Inhalt

Truppendienstgericht Süd München, Urteil v. 29.07.2020 – S 6 VL 23/19
Titel:

Kürzung der Dienstbezüge - Einbringen und Aufbewahren einer Tasse mit Hakenkreuz in Kaserne

Normenketten:
SG § 7, § 8, § 17 Abs. 2 S. 1, § 23 Abs. 1
WDO § 38 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 S. 1 SG kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 7 SG gebietet es, im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr als eines militärischen Verbandes beizutragen und alles zu unterlassen, was diese in ihrem durch die Verfassung festgelegten Aufgabenbereich schwächen könnte. Dies gilt insbesondere für die Wahrung der Loyalität gegenüber dem Dienstherrn, indem auch solche Weisungen und Regelungen befolgt werden, die nicht die Qualität eines Befehls besitzen. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarmaßnahme gegen Soldaten, Kürzung der Dienstbezüge, Treuepflicht, Zentralrichtlinie, Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr, Hakenkreuz
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Urteil vom 04.11.2021 – 2 WD 25.20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 57977

Tenor

1. Die Dienstbezüge des Soldaten werden wegen eines Dienstvergehens um 1/10 (ein Zehntel) für die Dauer von 19 (neunzehn) Monaten gekürzt.
2. Die durch den Batteriechef 3./Artilleriebataillon B am 30. November 2018 verhängte Disziplinarmaßnahme wird aufgehoben.
3. Der Soldat trägt die Kosten des Verfahrens.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Soldat trat nach einer erfolgreichen Ausbildung zum Koch aufgrund seiner freiwilligen Bewerbung am 1. Juli 2014 bei der 5./Panzerpionierbataillon G in H im untersten Mannschaftsdienstgrad in die Bundeswehr ein und wurde mit Wirkung vom 4. Juli 2014 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf sechs Monate festgesetzt und dann auf acht Jahre verlängert. Sie endet voraussichtlich planmäßig mit Ablauf des 30. Juni 2022.
2
Er wurde regelmäßig, zuletzt mit Wirkung zum 1. Juli 2017, befördert.
3
Die zeitliche Voraussetzung für die Beförderung zum Oberstabsgefreiten erfüllt er seit dem 1. Juli 2018. Mit Entscheidung der personalführenden Dienststelle vom 5. Februar 2019 wurde ihm die entsprechende Ernennungsurkunde wegen der Ermittlungen des Disziplinarvorgesetzten in dieser Sache nicht ausgehändigt.
4
Nach der allgemeinen Grundausbildung wurde der Soldat unter Wechsel der Truppengattung zu seiner gegenwärtigen Einheit versetzt, wo er als Raketenkanonier MARS verwendet wird.
5
Er wurde bislang nicht planmäßig beurteilt.
6
In seiner „Personenbeschreibung“ vom 6. Februar 2019 beschreibt der damalige nächste Disziplinarvorgesetzte den Soldaten als pflichtbewusst. Er sei im Kameradenkreis integriert und anerkannt und unterstütze dort bereitwillig auch nach Dienst. Seine kognitive Leistungsfähigkeit sei weniger gut ausgeprägt, komplizierte Sachverhalte durchdringe er unter Anleitung. Er sei ein folgsamer Soldat und erledige ihm übertragene Aufgaben zuverlässig, ohne den Auftrag anzuzweifeln. Er lasse sich bei Fehlverhalten anderer leicht mitreißen und sei leicht zu beeinflussen. Insgesamt sei er ein Soldat mit mittlerem Leistungsniveau, der das Potential habe, sich weiter zu entwickeln.
7
In der Hauptverhandlung sagte der gegenwärtige nächste Disziplinarvorgesetzte, Hauptmann J, als Leumundszeuge, der Soldat sei ruhig und sehr bedacht, stellenweise unbedarft, sehr hilfsbereit und verlässlich. Seine dienstlichen Leistungen seien gut und vorbildlich, er würde ihn hinsichtlich Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zwischen oberem und mittlerem Drittel der Leistungsskala einordnen. Trotz der Belastung durch das in der Einheit bekannte Verfahren und die unterbliebene Beförderung habe er sich nicht hängen lassen und sei hochmotiviert. Das vorgeworfene Fehlverhalten hätte er ihm nicht zugetraut.
8
Der Soldat ist berechtigt, die Schützenschnur, Stufe Gold, zu tragen.
9
Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 9. Juni 2020 enthält keine Eintragungen.
10
Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 10. Juni 2020 enthält die Eintragung über die Verhängung der sachgleichen Disziplinarbuße.
11
Der Soldat ist ledig und kinderlos, er ist an seinem Standort in der Kaserne untergebracht und bewohnt in K eine Mietwohnung.
12
Er erhält Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 5 E der Stufe 3 in Höhe von € 2.506,40 brutto, von denen ihm € 2.064,71 tatsächlich ausgezahlt werden. Seine monatlichen Verbindlichkeiten für Miete, Versicherungen und Kfz-Unterhalt belaufen sich nach eigenen Angaben in der Hauptverhandlung auf insgesamt rund € 660,-.
13
Demnach erscheinen seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet.
II.
14
Das gerichtliche Disziplinarverfahren ist mit Verfügung des Kommandeurs der … Panzerdivision vom 11. Februar 2019, dem Soldaten ausgehändigt am 19. Februar 2019, ordnungsgemäß eingeleitet worden. Vor der Einleitung war die zuständige Vertrauensperson hierzu am 31. Januar 2019 angehört und das Ergebnis dem Soldaten vor seiner Anhörung gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO am 31. Januar 2019 eröffnet worden.
15
Nach Gewährung des Schlussgehörs am 25. März 2019 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich der … Panzerdivision dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom selben Tag, beim Truppendienstgericht eingegangen am 3. April 2019, folgenden Sachverhalt zur Last gelegt:
„Der Soldat hat zu einem unbekannten Zeitpunkt eine Tasse, auf der ein Kampfpanzer, die Aufschrift ‚Deutsches Afrikakorps‘ und ein Hakenkreuz abgebildet waren, in die C-Kaserne in D in der L eingebracht und diese bis zum 19. Juni 2018 auf Stube 204 des Gebäudes 2 verwahrt, obwohl er aufgrund seiner Belehrung vom 3. März 2016 wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass dies nach Zentralrichtlinie A2-2630/0-0-2 Nr. 156 ‚Leben in der militärischen Gemeinschaft‘ untersagt ist.“
16
Im Ermittlungsergebnis heißt es unter „II.“ unter anderem:
„Am 19. Juni 2018 musste der Batteriefeldwebel der 3./Artilleriebataillon B, der Zeuge O. M, zur Beseitigung eines Stromausfalls die von dem Soldaten bewohnte Stube 204 im Gebäude 2 der C-Kaserne in D in der L betreten. Dort fand er auf einem Tisch die im verfügenden Teil näher beschriebene Tasse vor. Die Tasse war bereits am Morgen des 19. Juni 2018 dem Oberstabsgefreiten N und Stabsgefreiten O aufgefallen. Diese hatten den Soldaten aufgefordert, sie zu entfernen, was er jedoch bis zur Entdeckung durch den Zeugen O. M nicht tat.“
17
Am 30. November 2018 hatte der Batteriechef der 3./Artilleriebataillon B wegen dieses Sachverhalts eine unanfechtbare und vollständig vollstreckte Disziplinarbuße in Höhe von € 1.500,- mit folgendem Tenor gegen den Soldaten verhängt:
„Er hat am 19.06. 2018 in Stube 204, Geb. 2, C-Kaserne, D, …, bei einer Begehung seiner Stube durch BttrFw, Vertrauensperson der Mannschaften und Elektriker im Rahmen einer Störmeldungsbeseitigung eines Stromausfalls um 16:00 h eine vor Kurzem von ihm benutzte Kaffeetasse mit der Aufschrift „Deutschs Afrikakorps“ und einem aufgedruckten Hakenkreuz auf dem Couchtisch in besagter Stube stehen gehabt. Er sagte, dass die Tasse ihm gehört.“
18
Mit Nachtragsanschuldigungsschrift vom 15. April 2020 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft nach neuerlichem Schlussgehör am 31. März 2020 folgenden Sachverhalt unter Abänderung des bisherigen Tatvorwurfs ergänzend angeschuldigt:
„Der Soldat hat am 4. Juni 2018 eine Tasse, auf der ein Kampfpanzer, die Aufschrift ‚Deutsches Afrikakorps‘ und ein Hakenkreuz abgebildet waren, in die C-Kaserne in D in der L eingebracht und diese bis zum 19. Juni 2018 auf Stube 204 des Gebäudes 2 verwahrt, obwohl er aufgrund seiner Belehrung vom 3. März 2016 wusste, zumindest aber hätte wissen können und müssen, dass dies nach Zentralrichtlinie A2-2630/0-0-2 Nr. 156 ‚Leben in der militärischen Gemeinschaft‘ untersagt ist.“
19
Dort heißt es im Ermittlungsergebnis unter „II.“ unter anderem:
„Der Soldat hat sich am 31. März 2020 nochmals geständig zum Tatvorwurf eingelassen. Er ergänzt, dass er die Tasse in den ca. zwei Wochen zwischen deren Einbringen in die Kaserne und dem Auffinden durch Dritte auf seiner Stube aufbewahrt und täglich nach dem Gebrauch weggeräumt habe. Er habe keine Kontakte zur „rechten Szene“ und habe die Tasse nur genutzt, da er sich als Modellbauer für das Panzerwagenmotiv interessiert hatte.“
20
Dem vorgeschlagenen Erlass eines Disziplinargerichtsbescheids hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft am 19. Mai 2020 ausdrücklich widersprochen.
III.
21
Die Kammer hatte gemäß § 107 Abs. 1 WDO über die dem Soldaten zuletzt mit der Nachtragsanschuldigungsschrift vom 15. April 2020 zur Last gelegten Pflichtverletzungen zu entscheiden.
22
Die Nachtragsanschuldigung ist zulässig erhoben worden, weil der darin enthaltene Tatvorwurf des Einbringens der Tasse in die C-Kaserne eine neue Pflichtverletzung für das Verfahren im Sinne des § 99 Abs. 2 WDO darstellte. Dieser Vorwurf wurde nämlich erstmals hier wirksam erhoben: Zwar war er bereits im verfügenden Teil der (ersten) Anschuldigungsschrift vom 25. März 2019 erwähnt worden, dort mangels hinreichend konkreter Zeitangabe aber nicht wirksam angeschuldigt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 2 WD 1.12 - Rn. 30 a.E. und Beschluss vom 11. Februar 2009 - 2 WD 4.08 - juris Rn. 12 m.w.N. sowie Dau/Schütz, Wehrdisziplinarordnung, 7. Aufl. 2017, § 37 Rn. 24, § 99 Rn. 6, unter Verweis auf Gebken, NZWehrr 2008, 194, 199, der das gesetzlich nicht dezidiert erwähnte Erfordernis einer Zeitangabe in der Anschuldigungsschrift aus der ausdrücklichen diesbezüglichen Regelung für das einfache Disziplinarverfahren in § 37 Abs. 3 Satz 2 WDO ableitet).
23
Nach der Hauptverhandlung steht aufgrund der Aussagen der Sachzeugen Oberstabsgefreiter N und Oberstabsgefreiter O und des Leumundszeugen Hauptmann J sowie des umfassenden Geständnisses des Soldaten und der durch Verlesung eingeführten Urkunden folgender Sachverhalt fest:
24
Der Soldat brachte am 4. Juni 2018 eine Kaffeetasse, die ihm ein Freund geschenkt hatte, mit in seine Unterkunftsstube 204 im Gebäude 2 der C-Kaserne in D, die er zusammen mit den Zeugen N und O belegte. Auf der gesamten Außenseite der Tasse ist ein - augenscheinlich dem 2. Weltkrieg entstammendes - Wüstenkriegsszenario abgebildet, das einen den Vordergrund fast ausfüllenden, schräg auf den Betrachter zu fahrenden Kampfpanzer im Wüstensand, am Himmel vier Propellerflugzeuge und pyramidenähnliche Erhebungen am Horizont zeigt. Über dem Szenario befindet sich eine um den Becherumfang laufende Banderole mit der Aufschrift „Deutsches Afrikakorps“ in Frakturschrift. Am Ende der Banderole ist ein ca. 2 cm x 2 cm weißes Quadrat abgebildet, innerhalb dessen eine einzelne Palme mit einem auf der Winkelspitze stehenden Hakenkreuz als Baumstamm. Der Soldat, der regelmäßig nach Dienst in einem eigens dafür auf der Stube eingerichteten kleinen Arbeitsbereich Plastikmodelle von Panzern zusammenbaut und sich deshalb wegen des aufgedruckten Panzerwagens für die Tasse als Modellvorlage interessierte, verwahrte sie in der folgenden Zeit in seinem verschlossenen Spind. Beim allmorgendlichen Kaffeetrinken auf der Stube mit seinen beiden Stubenkameraden nutzte er stets eine andere Tasse, weshalb die beiden Zeugen von der betreffenden Tasse bis zum 19. Juni 2018 nichts wussten. Beim Morgenkaffee dieses Tages nutzte der Soldat die Tasse, die dabei den Zeugen zunächst wegen des Panzers auffiel. Beim genaueren Hinsehen erkannten sie auch das Hakenkreuz. Beide Zeugen wussten, dass „Hakenkreuze in der Bundeswehr nichts zu suchen haben“ und „die Tasse laut Vorschrift in der Kaserne verboten ist“, und sagten dem Soldaten, dass er sie nicht auf der Stube lassen könne und sie wegräumen solle. Dem Soldaten wurde nunmehr klar, dass „die Tasse wegen des Hakenkreuzes in der Kaserne nichts zu suchen hat“, was er auch einsah. Er ließ die Tasse jedoch offen in der Stube stehen. Als es im weiteren Tagesverlauf zu einer elektrischen Störung in der Liegenschaft kam, wurde dem Soldaten befohlen, sich deshalb umgehend in einem anderen Gebäudeblock zu melden, weshalb er vergaß, die Tasse zuvor im Spind zu verschließen. In seiner und der beiden Zeugen A. betraten wegen des Stromausfalls gegen 16 Uhr desselben Tages der Batteriefeldwebel und die Vertrauensperson der Mannschaften zur Störungssuche unter anderem die betreffende Stube und entdeckten dabei die Tasse in benutztem Zustand zwischen anderem Essgeschirr auf einem kleinen Tisch. Sie wurde fotografiert und der Batteriechef informiert. Dieser verhängte nach Abschluss der Ermittlungen gegen den Soldaten die o.a. Disziplinarmaßnahme.
25
Nach eigenen - insoweit unwiderlegbaren - Angaben war dem Soldaten „nicht gleich klar“, dass es verboten ist, die Tasse in der Kaserne zu haben. Zu dieser Erkenntnis sei er gekommen, nachdem seine beiden Stubenkameraden ihn darauf hingewiesen hätten. Die Bedeutung des Hakenkreuzes kenne er.
26
Am 3. März 2016 war er aktenkundig über die „straf- und dienstrechtlichen Folgen des Verwendens von Propagandamitteln rechtsextremer Organisationen sowie rechtsradikaler Betätigung im Bereich der Bundeswehr“ belehrt worden. Im Belehrungstext ist ein dezidiertes Verbot des „Einbringens“ nach Nr. 156 der Zentralrichtlinie A2-2630/0-0-2 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ (herausgegeben durch das Zentrum Innere Führung Abteilung Menschenführung, gebilligt durch den Kommandeur Zentrum Innere Führung, in Kraft getreten am 18. Oktober 2016) nicht enthalten.
27
Die wegen des Vorfalls vom nächsten Disziplinarvorgesetzten am 22. Juni 2018 beantragte fristlose Entlassung des Soldaten nach § 55 Abs. 5 Soldatengesetz (SG), die der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte nachdrücklich befürwortete, wurde von der personalführenden Dienststelle nicht mehr beschieden, weil das vierte Dienstjahr des Soldaten am 30. Juni 2018 endete.
IV.
28
Der Soldat hat ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen, weil er schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hat.
29
1. Er hat gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 Halbsatz 1 SG) verstoßen, weil er durch das Einbringen der mit dem Hakenkreuz versehenen Tasse in die C-Kaserne am 4. Juni 2018 Nr. 156 der oben genannten Zentralrichtlinie zuwidergehandelt hat.
30
Danach ist ausdrücklich das „Einbringen“ u.a. solcher Gegenstände in den Unterkunftsbereich oder den Bereich der militärischen Dienststelle untersagt, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen darstellen oder enthalten. Das Hakenkreuz als Kennzeichen der NSDAP, einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation, ist ein derartiges Kennzeichen (BGH, Urteil vom 23. Juli 1969 - 3 StR 326/68 - juris Rn. 52).
31
Bei der oben genannten Regelung der Zentralrichtlinie handelt es sich um eine Anweisung ohne Befehlscharakter, die dem Soldaten nicht im Rahmen eines militärischen Vorgesetzten/Untergebenen-Verhältnis erteilt wurde. Weder die Angehörigen der die Richtlinie herausgebenden Fachabteilung des Zentrums Innere Führung noch dessen die Richtlinie billigende Kommandeur waren nämlich in dieser dienstlichen Stellung seine militärischen Vorgesetzten im Sinne der §§ 1ff der „Verordnung über die Regelung des militärischen Vorgesetztenverhältnisses“ (Vorgesetztenverordnung) und damit nach § 1 Abs. 3 Satz 1, 2 SG befugt, ihm Befehle zu erteilen (s. dazu eingehend BVerwG, Urteil vom 26. September 2006 - 2 WD 2.06 juris Rn. 83). Mit Verstoß gegen diese Regelung hat der Soldat deshalb nicht seine Gehorsamspflicht (§ 11 Abs. 1 Satz 1, 2 SG) verletzt, wohl aber die von § 7 SG mit umfasste Pflicht, auch solche Anordnungen seines Dienstherrn nach besten Kräften, gewissenhaft und unverzüglich zu befolgen, die kein Befehl (§ 2 Nr. 2 Wehrstrafgesetz) sind.
32
Hingegen hat er nach Auffassung der Kammer nicht durch das 15-tägige Verwahren der Tasse in der Kaserne gegen Nr. 156 der Zentralrichtlinie verstoßen: Das darin untersagte „Einbringen“ erfasst dem Wortlaut und der Bedeutung nach - nur - den punktuellen Akt des Überschreitens (vgl. z.B. www.duden.de/woerterbuch: „mit den dafür vorgesehenen Mitteln hineinbringen, hineinschaffen“, B. I. GmbH, Dudenverlag, Berlin) der Grenze in den (hier militärischen) Bereich hinein, nicht aber ein darauffolgendes, andauerndes Verwahren innerhalb des Bereichs. Letzteres ergibt sich auch nicht aus dem im Regelungstext hinzugefügten Attribut „auch nur vorübergehend“, weil das Einbringen als punktueller Akt begriffsnotwendig nicht von einer bestimmten Dauer sein kann. Die durchaus erkennbare Intention des Herausgebers, für ein möglichst umfassendes Verbot auch das Verwahren innerhalb des Bereiches zu untersagen, hätte durch die Verwendung dieses Begriffes im Text eindeutig umgesetzt werden können.
33
2. Ein Verstoß gegen die allgemeine Treuepflicht (§ 7 Halbsatz 1 SG) in ihrer Ausprägung als Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, hier der Strafgesetze (vgl. dazu z.B. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - juris Rn. 46 m.w.N.), liegt nicht vor, weil der Soldat den Tatbestand des insoweit alleinig in Betracht kommenden § 86a Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) nicht verwirklich hat.
34
§ 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt nicht vor, weil der Soldat die mit dem Hakenkreuz versehene Tasse innerhalb der Kaserne in seiner Unterkunftsstube benutzt hat, wo sie nur am Morgen des 19. Juni 2018 von seinen beiden Stubenkameraden wahrgenommen wurde. Das nahm der Soldat mit der Nutzung in deren Anwesenheit auch zumindest billigend in Kauf, handelte dabei also vorsätzlich. Allerdings wurde bei dieser Gelegenheit der mit dem Hakenkreuz verbundene Symbolgehalt lediglich von einer für den Soldaten überschaubaren Anzahl von Personen - eben den beiden Stubenkameraden - zur Kenntnis genommen, weshalb ein „öffentliches Verwenden“ im Sinne der Vorschrift ausscheidet (s. Fischer, Strafgesetzbuch, 66. Aufl. 2019, § 86a Rn. 14f m.w.N.). Soweit das Hakenkreuz darüber hinaus bei der Entdeckung der Tasse am Nachmittag auch durch den Batteriefeldwebel und die Vertrauensperson wahrgenommen wurde, weil der Soldat die Tasse nach dem Hinweis seiner Stubenkameraden nicht weggeschlossen hatte, handelte er diesbezüglich nicht vorsätzlich, weil er nicht damit rechnete, dass weitere Personen die Stube betreten und die Tasse wahrnehmen würden. Zwar hätte er mit einem auch unangekündigten Stubendurchgang durch Vorgesetzte (vgl. Nr. 159 der Zentralrichtlinie) jederzeit rechnen können und müssen, eine bloß fahrlässige Verwirklichung der Handlungen des § 86a Abs. 1 StGB ist allerdings nicht strafbar (§§ 15, 86a StGB).
35
Auch die Tatbestandsalternative des „Verbreitens“ des Hakenkreuzes hat der Soldat nicht verwirklicht, weil er die Tasse nicht weitergegeben, sondern ausschließlich selbst genutzt hat.
36
Gleiches gilt für den Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB, weil die insoweit einzig in Betracht kommende Tathandlung des Vorrätighaltens der Tasse zum Zweck der Verbreitung oder öffentlichen Verwendung im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 hätte erfolgen müssen (Fischer, a.a.O. Rn. 17). Das war nicht der Fall, der Soldat interessierte sich als Bastler für die Abbildung des Panzerwagens und wollte die Tasse - wie auch geschehen - selbst zum Kaffeetrinken nutzen.
37
3. Ebenso wenig liegt im Gebrauch der Tasse beim Morgenkaffee bzw. in ihrem folgenden Stehenlassen, was jeweils die Kenntnisnahme des Hakenkreuzes durch die beiden Stubenkameraden bzw. den Batteriefeldwebel und die Vertrauensperson ermöglichte, ein Verstoß gegen Nr. 944 der „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ (BMVg Fü S I 3 - Az: 35-08-07 vom 20. September 1982, Bereichsanweisung D1-2650/0-1350 „Traditionspflege im Heer“, Anlage 7.4): Danach dürfen nationalsozialistische Kennzeichen, „insbesondere das Hakenkreuz, nicht gezeigt werden“. Allerdings sind Adressaten der Richtlinien nicht der einzelne Soldat, sondern ausdrücklich (a.a.O., Nr. 940) die mit der Traditionspflege betrauten Kommandeure und Einheitsführer (a.a.O., Nr. 939). Für den Soldaten ergibt sich hieraus kein Verbot, gegen das er hätte verstoßen können.
38
4. Ein Verstoß des Soldaten gegen die politische Treuepflicht nach § 8 SG, wonach er verpflichtet ist, die freiheitlich demokratische Grundordnung anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Einhaltung einzutreten, liegt nicht vor. Diese Kernpflicht gebietet, sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, der er dienen soll, zu identifizieren. Identifizieren bedeutet dabei nicht nur, die Grundordnung dieses Staates anzuerkennen, sondern verlangt ein Mehr an staatsbürgerlicher Verpflichtung, das dem Soldaten wie auch dem Richter und Beamten auferlegt ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie, die von ihren Bürgern die Verteidigung der freiheitlichen Ordnung erwartet. Das Prinzip der streitbaren Demokratie gilt auch für die innere Ordnung der Bundeswehr. Dementsprechend verlangt die politische Treuepflicht von jedem Soldaten die Bereitschaft, sich zu der Idee des Staates, dem er dient, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten. Daher gehört die Verletzung der politischen Treuepflicht zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten. Ein solcher Verstoß liegt dann vor, wenn sich ein Soldat für Ziele einsetzt, die geeignet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung auszuhöhlen, oder wenn er sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 - 2 WD 16.16 - juris Rn. 67 m.w.N.). Insbesondere ist mit dieser soldatischen Kernpflicht ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des verbrecherischen NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - juris Rn. 54 m.w.N.).
39
Dass der Soldat mit dem festgestellten Verhalten eine positive Einstellung oder Erinnerung an die Verbrechen und Ideologie des NS-Regimes propagieren oder das NS-Regime und dessen verbrecherische Ideologie und Politik rechtfertigen oder als Vorbild hinstellen wollte, konnte die Kammer nicht feststellen. Der Soldat hat im gesamten Verfahren, zuletzt in der Hauptverhandlung nach dem dort gewonnenen Eindruck auch glaubhaft, angegeben, rechtsgerichtetes Gedankengut abzulehnen und keine Kontakte zur rechten Szene zu haben. Es würde ihn beschämen, mit solchen Leuten im Zusammenhang gesehen zu werden. Dies wird bestätigt durch die Aussagen der Stubenkameraden N und O, von denen der erstgenannte außerdienstlich mit dem Soldaten befreundet ist. Demnach hat der Soldat viel geschichtliches Wissen und ist insbesondere modellbauhistorisch interessiert, einschlägige rechtsextreme Äußerungen von ihm hätten beide Zeugen während der Dienstzeit oder nach Dienst weder jemals gehört noch andere derartige Kennzeichen bei ihm wahrgenommen. Der Leumundszeuge Hauptmann J gab an, keine Hinweise auf eine rechte Gesinnung des Soldaten zu haben, seit er die Batterie übernommen und den Soldaten kennen gelernt habe. Es sei weder ihm noch anderen Kameraden gegenüber zu einschlägigen Äußerungen des Soldaten gekommen. Anhaltspunkte dafür, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen oder am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen zu zweifeln, hatte die Kammer nicht. Verstärkt wurde der Eindruck schließlich durch die auszugsweise verlesene Stellungnahme der Vertrauensperson zur Verfahrenseinleitung, wonach der Soldat im Kameradenkreis niemals mit rechtem Gedankengut aufgefallen, sondern als tolerant bekannt ist, und durch die verlesene Auskunft des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (Abteilung II Aufgabenbereich Extremismus-/Terrorismusabwehr) vom 4. Juli 2018, wonach damals dort über den in Rede stehenden Sachverhalt hinaus keine Erkenntnisse bezüglich des Soldaten vorlagen.
40
5. Der Soldat hat durch das festgestellte Verhalten, hier insbesondere auch durch das Verwahren der Tasse für 15 Tage in der C-Kaserne, seine innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von anderen Pflichtverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 a.a.O. Rn. 65). Hier war das Ansehen des Soldaten bei seinen damaligen Vorgesetzten, die das Vertrauen in ihn verloren hatten, tatsächlich beschädigt. Der Vertrauensverlust gegenüber dem Soldaten kam im Antrag auf seine fristlose Entlassung wegen des verfahrensgegenständlichen Vorfalls und in der den Antrag besonders nachdrücklich befürwortenden Stellungnahme deutlich zum Ausdruck, womit dem Soldaten nicht nur die Eignung für seine Verwendung, sondern für seinen Verbleib in den Streitkräften überhaupt abgesprochen wurde.
41
6. Der Soldat handelte schuldhaft.
42
Da er - unwiderlegbar - vorgebracht hat, ihm sei erst nach dem entsprechenden Hinweis seiner Stubenkameraden am Morgen des 19. Juni 2018 bewusstgeworden, dass die Tasse wegen des Hakenkreuzes in der Kaserne verboten sei, handelte er beim weiteren Verwahren nach diesem Zeitpunkt vorsätzlich. Diese Kenntnis der allgemeinen Pflichtwidrigkeit reicht aus (vgl. Dau/Schütz, vor § 15 Rn. 20 a.E.).
43
Zuvor, d.h. beim Einbringen der Tasse am 4. Juni 2019 und dem anschließenden Verwahren bis zum oben genannten Zeitpunkt, hingegen ist mangels Nachweisbarkeit zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass ihm das entsprechende Verbot nicht bewusst war. Aufgrund seiner schriftlichen Belehrung vom 3. März 2016 hätte ihm die allgemeine Pflichtwidrigkeit seines Handelns aber bewusst sein können und müssen, weil sich diese aus der Belehrung auch ohne dortigen ausdrücklichen Bezug auf Nr. 156 der Zentralrichtlinie ergibt (Dau/Schütz a.a.O.), nämlich aus dem Zusammenhang der im Belehrungstext erwähnten „Strafbarkeit“ von „Bildern“ „verfassungswidriger Organisationen“ sowie der „Herrschaft des Nationalsozialismus“ und der ihm bekannten Bedeutung des Hakenkreuzes. Insoweit ist ihm fahrlässiges Handeln vorzuwerfen.
V.
44
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
45
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen nicht leicht.
46
Bereits die Verletzung der Pflicht des § 7 SG ist von erheblicher Bedeutung. Diese Pflicht gebietet es, im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr als eines militärischen Verbandes beizutragen und alles zu unterlassen, was diese in ihrem durch die Verfassung festgelegten Aufgabenbereich schwächen könnte (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 2000 - BVerwG 2 WD 30.99 - juris Rn. 3). Dies gilt insbesondere für die Wahrung der Loyalität gegenüber dem Dienstherrn, indem auch solche Weisungen und Regelungen befolgt werden, die nicht die Qualität eines Befehls besitzen.
47
Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) wiegt nicht leicht. Diese Pflicht ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr, BVerwG, z.B. Urteil vom 23. März 2017, a.a.O. Rn. 78 m.w.N.). Hier war der Vertrauensverlust tatsächlich eingetreten.
48
Bezüglich der Eigenart des Dienstvergehens kommt erschwerend die herausgehobene Bedeutung der Regelung hinzu, gegen die der Soldat verstoßen hat. Die Bundeswehr soll u.a. durch dieses umfassende und detaillierte Verbot von jeglichem Anschein einer Identifizierung mit dem NS-Unrechtsregime freigehalten werden. Würde bereits das Einbringen der beschriebenen Gegenstände in Kasernen oder dienstliche Bereiche geduldet, bestünde die Gefahr, dass ihr Ansehen in der Öffentlichkeit massiv geschädigt werden könnte.
49
Belasten müssen den Soldaten als Auswirkungen seines Fehlverhaltens auch der vorübergehend vollständige Vertrauensverlust bei seinen damaligen Vorgesetzen und die Tatsache, dass das Dienstvergehen „wie ein Lauffeuer“ erst unter den Mannschaftsdienstgraden und dann in der übrigen Batterie bekannt wurde.
50
Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist auf der ersten Stufe im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“ zu bestimmen.
51
Der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat in Fällen des jeweiligen Einbringens und absichtlichen bzw. bedingt vorsätzlichen Zugänglichmachens eines Schmähgedichts mit menschenverachtendem und ausländerfeindlichem Inhalt („Asylbetrüger-Gedicht“) bzw. des Bildes eines erkennbar das Totenkopf-Abzeichen der Waffen-SS an der Feldmütze tragenden Offiziers („Panzer-Meyer“) in eine(r) Kaserne durch einen Bootsmann bzw. einen Oberleutnant die Verhängung eines Beförderungsverbots am untersten Rand bzw. im unteren Bereich für tat- und schuldangemessen erachtet (Urteile vom 23. Januar 1997 - 2 WD 37.96 - juris Rn. 15 bzw. vom 21. November 2000 - 2 WD 27.00 - juris, letzteres bei gleichzeitigen, teilweise obszönen Beleidigungen Untergebener und verherrlichenden Äußerungen über die SS). Bei vergleichbarer Tathandlung (Einbringen in die Kaserne und Zugänglichmachen für Kameraden) und vergleichbarem Tatobjekt (verkörperter Ausdruck einer menschenverachtenden Gesinnung) ist auch vorliegend das Beförderungsverbot als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen anzunehmen.
52
Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 WD 11.14 - juris Rn. 52 m.w.N.). Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.
53
Nach Maßgabe dieser Grundsätze rechtfertigen es im vorliegenden Fall mildernde Tatumstände, bei einer wertenden Gesamtbetrachtung vom Beförderungsverbot nach „unten“, d.h. auf die Kürzung der Dienstbezüge als die gemäß § 58 Abs. 1 WDO nächstmildere Maßnahmeart abzuweichen:
54
Anders als in den oben genannten Fällen handelt es sich beim Soldaten nicht um einen Vorgesetztendienstgrad, weshalb er bei seinem Fehlverhalten nicht der verschärften Pflichtenhaftung des § 10 Abs. 1 SG unterlag. Darüber hinaus wurde das Hakenkreuz bis zur Aufnahme der disziplinaren Ermittlungen durch den Batteriechef nur zweimal, nämlich am Morgen und am Nachmittag des Entdeckungstages, wahrgenommen und auch von nur einem eng begrenzten Personenkreis, nämlich den beiden Stubenkameraden sowie dem Batteriefeldwebel und der Vertrauensperson. Damit war die Zahl möglicher Multiplikatoren des Geschehens klein und die konkrete Gefahr einer Ansehensschädigung der Bundeswehr verhältnismäßig gering. Schließlich handelte der Soldat bezüglich der Wahrnehmung des Hakenkreuzes durch den Batteriefeldwebel und die Vertrauensperson nur fahrlässig. Er wollte - auch insoweit anders als in den oben genannten Fällen - das Symbol diesen beiden nicht zugänglich machen, erst recht beabsichtigte er dies nicht.
55
Vor diesem Hintergrund ist die allgemeine Einstufung wegen des vergleichsweise deutlich geminderten Schweregehalts noch im Bereich einer Kürzung der Dienstbezüge anzusiedeln.
56
Ein weitergehendes Abweichen nach unten, d.h. auf die Verhängung einer einfachen Disziplinarmaßnahme gemäß § 58 Abs. 6 WDO, kam - unabhängig davon, dass dies hier in einem Verfahren nach § 96 WDO nicht zulässig gewesen wäre (Dau/Schütz, § 96 Rn. 3 a.E.) - für die Kammer angesichts der besonderen Eigenart des Dienstvergehens in einem höchst bedeutsamen, politisch-sensiblen Bereich nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr, als sich die Bundeswehr in der jüngeren und jüngsten Vergangenheit des Vorwurfs erwehren musste, rechtsradikalen Umtrieben in den Streitkräften nicht energisch genug entgegenzutreten, und durch die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme jeder Anschein einer Bagatellisierung solcher Vorfälle als gedankenlose Belanglosigkeiten vermieden werden muss.
57
Bei Abwägung der bei der Bestimmung des Ausgangspunktes noch nicht berücksichtigten Aspekte (BVerwG, Urteil vom 17. Mai 2018 - 2 WD 2.18 - juris Rn. 36) im Rahmen der konkreten Bestimmung der Kürzung der Dienstbezüge nach § 59 S. 1 WDO belasteten den Soldaten hinsichtlich der Kürzungsdauer seine teilweise vorsätzliche Begehungsweise sowie der vorübergehend eingetretene vollständige Vertrauensverlust bei seinen damaligen Vorgesetzten.
58
Zu seinen Gunsten sprachen seine leicht über dem Durchschnitt liegenden dienstlichen Leistungen, seine trotz ausgesetzter Beförderung und andauerndem Verfahren anhaltende Einsatzbereitschaft und, wenn auch in geringerem Umfang, seine bisherige straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit. Mit letzterem erfüllt er nämlich nur die ohnehin von ihm erwarteten Durchschnittsanforderungen des Dienstherrn. Stärker war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er nicht nur in der Hauptverhandlung ein voll umfängliches Geständnis abgelegt hat, sondern sich schon zuvor im Schlussgehör jeweils geständig eingelassen hat. Zudem hat er sein Fehlverhalten für die Kammer glaubhaft eingesehen und Reue gezeigt.
59
Die Höhe der Kürzung ergibt sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Soldaten, soweit sie bekannt sind.
60
Unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände erschien der Kammer die ausgesprochene Maßnahme erforderlich, aber auch ausreichend, um dem Gewicht der Verfehlungen des Soldaten gerecht zu werden und ihn für die Zukunft zu pflichtgemäßem Verhalten anzuhalten.
61
Die Disziplinarmaßnahme vom 30. November 2018 war gemäß § 96 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 WDO aufzuheben, weil der ihr zugrundeliegende Lebensvorgang, nämlich das Verwahren der Tasse am 19. Juni 2018, auch zur Verhängung der ausgesprochenen, gerichtlichen Disziplinarmaßnahme geführt hat (s. Dau/Schütz, § 96 Rn. 5). Die Disziplinarbuße ist in entsprechender Anwendung des § 54 Abs. 4 Halbs. 1 WDO zu erstatten.
VI.
62
Die Kostenentscheidung folgt aus § 138 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 WDO.