Inhalt

VGH München, Beschluss v. 30.01.2020 – 12 C 19.1973
Titel:

Beschwerde, Verwaltungsakt, Verwaltungsverfahren, Akteneinsicht, Verfahren, Kind, Bestandskraft, Form, Verwaltungsgerichtshof, Rechtsanspruch, Voraussetzungen, Vertrag, Erlass, Prozesskostenhilfeverfahren, Grundsatz des fairen Verfahrens, Hilfe zur Erziehung, Kosten des Beschwerdeverfahrens

Schlagworte:
Beschwerde, Verwaltungsakt, Verwaltungsverfahren, Akteneinsicht, Verfahren, Kind, Bestandskraft, Form, Verwaltungsgerichtshof, Rechtsanspruch, Voraussetzungen, Vertrag, Erlass, Prozesskostenhilfeverfahren, Grundsatz des fairen Verfahrens, Hilfe zur Erziehung, Kosten des Beschwerdeverfahrens
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 10.09.2019 – W 3 K 19.265
Fundstelle:
BeckRS 2020, 59534

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. September 2019 wird der Klägerin für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt.
II. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1
Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. September 2019 ist begründet.
2
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bietet die Klage auf die Verpflichtung der Beklagten ihr Gewährung von Akteneinsicht in die beim Jugendamt der Beklagten vorliegenden Berichte des freien Trägers P. GmbH über den betreuten Umgang der Klägerin mit ihrem Kind M. unter Aufhebung des diese ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 27. November 2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 6. Februar 2019 hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO).
3
§ 25 SGB X verschafft in Absatz 1 dem einzelnen Beteiligten (§ 12 SGB X) einen Rechtsanspruch auf Gewährung von Akteneinsicht. Die Vorschrift ist Ausfluss des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), das auch bereits im Verwaltungsverfahren zu gewähren ist (Franz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK - SGB X, § 25 SGB X Rn. 8,10). Mit der Vorschrift des § 25 SGB X soll erreicht werden, dass dem Betroffenen alle Informationen vorliegen, die auch der Behörde zur Verfügung stehen, sodass eine gewisse Waffengleichheit geschaffen wird (Grundsatz des fairen Verfahrens). Denn nur dann, wenn der Beteiligte alle Tatsachen und Umstände kennt, die zu einer Behördenentscheidung führen werden oder geführt haben, kann er sein Verhalten danach ausrichten (vgl. Franz in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 25 SGB X Rn. 11). Dabei ist Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB X in die das Verfahren betreffenden Akten zu gewähren, also auf die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden nach § 8 SGB X, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist, also auf alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem Verwaltungsakt oder einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. Franz in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 25 SGB X Rn. 15). Ein Recht auf Akteneinsicht besteht in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich nur während des Verwaltungsverfahrens, d.h. es beginnt mit der Einleitung des Verwaltungsverfahrens und endet mit der Bestandskraft des Verwaltungsakts bzw. des Widerspruchsbescheids.
4
Gemessen an diesem Maßstab rügt der Klägerbevollmächtigte zu Recht die Annahme des Verwaltungsgerichts, das Klagebegehren betreffe die Einsicht in die Akten, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Jugendamtes der Beklagten im Rahmen einer Mitwirkung an einem Verfahren vor dem Familiengericht gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII entstanden sind und damit eine Akteneinsicht nach § 25 SGB X ausscheide. Das Verwaltungsgericht übersieht, dass bereits zum Entscheidungszeitpunkt 10. September 2019 mit der Bewilligung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege nach §§ 27, 33 SGB VIII für das Kind M* … ab dem 1. März 2019 ein - noch laufendes - Jugendhilfeverfahren in Gang gesetzt worden war. Im Rahmen dieser Hilfe gewährt das Jugendamt den jeweils in Teilen noch personensorgeberechtigten Eltern jeweils begleitete Umgangskontakte mit dem Kind nach § 18 Abs. 3 SGB VIII. Damit ist zugleich auch zweifelsohne die Beteiligteneigenschaft der Klägerin nach § 12 SGB X in einem laufenden Verwaltungsverfahren für die Gewährung von Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 SGB X gegeben.
5
Zutreffend weist der Klägerbevollmächtigte auch darauf hin, dass die Gewährung der Hilfe zur Erziehung in Form der Umgangsbegleitung zwischen dem Kind M* … und der Klägerin in eigener Zuständigkeit und Verantwortung der Beklagten nach §§ 27,18 SGB VIII erfolgt, was diese auch selbst unmissverständlich zum Ausdruck bringt, zum Beispiel in den jeweiligen Hilfeplanfortschreibungen, zuletzt vom 3. Juli 2019 (Bl 1073 - 1075 der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angeforderten Jugendhilfeakte). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist in keiner Weise ersichtlich, dass das Tätigwerden der Beklagten im Rahmen der Umgangskontakte durch eine Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII veranlasst gewesen wäre.
6
Der Senat regt deshalb an, dass die Beklagte der Klägerin bzw. ihrem Bevollmächtigten die beantragte Akteneinsicht in dem von diesen gewünschten Umfang, beschränkt auf die beim Jugendamt sich in der Jugendhilfeakte befindlichen Berichte des freien Trägers P. GmbH über den betreuten Umgang der Klägerin mit ihrem Kind M* …, in geeigneter Weise gewährt.
7
Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Nach § 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO werden im Prozesskostenhilfeverfahren die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.
8
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).