Inhalt

LG Schweinfurt, Urteil v. 30.11.2020 – 1 KLs 8 Js 1457/20 jug
Titel:

Angeklagte, Tateinheit, Untersuchungshaft, Vergewaltigung, Justizvollzugsanstalt, Krankenhaus, Angeklagten, Jugendstrafe, Pkw, Internet, Medizin, Psychotherapie, Kinder, Grundschule, sexueller Missbrauch, sexuelle Handlungen, sexuellen Missbrauchs

Schlagworte:
Angeklagte, Tateinheit, Untersuchungshaft, Vergewaltigung, Justizvollzugsanstalt, Krankenhaus, Angeklagten, Jugendstrafe, Pkw, Internet, Medizin, Psychotherapie, Kinder, Grundschule, sexueller Missbrauch, sexuelle Handlungen, sexuellen Missbrauchs
Fundstelle:
BeckRS 2020, 59000

Tenor

I. Der Angeklagte N. H., geboren am ..., ist schuldig des besonders schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Herstellen kinderpornographischer Schriften, der Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und vorsätzlicher Körperverletzung, des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 21 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Herstellen kinderpornographischer Schriften, in drei weiteren Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in vier weiteren Fällen in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften und in zehn weiteren Fällen in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften, und des Herstellens kinderpornographischer Schriften.
II. Er wird deswegen zu einer
Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt.
III. Der Angeklagte hat die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen. Von der Auferlegung der Kosten des Verfahrens auf den Angeklagten wird abgesehen.
Angewendete Strafvorschriften:
§§ 176 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2, Nr. 3b, Nr. 4, 176a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, 177 Abs. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, 184b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 230 Abs. 1, 52, 53 StGB, §§ 1, 17, 105 JGG

Entscheidungsgründe

(abgekürzt gemäß § 267 Abs. 4 StPO)
I. Feststellungen zur Person
1
Der Angeklagte wurde am … als Sohn eines Schlossers und einer Erzieherin in … geboren.
2
Er wuchs gemeinsam mit seinen beiden jüngeren Brüdern im Elternhaus im Markt … im unterfränkischen Landkreis … auf. Als Kind und Jugendlicher wurde der Angeklagte medikamentös wegen eines Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) behandelt, welches zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr vorhanden ist.
3
Nach dem Besuch des Kindergartens in T. und der Grundschule in B. ging er zunächst zwei Jahre lang zur … Realschule. Diese verließ er jedoch nach zwei Jahren, weil er dort gemobbt wurde. Ab der siebten Klassenstufe, von 2011 bis 2014, besuchte der Angeklagte die private Montessori-Mittelschule in …, von der er nach der neunten Klasse mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss abging.
4
Im Alter von 14 Jahren nahm der Angeklagte aufgrund von depressiven Verstimmungen sowie Versagensängsten vier bis fünf Termine bei einer Kinder- und Jugendpsychiaterin in … wahr.
5
Im Zeitraum von 2014 bis 2016 absolvierte der Angeklagte eine Ausbildung zum Kinderpfleger und erreichte die Mittlere Reife. Die im September 2016 begonnene Ausbildung zum Physiotherapeut an der Physiotherapeutenschule in … brach er im Januar des Jahres 2018 ab, weil er körperlich überlastet war und weil er sich um seine seit August 2016 psychisch erkrankte Mutter und um seine jüngeren Brüder kümmern musste. In der Folge blieb er neun Monate lang zuhause bei der Familie. Im September 2018 begann der Angeklagte bei der Fachakademie für Sozialpädagogik eine auf zwei Jahre ausgelegte Aus- bzw. Weiterbildung zum Erzieher.
6
Der Angeklagte bewohnte ein Zimmer im Haus seiner Eltern und erhielt staatliche Unterstützung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). In seiner Freizeit war er als Fußballtorhüter und -trainer tätig.
7
Nach dem Aufkommen der verfahrensgegenständlichen Vorwürfe befand sich der Angeklagte zunächst vom 04.02.2020 bis zum 12.02.2020 auf freiwilliger Basis stationär im Krankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin (KPPPM) Schloss W. Nach seiner Entlassung am 12.02.2020 wurde der Angeklagte vorläufig festgenommen. Er befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Schweinfurt vom 13.02.2020 seit diesem Tag in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt S., wo er Gesprächstermine bei einer Psychologin wahrnahm.
8
Der ledige und kinderlose Angeklagte konsumiert weder Alkohol noch illegale Drogen. Er leidet an Schulterproblemen.
9
Der Angeklagte ist bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten.
II. Feststellungen zur Sache
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Der Angeklagte war Fußballtrainer der Jugendmannschaft U15 des 1. FC Eintracht …, der unter anderem die Nebenkläger … angehörten. Die im Tatzeitraum zwischen 11 und 13 Jahre alten Nebenkläger und deren Eltern bauten mit der Zeit Vertrauen zum Angeklagten auf. Das Alter der Nebenkläger war dem Angeklagten bekannt.
11
Beginnend im Oktober 2017 wirkte der Angeklagte auf die ihm zum Fußballtraining anvertrauten Nebenkläger sowie auf den Nebenkläger … ein, um in den Besitz von kinderpornographischen Bild- und Videodateien der Kinder zu gelangen. Er stand zu den Nebenklägern jeweils in regem Chatkontakt über die Handy-Applikation WhatsApp.
12
Der Angeklagte erfand die Geschichte, er sei Mitglied einer Sondereinheit, die Kinder aus den Fängen eines russischen Kinderpornographierings befreie. Den betroffenen Kindern gegenüber erklärte der Angeklagte, diesem kriminellen Ring, den er auch als „Mafia“ bezeichnete, sei es gelungen, die Mobiltelefone der Kinder zu hacken und die Kinder unter anderem beim Onanieren oder beim Duschen zu filmen. Die so entstandenen Bild- oder Videodateien seien nun ins Internet gelangt. Der Angeklagte gab weiter vor, er habe ein Programm, einen sogenannten „Filter“, entwickelt, mit welchem die Nacktbilder und -videos der Kinder aufgespürt und gelöscht werden könnten. Um diesen „Filter“ erfolgreich betreiben zu können, sei es jedoch notwendig, dass die betroffenen Kinder Bild- und ggf. Videodateien an ihn schickten, die ihren Penis aus verschiedenen Winkeln und im nicht erigierten und erigierten Zustand zeigten. Auch sollten die Kinder ihm Videos von Selbstbefriedigungshandlungen zukommen lassen. Weder die Eltern noch die Polizei dürften etwas von den Vorgängen erfahren. In einigen Fällen behauptete er wiederholt, dass die bisher übersandten Bilder nicht ausreichten und daher weiteres Bild- oder Videomaterial vonnöten sei. Außerdem spiegelte er einem Teil der Kinder vor, seine - in Wahrheit nicht existente - Freundin namens „Anne“ sei von der „Mafia“ im Ausland aufgespürt und getötet worden. Er behauptete weiter, sein Hacker- bzw. Einsatzteam habe sich bereits in Kämpfen mit der „Mafia“ befunden. Er selbst habe dabei eine Schussverletzung erlitten. Die Mitglieder seines Teams seien bei den Kampfhandlungen durch eine Granate getötet worden.
13
Der Angeklagte dachte sich zudem das Spiel „Strip-FIFA“ aus, bei dem derjenige, der beim Konsolenspiel ein Gegentor in der Video-Fußballsimulation „FIFA“ erhält, sich ausziehen und ein Kleidungsstück ablegen muss.
14
Auf zwei der Nebenkläger wirkte der Angeklagte außerdem durch das Zusenden bzw. Vorzeigen von Erwachsenenpornographie ein.
15
Mittels dieser Handlungen brachte der Angeklagte die Nebenkläger dazu, sich von ihm nackt fotografieren oder filmen zu lassen bzw. ihm entsprechende selbstgefertigte Bild- und Videodateien zuzusenden. Soweit nötig, fragte der Angeklagte in beharrlicher Weise immer wieder nach, bis er die gewünschten Dateien von den Nebenklägern zugeschickt bekam. In einigen Fällen machte er den Kindern auch Schuldvorwürfe und behauptete etwa, dass sie durch ihr Untätigbleiben die Arbeit seines Hacker-Teams erschwerten und gegebenenfalls verantwortlich dafür seien, wenn eines der betroffenen Kinder von der „Mafia“ entführt würde.
16
Der kinderpornographische Charakter der von den Nebenklägern angefertigten Bild- und Videodateien war vom Angeklagten jeweils beabsichtigt.
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Auf drei der Nebenkläger kam es im Tatzeitraum darüber hinaus zu körperlichen Übergriffen durch den Angeklagten mittels sexualisierter Gewalt.
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Einem der Nebenkläger brachte der Angeklagte im Rahmen einer Variante des „StripFIFA“-Spiels mittels eines Schlags mit der Hand einen Enthaarungsstreifen am entblößten Schambereich an.
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Gegenüber einem Teil der Nebenkläger täuschte der Angeklagte vor, die „Mafia“ plane ihre Entführung und anschließende Vergewaltigung und Folterung zum Zwecke der Herstellung von Kinderpornographie. Zwei der Kinder ließen sich vom Angeklagten daraufhin auf die ihnen vermeintlich drohenden Handlungen der „Mafia“ - insbesondre durch Schläge mittels Gegenständen in den Genitalbereich - vorbereiten, um mithilfe der Erfahrung entsprechender Foltermethoden in der Lage zu sein, den drohenden Misshandlungen zu widerstehen.
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Im Einzelnen kam es im Zeitraum von Oktober 2017 bis Anfang Februar 2020, als sich der Nebenkläger … seinen Eltern anvertraute, zu den nachfolgend dargestellten Taten.
21
Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war bei Begehung dieser Taten - ungeachtet einer bei ihm bestehenden Pädophilie - jeweils nicht aufgehoben oder erheblich vermindert.
A. Tat zum Nachteil des Nebenklägers …
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Am Vormittag des 03.10.2017 besuchte der Angeklagte den am xx.xx.xx geborenen Nebenkläger … im elterlichen Anwesen in der … in … Dort veranlasste der Angeklagte den Nebenkläger unter dem Vorwand, er könne ihm den Kontakt zu einem Mädchen namens „Natalie“ verschaffen, müsse diesem aber Nacktbilder vom Nebenkläger übersenden, dazu, sich zu entkleiden und nackt auf sein Bett zu legen. Sodann fertigte der Angeklagte drei Videoaufnahmen mit einer Spieldauer von jeweils ein bis zwei Sekunden, die den Nebenkläger unbekleidet im Bett liegend zeigen, wobei der Nebenkläger in zwei dieser Aufnahmen aufreizende Posen einnimmt, bei denen sein erigierter Penis zu sehen ist.
B. Taten zum Nachteil des Nebenklägers …
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1. Am 26.07.2018 gegen 19:06 Uhr übersandte der Angeklagte über WhatsApp eine Reihe von Bilddateien an den am xx.xx.xx geborenen Nebenkläger …, auf denen die nackten Brüste und teilweise auch die aufreizend präsentierten nackten Geschlechtsteile erwachsener Frauen zu sehen waren, um damit auf den Nebenkläger einzuwirken. Dazu merke er sinngemäß an, der Nebenkläger werde beim Betrachten der Bilder sicherlich eine Erektion bekommen.
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2. Am 07.08.2018 ab 14:00 Uhr forderte der Angeklagte den Nebenkläger … im WhatsApp-Chat mehrmals dazu auf, ihm Bilder seines nackten Penis zu schicken und nahm dabei Bezug auf einen entsprechenden Wetteinsatz bei dem Videospiel „FIFA“, welches die beiden über eine Spielkonsole ausgetragen hatten und bei dem der Angeklagte gegen den Nebenkläger gewonnen hatte.
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Am 09.08.2018 gegen 17:23 Uhr übersandte der Nebenkläger - nach weiteren Aufforderungen durch den Angeklagten - drei Bilddateien an den Angeklagten, die den Penis des Nebenklägers in Nahaufnahme zeigen.
26
3. Am 14.03.2019 ab 19:38 Uhr forderte der Angeklagte den Nebenkläger … unter Bezugnahme auf den von ihm angeblich betriebenen „Filter“ zum Aufspüren von kinderpornographischen Bilddateien im Internet, den er nun „hochfahre“, dazu auf, Penisbilder aus verschiedenen Perspektiven zu fertigen und an ihn zu übersenden. Zudem sollte er eine Videoaufnahme erstellen und an den Angeklagten übersenden, die ihn beim Onanieren an seinem erigierten Penis bis zum Samenerguss zeigt. Der Angeklagte hatte dem Nebenkläger in diesem Zusammenhang erläutert, dass das Netzwerk der Schule des Nebenklägers gehackt worden sei und die Täter dadurch Zugriff auf die Mobiltelefone der Schüler hätten.
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Daraufhin nahm der Nebenkläger die vom Angeklagten geforderten Selbstbefriedigungshandlungen an seinem Penis vor. Hiervon fertigte der Nebenkläger mit seinem Handy eine Videoaufnahme und übersandte diese am 14.03.2019 gegen 20:00 Uhr an den Angeklagten. Anschließend gab der Angeklagte dem Nebenkläger gegenüber vor, er habe die erhaltenen Dateien nun durch seinen „Filter“ laufen lassen, wobei er Material des Nebenklägers im Internet aufgefunden habe.
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4. Auch in der Folgezeit wirkte der Angeklagte weiter auf den Nebenkläger … ein, indem er ihm suggerierte, er würde ihn vor der „Kinderpornographie-Mafia“ beschützen. Hierzu brachte der Angeklagte ab Mitte Juni 2019 vor, er müsse den Nebenkläger für den „Ernstfall“ einer durch die „Mafia“ drohenden Entführung und körperlichen Misshandlung mittels eines Trainings vorbereiten.
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Auch in dieser Zeit forderte der Angeklagte den Nebenkläger erneut auf, an seinem Penis zu onanieren und dem Angeklagten hiervon Bild- und Videodateien zu übersenden, die seinen entblößten Penis bzw. Masturbationshandlungen zeigen.
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Daraufhin nahm der Nebenkläger wiederum die vom Angeklagten geforderten sexuellen Handlungen vor und übersandte ihm am 23.06.2019 gegen 22:09 Uhr per WhatsApp eine Videodatei mit einer Spieldauer von gut zweieinhalb Minuten, die den Nebenkläger beim Masturbieren an seinem erigierten Penis bis zum Samenerguss zeigt.
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5. Am 26.06.2019 gegen 13:00 Uhr holte der Angeklagte den Nebenkläger … von der Schule in … ab und fuhr mit ihm zum Anwesen der Großeltern des Angeklagten in der … in … Während der Fahrt erzählte der Angeklagte dem Nebenkläger, die „Mafia“ sei bereits seit geraumer Zeit in … und wisse, wo sich der Nebenkläger aufhalte. Die „Mafia“ sei bewaffnet und lauere dem Nebenkläger in einem Waldstück auf. Sie plane, den Nebenkläger zu entführen, um ihn zu foltern und kinderpornographisches Material herzustellen. Der Nebenkläger sei bereits im Internet verkauft worden.
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In der Wohnung seiner Großeltern erklärte der Angeklagte dem Nebenkläger, dass die bislang gefertigten Bild- und Videoaufnahmen nicht mehr ausreichten. Vielmehr sei es notwendig, dass der Nebenkläger sich ausziehe und Videoaufnahmen von ihm gefertigt würden, die Misshandlungen des Nebenklägers zeigten. Diese Aufnahmen müssten an die „Mafia“ gesendet werden, damit sie den Nebenkläger in Ruhe ließen.
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Sodann stellte der Angeklagte sein Mobiltelefon zur Fertigung einer Videoaufnahme auf und forderte den Nebenkläger auf, sich komplett auszuziehen und sich auf die Couch im Anwesen der Großeltern des Angeklagten zu setzen. Dem kam der Nebenkläger nach. Sodann nahm der Angeklagte ein Schneidebrett sowie einen Schuhlöffel und wies den Nebenkläger an, seine Beine zu spreizen. Daraufhin schlug der Angeklagte mindestens zehnmal mit dem Schneidebrett auf den Penis des Zeugen. Dabei erklärte er gegenüber dem Zeugen, wenn die „Mafia“ ihn in die Hände bekäme, würden die Schläge weitaus heftiger ausfallen. Sodann wies der Angeklagte den Nebenkläger an, sich auf den Bauch zu legen, und schlug mindestens zwanzigmal mit dem Schuhlöffel auf dessen nacktes Gesäß. Zudem nahm der Angeklagte im Laufe des Geschehens eine Grillzange und manipulierte damit an dem Penis des Nebenklägers, indem er den Penis hin- und herbog.
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Während dieser Handlungen wies der Angeklagte den Nebenkläger an, zu weinen oder das Weinen zu simulieren, was der Nebenkläger auch tat. Von dem Geschehen fertigte der Angeklagte mit der aufgestellten Handykamera Videoaufnahmen.
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Durch die Schläge mit dem Schneidebrett und dem Schuhlöffel erlitt der Nebenkläger - wie von dem Angeklagten beabsichtigt - erhebliche Schmerzen.
C. Taten zum Nachteil des Nebenkläger …
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1. Ab dem 15.03.2019 wirkte der Angeklagte im Chat über WhatsApp wiederholt auf den am xx.xx.xx geborenen Nebenkläger … ein und forderte diesen auf, bis zum Samenerguss an seinem Penis zu manipulieren und hiervon ein Video zu fertigen oder zumindest die Ejakulation durch ein Bild zu dokumentieren.
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Dabei behauptete der Angeklagte sinngemäß, es bestehe die Gefahr, dass die Dateien des Nebenklägers in den frei zugänglichen Bereich des Internets gelangten, wenn sie nicht herausgefiltert würden.
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Nachdem der Nebenkläger zunächst die Versendung von Bild- und Videodateien verweigert hatte, nahm er schließlich auf weiteres Drängen des Angeklagten die geforderten Handlungen vor und onanierte an seinem Penis bis zum Samenerguss. Hiervon fertigte der Nebenkläger eine Bildaufnahme, die seinen Penis in Nahaufnahme nach der Ejakulation zeigt, wobei auf dem Bild auch zu sehen ist, wie das Sperma des Jungen nach der Ejakulation auf ein rotes Tuch gelangt war. Diese Bilddatei versandte der Nebenkläger am 24.03.2019 gegen 20:11 Uhr per WhatsApp an den Angeklagten.
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2. Auch in der Folgezeit wirkte der Angeklagte weiter auf den Nebenkläger … ein und bedrängte ihn im WhatsApp-Chat, weitere Bild- und Videoaufnahmen, die ihn beim Onanieren zeigen, zu übersenden.
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Im Rahmen des Chats behauptete der Angeklagte am 14.07.2019, die Mitglieder des Kinderpornographierings planten, den Nebenkläger zu entführen, zu vergewaltigen und zu verkaufen. Die Übersendung der Bilddateien sei notwendig, um sie zu besänftigen. Zudem spiegelte der Angeklagte dem Nebenkläger vor, auch seine angebliche Freundin „Anne“ sei in Gefahr bzw. bereits von diesen Personen entführt worden.
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Der Nebenkläger gab schließlich den wiederholten Forderungen des Angeklagten nach, onanierte erneut an seinem Penis bis zum Samenerguss und übersandte am 15.07.2019 zwischen 13:35 Uhr und 13:36 Uhr fünf Bild- und fünf Videodateien, die er von diesen sexuellen Handlungen in Detailaufnahmen angefertigt hatte, über WhatsApp an den Angeklagten.
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D. Taten zum Nachteil des Nebenklägers … Über den in der von ihm trainierten Fußballmannschaft spielenden …, den er als seinen besten Freund ansah, geriet der Angeklagte in Kontakt mit dem am … geborenen Nebenkläger …
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Ab dem 28.05.2019 wirkte der Angeklagte auf den Nebenkläger … ein und gab unter anderem vor, die „Russenmafia“ plane dessen Entführung, Misshandlung und Vergewaltigung. Um ihn abzuhärten sei es notwendig, dass der Angeklagte an dem Nebenkläger ähnliche Praktiken wie die vermeintlichen Entführer durchführe, nur dass diese im Vergleich zu der Behandlung durch die „Russenmafia“ weniger schmerzhaft ausfallen würden. Dem Angeklagten gelang es auf diese Weise, den Nebenkläger zu manipulieren und für die Vornahme sexueller Handlungen gefügig zu machen.
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In der Folge nahm der Angeklagte in fünf selbständigen Fällen sexuelle Handlungen an dem Nebenkläger vor, die dieser im Hinblick auf die vom Angeklagten erfundene Geschichte über seine geplante Entführung über sich ergehen ließ.
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1. Am 09.06.2019 traf der Angeklagte sich mit dem Nebenkläger … und verbrachte ihn mit seinem Pkw Peugeot, amtliches Kennzeichen …, auf eine abgelegene Wiese auf dem Schulgelände der Fachakademie für Sozialpädagogik in der G.-Sc.-Straße in Sc1., um dort entsprechend seiner vorgefassten Absicht sexuelle Handlungen an dem Nebenkläger vorzunehmen.
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Dort musste sich der Nebenkläger nackt ausziehen. Sodann kam es in einem nicht genauer feststellbaren Zeitraum zwischen 13:00 Uhr und 15:58 Uhr über eine Dauer von sechs Minuten und 48 Sekunden zu den folgenden Handlungen, die der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon filmte.
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Der Angeklagte schlug zunächst 17-mal mit einem Schneidebrett gegen den Hoden des Nebenklägers. Nach einer Pause mit Umarmung schlug er erneut dreimal mit dem Brett gegen den Hoden. Dann führte der Angeklagte sechs Hiebe mit einem Ast aus Holz gegen den Penis des Nebenklägers aus. Es folgten weitere drei Schläge mit dem Schneidebrett gegen den Hoden. Sodann quetschte der Angeklagte den Penis des Nebenklägers sechsmal zwischen Ast und Schneidebrett ein. Nach einer erneuten Pause mit Umarmung folgten insgesamt 15 weitere Schläge mit dem Schneidebrett gegen den Hoden, unterbrochen durch eine Quetschung des Penis zwischen das Schneidebrett und den Boden. Zuletzt umarmte der Angeklagte den Nebenkläger erneut.
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Von dem Geschehen fertigte der Angeklagte mit seinem Handy eine Videoaufnahme. Durch die Schläge und Quetschungen erlitt der Nebenkläger starke Schmerzen, was der Angeklagte beabsichtigte.
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2. Am 13.06.2019 traf sich der Angeklagte erneut mit dem Nebenkläger …, wobei der Angeklagte mit seinem Pkw auf einen Parkplatz auf dem Schulgelände der … Fachakademie für Sozialpädagogik fuhr und den Pkw dort abstellte.
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Sodann wies der Angeklagte den Nebenkläger an, sich auszuziehen. Als sich kurze Zeit später der Penis des Nebenklägers versteifte, zog der Angeklagte einen Strohhalm aus einem Getränkebecher eines Fastfood-Restaurants, den er in seinem Pkw mitführte.
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Sodann erklärte der Angeklagte „Ich steck´ den dir da vorne mal so rein“ und führte den Strohhalm zum Penis des Nebenklägers, um den Strohhalm in die Harnröhre des Nebenklägers hineinzuschieben.
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Obwohl der Nebenkläger daraufhin mit den Worten „Nein!“ und „Hör auf damit!“ klar zum Ausdruck brachte, dass er mit dieser Handlung nicht einverstanden war, zog der Angeklagte, der die ablehnende Haltung des Nebenklägers gegen die beabsichtigte sexuelle Handlung erkannte, die Vorhaut am Penis des Nebenklägers leicht zurück und führte den Strohhalm mehrere Millimeter in die Harnröhre des Nebenklägers ein, so dass der Strohhalm dort selbständig stecken blieb.
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Der Nebenkläger, der dies - was der Angeklagte zumindest billigend in Kauf nahm - als sehr schmerzhaft empfand, stieß den Angeklagten daraufhin weg und zog den Strohhalm wieder aus seinem Penis heraus.
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Die Staatsanwaltschaft hat insoweit das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
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3. Zu drei weiteren nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkten im Juni 2019 führte der Angeklagte weitere sexuelle Handlungen an dem Nebenkläger … durch, wobei diese abermals in dem Pkw des Angeklagten stattfanden und der Pkw erneut auf dem Schulgelände der Fachakademie für Sozialpädagogik abgestellt war.
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Bei diesen Treffen wies der Angeklagte den Nebenkläger jeweils erneut an, sich auszuziehen. Sodann schlug der Angeklagte mit einem Brett bzw. mit einem Ledergürtel mehrere Male gegen den Penis und den Hoden des Nebenklägers. Der Angeklagte hatte hierbei wiederum vorgegeben, die Schläge seien notwendig, um den Nebenkläger für eine drohende Entführung abzuhärten.
57
Der Nebenkläger erlitt jeweils durch die Schläge - wie vom Angeklagten beabsichtigt - erhebliche Schmerzen.
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E. Taten zum Nachteil des Nebenklägers …
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1. Am 17.07.2019 ab etwa 15:00 Uhr wirkte der Angeklagte wiederholt über WhatsAppTextnachrichten auf den am … geborenen Nebenkläger … ein und forderte diesen auf, an seinem Penis zu manipulieren und Onaniervideos sowie Nacktbilder seines entblößten Penis zu fertigen und an den Angeklagten zu übersenden. Dabei nahm er Bezug auf den von ihm angeblich betriebenen „Filter“, mit dem er herausfinden könne, ob der Kinderpornographiering Bilder und Videos vom Geschädigten besitze. Nachdem sich der Nebenkläger zunächst weigerte, behauptete der Angeklagte, er sei mit seinem „Filter“ zu tief im System gewesen. Wenn der Nebenkläger nun nichts unternehme, würde sein „System“ zerstört und alle Daten des Angeklagten gingen verloren.
60
Daraufhin nahm der Nebenkläger die geforderten sexuellen Handlungen vor und erstellte insgesamt zwölf Bilddateien, die den Penis des Nebenklägers in Nahaufnahme zeigen, sowie eine Videodatei mit einer Länge von 13 Sekunden, die den Nebenkläger beim Onanieren an seinem Penis bis zur Ejakulation zeigt. Diese Bild- und Videodateien versandte der Nebenkläger am 17.07.2019 in der Zeit von 20:22 Uhr bis 20:55 Uhr an den Angeklagten.
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2. Anschließend forderte der Angeklagte vom Nebenkläger … die Übersendung einer weiteren Videodatei, indem er vorgab, die bisher übermittelten Dateien seien nicht ausreichend für den „Filter“ und es sei erforderlich, dass auf dem noch zu erstellenden Video die gesamte Onanierhandlung vom Beginn bis zur Ejakulation zu sehen sei.
62
Daraufhin nahm der Nebenkläger erneut die vom Angeklagten geforderten sexuellen Handlungen vor und sendete am 18.07.2019 gegen 14:25 Uhr eine weitere Videodateimit einer Spieldauer von drei Minuten und 21 Sekunden an den Angeklagten, die ihn beim Onanieren an seinem erigierten Penis bis zur Ejakulation zeigt.
F. Taten zum Nachteil des Nebenklägers …
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1. Zu einem nicht genauer feststellbaren Zeitpunkt zwischen dem 01.08.2018 und dem 10.09.2018 spielte der Angeklagte in seiner Wohnung in … mit dem am xx.xx.xx geborenen Nebenkläger … das von ihm erfundene „Strip-FIFA“-Spiel, wobei der Nebenkläger sich in der Folge, wie der Angeklagte, der in dem Videospiel „FIFA“ deutlich besser als … war, von vorneherein beabsichtigte, komplett entkleidete.
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Als der Nebenkläger daraufhin nackt auf dem Sofa in der Wohnung des Angeklagten saß, hielt der Angeklagte ihm Nacktbilder von erwachsenen Frauen vor, um eine sexuelle Erregung beim Nebenkläger zu erzeugen und veranlasste den Nebenkläger, vor den Augen des Angeklagten an seinem erigierten Penis bis zum Samenerguss zu onanieren.
65
2. Zu vier weiteren Zeitpunkten in den Sommerferien 2018, vermutlich am 29.08.2018, 30.08.2018, 31.08.2018 und 03.09.2018, trafen sich der Angeklagte und der Nebenkläger … erneut zum gemeinsamen Konsolenspiel in der Wohnung des Angeklagten.
66
Als der Nebenkläger sich jeweils wiederum wegen des Spieleinsatzes beim Spiel „StripFIFA“ entkleidet hatte, animierte der Angeklagte den Nebenkläger erneut dazu, an seinem Penis zu manipulieren. Daraufhin onanierte der Nebenkläger zu den jeweiligen Tatzeitpunkten vor dem Angeklagten an seinem erigierten Penis bis zum Samenerguss. Von diesen sexuellen Handlungen fertigte der Angeklagte jeweils Videoaufnahmen, die die sexuellen Handlungen des Nebenklägers zeigen.
67
3. In einem weiteren Fall im Zeitraum zwischen dem 01.08.2018 und dem 10.09.2018 gab der Angeklagte dem Nebenkläger … als „Spieleinsatz“ vor, derjenige, der ein Gegentor erhalte bzw. derjenige, der im Spiel verliere, müsse sich einen Enthaarungsstreifen auf die Haut aufkleben lassen und diesen anschließend abziehen.
68
Als der Nebenkläger bei einem der „FIFA“-Spiele verlor, klebte der Angeklagte einen Wachsstreifen im Schambereich des Nebenklägers auf und drückte diesen fest, indem er mit der flachen Hand auf den Schambereich des Kindes schlug. Sodann zog der Nebenkläger, der den Wachsstreifen, der nunmehr durch die Handlung des Angeklagten fest verklebt war, wieder ablösen musste, den Wachsstreifen ab, wodurch er - wie vom Angeklagten gewollt - nicht nur unerhebliche Schmerzen verspürte.
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G. Tat zum Nachteil des Nebenklägers … Ab dem 01.08.2019 wirkte der Angeklagte per WhatsApp-Chat auf den am … geborenen Nebenkläger … ein, indem er auch ihm suggerierte, er sei einem Kinderpornographiering auf der Spur und habe ein Filterprogramm entwickelt, um entsprechende Bild- und Videodateien aufzuspüren und zu löschen. Er benötige Bilder und Videos, die den Nebenkläger … mit entblößtem Penis und beim Onanieren zeigten.
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Infolge der Beeinflussung durch den Angeklagten nahm der Nebenkläger die vom Angeklagten geforderten sexuellen Handlungen vor und onanierte an seinem erigierten Penis. Sodann versandte der Nebenkläger am 02.08.2019 zwischen 01:18 Uhr und 02:04 Uhr sieben Bilddateien, die seinen Penis in Nahaufnahme zeigen, sowie eine Videodatei mit einer Spiellänge von gut zwei Minuten, die den Nebenkläger beim Manipulieren an seinem Penis zeigt, an den Angeklagten.
71
H. Tat zum Nachteil des Nebenklägers … Ab dem 28.10.2019 wirkte der Angeklagte per WhatsApp-Chat auf den am … geborenen Nebenkläger … ein, indem er auch ihm suggerierte, er sei einem Kinderpornographiering auf der Spur und habe ein Filterprogramm entwickelt, um kinderpornographische Bild- und Videodateien aufzuspüren und zu löschen. Er benötige Bilder und Videos, die den Nebenkläger mit entblößtem Penis und beim Onanieren zeigten. Außerdem stellte er dem Nebenkläger in Aussicht, sein Team werde ihn „killen“, wenn er jemandem etwas von den Vorgängen berichten würde.
72
Infolge der Beeinflussung durch den Angeklagten nahm der Nebenkläger die vom Angeklagten geforderten sexuellen Handlungen vor und onanierte an seinem erigierten Penis. Sodann versandte der Nebenkläger zu nicht genauer feststellbaren Zeitpunkten im Zeitraum vom 01.11.2019 bis zum 02.02.2020 zehn Bilddateien, die seinen Penis in Nahaufnahme zeigen, sowie eine Videodatei, die den Nebenkläger beim Manipulieren an seinem Penis zeigen, an den Angeklagten.
73
I. Tat zum Nachteil des Nebenklägers … Ab dem 13.01.2020 wirkte der Angeklagte per WhatsApp-Chat auf den am … geborenen Nebenkläger … ein, indem er auch ihm vorspiegelte, er sei einem Kinderpornographiering auf der Spur und habe ein Filterprogramm entwickelt, um kinderpornographische Bilddateien und Videos aufzuspüren und zu löschen. Er benötige Bild- und Videodateien, die den Nebenkläger mit entblößtem Penis und beim Onanieren zeigten.
74
Infolge der Beeinflussung durch den Angeklagten nahm der Nebenkläger die vom Angeklagten geforderten sexuellen Handlungen vor und onanierte an seinem erigierten Penis. Sodann versandte er im Zeitraum vom 13.01.2020 bis zum 01.02.2020 insgesamt 13 Bilddateien, die seinen Penis in Nahaufnahme zeigen, sowie eine Videodatei, die den Nebenkläger beim Manipulieren an seinem Penis zeigen.
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Als der Nebenkläger daraufhin ankündigte, seiner Mutter von den Vorfällen zu berichten, weil er Angst habe, drohte der Angeklagte damit, ihn zu „killen“, falls er dieses Vorhaben in die Tat umsetzen sollte.
III. Beruhen der Feststellungen
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Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen eigenen Angaben, auf den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. … und dem Bericht der Jugendgerichtshilfe sowie auf dem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 24.06.2020.
77
Die Feststellungen zur Sache beruhen auf dem weitgehenden Geständnis des Angeklagten, der sich lediglich an die Tat unter II.D.2. nicht mehr konkret zu erinnern vermochte, und auf dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme.
IV. Rechtliche Würdigung
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Die rechtliche Würdigung ergibt, dass der Angeklagte sich wie folgt strafbar gemacht hat:
Tat unter II.A.: Herstellen kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Tat unter II.B.1.: Sexueller Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB.
Tat unter II.B.2.: Sexueller Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften gemäß §§ 176 Abs. 4 Nr. 3b, 184b Abs. 3, 52 StGB.
Taten unter II.B.3., II.B.4., II.C.1., II.C.2., II.E.1., II.E.2., II.G., II.H., II.I.: Jeweils sexueller Missbrauch eines Kindes in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften gemäß §§ 176 Abs. 4 Nr. 2, Nr. 3b, 184b Abs. 3, 52 StGB.
Tat unter II.B.5.: Sexueller Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Herstellen kinderpornographischer Schriften gemäß §§ 176 Abs. 1, § 184b Abs. 1 Nr. 3, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 52 StGB.
Tat unter II.D.1.: Besonders schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Herstellen kinderpornographischer Schriften gemäß §§ 176 Abs. 1, 176a Abs. 5, 184b Abs. 1 Nr. 3, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 52 StGB.
Tat unter II.D.2.: Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 176a Abs. 2 Nr. 1, 177 Abs. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, 223 Abs. 1, 230 Abs. 1, 52 StGB.
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Taten unter II.D.3.: Drei Fälle des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 176 Abs. 1, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 52, 53 StGB.
Tat unter II.F.1.: Sexueller Missbrauch eines Kindes in zwei tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 176 Abs. 4 Nr. 2, Nr. 4, 52 StGB.
Tat unter II.F.2.: Vier Fälle des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften gemäß §§ 176 Abs. 4 Nr. 2, § 184b Abs. 1 Nr. 3, 52, 53 StGB.
Tat unter II.F.3.: Sexueller Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1StGB.
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Die Kammer hat den Angeklagten daher schuldig gesprochen des besonders schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Herstellen kinderpornographischer Schriften, der Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und vorsätzlicher Körperverletzung, des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 21 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Herstellen kinderpornographischer Schriften, in drei weiteren Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in vier weiteren Fällen in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften und in zehn weiteren Fällen in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften, und des Herstellens kinderpornographischer Schriften (§§ 176 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2, Nr. 3b, Nr. 4, 176a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, 177 Abs. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, 184b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 230 Abs. 1, 52, 53 StGB).
81
Soweit mehrere Tatbestände des § 176 Abs. 4 StGB tateinheitlich verwirklicht sind (vgl. dazu BGH, NStZ-RR 2015, 139 [140]), wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit gemäß § 260 Abs. 4 Satz 5 StPO davon abgesehen, die gleichartige Tateinheit im Tenor zum Ausdruck zu bringen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24.11.2010, Az. 2 StR 519/10, zitiert nach juris; BGH, NStZ 1996, 610).
V. Anwendung von Jugendstrafrecht
82
Der Angeklagte war bei Begehung der Taten jeweils zwischen 18 und 20 Jahren alt und damit Heranwachsender im Sinne von § 1 Abs. 2 JGG.
83
Auf den Angeklagten war gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht anzuwenden, weil die Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur jeweiligen Tatzeit nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung jeweils noch einem Jugendlichen gleichstand. Beim ihm sind noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam.
84
Der Angeklagte befand sich zuletzt noch in Ausbildung, bewohnte ein Zimmer im elterlichen Haushalt und war auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Zu Schulzeiten ist er von Mitschülern gemobbt worden. Auch nach Beendigung der Schule litt er unter mangelnder sozialer Anerkennung und fehlendem Selbstbewusstsein. Freundschaftliche Kontakte mit Gleichaltrigen gab es kaum. Als seinen besten Freund betrachtete er den am … geborenen …. Der Umstand, dass der Angeklagte sich um seine psychisch kranke Mutter kümmern musste, förderte seinen Reifeprozess nicht, sondern steigerte vielmehr seine eigene emotionale Instabilität.
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Aufgrund der sich aus diesen Umständen ergebenden erheblichen Reiferückständen erscheint es sachgerecht, den Angeklagten strafrechtlich einem Jugendlichen gleichzustellen.
VI. Strafzumessung
A. Verhängung von Jugendstrafe
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Gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG i.V.m. § 17 Abs. 2 JGG war gegen den Angeklagten eine Jugendstrafe zu verhängen.
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1. Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel reichen wegen der - zum Urteilszeitpunkt noch fortbestehenden - schädlichen Neigungen des Angeklagten, die in den vorliegenden Taten hervorgetreten sind, zur Erziehung nicht aus. Die Mängel in der Erziehung und Werteordnung des Angeklagten in Kombination mit der bei ihm vorliegenden Pädophilie lassen ohne eine längere Nachreifung die Begehung weiterer ähnlicher Straftaten befürchten.
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2. Zudem erfordert zweifelsohne auch die Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe.
B. Bemessung der Jugendstrafe
89
1. Der zur Verfügung stehende Strafrahmen reicht gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1 JGG, § 105 Abs. 3 Satz 1 JGG von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Jugendstrafe.
90
2. Bei der Bemessung der Jugendstrafe hat die Kammer in erster Linie den sich aus §§ 18 Abs. 2, 105 Abs. 1 JGG ergebenden Erziehungsgedanken, andererseits aber auch die - mit steigendem Alter stärker in den Vordergrund rückenden - tat- und täterspezifischen Aspekte berücksichtigt.
91
a) Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er ein weitgehendes Geständnis abgelegt und dadurch den Nebenklägern eine Aussage vor Gericht erspart hat, dass er nicht vorbestraft ist, dass die Altersdifferenz zwischen dem Angeklagten und den Nebenklägern relativ gering war (vgl. BGH, StV 2017, 40 f.), dass die Hemmschwelle des Angeklagten als Folge der erfolgreichen Verübung vorangegangener Taten immer weiter herabgesetzt worden ist und dass er sich mit der form- und ersatzlosen Einziehung seines Handys und seines Laptops einverstanden erklärt hat.
92
b) Zulasten des Angeklagten sprach die Vielzahl der Geschädigten und der über einen relativ langen Zeitraum verübten Taten, die Rohheit und Empathielosigkeit bei Vornahme der körperlichen Misshandlungen, der mit den Taten einhergehende massive Vertrauensbruch gegenüber den Nebenklägern und ihren Eltern, die längerdauernde massive Angst, die er bei den Nebenklägern durch seine Lügengebilde erzeugte, und dass er zweien der Nebenkläger in Aussicht stellte, er werde sie „killen“, wenn sie jemandem von den Vorgängen berichten würden.
93
c) Die Kammer erachtet insoweit die Verhängung einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und neun Monaten als erzieherisch notwendig und im Übrigen auch als tat- und schuldangemessen.
VII. Keine Maßregel der Besserung und Sicherung
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A. Keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG kam nicht in Betracht, weil er die Taten jeweils nicht im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen hat.
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Die bei dem Angeklagten bestehende Pädophilie (ICD-10: F65.4) erreicht nach den überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. … bereits nicht den Schweregrad einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ im Sinne von § 20 StGB.
B. Kein Vorbehalt der Sicherungsverwahrung
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Der Vorbehalt der Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 63 StGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG kam bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Angeklagte nicht zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird.
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Darüber hinaus steht nicht fest, dass der Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen wird.
C. Kein Berufsverbot
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Die Anordnung eines Berufsverbots (vgl. § 70 StGB) schied schon deshalb aus, weil bei Anwendung von Jugendstrafrecht nur die in § 7 Abs. 1 JGG genannten Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet werden können, zu denen das Berufsverbot nicht zählt.
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Zudem hat der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten nicht unter Missbrauch seines Berufs oder unter grober Verletzung der mit seinem Beruf verbundenen Pflichten begangen.
D. Keine Führungsaufsicht
100
Die Anordnung der Führungsaufsicht gemäß § 68 Abs. 1 StGB i.V.m. §§ 7 Abs. 1, 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG im Urteil war mit Blick auf die nach Verbüßung der Strafe gemäß § 68f Abs. 1 StGB von Gesetzes wegen eintretende Führungsaufsicht bzw. die im Falle der Aussetzung des Restes der Jugendstrafe gemäß § 88 JGG eintretende Bewährungsüberwachung entbehrlich.
VIII. Keine Verständigung
101
Eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO hat zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht stattgefunden.
IX. Kosten
102
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Nebenkläger auf § 472 Abs. 1 StPO und hinsichtlich der Verfahrenskosten auf §§ 109 Abs. 2 Satz 1, 74 JGG.