Titel:
Entgeltgruppe, Zahlung, Tarifauslegung, Streitwertfestsetzung, Anspruch, Stufenlaufzeit, Auslegung, Rechtsweg, Klage, Kostenentscheidung, Weiterzahlung, Tabellenentgelt, Entgelt, Zinsen
Schlagworte:
Entgeltgruppe, Zahlung, Tarifauslegung, Streitwertfestsetzung, Anspruch, Stufenlaufzeit, Auslegung, Rechtsweg, Klage, Kostenentscheidung, Weiterzahlung, Tabellenentgelt, Entgelt, Zinsen
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 30.03.2021 – 7 Sa 916/20
BAG Erfurt, Urteil vom 29.06.2022 – 6 AZR 411/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 60615
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klagepartei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 2.575,47 festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Gewährung eines tariflichen Garantiebeitrages.
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Der Kläger ist seit 01.01.1998 als Theatermeister zuletzt mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 0,00 € bei der Beklagten zu 1) beschäftigt. Bis 31.08.2018 war der Kläger beim städtischen Eigenbetriebsstaatstheater A-Stadt eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Arbeitsvertrag vom 04.10.1989 Anwendung, dieser verweist auf den BAT vom 23.02.1961 und den diesen ersetzenden Tarifverträgen, so dass ab 01.10.2005 der den BAT ersetzende TVöD zur Anwendung kam.
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Bis zum 31.12.2016 war der Kläger in die Entgeltgruppe 9 TVöD eingruppiert und wurde zum 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 9 a TVöD übergeleitet. Dem Antrag des Klägers vom 19.12.2017 auf Höhergruppierung wurde am 17.01.2018 rückwirkend zum 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 9 b TVöD stattgegeben. Dem Kläger wurde auch ein Garantiebetrag im Zeitraum vom 01.01.2017 - 31.01.2017 in Höhe von 64,01 € monatlich, ab 1.2.2017 in Höhe von 60,32 € monatlich gewährt. Maßgebliche Vorschrift für die Zahlung des Garantiebetrages ist § 17 IV TVöD in der bis 31.01.2017 geltenden Fassung. Die Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:
„Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2.“
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Beträgt der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Tabellenentgelt und dem Tabellenentgelt nach Satz 1
- in den Entgeltgruppen 1 - 8 vom 01.03.2016 an weniger als 57,63 €
- in den Entgeltgruppen 9 a - 15 vom 01.03.2016 an weniger als 92,22 € so erhält die/der Beschäftigte während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrages den vorgenannten jeweils zustehenden Garantiebetrag. Die in § 17 IV S. 2 TVöD angesprochene Stufenlaufzeit ist in § 16 III TVöD definiert. Dieser lautet wie folgt:
„Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an abhängig von ihrer Leistung gemäß § 17 II - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):
- Stufe 2 nach einem Jahr in der Stufe 1,
- Stufe 3 nach 2 Jahren in der Stufe 2,
- Stufe 4 nach 3 Jahren in der Stufe 3,
- Stufe 5 nach 4 Jahren in der Stufe 4 und
- Stufe 6 nach 5 Jahren in der Stufe 5.“
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Mit der Einführung der stufengleichen Höhergruppierung zum 01.03.2017 wurde der Garantiebetrag abgeschafft.
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Mit Schreiben vom 26.02.2019 wurde dem Kläger von der Beklagten zu 1) mitgeteilt, dass die nach Auffassung der Beklagten zu 1) zu Unrecht gezahlten Garantiebeträge zurückgefordert und mit dem Gehalt für den Monat Januar 2020 verrechnet worden sind. Gegen diese Rückforderung sowie des Einstellungsgarantiebetrages ab Januar 2019 wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 27.05.2019. Mit Klage vom 30.09.2019 verlangt der Kläger nun die Rückforderung der einbehaltenen Garantiebeträge und die weitere Zahlung des Garantiebetrages.
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Zum 01.09.2018 ist der städtische Eigenbetrieb Theater A-Stadt im Zuge eines Betriebsübergangs auf die Stiftung Staatstheater A-Stadt (Beklagte zu 2) übergegangen. Der Kläger hat dem Betriebsübergang unstreitig widersprochen.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass er einen Anspruch auf Weiterzahlung des monatlichen Garantiebetrages gem. § 17 IV TVöD in der Fassung des 28.02.2017 habe. Dieser Anspruch stehe ihm auch gegen beide Beklagte zu, da er zwar arbeitsrechtlich - nach dem Betriebsübergang - noch zur Beklagte zu 1) gehöre, jedoch an die Beklagte zu 2) ausgeliehen sei, weshalb auch die Beklagte zu 2) den Garantiebetrag schulde.
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Zwar sei mit Einführung der stufengleichen Höhergruppierungen die Regelung zum Garantiebetrag entfallen, der Kläger habe jedoch weiterhin Anspruch auf diesen Garantiebetrag, da zum Zeitpunkt der Höhergruppierung (rückwirkend zum 01.01.2017) diese Rechtsgrundlage bestanden habe und der Garantiebetrag während der betreffenden Stufenlaufzeit eingeräumt worden sei. Zwar sei es richtig, das aus sachlogischen Gründen in der Endstufe 6 eine Stufenlaufzeit nicht mehr angegeben sei. Dies ändere jedoch nichts am Anspruch des Klägers, da die Tarifvertragsparteien mit der Wortwahl während zum Ausdruck bringen wollten, dass auch die Stufe 6 einen Garantiebetrag erhalten könne. Dies ergebe sich auch aus den Regelungen zur individuellen Endstufe (so genannter 6 Plus), da selbst bei der Höhergruppierung aus einer individuellen Endstufe noch ein Garantiebetrag zu gewähren sei.
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Die Klagepartei hat daher zuletzt beantragt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, 404,31 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.10.2019 zu zahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, das dem Kläger über den 01.01.2017 ein monatlicher Garantiebetrag in Höhe von 59,81 € brutto gem. § 17 Abs. 4 TVöD i.d.F. bis 31.01.2017 sowie über den 1.2.2017 hinaus ein monatlicher Garantiebetrag in Höhe von 60,31 € brutto gem. § 17 Abs. 4 TVöD i.d.F. des 28.02.2017 zusteht.
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Die Beklagten haben beantragt,
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Die Beklagte zu 1) trägt vor, dass dem Kläger kein Garantiebetrag nach dem maßgeblichen § 17 IV TVöD zustehe. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut, woraus sich schließen lasse, dass ein Garantiebetrag in einer Endstufe nicht zu zahlen sei. Ausdrücklich bestimmt § 17 IV TVöD, dass der Beschäftigte während der bettreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrages den jeweils zustehenden Garantiebetrag erhalte. Eine Stufenlaufzeit ist jedoch in Stufe 6 gerade nicht aufgeführt, so dass bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut ein Garantiebetrag nicht zu zahlen sei. Auch der Rückgriff auf eine Höhergruppierung aus einer individuellen Endstufe ergebe keine andere Auslegungsweise. Auch dann, wenn Beschäftigte aus einer individuellen Endstufe höhergruppiert werden, erhalten sie in der höheren Entgeltgruppe Entgelt nach der regulären Stufe. Diese Stufen sehen weiterhin einen Garantiebetrag nur für die entsprechende Stufenlaufzeit vor. In der maßgeblichen Stufe 6 sei jedoch kein Garantiebetrag zu bezahlen, da es dort auch keine Stufenlaufzeit gebe.
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Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) tragen vor, dass auf Grund des erfolgten Widerspruchs gegen den Betriebsübergang nur die Beklagte zu 1) der richtige Antragsgegner sei.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen und verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 I Ziffer 3 a ArbGG eröffnet.
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2. Das Arbeitsgericht Augsburg ist auch örtlich zuständig gemäß §§ 12, 29 ZPO i.V.m. § 46 II ArbGG.
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Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Garantiebetrag gemäß § 17 IV TVöD zu, so dass auch die Rückforderung seitens der Beklagten zu 1) zu Recht erfolgt ist. Im Einzelnen ist dazu folgendes festzustellen:
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1. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 17 IV TVöD in der bis zum 28.02.2017 geltenden Fassung, da dem Kläger eine Höhergruppierung rückwirkend zum 01.01.2017 zugesagt worden ist. Nach dem dort maßgeblichen Wortlaut erhält der Beschäftigte während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrages einen Garantiebetrag.
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Nach Auffassung der Kammer erfüllt der Kläger jedoch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür, dass ihm ein Garantiebetrag zustehen würde.
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2. Das Bundesarbeitsgericht geht in seiner ständigen Rechtsprechung von nachfolgenden Grundsätzen bei einer Tarifauslegung aus. Zuletzt hat das BAG im Urteil vom 20.11.2019, Az. 5 AZR 39/19 folgendes ausgeführt:
„Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt dem für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. bei nicht eindeutigem tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden könne. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen.“
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Nach dieser Tarifauslegung ist zunächst der Wortlaut der Tarifnorm für die Auslegung entscheidend. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17 TVöD ist bestimmt, dass dann, wenn der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Tabellenentgelt und dem Tabellenentgelt nach Satz 1 eine gewisse Summe unterschreitet, der Beschäftigte während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrags den vorgenannten Garantiebetrag erhält. Die Stufenlaufzeit ist in § 16 III S. 1 TVöD geregelt, wonach Beschäftigte nach Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit die nächste Stufe erreichen. Diese ausdrücklich so genannte Stufenlaufzeit gibt es jedoch in der Endstufe der Stufe 6 explizit nicht. Dies bedeutet, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift der Kläger, der sich in der Stufe 6 befindet, einen Garantibetrag nicht beanspruchen kann, da dort eine Stufenlaufzeit eben gerade nicht vorgesehen ist.
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Auch wenn man die weiteren vom BAG einzubeziehenden Auslegungskriterien heranziehen würde, wirklicher Wille der Tarifvertragsparteien, Gesamtzusammenhang, käme man auf kein anderes Auslegungsergebnis. In keiner der Vorschriften ergibt sich in irgendeiner Weise, dass die Tarifvertragsparteien auch den Beschäftigen in der Endstufe einen Garantiebetrag zustehen haben lassen wollen, da eine Stufenlaufzeit eben gerade nicht geregelt ist. Es wäre den Tarifvertragsparteien auch ohne weiteres möglich gewesen, bei der Regelung des § 17 IV TVöD i.d.F. ab Februar 2017 eine dementsprechende Regelung einzuführen, die die Zahlung eines Garantiebetrages auch ohne Vorhandensein einer Stufenlaufzeit ermöglicht. Das Problem, dass auch Beschäftigte in der Endstufe 6 einen Garantiebetrag theoretisch erhalten würden, kann den Tarifvertragsparteien nicht unbekannt gewesen sein. Nach dem dieses offensichtlich vorliegende Problem jedoch von den Tarifvertragsparteien nicht gelöst worden ist und dementsprechend auch keinen Niederschlag im Tarifvertrag gefunden hat, ist auch nach weiteren Auslegungskriterien - wie genannt - neben dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift eine anderes Auslegungsergebnis nicht zu erkennen.
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Nachdem ein Anspruch des Klägers nach Auffassung der Kammer nicht gegeben ist, war auch nicht mehr zu klären, ob sich ein möglicher Anspruch nur gegen die Beklagte zu 1) oder zusätzlich auch gegen die Beklagte zu 2) richten würde.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 I ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 61 I ArbGG i.V.m. § 42 GKG.
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Gegen dieses Urteil steht dem Kläger das Rechtsmittel der Berufung an das Landesarbeitsgericht München gemäß nachfolgender Rechtsbehelfsbelehrungzu.