Titel:
Wohnung, Streitwert, Vollstreckung, Vollziehung, Verwalter, Sicherheitsleistung, Zustellung, Feststellung, Verwaltung, Frist, Akteneinsicht, Leistung, Klage, form, Kosten des Rechtsstreits, verbotene Eigenmacht, Zustellung der Klage
Schlagworte:
Wohnung, Streitwert, Vollstreckung, Vollziehung, Verwalter, Sicherheitsleistung, Zustellung, Feststellung, Verwaltung, Frist, Akteneinsicht, Leistung, Klage, form, Kosten des Rechtsstreits, verbotene Eigenmacht, Zustellung der Klage
Rechtsmittelinstanz:
LG München I, Endurteil vom 18.05.2022 – 1 S 124/21 WEG
Fundstelle:
BeckRS 2020, 59968
Tenor
1. Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 21.11.2019 zu TOP 14.3 sowie TOP 8.4 werden für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 9/10 und die Beklagten 1/10 zu tragen. Die Kläger haben 9/10 der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu tragen. Im Übrigen trägt die Streithelferin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten. Die Kläger können die Vollstreckung der Streithelferin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 41.291,53 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Gültigkeit mehrerer Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
2
Sie bilden die im Rubrum genannte WEG, deren Verwalterin die Beigeladene ist. Die Gesamtanlage besteht aus insgesamt 304 Sondereigentumseinheiten.
3
Die Kläger zu 1) und 2) sind u.a. Miteigentümer einer Wohnung unter der Anschrift ... gemäß Nrn. 33, 174, 219, 228 und 229 der Teilungserklärung. Sie sind ferner Bruchteilseigentümer der Tiefgarage Nr. 304 der Teilungserklärung (Stellplätze Nr. 29, 156, 157, 219, 306). Die Kläger zu 3) und 4) sind die Eigentümer der Wohnung Nr. 62 laut Teilungserklärung. Die Klägerin zu 5) ist Miteigentümerin der Wohnung Nr. 8 mit einem MEA von 49,51/10.000. Die Klägerin zu 6) ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 109 laut Teilungserklärung.
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Die Rechtsbeziehungen der Parteien sind im Wesentlichen durch die Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung vom 12.07.1972 geregelt.
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Diese enthält in § 12 Abs. 7 folgende Regelung: „Zu Beginn einer Versammlung stellt der Verwalter die form- und fristgerechte Einberufung sowie die Beschlussfähigkeit fest. Die Feststellung betreffend die ordnungsgemäße Einberufung kann nur von mindestens einer Zweidrittelmehrheit angefochten werden.“ Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Anlage K1 Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 31.10.2019 lud die Verwalterin zu einer ordentlichen Eigentümerversammlung für Donnerstag, den 21.11.2019 ein. Die Tagesordnung enthielt unter anderem folgende Ankündigungen:
„TOP 8: Beschlussfassung über die Durchführung der Fassadensanierung einschließlich Beauftragung der einzelnen Gewerke, Beauftragung der Fachingenieure für Leistungsphase 8 und Finanzierung dieser Maßnahme und Vergütung des Verwalters gegebenenfalls Beschlussfassung über die Entfernung der Verglasung.
TOP 14: Zahlungsverkehr/Kostentragung - Information und Beschlussfassung
- Kostentragung bei notarieller Verwalterzustimmung bei Veräußerung
- SEPA Lastschrifteinzugsverfahren - Zusatzkosten bei nicht Teilnahme
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Auf der Eigentümerversammlung vom 21.11.2019 wurden mehrheitlich folgende streitgegenständlichen Beschlüsse gefasst:
TOP 14.3: „Die Wohnungseigentümer beauftragen die Verwaltung, dafür zu sorgen, dass bei der Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen durch die Wohnungseigentümer oder berechtigte Dritte ein Mitarbeiter der Verwaltung anwesend ist, um sicherzustellen, dass keine Veränderung an den Verwaltungsunterlagen vorgenommen werden. Für die hierdurch entstehende Sondervergütung des Verwalters (derzeit 85,00 € die Stunde zuzüglich MwSt.), die der Verwalter von der WEG zulasten des WEG-Kontos erhält, wird der Kostenverteilerschlüssel auf Grundlage von § 16 Abs. 3 WEG dahingehend geändert, dass der Verwalter diese Sondervergütung in die jeweilige Einzelabrechnung des „verursachenden“, d. h. Einsicht nehmenden Eigentümers für das Wirtschaftsjahr einzustellen hat, in welchem der Verwalter die Sondervergütung erhalten hat. Einsichtnahmen durch die Verwalterbeiräte oder Sprecher im Rahmen der Beleg- und Rechnungsprüfungen sind hiervon ausgenommen.“
TOP 8.1.4.: „Die Verwalterin erhält zur Abgeltung des mit der Gesamtmaßnahme verbundenen Mehraufwandes eine Sondervergütung in Höhe von 3% zuzüglich der jeweils geltenden Mehrwertsteuer, also derzeit 3,57%, errechnet aus den Bruttoschlussrechnungssummen der Gesamtsanierungsmaßnahme. Wenn und soweit an die am Bau beteiligten Firmen und Unternehmen auf der Grundlage von geprüften und freigegebenen Abschlag- und/oder Schlussrechnungen Zahlungen geleistet werden, ist die Verwalterin berechtigt, auf der Grundlage der geleisteten Zahlungen für ihre Sondervergütung Abschlagsrechnungen in der vorgenannten Höhe zu stellen. Die Verwalterin ist berechtigt, die Vergütung zum Zeitpunkt der jeweiligen Gefälligkeit von dem Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft abzubuchen und auf ihr eigenes Konto zu überweisen. Bei der Sondervergütung handelt es sich um Baunebenkosten, welche dementsprechend zu verbuchen sind.“
TOP 8.4: „Die Verwalterin wird beauftragt, die betroffenen Sondereigentümer der Einheiten Nr. 8/...2 f, Nr. 12/...2, Nr. 73/...1, Nr. 243/...3, Nr. 277/...1, welche jeweils über einen Balkon mit Verglasung verfügen, schriftlich unter Fristsetzung bis zum 31.01.2020 aufzufordern, die Verglasung zu beseitigen. Sofern dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen wird, ermächtigen die Eigentümer der WEG ... die Verwalterin, namens und auf Kosten der WEG ..., die ausführenden Fachfirmen anzuweisen, die Balkonverglasungen an den vorgenannten Balkonen zum Zeitpunkt der Sanierung des betroffenen Balkons ersatzlos zurück zu bauen.
Sofern sich im Rahmen der Baumaßnahme herausstellt, dass noch weitere Balkone Verglasungen aufweisen - mit Ausnahme der Balkone in den Dachgeschossen - so wird die Verwalterin auch hierfür ermächtigt, namens und auf Kosten der WEG Annette-Kolb-Anger 7-13 in München, die ausführenden Fachfirmen anzuweisen, sämtliche Balkonverglasungen - mit Ausnahme der Balkone in den Dachgeschossen - zum Zeitpunkt der Sanierung des betroffenen Balkons ersatzlos zurück zu bauen.
Die Arbeiten werden auf Abruf als Regiestunden zu 60,00 € netto zuzüglich MwSt. durchgeführt. Die Kosten hierfür werden auf maximal 8000 € brutto begrenzt.“
8
Der Verwaltervertrag sieht vor, dass die Verwaltung für die in der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung beschlossenen Baumaßnahmen eine Sondervergütung in Höhe von 3% zuzüglich Mehrwertsteuer, d. h. 3,57% brutto, errechnet aus den Bruttoschlussrechnungssummen, erhält.
9
Die Kläger sind der Auffassung, die streitgegenständlichen Beschlussfassungen widersprächen ordnungsgemäßer Verwaltung.
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Mit dem zu TOP 14.3 gefassten Beschluss würde im Interesse des Verwalters die Belegeinsicht der Wohnungseigentümer sanktioniert. Ihr Anspruch auf Belegeinsicht werde aufgrund der Kostentragungspflicht erschwert bzw. sogar vereitelt. Eine Aufsichtsperson sei nicht erforderlich, da es - insoweit unstreitig - in der Vergangenheit zu keinen Manipulationen der Unterlagen kam. Die Belegeinsicht gehöre zu einer Verwalterkardinalpflicht. Mehraufwandes sei damit nicht verbunden. Der Beschluss sei zu unbestimmt, da die Höhe der Vergütung aufgrund der Formulierung „derzeit“ für die Zukunft nicht geregelt sei und der Beschluss keine Kostenobergrenze enthalte. Da die WEG über mehrere Konten verfügt, sei der Beschluss auch im Hinblick auf die Finanzierung unbestimmt. Die übrigen Wohnungseigentümer würden gegenüber den Verwaltungsbeiräten oder dem Sprecher im Rahmen der Beleg- und Rechnungsprüfungen diskriminiert. Der Beschluss sei auch in der Einladung zur Eigentümerversammlung nicht hinreichend angekündigt worden. Der Stundensatz von 85,00 € netto sei deutlich zu hoch.
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In Bezug auf TOP 8.1.4 sei der Abschluss einer Sondervergütung für den Verwalter aus der Einladung nicht ersichtlich gewesen. Es widerspräche ordnungsgemäßer Verwaltung, die Sondervergütung aus der Bruttogesamtsumme der Baumaßnahme zu berechnen, da der Verwalter faktisch an der Mehrwertsteuer mitverdiene. Die entstehenden Kosten seien in keinster Weise überschaubar. Eine Sondervergütung sei lediglich bei der Übernahme einer Bauleitung möglich. Außerdem sei nach der Berechnungsverordnung lediglich ein Maximalbetrag von 1% der kalkulierten Gesamtbaukosten zulässig. Ein Mehraufwand des Verwalters sei nicht ersichtlich, da sämtliche Baumaßnahmen von entsprechenden Fachfirmen und Architekten durchgeführt und überwacht würden.
12
Der zu TOP 8.4 gefasste Beschluss sei unzureichend bestimmt, da nicht ersichtlich sei, welche konkrete Fachfirma die Beseitigung ausführen solle. Es sei völlig offen, wann der Zeitpunkt der Sanierung sei. Der Beschluss könne nicht umgesetzt werden, da unbekannt sei, welche weiteren Balkone über eine Balkonverglasung verfügen und welche weiteren Balkone in Mitleidenschaft gezogen werden sollen. Die Kostenregelung sei zu unbestimmt, da unbekannt sei, wie viele Balkonverglasungen entfernt werden müssen. Während nach dem Versammlungsprotokoll derzeit an 6 Balkonen Verglasungen bestehen sollen, bezieht sich die Beschlussfassung lediglich auf 5 konkret benannte Einheiten und Eigentümer. Das Entfernen der Balkonverglasungen sei zur Umsetzung der Sanierung nicht erforderlich.
13
Auch brandschutztechnische Anforderungen würden eine Entfernung nicht notwendig machen.
14
Mit am 23.12.2019 beim Amtsgericht München eingegangenen Schriftsatz haben die Kläger Anfechtungsklage erhoben und diese mit am 21.01.2020 eingereichten Schriftsatz begründet. Die Zustellung an die Beigeladene erfolgte am 06.02.2020.
15
Die Kläger beantragen,
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 21.11.2019 zu TOP 14.3, TOP 8.1.4 und TOP 8.4 werden für ungültig erklärt.
16
Die Beklagten beantragen
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Sie rügen die Versäumung der Klagefrist.
18
Der zu TOP 14.3 gefasste Beschluss gewähre lediglich eine Sondervergütung für einen zusätzlichen Zeit- und Verwaltungsaufwand, was innerhalb des großen Ermessensspielraums der Eigentümer liege. Es sei Wunsch der Eigentümer, dass ein Mitarbeiter der Verwaltung an Einsichtnahmeterminen teilnehme, um sicherzustellen, dass sich an dem Zustand und dem Umfang der Verwaltungsunterlagen nichts ändere.
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Aus der Ankündigung zu TOP 14 ergäbe sich, dass über Zusatzkosten und Sondervergütungen für die in der Einladung genannten 4 Punkte diskutiert und beschlossen werden sollte. Die Rüge formeller Fehler im Zusammenhang mit der Einberufung einer Versammlung könne gem. § 12 Abs. 7 der Gemeinschaftsordnung nur mit einer 2/3 Mehrheit erhoben werden.
20
Aufgrund der bevorstehenden Großsanierung falle erheblicher Mehraufwand für die Verwaltung an, der nicht in den originären Verwaltungsaufgabenkreis fällt und daher gesondert zu vergüten sei. Da dem Verwalter durch Beschluss für die Baubetreuung ein Pauschalhonorar im Rahmen von 1,5% und 5% der Bausumme zugebilligt werden könne, sei die Höhe der Vergütung nicht zu beanstanden. Auch sei klar, dass die Kosten vom Girokonto der WEG zu zahlen seien, da alle anderen Konten zweckgebunden seien.
21
Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 09.11.2020 (Bl. 69/71 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
23
Das Amtsgericht München ist gem. §§ 43 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.
24
Die Klagefristen des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG wurden eingehalten. Die Zustellung erfolgte demnächst im Sinne des § 167 ZPO. Die Klageschrift ging am 23.12.2019 bei Gericht ein, d.h. gem. §§ 187, 188, 193 BGB am letzten Tag der Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 Hs 1 WEG. Das Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) ist nur erfüllt, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen der Zustellung der Klage in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen (BGH Urteil vom 10.07.2015, V ZR 2/14, BeckRS 2015, 13524; BGH NJW 2015, 3101 Rn. 15; jew. mwN).
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Es gilt die Vorschusspflicht nach § 12 Abs. 1 S. 1 GKG. Das Gericht hat den Gerichtskostenvorschuss mit Schreiben vom 15.01.2020 angefordert. Die Einzahlung erfolgte am 29.01.2020, d.h. innerhalb von 14 Tagen. Die Zustellung der Klageschrift wurde mit Verfügung vom 04.02.2020 veranlasst und erfolgte am 6.02.2020. Die allein dem gerichtlichen Ablauf zuzurechnenden Verzögerungen sind bei der Berechnung der 14-Tage-Frist unbeachtlich. Die Nichtangabe des gerichtlichen Aktenzeichens ist unerheblich. Maßgeblich ist allein der rechtzeitige Eingang bei Gericht. Auf die gerichtsinterne Zuordnung von Schriftsätzen zum richtigen Verfahren haben die Parteien in der Regel keinen Einfluss, so dass dies für die Einhaltung von Fristen unerheblich ist.
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Die zu TOP 14.3 und 8.4 angegriffenen Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 21.11.2019 sind für ungültig zu erklären, da sie ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen.
27
Der zu TOP 8.1.4. gefasste Beschluss ist weder nichtig, noch widerspricht er aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung.
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1. Der zu TOP 14.3 gefasste Beschluss widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.
29
Jeder Eigentümer hat das Recht in die Verwaltungsunterlagen Einsicht zu nehmen. Die Zahlung einer Sondervergütung wird grds. von der Wohnungseigentümergemeinschaft geschuldet. Sie kann grundsätzlich nur dann auf einzelne Wohnungseigentümer abgewälzt werden, wenn der Eigentümergemeinschaft ein entsprechender Anspruch etwa aus Verzug oder auf Grund einer schuldhaften Pflichtverletzung zusteht. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Gem. § 21 Abs. 7 WEG können die Wohnungseigentümer Regelungen für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen.
31
Da die Gewährung von Einsicht in seine Unterlagen aber nicht zu seinen Mindestpflichten nach § 27 WEG gehört, kann eine Sondervergütung hierfür grundsätzlich vertraglich vereinbart werden. Übernimmt die Wohnungseigentümergemeinschaft dem Verwalter gegenüber die Kosten, gilt für die Kostentragungspflicht der Wohnungseigentümer untereinander grundsätzlich § 16 Abs. 2 WEG. Nach § 21 Abs. 7 WEG kann jedoch mit Mehrheit beschlossen werden, dass der jeweils Einsicht nehmende oder hierzu ermächtigende Wohnungseigentümer im Verhältnis zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit den Kosten hierfür belastet wird (vgl. Schmid ZWE 2014, 389).
32
Den Wohnungseigentümern ist im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung ein Ermessensspielraum eingeräumt. Dieser ist im Einzelfall überschritten, wenn die Höhe der Vergütung aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Wohnungseigentümers nicht mehr tragbar erscheint und das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Vergütung erheblich gestört ist (vgl. Bärmann/Becker, 14. Aufl. 2018 Rn. 155, WEG § 26 Rn. 154a-155b). Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem Beschlusstext ist lediglich die Anwesenheit eines Mitarbeiters der Verwaltung notwendig, wenn Akteneinsicht genommen wird. Da Akteneinsicht grundsätzlich nur während der gewöhnlichen Bürozeiten gewährt werden muss, ist nicht ersichtlich, inwiefern der Verwaltung durch die bloße Anwesenheit eines Mitarbeiters relevanter Mehraufwand entsteht. Der anwesende Mitarbeiter kann während der Zeit, in der ein Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen nimmt, die anfallende Büroarbeit erledigen. Darüber hinaus erscheint ausgeschlossen, dass jeder Mitarbeiter der Verwaltung zu einem Stundensatz von 85,00 € vergütet wird. Die Höhe der gewährten Vergütung erscheint aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Wohnungseigentümers nicht mehr tragbar, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Vergütung ist erheblich gestört. Dadurch könnten Eigentümer davon abgehalten werden, ihren Anspruch auf Belegeinsicht wahrzunehmen. Dieses Recht wird durch die erfolgte Beschlussfassung vereitelt, so dass der gefasste Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht und daher für ungültig zu erklären ist.
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2. Der zu TOP 8.4 gefasste Beschluss ist ebenfalls für ungültig zu erklären, da er ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.
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Dabei kann dahinstehen, ob die Ermächtigung der Verwalterin, Fachfirmen anzuweisen, Balkonverglasungen ersatzlos zurückzubauen, eine unzulässige verbotene Eigenmacht darstellt. Jedenfalls ist der Beschluss inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Denn für die Eigentümer ist nicht ersichtlich, welche Fachfirma mit dem Rückbau beauftragt werden soll. Die Beklagten tragen selbst vor, dass es sich bei der beschlossenen Fassadensanierung um eine Großsanierung mit einem Kostenvolumen von rund 6,5 Millionen € handelt. Zur Vollziehung seien insgesamt 17 Einzelgewerke zu vergeben und 25 Einzelverträge zu schließen. Eine Vielzahl von Firmen ist involviert. Welche dieser Firmen den Rückbau der Balkonverglasungen vornehmen soll, ist unklar. Hinzu kommt, dass nach dem Versammlungsprotokoll an 6 Balkonen Verglasungen bestehen sollen, die Beschlussfassung sich aber lediglich auf 5 konkret benannte Einheiten und Eigentümer bezieht. Nach der Beschlussfassung sind auch weitere Balkonverglasungen ersatzlos zurück zu bauen, sollten solche bestehen. Unklar ist damit, wie viele Balkonverglasungen der insgesamt 304 Sondereigentumseinheiten zu entfernen sind und wie die beschlossene Kostenobergrenze kalkuliert wurde. Der Eigentümergemeinschaft fehlte insoweit jedenfalls eine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Der Beschluss ist insgesamt zu unbestimmt und daher für ungültig zu erklären.
35
Ob das Entfernen der Balkonverglasungen zur Umsetzung der Sanierung oder aus brandschutztechnischen Gründen tatsächlich nicht erforderlich ist, bedarf keiner Entscheidung.
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3. Die Klage ist jedoch in Bezug auf den zu TOP 8.1.4 gefassten Beschluss unbegründet, da die Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung nicht widerspricht.
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Im Einladungsschreiben vom 31.10.2019 wurde zu TOP 8 die „Beschlussfassung über die Durchführung der Fassadensanierung einschließlich Beauftragung der einzelnen Gewerke, Beauftragung der Fachingenieure für Leistungsphase 8 und Finanzierung dieser Maßnahme und Vergütung des Verwalters gegebenenfalls Beschlussfassung über die Entfernung der Verglasung.“ (Unterstreichung durch das Gericht) angekündigt. Daraus war für die Eigentümer ersichtlich, dass eine Beschlussfassung über eine Verwaltervergütung im Zusammenhang mit der Fassadensanierung erfolgen würde. Die erfolgte Beschlussfassung ist damit ausreichend angekündigt. Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG ist nicht feststellbar.
38
Auch in materieller Hinsicht entspricht die Beschlussfassung über die Gewährung einer Sondervergütung zugunsten des Verwalters ordnungsgemäßer Verwaltung, § 21 Abs. 3 WEG.
39
Grundsätzlich haben die Wohnungseigentümer einen weiten Ermessensspielraum, wie sie die Vergütungsstruktur konkret ausgestalten. Nur wenn im Einzelfall das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Vergütung erheblich gestört ist, verstoßen Sondervergütungen gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Höhe nach müssen sie sich in angemessenem Rahmen halten und den voraussichtlichen zusätzlichen besonderen Zeit- und Arbeitsaufwand möglichst im Einzelfall berücksichtigen.
40
Da es nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 zu den Aufgaben des Verwalters gehört, die für die ordnungsgemäße Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums erforderlichen Maßnahmen zu treffen, entspricht ein Beschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, nach dem der Verwalter für relativ geringfügige Instandsetzungsarbeiten eine Zusatzvergütung von 5% der Bausumme erhalten soll (vgl. Bärmann/Becker, 14. Aufl. 2018, WEG § 26 Rn. 165).
41
Die Vorbereitung, Durchführung und Überwachung größerer Arbeiten gehört nicht zum „Alltagsgeschäft“ der Verwaltung, weshalb die meisten Verwalterverträge hierfür eine Sondervergütung vorsehen. Auf Basis der früher hM waren solche Vergütungsklauseln nur zulässig, soweit es um „eine besonders aufwändige Bauüberwachung“ ging und der Verwalter durch seine Tätigkeit der Gemeinschaft die Beauftragung eines Architekten ersparte. Denn die „normale“ Bauüberwachung wurde den „gesetzlichen Pflichten“ des Verwalters zugeordnet, für die keine Sondervergütungen vereinbart werden durften. Diese Differenzierung und die darauf beruhenden Gerichtsurteile zu Vergütungsklauseln bei Instandsetzungsmaßnahmen sind heute überholt. Ein Verwalter darf für bestimmte Leistungen (ob zum gesetzlichen Pflichtenprogramm gehörend oder nicht) Sondervergütungen vereinbaren. Für Instandsetzungsmaßnahmen gilt nichts anderes. Das gilt auch dann, wenn die Gemeinschaft einen Sonderfachmann beauftragt haben sollte; denn auch dann hat der Verwalter im Zuge der Durchführung (größerer) Baumaßnahmen einen Zusatzaufwand (Zuarbeit an den Sonderfachmann, aber auch dessen Überwachung), der eine besondere Vergütung rechtfertigt (vgl. BeckOGK/Greiner, 1.4.2020, WEG § 26 Rn. 233 ff.).
42
Vorliegend handelt es sich um eine größere Baumaßnahme mit einem Volumen von ca. 6.500.000,00 €, 17 Einzelgewerken und 25 Einzelverträgen, die die Gewährung einer Sondervergütung grundsätzlich rechtfertigt.
43
Auch die vereinbarte Höhe von 3,57% der Bruttoschlussrechnungssumme ist nicht zu beanstanden. Eine prozentuale Anknüpfung an das Auftragsvolumen sowie eine Sondervergütung im Rahmen von etwa 1,5 bis 5% des Auftragsvolumens sind durchaus üblich und von der Rechtsprechung nicht beanstandet worden, soweit es sich - wie hier - um eine größere Baumaßnahme handelt (vgl. AG Düsseldorf Urt. v. 28.9.2016 - 291a C 49/16, BeckRS 2016, 114577).
44
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Da das Obsiegen der Kläger nicht mehr als „verhältnismäßig geringfügig“ anzusehen ist, kann den Beklagten die Kostenregelung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zu Gute kommen.
45
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich für die Kläger und die Streithelferin aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, für die Beklagten aus § 709 S. 2 ZPO.
46
Der Streitwert wurde gem. §§ 63 Abs. 2, 49a Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG festgesetzt. Für den Klageantrag zu 1. erscheint einen Streitwert von 3000 € gemäß § 3 ZPO angemessen. Für den Klageantrag zu 2. ist für die Streitwertbemessung gemäß § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG das fünffache Klägerinteresse in Ansatz zu bringen. Ausgehend von kalkulierten Gesamtbaukosten von 8.350.300,00 € bemisst sich das Interesse der Parteien und aller Beigeladenen an der Höhe der gewährten Sondervergütung für den Verwalter, d.h. 298.105,71 €. Das fünffache Klägerinteresse, bei einem zugrundegelegten Gesamtmiteigentumsanteil von 250,90/10.000 beträgt 37.291,53 € und bildete damit die Obergrenze zu 50% des Gesamtinteresses. Den Streitwert des Klageantrages zu 3. setzt das Gericht auf 1000 € fest. Ausgehend von maximalen Bruttokosten von 8000 € beträgt das gem. § 49a Abs. 1 S. 2 GKG maßgebliche fünffache Klägerinteresse 1000,76 €.
47
Die Streitwerte sind gemäß § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen.