Inhalt

LG Landshut, Beschluss v. 02.09.2020 – 64 T 2602/20
Titel:

Kein Vergütungsanspruch der Umgangsbegleiterin aus der Staatskasse

Normenketten:
FamFG § 168 Abs. 1, § 277, § 292 Abs. 1
BGB § 1684 Abs. 3 S. 6, § 1836, § 1908i
Leitsätze:
1. Für eine Umgangsbegleiterin scheidet eine Festsetzung der Vergütung nach § 292 Abs. 1 FamFG iVm § 168 Abs. 1 FamFG iVm § 1908i BGB iVm § 1836 BGB iVm den Vorschriften des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes aus, weil sie nicht als Betreuerin bestellt worden ist. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine Umgangsbegleiterin scheidet auch eine Vergütungsfestsetzung nach § 277 FamFG aus, da sie keine Verfahrenspflegerin ist; ebenfalls verbietet sich eine analoge Anwendung. (Rn. 26 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergütungsanspruch, Umgangsbegleiterin, Staatskasse, Vergütung
Vorinstanz:
AG Erding, Beschluss vom 25.02.2020 – XVII 507/10
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 22.06.2022 – XII ZB 442/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 58876

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 25.02.2020, Aktenzeichen XVII 507/10 (2) wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
III. Der Gegenstandswert wird auf 4.234,56 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Betroffene steht seit April 2007 unter Betreuung.
2
Nachdem bekannt geworden war, dass die 23-jährige Betroffene vom 71-jährigen Lebensgefährten der Mutter schwanger geworden war, hat das Amtsgericht der bisherigen Betreuerin, der Mutter der Betroffenen, die Betreuung entzogen und auf den Berufsbetreuer A. M. übertragen.
3
Dieser hat sowohl gegen die Mutter der Betroffenen, Frau P. B. als auch gegen den damaligen Beteiligten J. E. ein Kontaktverbot ausgesprochen.
4
Auf Antrag der Mutter der Betroffenen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 07.01.2014, auf den Bezug genommen wird (Bl. 1247/1254 d.A.), den Umgang von P. B. mit der Betroffenen dahingehend geregelt, dass die Beteiligte P. B. berechtigt ist, die Betroffene einmal monatlich im Pflegeheim A. zu besuchen und die Zeit mit ihr auf dem Heimgelände zu verbringen. Der Umgang findet begleitet jeden letzten Freitag des Monats von 10.30 - 15.30 Uhr statt. Als Begleitperson wurde die Beschwerdeführerin, die Berufsbetreuerin Frau R. K., bestimmt. Die Umgangsbegleiterin hat im Anschluss an jeden Termin zu berichten, ob und wie sich die Umgangstermine auf die Betroffene ausgewirkt haben.
5
Im Tenor des genannten Beschlusses ist als Ziffer 3 geregelt, dass die beteiligte P. B. die Kosten des Umgangsverfahrens und des begleiteten Umgangs zu tragen hat.
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Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter der Betroffenen hat die Kammer mit Beschluss vom 23.04.2014 zurückgewiesen. Auf Blatt 1288-1297 wird Bezug genommen.
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Am 20.11.2014 ging beim Amtsgericht eine Rechnung der Beschwerdeführerin an die Mutter der Betroffenen über 3.479,80 € ein. Die Beschwerdeführerin rechnete für insgesamt 9 Besuchskontakte ihr Vergütungshonorar und ihre Aufwendungen ab. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 1315/1319 der Akten wird Bezug genommen.
8
Mit Verfügung vom 03.12.2014 hat das Amtsgericht den Vergütungsantrag der Beschwerdeführerin an die Mutter der Betroffenen unter Hinweis auf Ziffer 3 des Beschlusses vom 07.01.2014 geleitet. Nachdem die Umgangsbegleiterin in einem Telefongespräch mitgeteilt hat, dass die Mutter der Betroffenen, Frau P. B. ihr gegenüber geäußert habe, dass sie kein Vermögen hätte, hat das Amtsgericht beim Bezirksrevisor beim Landgericht Landshut um Mitteilung ersucht, ob die Möglichkeit bestehe, die Vergütung für den begleiteten Umgang auch aus der Staatskasse zu erstatten. Auf Blatt 1321 der Akten wird Bezug genommen.
9
In der Folgezeit hat der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter der Betroffenen die Abrechnung der Beschwerdeführerin sowohl dem Grunde nach als auch der Höhe nach angegriffen. Auf Blatt 1374-1326 sowie Blatt 1335-1340 wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 26.01.2015 hat die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht die Entlassung als Umgangsbegleiterin beantragt. Auf Blatt 1358 der Akten wird Bezug genommen.
10
Am 27.01.2015 ging die Stellungnahme der Bezirksrevisorin ein. Eine Zahlung der Vergütung der Umgangsbegleiterin aus der Staatskasse sei nicht möglich. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 1359 der Akten Bezug genommen.
11
Mit Beschluss vom 20.02.2015 hat das Amtsgericht die Beschwerdeführerin von ihrer Aufgabe als Umgangsbegleiterin entbunden und stattdessen Herrn P. F. als Umgangsbegleiter bestimmt.
12
Mit Schreiben vom 27.04.2015 hat die Beschwerdeführerin dem Amtsgericht erneut die Rechnung für den begleiteten Umgangskontakt (4.234,56 €) zwischen der Betroffenen und ihrer Mutter zugesandt und um Weiterleitung an die Mutter der Betroffenen gebeten. Außerdem hat die Beschwerdeführerin für die Vergütung aus dem Umgangsverfahren ein Beschluss des Betreuungsgerichtes beantragt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 1025-1436 der Akten Bezug genommen.
13
Mit Verfügung vom 22.05.2015 hat das Amtsgericht das Schreiben 27.04.2015 nebst Rechnung und Tätigkeitsaufstellung an die Mutter der Betroffenen, Frau P. B. weitergeleitet.
14
Mit Schriftsatz vom 18.06.2015 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter der Betroffenen zur Abrechnung Stellung genommen.
15
Mit Schriftsatz vom 02.10.2015 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Mutter der Betroffenen erneut Stellung genommen und sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Vergütung und der Aufwendungsersatz für den Umgangsbegleiter nach den Vorschriften über die Pflegschaft bzw. Vormundschaft nach Maßgabe des § 277 FamFG in Verbindung mit § 1835 Abs. 1,2; 1836 Abs. 1,3 BGB iVm dem § 1,2 und 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder und Betreuervergütungsgesetzes erfolge. Die Vorschriften seien anwendbar, da die Umgangsbegleitung berufsmäßig geführt werde. Aus § 277 Abs. 5 FamFG lasse sich herleiten, dass der Aufwendungsersatz und die Vergütung des Umgangsbegleiters stets aus der Staatskasse zu zahlen sei. Auf Blatt 1470-1471 der Akten wird Bezug genommen.
16
Mit Verfügung vom 04.04.2016 hat das Amtsgericht die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass eine Vergütung bzw. ein Auslagenersatz für den begleiteten Umgang gemäß Beschluss vom 07.01.2014 nicht in Betracht käme. Eine Festsetzung sei wieder gegen die Staatskasse noch gegen die Beteiligte P. B. möglich.
17
Mit Schreiben vom 03.06.2016 hat die Beschwerdeführerin Stellung genommen. Sie sei als Berufsbetreuerin bestellt worden. Sie habe sich sowohl bei Übernahme des Amtes als auch nach dem Klarstellungsbeschluss des Amtsgerichts Erding vom 22.02.2015, in dem sie im Rubrum als weitere Betreuerin geführt wird, darauf verlassen, zur weiteren rechtlichen Betreuerin bestellt worden zu sein. Ihr Vergütungsanspruch richtet sich wohl in analoger Anwendung nach § 1684 Abs. 4 BGB, 277 FamFG, VBVG. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 1514-1515 der Akten Bezug genommen.
18
Mit Beschluss vom 25.02.2020 hat das Amtsgericht den Antrag der Umgangsbegleiterin R. K. vom 19.11.2014 bzw. 27.04.2015 in Höhe von 4.234,56 € zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 1820/1822 Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 25.05.2020 hat die Umgangsbegleiterin R. K. hiergegen Beschwerde eingelegt.
20
Mit Schriftsatz vom 15.07.2020 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Umgangsbegleiterin K. die Beschwerde vom 25.05.2020 näher begründet. Auf Blatt 1884/ 1921 der Akten wird Bezug genommen.
21
Mit Beschluss vom 30.07.2020 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht vorgelegt.
II.
22
Die zulässige Beschwerde erweist sich als unbegründet. Das Amtsgericht hat den Vergütungsantrag der Beschwerdeführerin zu Recht zurückgewiesen.
23
Die Kammer kann keine Rechtsgrundlage für die Festsetzung einer Vergütung zulasten der Staatskasse feststellen.
24
Eine Festsetzung der Vergütung nach § 292 Abs. 1 FamFG iVm § 168 Abs. 1 FamFG iVm § 1908 i BGB iVm § 1836 BGB iVm den Vorschriften des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes scheidet vorliegend aus, weil die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren nicht als Betreuerin bestellt worden ist.
25
Aus dem maßgeblichen Beschluss vom 07.01.2014 geht eindeutig hervor, dass die Beschwerdeführerin als Begleitperson für den Umgang mit der Mutter der Betroffenen bestimmt wurde. Eine Betreuerstellung der Beschwerdeführerin ergibt sich daraus im hiesigen Verfahren mit Sicherheit nicht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beschwerdeführerin Berufsbetreuerin ist und in einem weiteren Beschluss im Rubrum als weitere Betreuerin benannt ist. Die Ansicht, dass die Aufgaben der Beschwerdeführerin vergleichbar mit den Aufgaben einer Ergänzungsbetreuerin gewesen wären, teilt die Kammer nicht.
26
Auch eine Vergütungsfestsetzung nach § 277 FamFG scheidet aus, da die Beschwerdeführerin keine Verfahrenspflegerin war.
27
Soweit § 277 FamFG in § 1684 Abs. 3 Satz 6 BGB für entsprechend anwendbar erklärt wird, hilft dies im vorliegenden Fall nicht weiter, da § 1684 BGB nach der Verweisungsnorm des § 1908 i BGB im Betreuungsrecht nicht anwendbar ist und ohnehin Voraussetzung wäre, dass eine Umgangspflegschaft angeordnet wurde, was vorliegend aber gerade nicht der Fall ist.
28
Für eine analoge Anwendung von § 277 FamFG sieht die Kammer vor dem Hintergrund der Kostenregelung, die in Ziffer 3 des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 07.01.2014 getroffen worden ist, keine Veranlassung. Die Kosten des Umgangsverfahrens und des begleiteten Umgangs wurden klar der Mutter der Betroffen, Frau P. B. auferlegt. Dies war der Beschwerdeführerin auch durchaus bewusst. Die Rechnungen der Beschwerdeführerin sind an die Mutter der Betroffenen, Frau P. B. adressiert und die Beschwerdeführerin hat das Amtsgericht auch gebeten, die Rechnungen an diese weiterzuleiten.
29
Es ist nicht zutreffend, dass die Kostenschuldnerin P. B. in dem Verfahren, das zum Beschluss vom 07.01.2014 geführt hat, nicht beteiligt gewesen wäre. Der Beschluss vom 07.01.2014 erging auf Antrag der Beteiligten P. B. und wurde von dieser auch mit der Beschwerde angegriffen. Die Kammer hat die Beschwerde mit Beschluss vom 23.04.2014 zurückgewiesen und sich auch explizit mit der Kostenregelung befasst und diese nicht beanstandet.
30
Eine Vergütung durch die Staatskasse, weil die Kostenschuldnerin keine Zahlung geleistet hat und behauptet hat, vermögenslos zu sein, scheidet aus.
31
Zwar hat die Kammer durchaus großes Verständnis für die Beschwerdeführerin, sieht sich aber aufgrund der fehlenden Anspruchsgrundlage nicht imstande, eine Vergütung durch die Staatskasse festzusetzen.
32
Der Frage, ob durch die amtsgerichtliche Behandlung ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist, kann im vorliegenden Festsetzungsverfahren nicht nachgegangen werden. Es wird Bezug genommen auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 31.08.2008, Aktenzeichen II 6 WF 17/08, veröffentlicht in BeckRS 2008, 4243.
III.
33
Da die vorliegende Rechtssache durchaus grundsätzliche Bedeutung hat und - soweit für die Kammer ersichtlich - bislang auch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob in der vorliegenden Fallkonstellation eine Inanspruchnahme der Staatskasse in Betracht kommt, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vor.