Titel:
Gymnasiallehrerin, Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, Reichsbürgertypische Angaben, Kein Verstoß gegen die politische Treuepflicht, Verstoß gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten, Kürzung der Dienstbezüg
Normenketten:
BayDG Art. 9
BeamtenStG § 47
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3
BeamtStG § 34 S. 3
Schlagworte:
Gymnasiallehrerin, Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises, Reichsbürgertypische Angaben, Kein Verstoß gegen die politische Treuepflicht, Verstoß gegen die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten, Kürzung der Dienstbezüg
Fundstelle:
BeckRS 2020, 59436
Tenor
1. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge auf die Dauer von 12 Monaten um 1/10 erkannt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Mit der vorliegenden Disziplinarklage erstrebteder Kläger die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Hintergrund ist der Vorwurf, dass die Beklagte ein Dienstvergehen begangen habe, indem diese im Zusammenhang mit der Beantragung auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit sowie dem Antrag auf Selbstauskunft aus dem EStA-Register für sog. „Reichsbürger“ typische Angaben gemacht bzw. Verhaltensweisen an den Tag gelegt habe.
2
Die am … 1976 geborene Beklagte war vor ihrer vorläufigen Dienstenthebung, die gestützt auf Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG durch Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - vom … 2018 ausgesprochen wurde, im Amt einer Studienrätin am Gymnasium … (Besoldungsgruppe A 13) tätig.
3
Die Beklagte erwarb nach dem Besuch des Gymnasiums in … im Jahr 1996 die allgemeine Hochschulreife. Im Anschluss absolvierte die Beklagte ein Lehramtsstudium für Gymnasien, das sie mit dem 1. Staatsexamen und der Note 2,0 abschloss. Am … 2002 trat die Beklagte als Studienreferendarin in … in den öffentlichen Dienst ein. Das
4
2. Staatsexamen bestand die Beklagte am … 2004 mit der Note 3,7. Mit Wirkung vom … 2004 wurde die Beklagte zur Studienrätin z.A. ernannt. Die Ernennung zur Studienrätin erfolgte mit Wirkung vom … 2007. Die Beklagte war von … 2004 bis … 2011 in … am Gymnasium … im dortigen staatlichen Schuldienst tätig. Mit Wirkung vom … 2011 wurde die Beklagte auf ihren Wunsch hin in den Schuldienst des Freistaats Bayern versetzt. Die Beklagte wurde dem Gymnasium … zur Dienstleistung zugewiesen und trat dort ihren Dienst am … 2011 an. Im Rahmen des Versetzungsverfahrens übersandte die Beklagte am 4. Mai 2011 den von ihr unterschriebenen Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue sowie die ebenfalls von ihr unterschriebene Erklärung zur Verfassungstreue an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Am … 2011 leistete die Beklagte den Diensteid auf das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung des Freistaats Bayern. Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 9. März 2013 wurde der Beklagten antragsgemäß Teilzeitbeschäftigung nach dem Freistellungsmodell gemäß Art. 88 Abs. 4 BayBG für einen Zeitraum von sieben Jahren genehmigt.
5
Die Beklagte erhielt in der periodischen Beurteilung vom … 2014, die ihr am … 2015 eröffnet wurde, das Gesamtergebnis „Leistung, die den Anforderungen voll entspricht (VE)“. In dieser Beurteilung werden der Beklagten beachtliche Kenntnisse des Schul- und Dienstrechts bescheinigt.
6
Die Beklagte ist seit dem … 2008 durch Urteil des Amtsgerichts … - Familiengericht - rechtskräftig geschieden. Die Beklagte ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet.
7
Der Kläger erhebt gegen die Beklagte in der Disziplinarklage folgende Vorwürfe:
„Die Beklagte hat zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, jedenfalls vor dem 09.09.2015, von einer nicht weiter bekannten Internetseite das Antragsformular auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) sowie das dazu gehörige Formular Anlage Vorfahren (Anlage V) heruntergeladen, welches vom Bundesverwaltungsamt als Antrag F (Stand: April 2011) bzw. Anlage V (Stand: April 2011) auf der eigenen Homepage unter der Internetadresse http://WWW.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_BT/Feststellung/antraegemer kblaetter/antraegemerkblaetternode.html zum Download zur Verfügung gestellt wird und im Internet - insbesondere in Kreisen der sog. „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ - weite Verbreitung gefunden hat und auf einschlägigen Homepages downloadbar ist.
8
Die Beklagte hat die Formulare selbst ausgefüllt und dabei u. a. im Antragsformular folgende Angaben gemacht:
- Nr. 1.6 Geburtsstaat: Bayern
- Nr. 1.9 Ehe: geschlossen am …2005 in … im Staat Preußen
- Nr. 1.10 aktuelle Anschrift: … - ohne Postleitzahlen
- Nr. 3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung (Geburt) gem. § 4, Abs. 1 RuStAG Stand 1913 - Nr. 4.3 Besitz weiterer Staatsangehörigkeiten: Bayern seit Geburt, erworben durch Abst. gem. § 4 Abs. 1 RuStAG Stand 1913 - Nr. 5.1 Aufenthaltszeiten seit Geburt in folgenden Staaten: Bayern (1976-1997), Baden (1997-1997), Sachsen-Weimar-Eisenach (1997-2002), Preußen (20022004), Preußen (2004-2011), Bayern (2011-2015)
9
In der Anlage V zum Vater der Beklagten wurden u. a. folgende Angaben gemacht:
- Nr. 1.7 Geburtsstaat: Bayern
- Nr. 1.10 Ehe: geschlossen am …1972 in … im Staat Bayern
- Nr. 3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung Geburt gem. § 4 Abs. 1 RuStAG, Stand 1913 - Nr. 4.3 Besitz weiterer Staatsangehörigkeiten: Bayern seit Geburt, erworben durch Abstammung Geburt gem. § 4 Abs. 1 RuStAG, Stand 1913 In der Anlage V zum Großvater väterlicherseits der Beklagten wurden u. a. folgende Angaben gemacht:
- Nr. 1.7 Geburtsstaat: Bayern
- Nr. 1.10 Ehe: geschlossen am …1952 in … im Staat Bayern
- Nr. 3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung Geburt gem. § 4 Abs. 1 RuStAG, Stand 1913 Nr. 4.3 Besitz weiterer Staatsangehörigkeiten: Bayern seit Geburt, erworben durch Abstammung Geburt gem. § 4 Abs. 1 RuStAG, Stand 1913 In der Anlage V zum Urgroßvater väterlicherseits der Beklagten wurden u. a. folgende Angaben gemacht:
- Nr. 1.7 Geburtsstaat: Bayern
- Nr. 3.8 Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit - Sonstiges: Abstammung Geburt gem. § 4 Abs. 1 RuStAG, Stand 1913 - Nr. 4.3 Besitz weiterer Staatsangehörigkeiten: Bayern seit Geburt, erworben durch Abstammung Geburt gem. § 4 Abs. 1 RuStAG, Stand 1913 Die Beklagte hat den Antrag am 09.09.2015 unterschrieben und zusammen mit einem entsprechenden Antrag ihrer Mutter … … beim Landratsamt … eingereicht, wo er am 10.09.2015 eingegangen ist. Die beiden Anträge wurden mit einem Begleitschreiben vom 09.09.2015 eingereicht, welches von beiden Antragstellerinnen unterschreiben war und folgende Formulierung enthielt:
„… hiermit reichen wir die Formulare zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit mit der Bitte um Bearbeitung und korrekte Ausstellung (rechtsgültige Unterschrift, keine Verletzung des Siegels) ein.“ (Bl. 48 DA).
Der Staatsangehörigkeitsausweis wurde vom Landratsamt … am …2015 wie beantragt ausgestellt und der Beklagten am 17.12.2015 gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt. Die dafür angefallene Gebühr in Höhe von 25,00 Euro wurde von der Beklagten entrichtet.
Unter dem 16.08.2016 hat die Beklagte beim Bundesverwaltungsamt in K. unter Verwendung des vom Bundesverwaltungsamt vorgesehenen Formulars RE (Stand: September 2014) einen Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten) gestellt (Bl. 31DA). Der Antrag wurde von der Beklagten handschriftlich ausgefüllt und von ihr unterschrieben, wobei die Angaben zu ihrem Geburtsstaat (Deutschland) sowie zur aktuellen Anschrift (… …, …, …) offensichtlich von einer anderen Person eingefügt wurden.
Als Motiv für die Beantragung der Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit und Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises hat die Beklagte angegeben, sie sei davon ausgegangen, dass sie als Beamtin ihre deutsche Staatsangehörigkeit nachweisen müsse. Dies sei im Beamtenstatusgesetz so vorgesehen, worauf sie zufällig im Zusammenhang mit Internetrecherchen gestoßen sei. Des Weiteren ist sie dazu auf Nachfrage ausgewichen und hat europakritische Überlegungen in den Raum gestellt.
Als Motiv für die Beantragung der Selbstauskunft aus dem EStA-Register beim Bundesverwaltungsamt hat die Beklagte angegeben, sie habe diesen Antrag der Vollständigkeit halber gestellt, wobei sie nicht davon ausgegangen sei, dass der Vorgang der Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit erst durch diese Auskunft rechtsverbindlich abgeschlossen sei.“
10
Auf Bitte des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst leitete die Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - mit Verfügung vom … 2017 gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayDG ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagte ein. Mit Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - vom 16. März 2017 wurde die Beklagte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens informiert. Die Beklagte wurde u.a. darauf hingewiesen, dass es ihr freistehe, sich mündlich oder schriftlich zu äußern, und dass sie sich jederzeit eines Bevollmächtigten oder Beistands bedienen könne.
11
Die Beklagte legte gegenüber der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - mit Schreiben vom 29. März 2017 u.a. dar, der von ihr gestellte Antrag zur Feststellung der Staatsangehörigkeit beruhe auf dem Boden des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung. Da der Antrag bearbeitet worden sei, müsse er auch verfassungskonform gewesen sein. Zudem verlange das Beamtenstatusgesetz, dass nur in das Beamtenverhältnis berufen werden könne, wer den Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 116 GG erbringen könne. Zudem habe sie mit Beginn ihres Dienstverhältnisses einen Eid zur Verfassungstreue geleistet.
12
Sie habe ihren Dienst stets im Sinne dieses Eids geleistet. Auch werde sie ihren Dienst weiterhin in diesem Sinne leisten. Aus den Ausführungen des Klägers gehe nicht hervor, welcher Gruppierung der Reichsbürgerbewegung sie angeblich angehöre. Es sei ihr auch unklar, wie aus der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises darauf geschlossen werden könne, dass sie überhaupt irgendeiner bestimmten Gruppierung nahestehe.
13
Am 31. März 2017 fand ein Gespräch zwischen dem Schulleiter des Gymnasiums … und der Beklagten statt. Dabei betonte die Beklagte, voll und ganz hinter der Verfassung zu stehen. Mit Reichsbürgern oder Ähnlichem habe sie nichts zu tun. Den Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises habe sie auf Anraten eines Bekannten gestellt, um Geschäfte mit dem Inland und dem Ausland zu führen. Das Erfordernis, den entsprechenden Ausweis zu benötigen, habe sie dem Beamtengesetz entnommen. Um keinen Fehler im Sinne des Beamtengesetzes zu machen, habe sie diesem Gesetz Folge geleistet und sei damit ihren Dienstpflichten nachgekommen.
14
Das Polizeipräsidium … legte mit Schreiben vom 25. April 2017 gegenüber der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - dar, die Erkenntnisanfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz sei negativ verlaufen. Im Hinblick auf den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit sei die Formulierung auffällig, dass ausdrücklich um korrekte Ausstellung gebeten werde. Im Klammerzusatz werde erläutert, dass hiermit „rechtsgültige Unterschrift, kein Verletzung des Siegels“ gemeint sei. Die Forderung, dass amtliche Schreiben eine Unterschrift aufweisen müssten, sei häufig in der sog. Reichsbürgerszene festzustellen. Nach Auswertung des Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und Betrachtung des Anschreibens seien zahlreiche Indizien festgestellt worden, die den Verdacht untermauerten, dass sich die Beklagte, zumindest in Teilen, Argumentationen der sog. Reichsbürgerszene zu eigen mache und dies auch in Schreiben an Behörden vertrete.
15
Die Beklagte wurde am 14. September 2017 durch die Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - persönlich angehört. Wegen der Einzelheiten dieser Anhörung wird auf die in der Disziplinarakte befindliche Niederschrift Bezug genommen.
16
Der Beklagtenvertreter legte mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2017 gegenüber der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - dar, die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises sei legal. Bei der persönlichen Anhörung der Beklagten habe sich der Eindruck aufgedrängt, dass es nicht um die Verfassungstreue der Beklagten gegangen sei. Ein irgendwie konkretisierbarer Tatvorwurf fehle noch immer.
17
Mit Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - vom 11. Juli 2018 wurde dem Beklagtenvertreter das wesentliche Ermittlungsergebnis mitgeteilt und die Beklagte abschließend angehört. Ihr wurde die Gelegenheit gegeben, sich abschließend zu äußern.
18
Der Schulleiter des Gymnasiums … erstellte am 23. Juli 2018 ein Persönlichkeitsbild in Bezug auf die Beklagte und stellte u.a. fest, die Beklagte habe zu keiner Zeit im Unterricht, bei Kontakt mit Eltern oder bei dienstlich erforderlichen Konflikt- oder Beratungsgesprächen eine wie auch immer geartete Äußerung getätigt, die auf den in Rede stehenden Sachverhalt schließen oder Bezüge zu diesem herstellen lasse.
19
Der Beklagtenvertreter nahm mit Schriftsatz vom 1. August 2018 ergänzend Stellung und legte insbesondere dar, in der persönlichen Anhörung der Beklagten habe sich die Beklagte klar zur Demokratie bekannt und erklärt, dass sie sich ihrem Amtseid verpflichtet fühle. Auch habe sich die Beklagte ausdrücklich von der Reichsbürgerszene distanziert.
20
Mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern - Disziplinarbehörde - vom … 2018 wurde die Beklagte mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes enthoben. Zudem wurde die Einbehaltung von 50 v. H. ihrer monatlichen Dienstbezüge angeordnet.
21
IV. Mit Schriftsatz vom 17. August 2018, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach am 22. August 2018, erhob der Kläger Disziplinarklage. Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, die Beklagte habe durch die festgestellten Äußerungen und Handlungen gegen ihre Dienstpflicht verstoßen, sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Zudem liege darin ein Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Die Pflicht zur Verfassungstreue und die politische Treuepflicht stellten Kernpflichten eines Beamten dar. Die politische Treuepflicht verlange vom Beamten, dass er sich eindeutig von Gruppierungen und Bestrebungen distanziere, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angriffen, bekämpften und diffamierten. Diesen Anforderungen genüge der Beamte nicht, wenn er als „Reichsbürger“ oder Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“, aber auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung und dem Verfolgen dieser Theorien die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßige Struktur der Bundesrepublik Deutschland in Frage stelle. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei die Beklagte als Anhängerin der „Reichsbürgerbewegung“ anzusehen. Die Beklagte habe bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises Angaben gemacht, die eindeutig auf ihre Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung hindeuteten. Durch die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das RuStAG in der Fassung von 1913 mit behaupteter Staatsangehörigkeit „in Bayern“, der Angabe von Geburts- und Wohnsitzstaat Bayern und entsprechenden Angaben bei den beigefügten Anlagen habe die Beklagte eindeutig nach außen gegenüber dem Landratsamt … zu erkennen gegeben, dass sie für Reichsbürger typische Ziele verfolge. Die Beklagte sei auch nicht lediglich einem Irrtum oder einer Fehlvorstellung aufgesessen. Es gebe seitens der Verwaltung keine Ausfüllhinweise dahingehend, dass vorkonstitutionelle Angaben zu Geburts-, Aufenthalts- oder Wohnsitzstaaten verlangt würden. Es wäre korrekt und ausreichend gewesen, wenn die Beklagte die geforderten Angaben zu ihren Vorfahren gemacht hätte. Dabei wäre auch zutage getreten, dass für ihren Vater am … 1972 vom Landratsamt … und für ihre Mutter am … 1972 vom Landratsamt … jeweils ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt worden sei. Die Beklagte habe kein nachvollziehbares Ziel für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises dargelegt. Die Beantragung einer Selbstauskunft aus dem EStA-Register stelle eine in „Reichsbürgerkreisen“ typische Vorgehensweise dar, um zu überprüfen, dass die Antragsangaben in den entscheidenden Punkten übernommen worden seien. Die im Begleitschreiben vom 9. September 2015 enthaltenen Formulierungen wiesen eindeutige Hinweise auf eine Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ auf. Die Beklagte habe durch ihr pflichtwidriges Verhalten das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine künftige ordnungsgemäße Pflichtenerfüllung vollständig und unwiderruflich verloren. Wer den Staat in Frage stelle, könne als Beamter nicht mehr Teil der staatlichen Ordnung sein. Zudem trage die Beklagte als Lehrerin eine besondere Verantwortung für die ihr anvertrauten Kinder. Weder aus dem Eindruck, den der unmittelbare Dienstvorgesetzte der Beklagten aus dem mit ihr am 31. März 2017 geführten Gespräch erhalten habe, noch aus dem Persönlichkeitsbild vom 23. Juli 2018 noch aus dem bisherigen dienstlichen Verhalten lasse sich ableiten, dass angesichts der Schwere des Dienstvergehens von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könne. Auch lägen Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme nahelegen würden, nicht vor. In der Gesamtschau sei festzustellen, dass durch die schwerwiegenden Pflichtverletzungen der Beklagten das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die Beklagte verloren gegangen sei. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei auch nicht unverhältnismäßig.
22
Der Beklagtenvertreter beantragte mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018
23
Der Kläger habe bislang den Begriff der „Reichsbürger“ nicht definiert. Die Beklagte habe lediglich einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt. In den letzten zehn Jahren hätten 174.558 Personen einen derartigen Ausweis beantragt. Konkrete Vorwürfe gegen die Beklagte lägen nicht vor. Es gehe nicht an, jeden Bürger, der einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt habe, als „Reichsbürger“ zu qualifizieren. Die Beklagte habe sich wiederholt zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekannt. Das Verhalten der Beklagten sei niemals nach außen gedrungen. Aus den Zeugnissen gehe hervor, dass die Beklagte ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag hervorragend erfüllt habe. Auch habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 1995 den Radikalenerlass als Verstoß gegen Art. 10 und 11 EMRK endgültig gekippt.
24
In der mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2020 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Die Anträge wurden wiederholt.
25
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26
Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 9 BayDG zu einer Kürzung der Dienstbezüge der Beklagten. Eine Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG ist indes nicht auszusprechen.
27
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
28
Die Beklagte wurde im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt und angehört (Art. 22 BayDG). Sie konnte sich gemäß Art. 32 Satz 1 BayDG abschließend äußern.
29
Die Klageschrift entspricht den Anforderungen des Art. 50 Abs. 1 BayDG.
30
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung sind die im behördlichen Disziplinarverfahren in tatsächlicher Hinsicht getroffenen Feststellungen und die nachfolgend dargestellten Sachverhalte, die der Beklagten in der Disziplinarklage zu Last gelegt werden, zur vollen Überzeugung der Kammer erwiesen:
31
Die Beklagte hat demnach zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, jedenfalls vor dem 9. September 2015, von einer nicht weiter bekannten Internetseite das Antragsformular auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) sowie das dazu gehörige Formular Anlage Vorfahren (Anlage V) heruntergeladen, welches vom Bundesverwaltungsamt als Antrag F (Stand: April 2011) bzw. Anlage V (Stand: April 2011) auf der eigenen Homepage zum Download zur Verfügung gestellt wird. Die Beklagte hat die Formulare selbst ausgefüllt und dabei u. a. im Antragsformular die in der Klageschrift dargestellten Angaben zu ihren Vorfahren und ihren bisherigen Aufenthaltszeiten gemacht. Die Beklagte hat den Antrag am 9. September 2015 unterschrieben und zusammen mit einem entsprechenden Antrag ihrer Mutter … … beim Landratsamt … eingereicht, wo er am 10. September 2015 eingegangen ist. Die beiden Anträge wurden mit einem Begleitschreiben vom 9. September 2015 eingereicht, welches von beiden Antragstellerinnen unterschreiben war und folgende Formulierung enthielt:
„… hiermit reichen wir die Formulare zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit mit der Bitte um Bearbeitung und korrekte Ausstellung (rechtsgültige Unterschrift, keine Verletzung des Siegels) ein.“ Der Staatsangehörigkeitsausweis wurde vom Landratsamt … am … 2015 wie beantragt ausgestellt und der Beklagten am 17. Dezember 2015 gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt. Die dafür angefallene Gebühr in Höhe von 25,00 EUR wurde von der Beklagten entrichtet. Unter dem 16. August 2016 hat die Beklagte beim Bundesverwaltungsamt in K. unter Verwendung des vom Bundesverwaltungsamt vorgesehenen Formulars RE (Stand: September 2014) einen Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register EStA (Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten) gestellt. Der Antrag wurde von der Beklagten handschriftlich ausgefüllt und von ihr unterschrieben, wobei die Angaben zu ihrem Geburtsstaat (Deutschland) sowie zur aktuellen Anschrift (… …, …, …) offensichtlich von einer anderen Person eingefügt wurden. Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der von der Klägerseite vorgelegten Behördenakte, in denen die Anträge der Beklagten auf Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises und auf Selbstauskunft enthalten sind. Auch trat die Beklagte diesem Sachverhalt weder im behördlichen noch im gerichtlichen Disziplinarverfahren entgegen.
32
Die Kammer teilt nicht die Auffassung des Klägers, die Beklagte habe durch den unter II. dargestellten, zur Überzeugung der Kammer nachgewiesenen Sachverhalt gegen die politische Treuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen.
33
Zunächst ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass - wie sich aus dem zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Verfassungsschutzbericht 2018 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration ergibt - Reichsbürger Gruppierungen und Einzelpersonen sind, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staats sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Zur Verwirklichung ihrer Ziele treten sie zum Teil auch aggressiv gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland auf. Selbstverwalter sind Einzelpersonen, die behaupten, sie könnten durch eine Erklärung aus der Bundesrepublik Deutschland austreten und seien so nicht mehr deren Gesetzen unterworfen. Die dafür benutzten Argumente sind im Wesentlichen deckungsgleich mit denen der sog. Reichsbürger. In Teilen sind die Reichsbürger und Selbstverwalter dem Phänomenbereich Rechtsextremismus zuzurechnen. In Bezug auf den Freistaat Bayern lagen zum Stichtag 31. Dezember 2018 zu rund 4.200 Personen belastbare Hinweise bezüglich ihrer Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene vor. Wie sich der ebenfalls in das Verfahren eingeführten Broschüre „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ des Bundesamts für Verfassungsschutz entnehmen lässt, argumentieren Anhänger einer „Reichsideolgie“ damit, dass das Grundgesetz nie durch eine Volksabstimmung angenommen worden ist. Folglich erscheint für Reichsbürger und Selbstverwalter der deutsche Staat ohne eine „wirksame“ Verfassung nicht existent.
34
Wenn ein Beamter als „Reichsbürger“ oder Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“, aber auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung und dem Verfolgen dieser Theorien die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßigen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt, verstößt er durch sein Verhalten gegen die politische Treuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG und verletzt damit seine Dienstpflichten. Die Treuepflicht gebietet, den Staat und seine geltende Verfassungsordnung, auch soweit sie im Wege einer Verfassungsänderung veränderbar ist, zu bejahen und dies nicht bloß verbal, sondern insbesondere in der beruflichen Tätigkeit dadurch, dass der Beamte die bestehenden verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften beachtet und erfüllt und sein Amt aus dem Geist dieser Vorschriften heraus führt. Die politische Treuepflicht fordert mehr als eine nur formal korrekte, im Übrigen uninteressierte, kühle, innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung; sie fordert vom Beamten insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren. Vom Beamten wird erwartet, dass er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt. Politische Treuepflicht bewährt sich in Krisenzeiten und in ernsthaften Konfliktsituationen, in denen der Staat darauf angewiesen ist, dass der Beamte Partei für ihn ergreift (BVerfG, B.v. 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 - juris). Dies ist nicht gewährleistet, wenn ein Beamter als „Reichsbürger“ oder Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“, aber auch unabhängig von der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung und dem Verfolgen dieser Theorien die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßigen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt (vgl. OVG NW, B.v. 22.3.2017 - 3d 296/17.O - juris; VG München, U.v. 8.2.2018 - M 19L DK 17.5914; VG Düsseldorf, B.v. 12.7.2017 - 35 L 2031/17.O - juris; B.v. 23.11.2016 - 35 K 13737/16 - juris; VG Magdeburg, U.v. 20.3.2017 - 15 A 16/16 - juris; VG München, B.v. 20.6.2016 - M 5 S 16.1250 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.5.2015 - 10 M 4/15 u.a. - juris; VG Ansbach, U.v. 26.9.2019 - AN 12b D 18.00745).
35
Allerdings stellt das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe, noch keine Verletzung der politischen Treuepflicht dar. Der Tatbestand ist erst erfüllt, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht (vgl. BVerfG, B.v. 22.5.1975 - 2 BvL 13/73 - juris; BVerwG, B.v. 17.5.2001 - 1 DB 15/01 - juris). Hieran gemessen kann der Beklagten nicht nachgewiesen werden, dass sie ihre politische Treuepflicht verletzt hat.
36
Dem Kläger ist zwar zuzugeben, dass vorliegend durchaus gewichtige Indizien dafür bestehen, dass die Beklagte zumindest in der Vergangenheit ein für Reichsbürger typisches Verhalten an den Tag gelegt hat. Denn obgleich die Reichsbürgerszene Ausweisdokumente der Bundesrepublik Deutschland sehr häufig ablehnt, beantragen viele Reichsbürger bei staatlichen Stellen, die sie selbst gar nicht anerkennen, einen Staatsangehörigkeitsausweis. Sie gehen dabei von der Annahme aus, dass nur dieser sogenannte „Gelbe Schein“ ihnen die „volle Rechtsfähigkeit“ als Grundrechtsträger zusichern könne. Die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises weist insbesondere dann auf Szeneangehörige hin, wenn als Geburtsort beispielsweise „Königreich Bayern“ oder „Königreich Preußen“ eingetragen wird (vgl. hierzu die in das Verfahren eingeführte Abhandlung des Bundesamts für Verfassungsschutz „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, S. 16/17). Reichsbürger bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diesen zum Teil als „Firma BRD“. Sie sind der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser „austreten“ können. Aus ihrer Sicht bestimmt sich die Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand. Ausgehend von der falschen Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, beantragen Reichsbürger häufig einen Staatsangehörigkeitsausweis zur Bestätigung ihrer Reichs- und Staatsangehörigkeit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (vgl. hierzu den in das Verfahren eingeführten Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 179/180).
37
Die Beklagte hat sich durch den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit reichsbürgertypisch verhalten. Denn sie hat beispielsweise in der Ziffer 5 des Antragsformulars bei der Frage nach den Aufenthaltszeiten seit ihrer Geburt als Staat die Begriffe „Bayern, Baden, Sachsen-Weimar-Eisenach und Preußen“ und nicht - wie es zutreffend gewesen wäre - Bundesrepublik Deutschland verwendet. Auch hat sie mehrmals die Gesetzesangabe „RuStG, Stand 1913“ in das Formular eingetragen. Auch dem weiteren Verhalten der Beklagten können Anhaltspunkte für eine Zugehörigkeit der Beklagten zur Reichsbürgerszene entnommen werden. So hat die Beklagte unter dem 16. August 2016 beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register „Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten (Register EStA)“ gestellt. Die Beklagte war weder im behördlichen noch im gerichtlichen Disziplinarverfahren in der Lage, einen tragfähigen Erklärungsansatz für ihr Verhalten darzulegen.
38
Soweit die Beklagte ausführte, sie sei davon ausgegangen, beamtenrechtlich verpflichtet gewesen zu sein, ihre deutsche Staatsangehörigkeit durch einen Staatsangehörigkeitsausweis nachzuweisen, kann dieser Erklärungsversuch schon deshalb nicht überzeugen, da die Beklage bereits im Jahr 2004 zur Beamtin ernannt wurde und im Zuge des Ernennungsverfahrens seitens des Dienstherrn die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsausweises nicht gefordert wurde. Auch wurde die Beklagte während des Beamtenverhältnisses durch ihren Dienstherrn niemals zur Vorlage eines Staatsangehörigkeitsausweises aufgefordert. Unschlüssig ist auch der Erklärungsversuch der Beklagten, sie habe den Staatsangehörigkeitsausweis vorsorglich für einen zukünftigen Immobilienerwerb im Ausland benötigt. Denn insoweit konnte die Beklagte nicht darlegen, warum ein deutscher Reisepass für den Erwerb einer Immobilie im Ausland nicht ausreichend sein soll. Auch der Erklärungsansatz der Beklagten für die Einholung der Selbstauskunft ist nicht überzeugend. Wenn es der Beklagten tatsächlich nur darum gegangen wäre, ihre deutsche Staatsangehörigkeit im Hinblick auf ihr Beamtenverhältnis gegenüber ihrem Dienstherrn bzw. im Hinblick auf einen Immobilienerwerb im Ausland nachzuweisen, wäre der bereits am … 2015 durch das Landratsamt … der Beklagten ausgehändigte Staatsangehörigkeitsausweis für die von der Beklagten angegebenen Zwecke ausreichend gewesen. Allerdings darf vorliegend nicht unberücksichtigt bleiben, dass keine weiteren Anzeichen für eine Zugehörigkeit der Beklagten zur Reichsbürgerszene vorhanden sind. So hat sich die Beklage nicht in reichsbürgertypischer Diktion auf das Disziplinarverfahren eingelassen. Sie bezahlt nach ihrem unbestrittenen Vortrag regelmäßig Steuern und hat ihren Personalausweis nicht an den deutschen Staat zurückgegeben. Auch liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Beklagte gegenüber staatlichen Stellen unberechtigte Forderungen geltend gemacht. Dem in Bezug auf die Beklagte durch den Schulleiter des Gymnasiums … am 23. Juli 2018 erstellten Persönlichkeitsbild ist zu entnehmen, dass die Beklagte zu keiner Zeit im Unterricht, bei Kontakt mit Eltern oder bei dienstlich erforderlichen Konflikt- oder Beratungsgesprächen eine wie immer geartete Äußerung getätigt hat, aus der sich eine Zugehörigkeit der Beklagten zur Reichsbürgerszene entnehmen lässt. Auch liegen ausweislich des Schreibens des Polizeipräsidiums … vom 25. April 2017 keine einschlägigen Erkenntnisse des Landesamts für Verfassungsschutz im Hinblick auf die Beklagte vor.
39
Nach alldem mag die Beklagte zwar in der Vergangenheit - möglicherweise beeinflusst durch Dritte - Sympathien für die Reichsbürgerszene gehabt haben, die sich durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises und reichsbürgertypische Angaben auch nach außen manifestiert haben, allerdings genügt dieses Verhalten nicht, um nach dem vorstehend dargelegten Prüfungsmaßstab einen Verstoß der Beklagten gegen die politische Treuepflicht bejahen zu können (vgl. VG München, B.v. 24.1.2019 - M 19L DA 18.3381; VG Münster, U.v. 26.2.2018 - 13 K 768/17.O - juris; VG Düsseldorf, B.v. 22.2.2017 - 35 K 12521/16.O - juris).
40
Soweit der Kläger in der Klageschrift auf verschiedene Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verweist, handelt es sich hierbei ausschließlich um Entscheidungen auf dem Gebiet des Waffenrechts. Zwar lässt sich diesen Entscheidungen, die in Eilverfahren ergangen sind, durchaus entnehmen, dass derjenige, der unter Verwendung reichsbürgertypischer Angaben einen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises stellt, bereits die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Allerdings unterscheiden sich diese Entscheidungen, in denen waffenrechtliche Prognoseentscheidungen und somit die Frage der Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit streitgegenständlich waren, von der vorliegend zu klärenden Frage des Vorliegens eines Verstoßes gegen die politische Treuepflicht.
41
IV. Obgleich nach dem vorstehend dargestellten Gesamtverhalten der Beklagten ein fehlendes Eintreten der Beklagten für die freiheitlichdemokratische Grundordnung und damit ein Verstoß gegen die politische Treuepflicht nicht festzustellen ist, hat die Beklagte durch ihr Verhalten gegen ihre beamtenrechtliche Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes verstoßen (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat verpflichtende Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass er durch sein öffentliches außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise den Anschein setzt, sich mit der Reichsbürgerszene zu identifizieren (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2001 - 1 DB 15/01 - juris). Denn im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns ist der Beamte verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Gruppierungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine disziplinarrechtlich bedeutsame Dienstpflichtverletzung dar (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2001, a.a.O.). Somit handelte die Beklagte hier pflichtwidrig, da sie, obwohl sie kein Gegner der freiheitlichdemokratischen Grundordnung ist, durch ihr konkretes Verhalten aber diesen Rechtsschein hervorruft. Durch die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises unter Verwendung reichsbürgertypischer Angaben und die Beantragung einer Selbstauskunft aus dem ESTA-Register musste bei einem vorurteilsfrei wertenden Betrachter mangels anderweitiger Anhaltspunkte der Eindruck hervorgerufen werden, dass es sich bei der Beklagten um eine Angehörige der Reichsbürgerbewegung handelt, die die freiheitlichdemokratische Grundordnung ablehnt. Die Beklagte hat demnach vorsätzlich ein außerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen, indem sie ihre Pflichten nach § 34 Satz 3 BeamtStG verletzte. Es liegen auch die qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab. Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu. Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist, wobei insoweit auf das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinn abzustellen ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 - 2 C 9/14 - juris). Die durch die Beklagte erfolgte Verletzung der Pflicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG weist einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Gymnasiallehrers auf, da Schüler gemäß Art. 131 Abs. 3 BV im Geist der Demokratie zu erziehen sind. Lehrer genießen zudem in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauensstellung. Der genannte Verfassungsauftrag und das berufserforderliche Vertrauen werden in besonderem Maß beeinträchtigt, wenn Lehrer den Anschein erwecken, einer Gruppierung anzugehören, die die freiheitlichdemokratische Grundordnung in Frage stellt.
42
Anhaltspunkte für Rechtfertigungsgründe oder Schuldausschlussgründe sind nicht ersichtlich.
43
Welche Disziplinarmaßnahme zur Ahndung des vorliegenden Dienstvergehens der Beklagten erforderlich ist, richtet sich gemäß § 14 Abs. 1 BayDG insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten. Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist dabei die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris.
44
Auf dieser Grundlage war eine objektiv gewichtete Prognoseentscheidung zu treffen, ob die Beklagte in Zukunft ihren Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird.
45
Der erstmalige Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht nach § 34 Satz 3 BeamtStG, der keine Verletzung der Verfassungstreuepflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG darstellt, ist nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 17.5.2001 - 1 DB 15/01 - juris), der sich die Kammer anschließt, nicht mit der Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu ahnden. Die Kammer kommt hier zu der Einschätzung, dass die Beklagte ein mittelschweres Dienstvergehen begangen hat, jedoch zu der rechtlich gebotenen Pflichtenmahnung der Beklagten die Kürzung der Dienstbezüge in der Höhe von einem Zehntel auf die Dauer von zwölf Monaten angemessen und ausreichend ist (vgl. zum Erfordernis einer Kürzung der Dienstbezüge: BVerwG, U.v. 17.5.2001 - 1 DB 15/01 - juris; VG München, B.v. 24.1.2019 - M 19L DA 18.2281). Anzumerken bleibt, dass bei Beamten der dritten und der vierten Qualifizierungsebene ein Kürzungsbruchteil von einem Zehntel regelmäßig als angemessen erscheint (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 9 BayDG, Rn. 8). Dabei ist zugunsten der Beklagten zu werten, dass sie mit Ausnahme der streitgegenständlichen Vorwürfe weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Auch hat die Beklagte niemals im dienstlichen Bereich Gedankengut der Reichsbürgerszene verbreitet oder ein dienstliches Verhalten gezeigt, das sie mit der Reichsbürgerszene in Verbindung bringt. Unberücksichtigt bleiben darf ferner nicht, dass die streitgegenständliche Pflichtverletzung mittlerweile mehr als vier Jahre zurückliegt und die Beklagte sich seitdem beanstandungsfrei verhalten hat. Zu Lasten der Beklagten fällt ins Gewicht, dass die Wohlverhaltenspflicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG eine Grund- bzw. Hauptpflicht des Beamten darstellt. Zudem hat sich die Beklagte durch ihr Verhalten in die Nähe einer Gruppierung gerückt, die die freiheitlichdemokratische Grundordnung nicht nur verbal ablehnt, sondern durch unterschiedliche - auch strafbare - Handlungen versucht, das bestehende Staatssystem gewaltsam zu bekämpfen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 183). Gerade in der Funktion als Lehrerin ist ein derartiges Verhalten der Beklagten im Hinblick auf den Schutz der von ihr unterrichteten und ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler durch die Allgemeinheit und durch den Dienstherrn nicht hinnehmbar, sodass es einer durchaus deutlichen Pflichtenmahnung bedarf. Auch hat die Beklagte nicht nur einmalig den Anschein, der Reichsbürgerszene anzugehören, gesetzt, sondern durch den Antrag auf Selbstauskunft aus dem Register EStA wiederholt ein reichsbürgertypisches Verhalten gezeigt. Sonstige Milderungsgründe bestehen nicht.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Danach tragen Beamte und Beamtinnen sowie Ruhestandsbeamte und Ruhestandsbeamtinnen, gegen die in Verfahren der Disziplinarklage auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt wird, die Kosten des Verfahrens. Da vorliegend auf die Disziplinarklage des Klägers hin durch das Gericht auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt wurde, trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens. Dabei kommt es nicht darauf an, dass in Abweichung vom Klageantrag lediglich die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge ausgesprochen wurde.