Titel:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Verkehrsunfall, Reparaturkosten, Streitwert, Fahrzeug, Vollstreckung, Haftung, Fachwerkstatt, Klage, Sicherheitsleistung, Anspruch, Schaden, Zinsen, Zahlung, Vollstreckbarkeit, Kosten des Rechtsstreits, Co KG
Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Verkehrsunfall, Reparaturkosten, Streitwert, Fahrzeug, Vollstreckung, Haftung, Fachwerkstatt, Klage, Sicherheitsleistung, Anspruch, Schaden, Zinsen, Zahlung, Vollstreckbarkeit, Kosten des Rechtsstreits, Co KG
Rechtsmittelinstanz:
LG Würzburg, Endurteil vom 24.03.2021 – 42 S 2276/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 60695
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 612,13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 612,13 € festgesetzt
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.
2
Der Kläger ist Eigentümer des PKW Volkswagen Caddy mit dem amtlichen Kennzeichen WÜ-J 2772. Dieses Fahrzeug wurde bei einem Verkehrsunfall am 12.05.2020 in Höchberg durch das KFZ mit dem amtlichen Kennzeichen WÜ-JL 1809, welches bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, beschädigt.
3
Die Haftung der Beklagte zu 100% ist unstreitig.
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Der Beklagte lies den Schaden seines Fahrzeuges durch einen Sachverständigen feststellen, welcher Reparaturkosten in Höhe von 2355, 18 € brutto ermittelte.
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Der Kläger lies sein Fahrzeug bei der Firma S. GmbH & Co. KG reparieren, wofür ihm ein Betrag in Höhe von 2673, 62 € brutto berechnet worden ist.
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Die Beklagte zahlte an den Kläger einen Betrag von insgesamt 2061, 49 €. Eine weitere Zahlung wurde mit Schreiben vom 31.07.2020 abgelehnt.
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Der Kläger trägt vor, dass die von der Firma Spindler abgerechnete Reparaturkosten erforderlich gewesen sein um den unfallbedingten Schaden fach- und sachgerecht gemäß Herstellervorgabe zu beseitigen.
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Der Kläger beantragt daher:
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 612, 13 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%- Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.08.2020 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte verkündete der S. GmbH & Co. KG mit Schriftsatz vom 23.09.2020 den Streit. Diese trat dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 14.10.2020, bei Gericht am 15.10.2020 eingegangen, bei. Die Parteien haben ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Würzburg zur Entscheidung zuständig, §§ 20 StVG, 23 Nr. 1 GVG.
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Die Klage ist auch vollumfänglich begründet.
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Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung restlicher Reparaturkosten aus §§ 7, 17 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG in der tenorierten Höhe.
16
Hierbei ist es nicht entscheidungserheblich, ob die von der Beklagtenseite angegriffene Positonen in Höhe des tenorierten Betrages zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlich gewesen sind.
17
Dem Geschädigten wurde unstreitig von der Firma Spindler aufgrund der durchgeführten Reparatur ein Betrag in Höhe von 2673, 62 € brutto in Rechnung gestellt.
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Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte die ihm nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis gewählt hat. Sofern er von dem Schädiger die Herstellung des ursprünglichen Zustandes gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangt hätte und dieser die Arbeiten von einer von ihm beauftragten Fachwerkstatt durchgeführt hätte, müsste dieser die in Rechnung gestellten Arbeiten zu ersetzen, selbst wenn diese nicht erforderlich oder unwirtschaftlich sind. Insoweit trägt der Schädiger das sogenannte „Werkstattrisiko“.
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Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht entsprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz gewährten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem Ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen sind und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten, und auch nicht vom Schädiger kontrollierbaren Sphäre stattfinden muss. Insoweit besteht kein Sachgrund, dem Schädiger das Werkstattrisiko „abzunehmen“, dass er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Abs. 1 BGB überlassen hätte. Die dem Geschädigten durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gewährte Ersetzungsbefugnis ist kein Korrelat für die Überbürdung dieses Risikos auf ihn (OLG Bamberg, Urteil 22.11. 2019, Az. 5 U 107/19).
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Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann der Kläger Ersatz des Betrages verlangen, der ihm im Rahmen der durchgeführten Reparatur für diese Arbeiten berechnet wurde, unabhängig davon, ob diese erforderlich gewesen sind. Dies gilt insbesondere auch für die Desinfektionskosten, da nach der zitierten Rechtsprechung des OLG Bamberg der Geschädigte gerade davor geschützt werden soll, dass er mit Mehraufwendungen belastetet bliebe, welche erst durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis entstehen würden. Im Übrigen sind die Desinfektionsmaßnahmen auch erforderlich. Es ist dem Gericht, wie vermutlich derzeit jedem Menschen, welcher sich auch nur gelegentlich über die derzeitige Pandemie informiert, bekannt, dass die Covid-19-Viren mitunter mehrere Stunden auf Oberflächen überleben können, weshalb die in dem von der Beklagtenseite zitierten Urteil angedeutete Vermutung, dass es sich hierbei nur um Arbeitsschutzmaßnahmen handele, jedenfalls gewagt ist. Folglich bestehen für den jeweiligen Kunden, ohne vorherige Desinfektion, erhebliche Gesundheitsrisiken, weswegen eine Desinfektion des Fahrzeuges bereits aus diesem Grund im Laufe der Reparatur erforderlich ist, ganz gleich ob die Werkstatt gesetzlich hierzu verpflichtet ist. Nachdem die Desinfektion bereits aus Gründen der Gesundheitsvorsorge des Kunden erforderlich ist kann dies auch keine bloße Leistungserschwerung darstellen.
21
Diese Folge stellt auch kein unbilliges Ergebnis zu Lasten des Schädigers dar, da dieser nach den Grundsätzen der Vorteilsanrechnung die Abtretung der Ansprüche des Geschädigten gegen die Werkstatt bzw. den Sachverständigen verlangen kann.
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Dementsprechend besteht ein Anspruch des Klägers auf Zahlung der gesamten Rechnung in Höhe von 2673, 62 €. Abzüglich des bereits geleisteten Betrages in Höhe von 2061, 49 € verbleibt ein Anspruch in Höhe von 612, 13 €.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280, Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 2 Nr. 3, 288 BGB.
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In dem Schreiben der Beklagten vom 31.07.2020 liegt eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Nach dem Rechtsgedanken des § 187 Abs. 1 BGB können daher ab dem Folgetag Verzugszinsen verlangt werden.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO.
26
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.