Titel:
Berichterstattung, Verletzung, Wiederholungsgefahr, Medien, Verfahren, Anlage, Herausgabe, Schiedsspruch, Klage, Ausnahme, Erbfall, Auseinandersetzung, Zeitpunkt, Namensliste, Bundesrepublik Deutschland, Beweis des ersten Anscheins
Schlagworte:
Berichterstattung, Verletzung, Wiederholungsgefahr, Medien, Verfahren, Anlage, Herausgabe, Schiedsspruch, Klage, Ausnahme, Erbfall, Auseinandersetzung, Zeitpunkt, Namensliste, Bundesrepublik Deutschland, Beweis des ersten Anscheins
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 13.07.2021 – 18 U 6043/20 Pre
Fundstelle:
BeckRS 2020, 57762
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,- €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,
zu berichten und/oder berichten zu lassen,
„Die Schwierigkeiten fingen allerdings nach dem überraschenden Tod ihres Mannes im Jahr 1977 an - mit einem Testament, das eindeutiger nicht sein konnte: … vermachte seine Anteile am Familienbesitz nur zwei Personen - seiner zweiten … und seiner …. Auch die Aufteilung zwischen beiden war klar festgelegt. Drei Viertel gingen an die Tochter, der Rest an die Ehefrau.“;
wie geschehen im …left … S. 38 ff. und in dem Online-Angebot … vom 08.10.2016 jeweils unter der Überschrift „Richtig in die Haare bekommen“.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500,00 EUR, hinsichtlich Ziffer 2 in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die sehr vermögende Klägerin, eine …, betätigt sich als … und erwarb zudem im Jahr 2011 Anteile an dem …. Mit Ausnahme einer Berichterstattung in der … vom 07.07.2005 anlässlich des Erwerbs der … trat sie seit 1994/95 nicht mehr aktiv in der Öffentlichkeit auf.
2
Ursprünglich bildeten die Klägerin und … eine Erbengemeinschaft nach dem im Jahr 1977 verstorbenen … dem Vater der Klägerin und Ehemann vor …. Nach einer zeitnah im Jahr 1977/78 erfolgten Erbauseinandersetzung zwischen der Klägerin und … kam es später zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, die in einen Schiedsspruch eines … Schiedsgerichtes im Jahr 2011 mündeten. In der Folgezeit unternahm Frau … in der … weitere juristische Schritte gegen die Klägerin. Mit Urteil vom 17.07.2019, auf das wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K2 und Übersetzung Anlage K2a) wurde eine Klage von Frau … wegen vorrangiger Zuständigkeit des Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich für unzulässig erklärt, da keine sachliche oder örtliche Zuständigkeit gegeben sei.
3
Die Beklagte veröffentlichte in der Ausgabe des Magazins … vom 08.10.2016 auf den Seiten 38 bis 41 eine Berichterstattung über Ansprüche, die die Stiefmutter der Klägerin, Frau … geltend machte. Die Berichterstattung (Anlage K4), die auch in dem Online-Angebot der Beklagten … veröffentlicht wurde und abrufbar war, trägt die Überschrift „Richtig in die Haare bekommen“.
4
Die Klägerin trägt vor, Sie habe keine Informationen über ihr hohes Vermögen an die Öffentlichkeit transportiert. Die Erbauseinandersetzung mit Frau … sei seit dem Schiedsspruch im Jahr 2011 abgeschlossen.
5
Die Klägerin ist der Auffassung, die geltend gemachten Unterlassungsansprüche stünden ihr aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu. Die Wiederholungsgefahr sei aufgrund der bereits erfolgten Verletzungshandlungen indiziert. Ihre privaten Vermögensverhältnisse stellten keinen zulässigen Gegenstand der Medienberichterstattung dar. Sie lebe in Zurückgezogenheit und habe sich nach negativen Erfahrungen im Jahre 1994 entschieden, mediale Öffentlichkeit in Portraits oder Homestorys zu meiden. Einzige Ausnahme habe die bereits erwähnte Berichterstattung in der Zeit im Jahr 2005 dargestellt. Dieser konsequente Wunsch sei von den Medien zu respektieren. Die von … nunmehr wieder angefachten erheblich risikobehafteten Auseinandersetzungen stünden nicht in einem berechtigten öffentlichen Interesse und gingen ausschließlich die Parteien dieser Auseinandersetzung etwas an. Die als „Erbteilungsklage“ bezeichneten Auseinandersetzungen seien bereits seit 2008 abgeschlossen. Zum anderen handele es sich selbst bei der von … als Erbteilungsklage bezeichneten Auseinandersetzungen um vertragsrechtliche Ansprüche. Auf die Frage der Erbteilung bzw. -quotelung sei es auch in der vorausgegangenen Auseinandersetzung zu keinem Zeitpunkt angekommen. Des Weiteren habe der Schiedsspruch aus dem Jahr 2011 die gleiche Angelegenheit zum Gegenstand gehabt, wie die Verfahren aus dem Jahr 2006 bis 2008. Die späteren Verfahren (zuletzt Klage auf Herausgabe von „Univest-Aktien“, Anlage K2) hätten den Sachverhalt eines Kaufes von Gesellschaftsanteilen betroffen.
6
Unter dem Aktenzeichen 9 O 18003/16 war bei der Kammer bereits ein Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung anhängig. Mit Beschluss der Kammer vom 03.11.2016 wurde dem Antrag u.a. hinsichtlich der nunmehr im Hauptsacheverfahren gegenständlichen Streitpunkte entsprochen. Zuletzt auf Nachfrage der Klägerin mit Schreiben vom 21.11.2019 (Anlage K11) lehnte die Beklagte eine Abschlusserklärung über das hier streitgegenständliche Verbot der einstweiligen Verfügung vom 03.11.2016 ab (Anlage K12).
7
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,- €, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,
zu berichten und/oder berichten zu lassen,
„Die Schwierigkeiten fingen allerdings nach dem überraschenden Tod ihres Mannes im Jahr 1977 an - mit einem Testament, das eindeutiger nicht sein konnte: … machte seine Anteile am Familienbesitz nur zwei Personen - seiner zweiten … und seiner … aus erster Ehe. Auch die Aufteilung zwischen beiden war klar festgelegt. Drei Viertel gingen an die Tochter, der Rest an die Ehefrau.“;
wenn dies geschieht, wie geschehen im … vom 08.10.2016, Heft Nr. 41/2016, S. 38 ff. und in dem Online-Angebot … vom 08.10.2016 jeweils unter der Überschrift „Richtig in die Haare bekommen“.
8
Die Beklagte beantragt:
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Die Beklagte trägt vor, die Erbauseinandersetzung zwischen der Klägerin und … sei noch nicht abgeschlossen. Aus Anlage K2 ergebe sich, dass die Klage nur deswegen abgewiesen worden sei, weil die Auseinandersetzung der Schiedsgerichtsbarkeit unterliege; … werde, was sich auch aus ihrer E-Mail vom 08.03.2020 (Anlage B4) ergebe, das Schiedsgericht in … anrufen.
10
Die Beklagten vertreten die Auffassung, unter Zugrundelegung der Entscheidung des Landgerichts München I, (Urteil vom 06.04.2011, 9 O 3039/11, juris) betreffe die Erbauseinandersetzung nur die Sozialsphäre der Klägerin. Selbst wenn die Privatsphäre betroffen sei, sei der Eingriff gerechtfertigt. Die Klägerin sei sowohl medial im Rahmen der Berichterstattung in der … Anlage K1) und in Bezug auf den Erwerb ihrer … als auch mit ihrem Vermögen an die Öffentlichkeit getreten. Die Rettung des Suhrkamp-Verlages sei durch die Medien gegangen (Anlagenkonvolut B3). Die Klägerin habe selbst in die Öffentlichkeit getragen, dass sie eine sehr vermögende. Person sei. Wolle man einen Eingriff in die Privatsphäre annehmen, sei dieser jedenfalls gerechtfertigt. In den Blick genommen werde die Aufteilung des Erbes des … eines der größten Vermögen der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dies rechtfertige auch die Nennung der Erbquote und den Bericht über die andauernde Auseinandersetzung und deren Grund. Der Bericht betreffe eine immer noch aktuelle Auseinandersetzung. Das Urteil Anlage K2 lasse es zu, die Schiedsgerichtsbarkeit anzurufen. Die Klägerin werde diese Möglichkeit nutzen und ihre Rechte weiter verfolgen.
11
Das Gericht hat mündlich verhandelt am 08.07.2020. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage erweist sich als zulässig und begründet.
13
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 GG, weil die Klägerin durch die Veröffentlichung der Äußerungen in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wird.
14
1. Im vorliegenden Fall betrifft die beanstandete Berichterstattung die Privatsphäre der Klägerin.
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Erbquoten eines Testamentes oder eines Erbvertrages wie demjenigen vom 15.03.1976 sind innere Familienangelegenheiten, die üblicherweise nicht in die Öffentlichkeit getragen werden und die somit der Privatsphäre zuzuordnen sind.
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Für die von der Beklagtenseite vertretene Auffassung, es sei nur die Sozialsphäre betroffen, streitet auch nicht das Urteil des Landgerichts München I, Urteil vom 06.04.2011, 9 O 3039/11, juris. Das Urteil hatte die Veröffentlichung einer Namensliste der reichsten Deutschen zum Gegenstand. Dabei handelte es sich um ein Vermögen, das der dortige Kläger mit unternehmerischer Tätigkeit, mithin durch nach außen gerichtetes Tätigwerden erlangte (LG München I, a.a.O., Rn. 48). Das Landgericht München I konnte damit zu Recht die dortige Eingriffsqualität als im Randbereich zur Sozialsphäre liegend verorten. Ganz anders jedoch stellt sich die Eingriffsqualität dann dar, wenn nicht nur dargestellt wird, dass Firmenvermögen durch Erbfolge, sondern auch mit welcher genauen Erbquote gemeinsam mit welchem Miterben auf die Klägerin übergeht. Der Auffassung der Beklagtenseite kann daher nicht nähergetreten werden.
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2. Der vorliegende Eingriff stellt sich in Abwägung des für die Klägerin streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf der einen Seite und des zugunsten der Beklagtenseite wirkenden Rechts der Pressefreiheit auch als rechtswidrig dar.
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a) Der Beklagtenseite ist zwar zunächst darin Recht zu geben, dass bei einer laufenden Erbauseinandersetzung betreffend eines der größten Familienvermögen der Bundesrepublik Deutschland ein berechtigtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit besteht, wer mit welcher Quote Rechtsnachfolger des Erblassers geworden ist. Insoweit bestünde ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit auch dann, wenn, wie hier, die Erbin bereits seit 1994/95 - mit einer Ausnahme - die Öffentlichkeit meidet und nicht aktiv mit der Presse kommuniziert.
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b) Die Erbauseinandersetzung hat jedoch zur Überzeugung der Kammer spätestens im Jahr 2011 ein Ende gefunden.
20
Der Erbfall trat bereits im Jahr 1977 ein. Die Klägerin setzte sich mit der Miterbin in engem zeitlichen Zusammenhang, im Jahr 1978, auseinander dergestalt, dass sie Firmenanteile von Frau … gegen Zahlung von 28 Millionen DM erwarb.
21
Aus dem Urteil des Staates Freiburg, Anlage K2 und K2a (Übersetzung), dort unter Buchstaben Q und R, ergibt sich, dass im Jahr 2006 zugunsten der Klägerin ein klageabweisendes Urteil erging und ein in der Folgezeit angestrengtes Schiedsverfahren in Zürich im Jahr 2011 im Vergleichswege beendet wurde. In dem Urteil heißt es unter lit. R, dass am 10.03.2011 … dem Schiedsgericht mitgeteilt hatte, dass sie ihren Antrag wegen einer Vereinbarung zwischen ihr und der Klägerin über eine Ausgleichszahlung zurückziehe und das Schiedsgericht mit Entscheidung vom 22.03.2011 das Verfahren im Rechtsstreit zu den Akten gelegt hatte. Hieraus lässt sich schlussfolgem, dass es zwischen der Klägerin und … zu einer wie auch immer gearteten Einigung in der Auseinandersetzung gekommen war.
22
Aus dem weiteren Klägervortrag und insbesondere aus den vorgelegten Anlagen K2 und K2a (Übersetzung) ergibt sich weiter, dass eine von Frau B. angestrengte Klage mit Entscheidung des Staates Freiburg/Schweiz vom 17.07.2019 wegen vorrangiger Zuständigkeit des Schiedsgerichtes in … als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dabei ergibt sich aus der ausführlichen rechtlichen Bewertung des Gerichtes, dass die Vorgänge im September 1978 und der dem Gericht zur Entscheidung gestellte Sachverhalt, „die aktuelle Situation“ (Nr. 6 des Urteils), „eng miteinander verbunden“ sind und somit von der Schiedsvereinbarung umfasst sind.
23
Wenn aber ein Schiedsverfahren im Jahr 2011 vergleichsweise beendet wurde und die im Jahr 2019 wieder angestrengte Auseinandersetzung nach den für die Kammer überzeugenden Ausführungen des Gerichtes des Staates Freiburg/Schweiz genau dieser Schiedsvereinbarung unterliegt, ist im Lichte der Tatsache, dass es im Jahr 2011 zu einer vergleichsweisen Beendigung gekommen ist, prima facie davon auszugehen, dass es sich um eine Vollbeendigung der Erbauseinandersetzung handelt, da eine vergleichsweise Beendigung eine typische Sachverhaltskonstellation ist, die zu einer Befriedung der Verhältnisse führt.
24
Dieser Beweis des ersten Anscheins wird auch nicht durch den Vortrag der Beklagten erschüttert.
25
Bislang hat … ohne Erfolg versucht, die Erbauseinandersetzung fortzuführen. Die bereits genannte Klage (Anlage K2) wurde wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Dabei wurde die Unzulässigkeit der Klage nicht nur wegen fehlender örtlicher, sondern auch wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit im Hinblick auf die Schiedsvereinbarung aus dem Jahr 1976 (vgl. Tatbestand des Urteils, Buchstabe D) erkannt. Es wäre demzufolge Sache der Beklagtenseite gewesen, substantiiert vorzutragen, warum diese Einigung keine abschließende Regelung der Erbauseinandersetzung darstellte. Die Beklagtenseite trägt jedoch nicht substantiiert dazu vor, welchen Erfolg eine erneute Anrufung des Schiedsgerichts durch Frau … haben könnte. Wie bereits ausgeführt, kann nicht angenommen werden, dass das Schiedsgericht die Klage als zulässig behandeln wird.
26
c) Zur Überzeugung der Kammer steht daher nur fest, dass nach einer Verfahrensbeendigung vor dem Schiedsgericht im Jahr 2011 Frau … unzulässigerweise versucht hatte, die Erbauseinandersetzung weiter zu betreiben. Unzulässige Anträge stellen doch nur eine einseitige formale Fortführung einer Auseinandersetzung dar. Im Lichte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verbietet sich jedoch eine solche formale Betrachtungsweise. Es ist auf den materiellen Gehalt der Auseinandersetzung abzustellen. Nur die zulässige Fortführung einer Erbauseinandersetzung hätte ein berechtigtes Informationsinteresse der Bevölkerung und damit ein Interesse der Beklagtenseite an einer Berichterstattung, auch in der beanstandeten Form, führen können.
27
Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 91, 709 ZPO.