Titel:
Rente, Bescheid, Widerspruchsbescheid, Widerspruch, Zuschlag, Nachzahlung, Heimatland, Kindererziehung, Ausland, Kindererziehungszeit, Anerkennung, Anspruch, Tochter, Bestandskraft, Bundesrepublik Deutschland, keinen Erfolg, deutsches Sozialrecht
Schlagworte:
Rente, Bescheid, Widerspruchsbescheid, Widerspruch, Zuschlag, Nachzahlung, Heimatland, Kindererziehung, Ausland, Kindererziehungszeit, Anerkennung, Anspruch, Tochter, Bestandskraft, Bundesrepublik Deutschland, keinen Erfolg, deutsches Sozialrecht
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 23.02.2022 – L 19 R 643/20
BSG Kassel, Beschluss vom 03.08.2022 – B 5 R 70/22 B
Fundstelle:
BeckRS 2020, 59354
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt einen Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ihre Tochter D.
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1. Die am …1952 geborene Klägerin war mit einem Soldaten der U. S. Armed Forces verheiratet. Von Januar 1985 bis Oktober 1985 hielt sie sich in den USA auf. Dort gebar sie das gemeinsame Kind F. am …1985. Ab 8. Oktober 1985 lebte die Familie bis Januar 1988 wieder in Deutschland. Dort gebar die Klägerin am …1986 die gemeinsame Tochter G. Ab Januar 1988 bis Juli 1992 hielt sich die Familie wieder in den USA auf. Seit 1. Juli 1992 lebt die Klägerin wieder im Bundesgebiet. Nach ihren Angaben dauerte die Ehe bis zum …1998 an.
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2. Mit Bescheid vom 25. Februar 2005 erklärte die Beklagte unter anderem, dass hinsichtlich der am …1985 geborenen Tochter F die Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 31. Mai 1986 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 31. Januar 1988 sowie vom 1. Juli 1992 bis 9. Mai 1995 als Berücksichtigungszeit anerkannt werde. Die Zeit vom 10. Mai 1985 bis 30. September 1985 und vom 1. Februar 1988 bis 30. Juni 1992 könne nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden, weil die Tochter F. in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Hinsichtlich der am …1986 geborenen Tochter führte die Beklagte aus, dass die Zeit vom 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1987 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 22. Dezember 1986 bis 31. Januar 1988 sowie vom 1. Juli 1992 bis 21. Dezember 1996 als Berücksichtigungszeit anerkannt werde. Die Zeit vom 1. Februar 1988 bis 30. Juni 1992 könne nicht als Berücksichtigungszeit anerkannt werden, weil die Tochter D. in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch hinsichtlich einer Schulausbildung ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2006 insgesamt zurückgewiesen. Er ist - soweit ersichtlich - in Bestandskraft erwachsen.
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Ab 2006 hat die Klägerin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bezogen. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2015 wurde der Klägerin anstelle der bisherigen Rente eine Altersrente für Schwerbehinderte Menschen ab 1. Dezember 2015 in Höhe von brutto 962,69 EUR bewilligt.
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3. Mit Bescheid vom 26. März 2019 wurde die Rente mit einem höheren Zuschlag für Kindererziehung (sogenannte Mütterrente) neu berechnet. Daraus ergab sich eine monatliche Rente ab dem 1. April 2019 in Höhe von brutto 1.071,65 EUR und für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum 31. März 2019 eine Nachzahlung in Höhe von 42,88 EUR. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Der Betrag von 42,88 EUR stehen in irgendeinem Zusammenhang mit der Mütterrente. Fakt sei, dass sie vor 1992 zwei Kinder geboren habe. Ihr damaliger Ehemann sei Angehöriger der Armed-Forces gewesen. Das NATO-Truppenstatut finde Anwendung. Dieses besage, egal wo auch immer der Einsatzort/Aufenthaltsort sei, gelte dies als Aufenthalt im Heimatland. Unter dem 1. August 2019 erläuterte die Beklagte. Die Berücksichtigungszeit für die Tochter G sei wegen Auslandsaufenthalt abgelehnt worden. Daher könne auch kein Zuschlag in Höhe von 0,5 Entgeltpunkten anerkannt werden. Die Doppelstaatigkeit der Kinder spiele für die Anerkennung keine Rolle. Hierauf erklärte die Klägerin, dass aufgrund des NATO-Truppenstatuts deutsches Sozialrecht anwendbar sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2019 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
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4. Dagegen ließ die Klägerin am 23. Dezember 2019 Klage erheben. Ihr Ehemann sei Angehöriger der Armed-Forces USA gewesen. Mit ihrer Tochter G habe sie im 24. Kalendermonat tatsächlich in den USA in F. gelebt, weil der Vater des Kindes als Truppenangehöriger dorthin versetzt worden sei. Nach den Erläuterungen der Beklagten in dem Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten könnten Erziehungszeiten unter den allgemeinen Voraussetzungen angerechnet werden. Angehörige von Mitgliedern der NATO-Truppen könnten gerade nicht ausschließlich am gewöhnlichen Aufenthalt gemessen werden. Dies würde eine unangemessene Benachteiligung darstellen, weil man als Mitglied einer Truppe naturgemäß nirgends einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen könne. So habe auch das Sozialgericht Nürnberg in seinem Urteil vom 11. April 2017 - S 3 EG 7/17 - erklärt, dass deutsches Sozialrecht uneingeschränkt Anwendung finde, wenn und soweit seine Normen für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen zu deutschen Leistungsträgern an andere Umstände anknüpfen.
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Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt zuletzt,
den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rente mit einem Zuschlag für Kindererziehungszeiten in Höhe von 0,5 Entgeltpunkten für das am 22. Dezember 1986 geborenes Kind G zu berechnen.
5. Die Beklagte beantragt unter Verweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid,
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6. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die vorgelegten Beklagtenakten sowie die Gerichtsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ihre am …1986 geborene Tochter aus einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat. Der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2019 ist rechtmäßig und kann die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzten.
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1. Nach § 307d Abs. 1 Satz 3 SGB VI wird ab dem 1. Januar 2019 ein Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind berücksichtigt, wenn am 30. Juni 2014 Anspruch auf eine Rente bestand und wenn (Nummer 1) in der Rente eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet oder wegen § 57 Satz 2 SGB VI nicht angerechnet wurde und wenn (Nummer 2) kein Anspruch nach den §§ 294 und 294a SGB VI besteht. Nach § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Für einen Elternteil wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
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2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Klägerin keinen Anspruch auf einen Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für die am …1986 geborene Tochter G nach § 307d Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
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2.1 Denn bei der Klägerin ist keine Berücksichtigungszeit wegen Erziehung der Tochter G für den 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, also für Januar 1989 in der Rente angerechnet. Das steht bestandskräftig aufgrund des Bescheides vom 25. Februar 2005 und vom 14. Oktober 2015 fest. Bereits deshalb scheidet ein Anspruch auf Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten wegen der Erziehung von G aus.
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2.2 Selbst wenn die Frage der Berücksichtigungszeit für die Tochter G noch nicht bestandskräftig entschieden wäre, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten. Denn im 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, also im Januar 1989, lebte die Klägerin mit ihren Töchtern und ihrem Ehemann in den USA. Damit fand keine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland statt. Auch ist die in den USA zurückgelegte Erziehungszeit nicht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleichgestellt. Damit kann der 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt hinsichtlich G nicht als Berücksichtigungszeit angerechnet werden.
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2.3 Daran ändert der Verweis auf das Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen (NATO-Truppenstatut) nichts. Das NATO-Truppenstatut regelt den Aufenthalt von Streitkräften der NATO und deren Angehörigen auf dem Gebiet anderer NATO-Staaten, erfordert somit einen Entsendestaat und einen Aufnahmestaat. Nach dem NATO-Truppenstatut war die Klägerin als Ehefrau eines US-Soldaten Angehörige eines Mitglieds einer Truppe, nämlich der United States Armed Forces. Die Rechtstellung der Klägerin leitet sich somit von der Eigenschaft, Angehörige eines Mitglieds der United States Armed Forces zu sein, ab. Während des Aufenthalts in den USA war das NATO-Truppenstatut ohne Belang, weil der Ehemann der Klägerin als Mitglied der United States Armed Forces während dieser Zeit in seinem Heimatstaat war.
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Auch das Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen (Nato-Truppenstatut-Zusatzabkommen) ändert hieran nichts. Denn es regelt - wie sein Name schon zeigt - die Rechtsstellung hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen. Während ihres Aufenthaltes in den USA war die Klägerin bzw. ihr Mann aber nicht in der Bundesrepublik stationiert. Im Übrigen gilt nach dessen Artikel 1 das NATO-Truppenstatut bezüglich der Rechte und Pflichten verschiedener Truppen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Zum fraglichen Zeitpunkt, also im Januar 1989, hat sich weder der Ehemann der Klägerin, noch die Klägerin, noch ihre Töchter im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten.
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Davon unabhängig würde das NATO-Truppenstatut zunächst genau das Gegenteil des von der Klägerin gewünschten Ergebnisses bezeugen, nämlich, dass geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf Mitglieder einer Truppe, eines zivilen Gefolges und auf Angehörige nicht angewendet werden (Artikel 13 Satz 1 des Nato-Truppenstatut-Zusatzabkommen). Denn es wäre unangemessen, für diese Personen allein wegen ihres tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland und ihren Beziehungen untereinander oder zu der jeweiligen Truppe Rechte und Pflichten durch deutsche Bestimmungen der sozialen Sicherheit und Fürsorge zu begründen. Hingegen findet deutsches Sozialrecht uneingeschränkt Anwendung, wenn und soweit seine Normen für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen zu deutschen Leistungsträgern an andere Umstände (z.B. Beziehungen dieser Personen zu anderen inländischen Rechtssubjekten) anknüpfen. So waren neben dem Aufenthalt im Bundesgebiet noch andere Umstände maßgeblich, die zu dem positiven Urteil vom 11.04.2017 - S 3 EG 7/17 - des SG Nürnberg führten. Vorliegend fehlt es aber bereits an einem Aufenthalt im Bundesgebiet, weil die Klägerin mit ihrer Familie im fraglichen Zeitraum in den USA war.
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2.4 Die Klägerin wird demnach wie jeder andere Elternteil behandelt, der sein Kind ganz oder zum Teil im Ausland erzogen hat. Mangels Inlandserziehung im fraglichen Zeitraum hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf einen Zuschlag von 0,5 persönlichen Entgeltpunkten für ihre am …1986 geborene Tochter aus einer Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung für den 24. Kalendermonat. Der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2019 ist rechtmäßig und kann die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzten.
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Die Klage ist daher abzuweisen.
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3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ist getragen von der Erwägung, dass die Klage keinen Erfolg hat.