Inhalt

OLG München, Beschluss v. 18.06.2020 – 15 U 7074/19
Titel:

Abstehen vom Urkundenprozess im Berufungsverfahren

Normenkette:
ZPO § 522, § 529, § 531, § 596
Leitsatz:
In Bezug auf eine Klageänderung kann im Verfahren gem. § 522 Abs. 2 ZPO vom Urkundenprozess nicht Abstand genommen werden. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abstehen, Urkundenprozess, Berufungsverfahren, Klageänderung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 14.11.2019 – 18 O 5377/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 07.07.2022 – IX ZR 144/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 59036

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14.11.2019, Az. 18 O 5377/19 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts 14.11.2019 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert wird auf 37.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt im Urkundenprozess aus abgetretenem Recht die Rückzahlung eines Darlehensbetrages und Zinsen.
2
Mit Urteil vom 14.11.2019, auf dessen Tatbestand der Senat hinsichtlich des streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien Bezug nimmt, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
3
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage als im Urkundenprozess unstatthaft abzuweisen sei. Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis für seine Aktivlegitimation, nämlich die von der Beklagten bestrittene Abtretung der (von der Beklagten bestrittenen) offenen Forderung auf Rückzahlung des Darlehensbetrages von 37.000 € von der M.-C. GmbH an ihn nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten. Das Original der unter Anlage K 5 vorgelegten Kopie eines Abtretungsvertrages vom 30.12.2016 habe die Klagepartei nicht vorgelegt. Sie habe auf den Hinweis des Gerichts zur Notwendigkeit der Vorlage des Originals in der Sitzung vom 18.10.2019 vorgetragen, dass ihr die Vorlage des Originals nicht möglich sei, da diese nicht auffindbar sei. Die Vorlage des Originals der Urkunde zum Zwecke des Beweises der von der Beklagten (auch in der Echtheit der Unterschrift und in der Wahrheit der Datumsangabe) bestrittenen Abtretungsvereinbarung als anspruchsbegründende Tatsache wäre jedoch erforderlich gewesen. Es genüge auch nicht die Vorlage einer Bestätigung vom 09.01.2019 der Behauptung, dass diese Abtretungsvereinbarung so geschlossen worden sei (Anlage K 7). Diese Erklärung sei lediglich Sachvortrag, die den unmittelbaren Urkundenbeweis der schriftlichen Abtretungsvereinbarung nicht ersetzen könne. Hinzu komme, dass auch diese Bestätigung in der Sitzung vom 18.10.2019 vom Beklagten nicht vorgelegt worden sei. Schriftsatzfrist zur Nachreichung sei nicht beantragt worden, sodass es auf die mit Schriftsatz vom 31.10.2019 übersandte Originalurkunde des Bestätigungsschreibens nicht ankomme.
4
Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren mit der Berufung weiter und trägt vor, dass der Beweis bereits durch die Vorlage der relevanten Urkunden im Vorprozess vor dem Landgericht München II erbracht worden sei. Im Übrigen werde der Beweis jedenfalls anhand der mit Anlagen K 5 und K 7 vorgelegten Urkunden erbracht. Das Landgericht München II habe im Vorprozess rechtskräftig zugunsten der Rechtsvorgängerin des Klägers „i. p.“ entschieden. Der tatsächliche Bestand sowie die rechtliche Wirksamkeit der Abtretung des Anspruchs von der M. -C. GmbH an den Kläger sei zwar bestritten worden, jedoch sei aufgrund der Vorlage weiterer Urkunden (Anlagen K 5, K 7) in einer für den Urkundenprozess geeigneten Weise Beweis angeboten worden. Weiter argumentiert der Kläger mit einem Endurteil des Landgerichts München II vom 24.1.2020, mit dem die Vollstreckungsgegenklage der hiesigen Beklagten gegen die M.-C. GmbH hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses wegen des streitgegenständlichen Anspruchs des Klägers abgewiesen worden sei (vgl. im einzelnen Seiten 3/4 der Berufungsbegründung).
5
Mit Schriftsatz vom 28.04.2020 hat der Kläger auf den Hinweis des Gerichts vom 03.04.2020 das Abstehen vom Urkundenprozess gemäß § 596 ZPO erklärt (zu den Einzelheiten Bl. 119/122 d.A.).
6
Mit Schriftsatz vom 27.5.2020 hat der Kläger - als Reaktion auf den weiteren Hinweisbeschluss des Senats vom 7.5.2020 - eine Vereinbarung vom 15.05.2020 nebst notarieller Beglaubigung vorgelegt (Anlage K 25).
7
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 14.11.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München I - Az.: 18 O5377/19 - wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger Euro 37.000 nebst 5% Zinsen p.a. für die Zeit vom 04.03.2013 bis zum eine 30.12.2015 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 12% Zinsen p.a. seit dem 01.01.2016 zu bezahlen.
8
Der Senat hat mit Beschluss vom 3.4.2020 (Bl. 111/116 d.A.) darauf hingewiesen, dass er eine Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt.
9
Am 07.05.2020 hat der Senat einen weiteren Hinweisbeschluss erlassen (Bl. 123/127 d.A.).
II.
10
Der Senat weist die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Gesichtspunkte, die gleichwohl eine mündliche Verhandlung als geboten erscheinen ließen, liegen nicht vor.
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1. Der Senat hat im vorangegangenen ersten Hinweisbeschluss vom 3.4.2020 ausführlich dargelegt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Hierauf wird - auch in der geänderten Besetzung - zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
12
Die hierzu eingegangene Gegenerklärung des Klägers vom 28.04.2020 hat sich mit der Argumentation in dem Hinweisbeschluss nicht näher befasst, vielmehr wurde in diesem Schriftsatz das Abstehen vom Urkundenprozess gemäß § 596 ZPO erklärt und ausgeführt, dass damit der Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren vor dem Berufungsgericht anhängig bleibe.
13
2. Mit einem weiteren Hinweisbeschluss (vom 07.05.2020) hat der Senat darauf hingewiesen, dass in Bezug auf eine Klageänderung im Verfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom Urkundenprozess nicht Abstand genommen werden könne.
14
An der Bewertung im Beschluss vom 7.5.2020 wird - auch in der geänderten Besetzung - festgehalten:
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2.1. Die hierzu eingegangene Gegenerklärung des Klägers vom 27.5.2020 (Bl. 130/131 d.A.) geht nicht näher auf den Hinweisbeschluss des Senats ein, sondern beruft sich nunmehr auf eine Vereinbarung vom 15.05.2020 (Anlage K 25), die den Nachweis der Aktivlegitimation des Klägers erbringe und gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zu berücksichtigen sei.
16
2.2. Der Kläger möchte nunmehr seine Aktivlegitimation nicht mehr ausschließlich mit der Abtretung gemäß Abtretungsvertrag vom 30.12.2016 begründen, sondern diese nunmehr durch neue, seiner Ansicht nach gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO berücksichtigungsfähige Tatsachen belegen, namentlich der Vereinbarung vom 15.05.2020 nebst notarieller Beglaubigung vom 20.05.2020 (Anlage K 25).
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2.2.1. Mit dieser weiteren Urkunde können freilich die Bedenken, die in Bezug auf die in 1. Instanz vorgelegten Unterlagen nicht ausgeräumt werden, da es insoweit weiterhin an der Vorlage von Originalen fehlt, sodass ein Urkundenbeweis im Urkundenverfahren gerade nicht möglich ist (vgl. hierzu im Einzelnen den Hinweisbeschluss vom 3.4.2020). Die Vereinbarung vom 20.05.2020 nimmt lediglich Bezug auf nicht im Original vorgelegte Urkunden.
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2.2.2. Soweit der Kläger seine Aktivlegitimation mit der Vereinbarung vom 15.05.2020 begründen will, handelt es sich um eine Klageänderung in der Berufungsinstanz, nachdem die Aktivlegitimation mit dem Sachverhalt vom 15.05.2020 begründet werden soll.
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Der Kläger stützt mit diesem Vortrag seine Aktivlegitimation auf einen neuen Streitgegenstand. Insoweit geht es nicht primär um die vom Kläger thematisierte Frage der Berücksichtigungsfähigkeit neuer Tatsachen gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO; vielmehr gilt nach der Rechtsprechung des BGH im Verfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO bezüglich einer Klageänderung folgendes (worauf bereits im weiteren Hinweisbeschluss vom 07.05.2020, Ziffer 3 hingewiesen wurde): Eine Klageänderung verliert analog § 524 Abs. 4 ZPO dann ihre Wirkung, wenn die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen wird (BGH, 06.11.2014 - IX ZR 204/13).
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2.2.3. Damit ist zum einen festzuhalten, dass mit der Vereinbarung vom 15.05.2020 kein Nachweis der Aktivlegitimation in Bezug auf die erstinstanzlichen Unterlagen erbracht ist; zum anderen kann die Aktivlegitimation auch nicht auf die Vereinbarung vom 15.05.2020 gestützt werden, da diese einen neuen Lebenssachverhalt darstellt, damit als Klageänderung zu bewerten ist und diese bei Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ihre Wirksamkeit verliert.
III.
21
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
22
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711, 709 Satz 2 ZPO.
23
3. Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 63 II 1, 43 I, 47, 48 I 1 GKG, 3 ZPO.