oder zwei verschiedene Angelegenheiten zu sehen sind.
II.
3
Die Klage ist zulässig.
4
Das Amtsgericht Aschaffenburg - Zweigstelle Alzenau ist gemäß §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1 GVG iVm § 20 StVG sachlich und örtlich zuständig, da sich der streitgegenständliche Verkehrsunfall in K., mithin im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichts, ereignete und der Zuständigkeitsstreitwert unter 5.000,00 € liegt.
III.
5
Die Klage ist begründet.
6
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG iVm § 1 PflVG iVm § 257 S. 1 BGB.
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1. Die volle Einstandspflicht der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig; ebenso die Höhe des Freistellungsanspruchs.
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2. Nach §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 RVG kann ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, nur einmal eine Gebühr verlangen. Vorliegend wurde der Klägervertreter sowohl für den Kläger als auch für dessen Mutter aufgrund desselben Unfallereignisses tätig. Vertritt der Rechtsanwalt mehrere bei demselben Unfallgeschehen Geschädigte, so ist zu unterscheiden, ob die Mandanten dem Anwalt einen Auftrag zur gemeinsamen Behandlung in einem Mandat oder die getrennte Geltendmachung in verschiedenen Mandaten erteilt haben. Haben die Mandanten dem Rechtsanwalt den Auftrag zu getrennten Behandlung ihrer Angelegenheit in verschiedenen Mandaten erteilt, liegen auch verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten vor.
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Vorliegend handelt es sich um zwei verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten, der Klägervertreter wurde für den Kläger nicht „in derselben Angelegenheit“ wie für dessen Mutter tätig, §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 RVG. Folglich durfte der Klägervertreter beide Angelegenheiten getrennt abrechnen, sodass dem Kläger ein, eigener Freistellungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zusteht.
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Eine einheitliche Tätigkeit ist nur anzunehmen, wenn die von den einzelnen Auftraggebern geltend gemachten Ansprüche eng miteinander verbunden und gleichartig sind. Ausgangspunkt ist die Mandatserteilung für einen konkreten Sachverhalt. Wird der Anwalt getrennt beauftragt und macht er die Ansprüche der Mandanten getrennt geltend, so liegen zwei Angelegenheiten vor. Dem Klägervertreter wurde ein Mandat von der Mutter des Klägers und ein weiteres Mandat vom Kläger erteilt. Zwar beruhen die Mandate des Klägervertreters sowohl beim Kläger als auch bei dessen Mutter auf dem Verkehrsunfall vom 26.01.2019 und wurden am selben Tag erteilt, doch bezogen sich die jeweils geltend gemachten Ansprüche auf unterschiedliche Schadenspositionen, die sich auch nicht teilweise überschnitten haben. So machte der Klägervertreter für die Mutter des Klägers einen Sachschaden geltend, während für den Kläger ein Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht wurde. Zudem wurden die Ansprüche von Mutter und Sohn unter getrennten Aktenzeichen in jeweils eigenen Rechtsanwaltsakten geführt. Auch für die Beklagte war erkennbar, dass es sich um zwei Anspruchsinhaber zweier unterschiedliche Ansprüche handelte, die vom Klägervertreter jeweils separat geltend gemacht wurden. Allein die Tatsache, dass die Ansprüche auf demselben Lebenssachverhalt beruhen, rechtfertigt es nicht eine einheitliche Angelegenheit anzunehmen. Vielmehr spricht bereits die getrennte Verfahrensbehandlung für die Annahme von getrennten Aufträgen (vgl. AG Bochum, Urteil vom 08.03.2016 - 47 C 466/15; LG Passau, NJW-RR 2015, 1216; AG Hannover, Urteil vom 29.08.2011, 526 C 3807/11).
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3. Der Anspruch ist nicht durch Erfüllung erloschen, da auf die geltend gemachte Forderung bislang keine Zahlung erfolgte. Die Beklagte leistete bislang lediglich auf den Erstattungsanspruch der Mutter des Klägers. Da es sich um zwei eigenständige Ansprüche zweier unterschiedlicher Anspruchsinhaber handelt, lässt die Zahlung an die Mutter des Klägers dessen Anspruch unberührt.
IV.
12
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
13
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO iVm § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.