Inhalt

LG Traunstein, Endurteil v. 11.09.2020 – 6 O 3575/19
Titel:

Klage eines Miterben auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen Grundschuldzinsen bei Erwerb des Grundstücks durch den anderen Miterben im Wege der Teilungsversteigerung

Normenketten:
BGB § 242, § 812, § 1178 Abs. 1, § 1191 Abs. 2, § 1192 Abs. 1, Abs. 1a, § 2039
ZVG § 52 Abs. 1, § 56 S. 2, § 182 Abs. 1
Leitsatz:
Der Ersteher eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung, der aus einer bestehen gebliebenen Grundschuld dinglich (hier auf Zinszahlungen) in Anspruch genommen wird, kann dem Grundschuldgläubiger grundsätzlich keine Einreden entgegensetzen, die sich aus dem zwischen dem früheren Eigentümer (Sicherungsgeber) und dem Gläubiger (Sicherungsnehmer) abgeschlossenen Sicherungsvertrag ergeben (Anschluss an BGH BeckRS 2003, 5078). Dies gilt auch dann, wenn ein Miterbe des Sicherungsgebers den weiteren Miterben, der das Grundstück im Wege der Teilungsversteigerung erwirbt, nach Übertragung der Grundschuld durch den Sicherungsgeber im Wege der Abtretung auf die ungeteilte Erbengemeinschaft auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen dinglicher Zinsen in Anspruch nimmt. (Rn. 48 – 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Duldung der Zwangsvollstreckung, Grundschuld, Erbengemeinschaft, Teilungsversteigerung, Sicherungsabrede, dolo agit-Einwand
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 20.07.2022 – 7 U 6031/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 58698

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Zwangsvollstreckung in den eingetragenen Grundbesitz, Grundbuch von … wegen rückständiger Grundschuldzinsen in Höhe von 89.247,32 € zu dulden.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreit zu tragen. Die Streithelferin trägt ihre Kosten selbst.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 89.247,32 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Duldung der Zwangsvollstreckung infolge ausstehender Grundschuldzinsen.
2
Die Parteien sind Schwestern, deren Vater, …, am ... 2013 verstarb. Dieser war Eigentümer des nunmehr streitgegenständlichen Grundstücks … eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts … Flurstück …
3
Der Erblasser hatte das bezeichnete Grundstück zu Lebzeiten zur Sicherung von Darlehensverbindlichkeiten mit drei Buchgrundschulden zugunsten der … in Höhe von insgesamt 402.258,38 € belastet (Nr. 1: 51.129,19 €, Nr. 2: 51.129,19 €, Nr. 3: 100.000 €).
4
In den Grundschuldbestellungsurkunden zu den Grundschulden Nr. 1 und Nr. 2 heißt es wörtlich: „Diese Grundschuld ist vom Eintragungstage ab mit elf vom Hundert - 11 % - für das Jahr zu verzinsen; die Zinsen sind halb-jährlich immer am 30. Juni und 31. Dezember jeden Jahres nachträglich zu entrichten. Sind die Zinsen länger als zehn Tage im Rückstand, so erhöht sich der Zinssatz für die Dauer des Rückstandes um eins vom Hundert - 1 % -.“.
5
Hinsichtlich der Grundschuld Nr. 3 heißt es: „Die Grundschuld ist vom heutigen Tage an mit fünfzehn v.H. jährlich zu verzinsen. Die Zinsen sind jeweils nachträglich am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres fällig.“
6
Weiter enthalten die jeweiligen Grundschuldbestellungsurkunden Vollstreckungsunterwerfungsklauseln wegen des Grundschuldkapitals samt Zinsen dahingehend, dass die sofortige Zwangsvollstreckung auch gegen den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundeigentums zulässig sein soll.
7
Nach seinem Tode wurde der Erblasser je zur Hälfte von den Parteien beerbt, die seither eine nicht auseinandergesetzte Erbengemeinschaft bilden. Hinsichtlich des betreffenden Grundstücks wurde ein Teilungsversteigerungsverfahren durchgeführt, in dem die Beklagte das Grundstück mit Zuschlagsbeschluss des … vom 07.06.2016, Az.: 4 K 16/15, erwarb. Der Zuschlag wurde an die Beklagte zum baren Meistgebot von 220.000,00 € erteilt, wobei die Grundschulden Nrn. 1-3 als Teil des geringsten Gebotes bestehen blieben.
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Aus der Teilungsmasse sind im Verteilungstermin am 18.08.2016 dingliche Zinsen bis zum 06.07.2016 in Höhe von insgesamt 133.223,94 € an die … und ein nach Entnahme der Verfahrenskosten verbliebener Übererlös von 77.922,16 € an die Erbengemeinschaft zugeteilt worden. Zum Zeitpunkt der Verteilung valutierte die Darlehensverbindlichkeit der Erbengemeinschaft, für die die Grundschulden Nrn. 1-3 als Sicherheit dienten, noch mit rund 72.000 €. Daraufhin wurde mit der … eine Vereinbarung getroffen, wonach das Darlehen mit dem im Verteilungstermin zugunsten der … hinterlegten Betrag getilgt und der Restbetrag an die Erbengemeinschaft ausbezahlt wird. Die … erklärte sich bereit, die Grundschulden nach Durchführung der Vereinbarung auf die Erbengemeinschaft zurück zu übertragen. Nachdem die Beklagte ihr Mitwirkung diesbezüglich zunächst verweigert hatte, wurde diese durch gerichtliches Urteil ersetzt.
9
In der Folge trat die … die Grundschulden an die Erbengemeinschaft ab. Die Abtretung der Grundschulden „mit Zinsen seit 07.06.2016“ an die Erbengemeinschaft wurde am 06.11.2017 ins Grundbuch eingetragen.
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Am 27.12.2017 bewirkte die Beklagte eine Zahlung auf den Nennbetrag der Grundschulden, in dem sie 189.512,60 € auf die der Klägerin gebührenden Hälfte von 201.129,19 € an diese überwies. Hinsichtlich der Differenz von 11.616,59 € wurde eine Einigung dahingehend getroffen, dass eine Verrechnung mit Erlösen aus der Veräußerung von Erbschaftsgegenständen stattfinden solle. Zahlungen auf Grundschuldzinsen leistete die Beklagte nicht.
11
Unter Berücksichtung der entsprechenden Zinssätze von zweimal 12 % und einmal 15 % auf die jeweiligen Nominalbeträge der Grundschulden Nrn. 1-3 errechnen sich für die Zeit vom 07.06.2016 bis 27.12.2017 Grundschuldzinsen in Höhe von insgesamt 89.247,32 €.
12
Mit Schreiben vom 21.06.2019 kündigte die Klägerin die Grundschuld vorsorglich und drohte der Beklagten gleichzeitig die Beantragung der Zwangsversteigerung wegen ausstehender Grundschuldzinsen an.
13
Nachdem der zuständige Notar die Klauselumschreibung auf die Erbengemeinschaft zunächst abgelehnt hatte, teilte er mit Schreiben vom 26.11.2019 mit, dass eine Umschreibung der Klausen zwar vorgenommen werden, er die Urkunden aber nicht an die Klägerin herausgeben könne, bis sich die Parteien über die entsprechende Verwendung geeinigt oder eine gerichtliche Entscheidung herbeigeführt hätten.
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Die Klägerin meint, sie sei berechtigt, für die Erbengemeinschaft gegen die Beklagte vorzugehen. Auch habe sie ein Rechtsschutzbedürfnis, weil eine Klage auf Mitwirkung gegen die Beklagte und anschließend die Abwehr einer zu erwartenden Vollstreckungsabwehrklage jedenfalls kein einfacherer und schneller Weg zum angestrebten Ziel sei. Die Beklagte habe die Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück zu dulden, weil die streitgegenständlichen Grundschuldzinsen für den Zeitraum ab Zuschlag bis zur Zahlung des Nominalbetrages geschuldet seien.
15
Mit Schriftsatz vom 11.02.2020 verkündete die Beklagte der Streithelferin den Streit mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beizutreten. Mit Schriftsatz vom 26.02.2020 trat die Streitverkündete dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten bei.
16
Die Klägerin beantragt mit der am 15.01.2020 zugestellten Klage zu erkennen:
Die Beklagte wird verurteilt, wegen Grundschuld-Zinsen in Höhe von 89.247,32 EUR zugunsten der aus der Klägerin und der Beklagten bestehenden Erbengemeinschaft die Zwangsvollstreckung in das Grundstück in …, eingetragen im Grundbuch des … Flurstück …, zu dulden.
17
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
18
Die Beklagte meint, die Klägerin sei schon nicht aktivlegitimiert, weil sie Ansprüche der Erbengemeinschaft nicht geltend machen dürfe. Zudem fehle ihr das Rechtsschutzbedürfnis, weil es effizienter sei, die Herausgabe der Grundschuldurkunden über den Notar zu erreichen oder die Beklagte auf Erteilung der Zustimmung zur Herausgabe in Anspruch zu nehmen. Außerdem bestünden mit den auf die Erbengemeinschaft lautenden vollstreckbaren Ausfertigungen bereits Titel. Es drohe daher eine Verdopplung der Ansprüche. Jedenfalls aber seien Grundschuldzinsen nicht geschuldet. Diese seien, anders als der Nominalwert der Grundschulden, wirtschaftlich nie existent gewesen und seien auch bei der Berechnung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt worden. Zinsen könnten nicht aus dem Nichts entstehen, wenn es eine diesbezügliche Forderung nie gegeben habe. Jedenfalls aber sei die Klägerin verpflichtet, etwaige Grundschuldzinsen mangels Rechtsgrundes zum Behalten umgehend wieder an die Beklagte zurück zu gewähren, sodass bereits die Zwangsversteigerung treuwidrig sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 29.07.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20
Die Klage ist zulässig und begründet.
A.
21
Die Klage ist zulässig.
I.
22
Die Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein ergibt sich in örtlicher Hinsicht aus § 24 ZPO, in sachlicher Hinsicht aus den §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, da der Streitwert mit 89.247,32 € die Grenze von 5.000,00 € übersteigt. Bei einer Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in eine Sache bemisst sich dieser gemäß § 6 S. 1 ZPO grundsätzlich nach der Höhe der zu vollstreckenden Forderung.
II.
23
Die Klägerin ist prozessführungsbefugt.
24
Entsprechend ihrer gesamthänderischen Bindung in Erbengemeinschaft wären grundsätzlich nur alle Erben gemeinschaftlich dazu befugt, die Leistung an alle Erben zu fordern. In Abweichung von dem vorgenannten Grundsatz gewährt § 2039 BGB dem einzelnen Miterben die Möglichkeit, die Leistung an alle Miterben zu fordern. Es handelt sich um eine gesetzliche Prozessstandschaft für die Erbengemeinschaft. Der aktive Miterbe klagt kein fremdes Recht in fremden Namen, sondern ein fremdes Recht im eigenen Namen ein. Da er selbst an der Erbengemeinschaft beteiligt ist, dieses Recht aber nur mit den anderen Miterben gemeinsam geltend machen kann, handelt es sich bei der Ausübung des Forderungsrechts nur um die teilweise Ausnutzung einer Prozessstandschaft (BeckOGK/Rißmann/Szalai BGB § 2039 Rn. 1).
25
Der behauptete Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung wegen ausstehender Grundschuldzinsen gehört zum Nachlass. Dies ist der Fall, wenn er vor dem Erbfall dem Erblasser zustand und mit dem Erbfall auf die Erben übergegangen ist, oder wenn er mit oder nach dem Erbfall bei der Erbengemeinschaft entstanden ist. In jedem Fall sind die Erben in ihrer Funktion als Erben Rechtsträger des Anspruchs. Mit Blick auf den Normzweck ist der Kreis der „zum Nachlass gehörenden Ansprüche“ weit gefasst (BeckOGK/Rißmann/Szalai BGB § 2039 Rn. 10).
26
Keine Rolle spielt es, dass die Beklagte als Anspruchsgegnerin selbst Miterbin ist. Im Grundsatz ist die Person des Schuldners irrelevant (BeckOGK/Rißmann/Szalai BGB § 2039 Rn. 11).
III.
27
Der Klägerin fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
28
Grundsätzlich ist dem Beklagtenvortrag zwar dahingehend zuzustimmen, dass Grundschuldurkunden mit Vollstreckungsunterwerfungsklauseln existieren. Diese sind nach anfänglicher Weigerung des beauftragten Notars zwischenzeitlich auch auf die Erbengemeinschaft umgeschrieben worden. Da die Beklagte dem Notar allerdings untersagt, diese an die Klägerin herauszugeben, ist der Klägerin ein Vorgehen aus den Urkunden derzeit nicht möglich. Vielmehr müsste die Klägerin erneut Klage gegen die Beklagte erheben, um möglicherweise an die Urkunden zu gelangen. Der bestehende Titel hilft ihr daher derzeit nicht unmittelbar.
29
Es ist auch nicht ersichtlich, warum eine Klage auf Mitwirkung der Beklagten ein leichterer Weg sein soll, zumal angesichts der Auffassung der Beklagten, dass Grundschuldzinsen nicht geschuldet seien, ohnehin mit einer Vollstreckungsabwehrklage zu rechnen ist. Die Klägerin müsste daher ggf. sogar zwei Verfahren führen.
30
Der Beklagten droht auch keine Verdopplung der gegen sie gerichteten Ansprüche. Sollte die Klägerin aus einem Titel vollstrecken, so ist dies der Vollstreckung aus einem zweiten Titel ohne Weiteres entgegenzuhalten.
B.
31
Die Klage ist begründet.
I.
32
Der Erbengemeinschaft, bestehend aus Klägerin und Beklagter, steht der Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung zu, weil die Beklagte Grundschuldzinsen aus dem Grundstück zu entrichten hat, § 1191 Abs. 2 BGB.
33
1. Die Beklagte als Anspruchsgegnerin ist Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks.
34
2. Klägerin und Beklagte sind in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Erbengemeinschaft Inhaber der Grundschulden, die das Grundstück der Beklagten nach wie vor als dingliches Recht belasten. Die eingetragenen Grundschuldzinsen sind Inhalt des dinglichen Rechts (BGH NJW 1987, 946). Im Zuschlagszeitpunkt war Grundschuldgläubigerin allerdings noch … da die gesicherte Darlehensforderung noch zu rund 72.000 € valutierte und … die Grundschulden nach wie vor als Sicherheit benötigte. Nachdem die restliche Darlehensverbindlichkeit allerdings aus dem der … im Verteilungstermin zugeteilten Geldbetrag getilgt worden war, trat diese die streitgegenständlichen Grundschulden an die Erbengemeinschaft gem. §§ 413, 398, 1154 BGB ab. Die Abtretung „mit Zinsen seit 07.06.2016“ wurde am 06.11.2017 ins Grundbuch eingetragen.
35
Eine weitere Übertragung der Grundschulden fand seither nicht statt. Inhaber der Grundschuld sind daher Klägerin und Beklagte sind in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Erbengemeinschaft.
36
3. Die auf dem Grundstück lastenden Grundschulden nebst Zinsen sind durch den Zuschlag an die Beklagte im Teilungsversteigerungsverfahren nicht gem. §§ 91 Abs. 1, 52 Abs. 1 S. 2 ZVG erloschen, sondern als Teil des geringsten Gebots gem. § 52 Abs. 1, 182 Abs. 1 ZVG bestehen geblieben. Die Feststellung des geringsten Gebotes nach §§ 44 ff. ZVG setzt einen (bestrangig) betreibenden Gläubiger voraus. Ein solcher existiert in der Teilungsversteigerung nicht; ein Miteigentümer verfolgt seine Rechtsposition nicht aus einem eingetragenen Recht, sondern aus seinem Eigentum. Damit eingetragene Hypotheken und Grundschulden nicht beeinträchtigt werden, wird er so gestellt, als betreibe er das Verfahren aus dem letzten Rang. Daher werden nur solche Gebote zugelassen, die die bestehen bleibenden Rechte berücksichtigen (vgl. § 52 ZVG).
37
Nicht zuzustimmen ist der Rechtsansicht der Beklagten, nur das Grundschuldkapital sei bei der Ermittlung des geringsten Gebots berücksichtigt worden, nicht aber die Grundschuldzinsen. Berücksichtigt wird das dingliche Recht genau so, wie es im Grundbuch steht. Im zu beurteilenden Fall stehen dort neben dem Kapital auch die Grundschuldzinsen. Da der Ersteher gem. § 56 S. 2 ZVG erst ab Zuschlag die Lasten des Grundstücks trägt, errechnen sich die Grundschuldzinsen für diesen auch erst ab diesem Zeitpunkt. Im Moment des Zuschlags selbst ergibt sich für den Ersteher daher freilich auch keine Zinsbelastung, sodass die Zinsen im Meistgebot auch betragsmäßig nicht abgebildet sind. Daraus ist allerdings nicht zu schließen, dass die Zinsen bei der Berechnung des geringsten Bargebots grundsätzlich keine Berücksichtigung finden.
38
4. Auch wenn die Streithelferin die entsprechende Rechtsansicht zuletzt selbst nicht mehr aufrechterhalten hat, so ist dennoch festzustellen, dass die Grundschuld entgegen der Ansicht der Beklagten und zwischenzeitlich geäußerten Ansicht der Streithelferin auch nicht gem. §§ 1192 Abs. 1, 1178 Abs. 1 BGB erloschen ist. Die Grundschuld vereinigte sich zu keinem Zeitpunkt mit dem Eigentum am Grundstück in einer Person. Während Klägerin und Beklagte in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Erbengemeinschaft Eigentümer des Grundstücks waren, standen die Grundschulden noch … als ursprünglicher Grundschuldgläubigerin zu. Zum Zeitpunkt der Abtretung der Grundschulden an die Erbengemeinschaft nach Tilgung der Forderung war das Eigentum am Grundstück aber bereits durch Zuschlag auf die Beklagte übergangen. Es kam also zu keinem Zeitpunkt zu einer Identität zwischen Grundschuldgläubiger und Eigentümer, sodass der Tatbestand des § 1178 Abs. 1 BGB nicht erfüllt war.
39
5. Der Ersteher ist verpflichtet, die Grundschuld gleichsam als Teil des Kaufpreises abzulösen. Er muss die volle Grundschuldsumme unabhängig von ihrer Valutierung bezahlen (BGH, NJW 2011, 1500). Dass das Darlehen zunächst nur noch zu 72.000 € und später gar nicht mehr valutierte, spielt für die Zahlungsverpflichtung des Erstehers hinsichtlich des Nominalbetrages der Grundschulden keine Rolle. Der letztendlich zu entrichtende Kaufpreis für das Grundstück setzt sich also im Wesentlichen aus dem Bargebot und dem Grundschuldkapital zusammen, worauf Teilnehmer einer Teilungsversteigerung auch regelmäßig eindringlich hingewiesen werden.
40
Selbstverständlich traf die Beklagte ab Zuschlag zunächst die Verpflichtung, den Nominalbetrag an die Sparkasse als damaliger Grundschuldgläubigerin zu zahlen. Diese hätte den Betrag sodann mit der verbleibenden Darlehensverbindlichkeit verrechnen und den Rest anschließend an den Alteigentümer, hier die Parteien in ihrer Verbundenheit als Erbengemeinschaft auskehren müssen (BGH a.a.O.). Nach Tilgung des Darlehens bereits aus dem Betrag des Bargebots und anschließender Abtretung der Grundschulden an die Erbengemeinschaft war der Nominalbetrag nunmehr an diese als neuer Grundschuldgläubigerin zu bezahlen.
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6. Der Grundschuldgläubiger kann vom Ersteher ab dem Zuschlag (§ 56 S. 2 ZVG) allerdings nicht nur den Nominalbetrag, sondern auch die im Grundbuch eingetragenen dinglichen Zinsen fordern, selbst wenn das Darlehen nur mit einem wesentlich geringeren Satz zu verzinsen ist (vgl. Böttcher, Teilungsversteigerung von Grundstücken, FPR 2012, 502).
42
Die Grundschuldzinsen teilen insofern das Schicksal des Nominalbetrages. Eine durchgreifende Begründung, warum zwischen Kapital und Grundschuldzinsen zu unterscheiden ist, sieht das Gericht nicht. Durch den Ersteher abzulösen sind die bestehen bleibenden dinglichen Rechte. Die eingetragenen Grundschuldzinsen sind Inhalt des dinglichen Rechts (BGH NJW 1987, 946) und daher ebenfalls abzulösen. Da sich die Zinsen ab dem Zuschlag berechnen (56 S. 2 ZVG), empfiehlt es sich daher, den Nominalbetrag alsbald nach Zuschlagserteilung zu bezahlen, um einer Zinsverpflichtung in empfindlicher Höhe zu entgehen. Dies hat die Beklagte vorliegend allerdings nicht getan, sondern rund eineinhalb Jahre gewartet, bis die Grundschuld bezahlt wurde. Für den Zeitraum vom 07.06.2016 bis zum 27.12.2017 kann die Klägerin daher Grundschuldzinsen in Höhe von 89.247,32 € an die Erbengemeinschaft fordern.
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7. Soweit die Beklagte meint, die Klägerin müsste die erhaltenen Zinsen umgehend an die Beklagte zurückerstatten, weil es an einem Rechtsgrund für das Behaltendürfen fehle, so teilt das Gericht diese Ansicht nicht. Die Beklagte stellt darauf ab, dass der Grundschuldgläubiger nach gefestigter Rechtsprechung ebenfalls verpflichtet ist, den Übererlös an die Alteigentümer herauszugeben, den er nicht zur Tilgung der gesicherten schuldrechtlichen Forderung benötigt, weswegen im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter dasselbe gelten müsse. Nach Auffassung des Gerichts kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob die Person des ursprünglichen Grundschuldgläubigers nun nach wie vor besteht oder durch Abtretung wegfällt und ob eine schuldrechtliche Forderung nach wie vor besteht oder nicht. Die Beklagte war verpflichtet, das Grundschuldkapital nebst aufgelaufene Zinsen an den aktuellen Grundschuldgläubiger im Zeitpunkt der Zahlung zu bezahlen. Dies war die Erbengemeinschaft. Da keine Forderung mehr besteht, findet anschließend auch keine Verrechnung statt. Gedanklich müsste die Erbengemeinschaft daher den ungekürzten Betrag (Nennwert zzgl. Zinsen) an sich selbst auszahlen. Dieser gedankliche Schritt ist zwar selbstredend überflüssig, verdeutlicht aber, dass es keinen Unterschied macht, ob der Weg über eine Bank und Verrechnung mit einer offenen Darlehensforderung läuft oder nicht. Letztlich erhält der Alteigentümer den vollen Kaufpreis aus Bargebot und Wert der bestehend bleibenden Rechte abzüglich der Restforderung. Da eine solche im gegenständlichen Fall nach Tilgung nicht mehr besteht, erhält die Erbengemeinschaft als Alteigentümerin folglich den vollen Betrag.
44
Der Ansicht der Streitverkündeten, die in FPR 2012, 502 geäußerte Auffassung, der Grundschuldgläubiger könne vom Ersteher ab dem Zuschlag (§ 56 S. 2 ZVG) nicht nur den Nominalbetrag, sondern auch die im Grundbuch eingetragenen dinglichen Zinsen fordern, selbst wenn das Darlehen nur mit einem wesentlich geringeren Satz zu verzinsen ist, sei auf die gegenständliche Konstellation nicht anzuwenden, weil Grundschuldzinsen allenfalls eine hinsichtlich der Darlehensforderung nicht (voll) befriedigte Bank verlangen dürfe, das Teilungsversteigerungsverfahren (und die Tilgung des Darlehens) vorliegend aber bereits abgeschlossen sei, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.
45
Zunächst stellt der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 04.02.2011 - V ZR 132/10 (NJW 2011, 1500) fest, dass der Grundschuldgläubiger nicht verpflichtet ist, zur Zeit der Ablösung nicht valutierte Grundschuldzinsen vom Ersteher zu verlangen, impliziert aber bereits durch die Formulierung „verpflichtet“, dass ein Grundschuldgläubiger nicht valutierte Grundschuldzinsen jedenfalls verlangen darf. Er bestätigt insofern die Einschätzung des OLG München, das mit Urteil vom 21.05.2010 - 5 U 5090/09 - ausführt: „Der Ersteher eines Grundstücks, der eine auf dem Grundstück lastende verzinsliche Grundschuld übernimmt, ist gem. § 56 S. 2 ZVG verpflichtet, für den Zeitraum zwischen Zuschlag und Zahlung des Grundschuldnominalbetrags an den Grundschuldgläubiger die dinglichen Grundschuldzinsen zu entrichten.“ Zutreffend ist zwar der Einwand der Streithelferin, der BGH habe dieses Urteil mit o.g. Urteil aufgehoben. Abgeändert hat der BGH allerdings lediglich die Einschätzung des OLG München, der Grundschuldgläubigers sei verpflichtet, nicht valutierte Grundschuldzinsen geltend zu machen. An der grundsätzlich Möglichkeit, diese Grundschuldzinsen einzufordern, ändert dies allerdings nicht. Im Gegenteil hat der BGH durch seine Wortwahl „nicht verpflichtet“ bestätigt, dass der Grundschuldgläubiger jedenfalls rechtlich kann.
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Anhaltspunkte, die für eine Unterscheidung zwischen … und der Erbengemeinschaft als Grundschuldgläubigerin sprechen, liegen nach Auffassung des Gerichts nicht vor. Dies insbesondere, weil sich für den Alteigentümer, bei dem der Kaufpreis letztlich ankommt, keine Unterschiede ergeben. Macht die Bank - was sie kann - Nennwert und Zinsen geltend, so hat sie dies mit dem Restbetrag des Darlehens zu verrechnen und den Übererlös an den Alteigentümer auszukehren. Dem Alteigentümer kommen letztlich also auch die Grundschuldzinsen zu. Es ist nicht etwa so, dass die Bank den Nennwert an den Alteigentümer weiterleitet, die Grundschuldzinsen aber an den Ersteher zurückbezahlen muss. Nichts anderes gilt, wenn der Betrag unmittelbar an den Alteigentümer fließt, weil das Darlehen bereits getilgt und die Grundschuld zurückübertragen worden ist. Auch dann kommen diesem die Grundschuldzinsen letztlich zu.
47
Der Einwand, es bestehe kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Betrages der Grundschuldzinsen, sodass sich aus § 812 BGB ein unmittelbarer Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung mit der Folge ergäbe, dass bereits die Zwangsvollstreckung gem. § 242 BGB (Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) treuwidrig sei, ist auch deswegen nicht nachvollziehbar, weil ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Grundschuldkapitals in Folge des Zuschlags und der Ablösungsverpflichtung des Erstehers ohne Weiteres besteht, was die Beklagte auch nicht in Frage stellt. Das dingliche Recht „verselbständigt“ sich im Rahmen der Teilungsversteigerung richtigerweise dahingehend, dass es gleichsam Teil des „Gesamtkaufpreises“ wird, der daher selbstverständlich vom Alteigentümer behalten werden darf. Gründe, warum dieser also das Grundschuldkapital behalten dürfen soll, die Grundschuldzinsen allerdings nicht, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Der nichtakzessorische Charakter sowohl des Grundschuldkapitals als auch der Grundschuldzinsen führt dazu, dass dinglich nicht zwischen diesen zu unterscheiden ist (vgl. BeckOGK/R. Rebhan BGB § 1191 Rn. 30). Letztlich findet sich der Rechtsgrund auch für das Behaltendürfen daher in der Besonderheit des Teilungsversteigerungsverfahren, in dem das dingliche Recht Teil des Kaufpreises wird.
48
8. Der Ersteher, der aus einer bestehen gebliebenen Sicherungsgrundschuld dinglich in Anspruch genommen wird, kann dem Grundschuldgläubiger keine Einreden entgegensetzen, die sich aus dem zwischen dem früheren Eigentümer (Sicherungsgeber; hier zunächst der Erblasser, später die Erbengemeinschaft) und dem Gläubiger (Sicherungsnehmer; hier …) abgeschlossenen Sicherungsvertrag ergeben (BGH, BeckRS 2003, 05078). Die Sicherungsabrede wirkt nur zwischen Sicherungsgeber und Gläubiger, nicht aber im Verhältnis zum Ersteher als neuem Eigentümer; letzteren trifft nur die dingliche Haftung, d.h. aus der persönlichen Forderung kann er nicht in Anspruch genommen werden. Dies ist auch der Grund, warum der Ersteher die volle Grundschuldsumme unabhängig von ihrer Valutierung bezahlen muss.
49
Angesichts des nichtakzessorischen Charakters der Grundschuld spielt es daher keine Rolle, dass die Darlehensschuld nicht mehr besteht.
50
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1192 Abs. 1 a BGB, wie des die Streithelferin vorträgt. Die Norm betrifft die Konstellation, dass es einen Personenwechsel nur auf Seiten des Grundschuldgläubigers bei gleichbleibendem Eigentümer gibt. Dann - und nur dann - soll es dem Eigentümer möglich sein, die sich aus dem Sicherungsvertrag ergebenden Einreden gegen die Grundschuld (wie etwa die Tilgung der Darlehensforderung) auch gegen den neuen Grundschuldgläubiger geltend zu machen, weil die Abtretung der Grundschuld dem am Sicherungsvertrag beteiligten Eigentümer nicht zum Nachteil gereichen darf.
51
Diese Konstellation ist vorliegend allerdings nicht einschlägig, da es mit Zuschlag in der Teilungsversteigerung zu einem Wechsel in der Person des Eigentümers kam. Die neue Eigentümerin, die Beklagte, ist aber gerade nicht am Sicherungsvertrag beteiligt, sodass eine Einbeziehung in den Schutzbereich des § 1192 Abs. 1 a BGB zu unterbleiben hat.
52
9. Einer Anmeldung der Grundschuldzinsen in der Teilungsversteigerung bedurfte es gem. § 45 Abs. 2 ZVG nicht.
53
10. Auch bedurfte es einer gesonderten Kündigung der Grundschuld nach der Teilungsversteigerung nicht. Sähe man dies anders, so wurde eine entsprechende Kündigung durch die Klägerin mit Schreiben vom 21.06.2019 erklärt. Seitdem sind auch mehr als sechs Monate vergangen.
54
Der Klägerin und Beklagten steht daher in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Erbengemeinschaft ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung zu.
C.
55
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kosten der Streithelferin sind gem. § 101 Abs. 1 Hs. 2 ZPO der Streithelferin selbst aufzuerlegen.
D.
56
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.