Titel:
Abgewiesene Klage im Streit um Entgeltansprüche eines Betriebsratsmitglieds
Normenketten:
METV-IAV § 18
BetrVG § 38
AGG § 22
Schlagworte:
Betriebsüblichkeit, Vergütungsanspruch, rechtzeitige Geltendmachung, Basiszinssatz
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 10.09.2021 – 4 Sa 112/21
BAG Erfurt, Urteil vom 23.11.2022 – 7 AZR 122/22
Fundstelle:
BeckRS 2020, 57760
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird auf € 127.124,16 festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers als Betriebsratsmitglied.
2
Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der bei der Beklagten geltende Mantel- und Entgelttarifvertrag für die Beschäftigten der IAV Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr (METV-IAV) - zuletzt in der Fassung vom 13.09.2018 - Anwendung. § 18 METV-IAV lautet wie folgt:
1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen (…)
3. Die Durchführung des Verfahrens gemäß § 19 hat hinsichtlich der Ausschlussfrist aufschiebende Wirkung.“
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Der Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts des Klägers wird gemäß § 8 Ziffer 4 METV-IAV jeweils zum Ende des Monats der Arbeitsleistung fällig. § 19 METV-IAV sieht vor, dass bei Streitigkeiten zwischen der Beklagten und ihren Beschäftigten sowie zwischen der Beklagten und ihren Betriebsräten/ihrem Gesamtbetriebsrat, die sich aus der Anwendung, Auslegung oder Durchführung dieses Tarifvertrages ergeben, zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat eine Einigung zu versuchen ist.
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Der Kläger wurde von der Beklagten im Jahr 1998 als Karosseriebauer im Betrieb G-Stadt eingestellt. Die Beklagte ist ein Entwicklungsdienstleister und Serienentwickler von Kraftfahrzeugen und Fahrzeugkomponenten einschließlich Software-Entwicklung. Der Kläger erwarb weitere Qualifikationen als Meister und staatlich geprüfter Techniker. Er wurde mit Wirkung zum 01.01.2007 in den Betrieb der Beklagten in B-Stadt versetzt, zu diesem Datum zum Teamleiter ernannt. Die Funktion Teamleiter ist in der betrieblichen Hierarchie der Beklagten die 1. Leitungsebene. Sie beinhaltet in der Regel die fachliche Führung von Mitarbeitern, umfasst in aller Regel aber keine disziplinarische Führungsverantwortung.
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Der Kläger war seit 2010 Mitglied des Betriebsrats des Betriebs B-Stadt. Die Parteien vereinbarten mit Wirkung zum 01.11.2012, dass der Kläger künftig als Techniker (mit der im Vergleich zum Teamleiter niedrigeren Entgeltgruppe V/1 des METV-IAV in der damaligen Fassung) eingesetzt werde. Die Tätigkeit als Teamleiter endete damit zum 31.10.2012 (vgl. Anlage B 1, Blatt 59 der Akte). In der Folge bewarb der Kläger sich wiederholt auf Abteilungsleiter- bzw. Teamleiterstellen (vgl. Bewerbungsschreiben, Anlagen K 7, K 8 und K 9, Blatt 159 ff. der Akte). Im Jahr 2014 übernahm der Kläger das Amt des Betriebsratsvorsitzenden, er war seit dem 01.06.2014 gemäß § 38 BetrVG von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt.
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Mit E-Mail vom 28.07.2014 nahm der Kläger Bezug auf eine Unterredung, in der die Problematik „fehlende Einkommensentwicklung seiner Position“ angesprochen worden war.
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Mit dieser E-Mail teilte der Kläger der Beklagten mit, anhand welcher Kriterien er eine Vergleichsgruppe finden würde und bat um entsprechende Klärung. Mit E-Mail vom 20.08.2014, die die E-Mail vom 28.07.2014 nochmals enthielt, nahm der Kläger Bezug auf ein Telefonat und benannte vergleichbare Arbeitnehmer (vgl. Anlage K 2, Blatt 10 f. der Akte). Mit Schreiben vom 24.09.2014 (Anlage K 3, Blatt 102 der Akte) wies die I. darauf hin, dass die Bemühungen des Klägers bislang nicht erfolgreich gewesen seien, dass vielmehr keinerlei Klärung seitens der Beklagten versucht worden wäre. Am 10.12.2014 kam es zu einem Gespräch mit dem Kläger und Frau G. und Herrn S., beide für die Beklagte.
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In dem Gespräch wurde dem Kläger eine Erhöhung um EURO 100,00 angeboten. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab. Dieses Gespräch wurde von Frau G. mit E-Mail vom 10.12.2014 (Anlage K 4, Blatt 103 der Akte) zusammengefasst. In dieser Mail kündigte Frau G. an, dass die Thematik vom neuen Arbeitsdirektor erneut aufgegriffen werde.
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Mit Schreiben vom 05.04.2019 (Betreff „Vergütung freigestellter Betriebsrat - A.“, vgl. Anlage K 1, Blatt 18 ff. der Akte) wandte sich die I. schließlich erneut an die Beklagte. In diesem Schreiben hieß es unter anderem:
„Namens und im Auftrag unseres Mitglieds machen wir die Anpassung der Vergütung an die durchschnittliche prozentuale Vergütungsentwicklung der neuen Vergleichspersonen im Zeitraum von 2010 bis heute geltend, sowie die entsprechende rückwirkende Anpassung der Vergütung. Wir bitten um schriftliche Stellungnahme bis spätestens 30.04.2019.“
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Das Schreiben enthielt zudem detaillierte Ausführungen zu vergleichbaren Arbeitnehmern und deren Vergütungsentwicklung (wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen). Die Beklagte sagte mit Schreiben vom 29.04.2019 zu, die Angelegenheit zu überprüfen und wieder auf die I. zuzukommen. Mit Schreiben vom 05.06.2019 setzte die I. der Beklagten eine Frist zum 13.06.2019, da die Beklagte trotz der Zusicherung im Schreiben vom 29.04.2019 nach wie vor nicht auf den Kläger bzw. die I. zugekommen war.
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Der Kläger behauptet, er habe bereits mit E-Mails vom 10.05.2010, 13.10.2010 und 08.11.2010 gegenüber der Beklagten die Problematik dargestellt, die sich für ihn aufgrund der Vielzahl seiner Aufgabengebiete im Zusammenhang mit der zunehmenden Belastung durch seine Tätigkeit als Betriebsratsmitglied ergeben habe. Dabei habe er insbesondere auch die fehlende Einkommensentwicklung seiner Position thematisiert und hier Klärung verlangt. Er trägt vor, er sei zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes in der Teamleitung beschäftigt gewesen, sodass neun Teamleiter zum Zeitpunkt 2010 die zutreffende Vergleichsgruppe bilden würden (vgl. die Tabelle auf Seite 4 der Klageschrift vom 19.09.2019, Blatt 12 der Akte, auf den Inhalt wird Bezug genommen). Der Kläger trägt weiter vor, die aufgeführten neun Arbeitnehmer seien zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes objektiv vergleichbar gewesen, sie hätten eine gleichwertige Tätigkeit ausgeübt. Im Wesentlichen seien die aufgeführten Arbeitnehmer auch fachlich und persönlich gleich qualifiziert. Zwei der im Jahr 2010 als Teamleiter beschäftigten Arbeitnehmer seien im Jahr 2018 als Projektleitung tätig, drei als Teamleitung, drei als Abteilungsleiter und einer als Senior Fachreferent (vgl. Tabelle in der Klageschrift vom 19.09.2019, Seite 4, Blatt 12 der Akte, auf die Bezug genommen wird). Der Kläger behauptet, sämtliche vergleichbaren Arbeitnehmer seien im selben Betrieb wie er beschäftigt. Sie hätten vergleichbare Berufserfahrung, aber sehr wohl verschiedene Qualifikationen, die jedoch für die entsprechende Tätigkeit bei der Beklagten nicht zwingend erforderlich seien. Vielmehr sei hinsichtlich der Aufstiegschancen bei der Beklagten eine unternehmensinterne Fortbildung und Qualifikation vorgesehen, unabhängig von vorhandenen Qualifikationen. Der Kläger trägt vor, er habe die Teamleitung aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit abgeben und letztlich die Entscheidung treffen müssen, entweder sein Betriebsratsmandat niederzulegen oder seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu verändern (vgl. im Einzelnen Schriftsatz des Klägers vom 20.05.2020, dort Seite 5, Blatt 96 der Akte, auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen).
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Der Kläger meint, dass die Ausschlussfristen für die streitgegenständlichen Ansprüche bereits nicht gelten. Jedenfalls habe er seine Forderungen rechtzeitig im Sinne des METV-IAV geltend gemacht. Auch habe die Beklagte nie eine Einigung versucht gemäß der Regelung in § 19 METV-IAV. Mit Blick auf die vorhandene Korrespondenz zum Thema Gehaltsentwicklung könne sich die Beklagte zudem ohnehin nicht auf Ausschlussfristen berufen. Der Kläger ist der Auffassung, dass aufgrund seiner wiederholt erfolgten Nachfragen und die Zusicherung der Beklagten, das Problem mit dem Kläger zu besprechen und zu verhandeln, die Einrede der Verjährung gehemmt sei. Er habe mehrfach versucht, die Beklagte zu einer entsprechenden Lösung zu veranlassen, die Beklagte habe darauf jedoch erst nach Einschaltung der I. bzw. nach Androhung einer Klage entsprechend reagiert. Der Kläger ist der Meinung, dass bei der Findung der zutreffenden Vergleichsgruppe auf den Zeitpunkt der Amtsübernahme abgestellt werden müsse. Die Vergütungsentwicklung sei jedenfalls dann betriebsüblich, wenn diese von der Mehrheit der Mitglieder der Vergleichsgruppe genommen werde. Die Relation des Jahreseinkommens des Klägers zum Jahreseinkommen der Vergleichsgruppe habe zu Beginn der Berechnung 76,3593% betragen. Anhand dieser Relation sei in den Folgejahren die entsprechende Gehaltssteigerung anhand des durchschnittlichen Jahresgehalts der Vergleichsgruppe ermittelt worden. Anhand der Entwicklung der Gehaltsstruktur der Vergleichsgruppe seit 2010 stünden ihm für den Zeitraum 2011 bis 2018 Forderungen in Höhe von insgesamt EURO 75.301,45 brutto zu (vgl. im Einzelnen Klageschrift vom 19.09.2019, Seite 5 ff., Blatt 13 ff. der Akte, auf die Einzelheiten der dortigen Berechnung wird Bezug genommen).
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Der Kläger beantragt zuletzt:
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, EURO 1.324,49 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2012 an den Kläger zu zahlen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, EURO 3.348,96 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2013 an den Kläger zu zahlen.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, EURO 7.904,28 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2014 an den Kläger zu zahlen.
- 4.
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Die Beklagte wird verurteilt, EURO 7.188,29 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2015 an den Kläger zu zahlen.
- 5.
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Die Beklagte wird verurteilt, EURO 10.627,13 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2016 an den Kläger zu zahlen.
- 6.
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Die Beklagte wird verurteilt, EURO 12.326,67 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2017 an den Kläger zu zahlen.
- 7.
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Die Beklagte wird verurteilt, EURO 15.307,38 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2018 an den Kläger zu zahlen.
- 8.
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Die Beklagte wird verurteilt, EURO 17.274,24 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.02.2019 an den Kläger zu zahlen.
- 9.
-
Es wird festgestellt, dass die Erhöhung des Jahresgehalts des Klägers jeweils zum 31.10. durch die durchschnittliche Gehaltsentwicklung der Vergleichsgruppe, bestehend aus den Personen mit der Personalnummer 52773, 30987, 32835, 54752, 54091, 32907, 53506, 33280, 54855 zu errechnen ist.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Beklagte trägt vor, es sei nicht zutreffend, dass der Kläger eine Entscheidung dahingehend treffen habe „müssen“, entweder sein Betriebsratsmandat niederzulegen oder seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu verändern (vgl. im Einzelnen Schriftsatz der Beklagten vom 06.11.2020, Seite 6, Blatt 120 der Akte). Die Berechnungen des Klägers seien falsch. Die in der Tabelle des Klägers aus der Klageschrift gelisteten Beträge beruhen nach dem Vorbringen der Beklagten nicht auf Zahlen, welche die Beklagte dem Kläger zur Verfügung gestellt hatte. Die Richtigkeit der Zahlen werde bestritten. Die angegebenen Zahlen zum Gehalt des Klägers als Referenzwert seien nicht zutreffend. Die Entwicklung zum Team- oder Abteilungsleiter sei bei der Beklagten nicht allgemein üblich. Die Ernennung zum Teamleiter erfordere nach den im Gesamtunternehmen geltenden Verfahren u.a. eine Potenzialanalyse und eine Überprüfung der Eignung zum Teamleiter sowie eine förmliche Ernennung. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht, sodass eine betriebsübliche Entwicklung zum Teamleiter nicht vorliege. Der Kläger stelle überdies zur Bildung der Vergleichsgruppe unzutreffender Weise auf das Alter anderer Arbeitnehmer ab. Zudem seien die vermeintlich vergleichbaren Arbeitnehmer bis zu 13 Lebensjahre auseinander, was nicht für ihre Vergleichbarkeit spreche. Ähnliches gelte für das Merkmal der Betriebszugehörigkeit. Selbst wenn man dieses Kriterium als Synonym für Berufserfahrung und damit Qualifikation berücksichtigen würde, so sei die Spreizung von 11 Jahren zu groß, um daraus eine Vergleichbarkeit der Mitglieder der Gruppe zu bejahen. Neben seiner grundlegend unzutreffenden Zuordnung zur Vergleichsgruppe „Teamleiter“ wähle der Kläger auch weitere unpassende Merkmale, um eine Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer zu definieren. Die Ausführungen des Klägers zur fachlichen und persönlichen Qualifikation der aus seiner Sicht vergleichbaren Arbeitnehmer seien pauschal und unsubstantiiert. Der Kläger berücksichtige zudem nicht, dass er und ein weiterer Mitarbeiter in 2010 die Tätigkeit „Teamleitung (Techniker)“ ausgeübt hatten, während die anderen vermeintlichen Vergleichspersonen als „Teamleiter“ tätig gewesen seien.
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In rechtlicher Hinsicht vertritt die Beklagte die Auffassung, § 18 Ziffer 3 METV-IAV helfe dem Kläger hier nicht weiter, die Regelung sei nicht einschlägig. Zudem handele es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen um arbeitsvertragliche Ansprüche, sodass die tarifvertragliche Ausschlussfrist ohne weiteres anwendbar sei. Eine rechtzeitige Geltendmachung durch den Kläger sei nicht erfolgt. Die Beklagte erhebt zudem auf die Einrede der Verjährung. Nach Auffassung der Beklagten besteht aber auch bereits kein Anspruch des Klägers. Infolge der einvernehmlichen Tätigkeitsänderung sei nicht auf die Vergleichsgruppe der Teamleiter, sondern auf die Techniker abzustellen. Einen betriebsüblichen Aufstieg „Techniker zum Teamleiter“ habe der Kläger nicht dargelegt. Eine solche Darlegung werde ihm auch nicht gelingen, weil die Mehrheit der Techniker ganz ersichtlich nicht Teamleiter werde, da es immer nur eines Teamleiters für eine das Team bildende Gruppe von Techniker bedürfe. Die Beklagte ist der Meinung, dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Berücksichtigung einer fiktiven Beförderungsstelle zu. Der Kläger habe hier der ihm obliegenden Darlegungslast nicht genügt.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
19
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht zu. Die Anträge zu 1 bis 8 mussten deshalb abgewiesen werden.
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Etwaige Ansprüche des Klägers aus den Jahren 2011 bis 2018 sind allesamt nach Maßgabe der Ausschlussfrist in § 18 METV-IAV verfallen.
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1. Die Ansprüche unterfallen der Auschlussfrist.
22
Gem. § 18 Nr. 1 METV-IAV sind „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Der Kläger stützt seine Ansprüche auf §§ 37, 38, 78 S. 2 BetrVG. Derartige Vergütungsansprüche beruhen auf dem Arbeitsvertrag (BAG 19.01.2005 - 7 AZRR 708/04; BAG 08.09.2010 - 7 AZR 513/09).
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2. § 19 METV-IAV i.V.m. § 18 Nr. 3 METV-IAV steht nicht entgegen. Dass ein Verfahren gem. § 19 METV-IAV hier nicht durchgeführt wurde ist unschädlich.
24
§ 19 METV-IAV sieht vor, dass bei Streitigkeiten zwischen der Beklagten und ihren Beschäftigten sowie zwischen der Beklagten und ihren Betriebsräten/ihrem Gesamtbetriebsrat, die sich aus der Anwendung, Auslegung oder Durchführung dieses Tarifvertrages ergeben, zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat eine Einigung zu versuchen ist. Die Durchführung dieses Verfahrens hat gemäß § 18 Ziff. 3 METV-IAV hinsichtlich der Ausschlussfrist aufschiebende Wirkung. Hier geht es zwar um eine Streitigkeit zwischen der Beklagten und einem Beschäftigten (dem Kläger), dieser Streit ergibt sich aber nicht „aus der Anwendung, Auslegung oder Durchführung dieses Tarifvertrages“. Es geht vielmehr um Vergütungsansprüche des Klägers aus dem Arbeitsvertrag. Anwendung, Auslegung und Durchführung des Tarifvertrags sind demgegenüber zwischen den Parteien nicht streitig.
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3. Eine hinreichende Geltendmachung käme frühestens mit dem Schreiben vom 05.04.2019 in Betracht - und damit zu spät.
26
Ob das Schreiben vom 05.04.2019 eine hinreichende Geltendmachung beinhaltet (oder erst die Klageschrift vom 19.09.2019) kann offenbleiben, da bereits das Schreiben vom 05.04.2019 jedenfalls zu spät kam im Sinne der Auschlussfrist, da auch die (jüngsten) streitgegenständlichen Ansprüche aus dem Dezember 2018 zum 31.12.2018 fällig waren (§ 8 Ziff. 4 METV-IAV) und mithin bis spätestens 31.03.2019 hätten geltend gemacht werden müssen.
27
Eine frühere Geltendmachung ist nicht ersichtlich.
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Geht es - wie vorliegend - um einen Zahlungsanspruch, muss der Anspruch grundsätzlich nach Grund und Höhe angegeben werden. Eine ganz präzise Benennung des Betrags ist nicht erforderlich, eine ungefähre Bezifferung ist jedoch unerlässlich. Es genügt zudem nicht, wenn der Gläubiger eine „korrekte Abrechnung” verlangt oder den Schuldner zum „Überdenken” oder zur „Überprüfung” auffordert. Von einer Bezeichnung der Höhe des geforderten Betrags kann nur dann abgesehen werden, wenn dem anderen Vertragspartner die Höhe eindeutig bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht (BAG 22.06.2005 - 10 AZR 459/04). Diesen Anforderungen genügen weder die E-Mails des Klägers vom 28.07.2014 und vom 20.08.2014 noch das Schreiben der I. vom 24.09.2014. Zum einen fehlt es an der Angabe einer ungefähren Höhe der Ansprüche. Die Beklagte als Schuldnerin konnte aus den Mitteillungen nicht erkennen, in welcher Größenordnung sie in Anspruch genommen werden sollte. Zum anderen wurden bereits keine konkreten Forderungen gestellt. Es handelt sich vielmehr um einen Meinungsaustausch im Zusammenhang mit der Findung einer Vergleichsgruppe und einer angemessenen Vergütung des Klägers. Es wird nicht deutlich, dass der Kläger eine bestimmte Zahlung von der Beklagten verlangt hätte.
29
Die vom Kläger unsubstantiiert behauptete Geltendmachung mit E-Mails vom 10.05.2010, 13.10.2010 und 08.11.2010 hat der Kläger - trotz entsprechendes Rüge der Beklagten - nicht konkretisiert.
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4. Ob die Ansprüche des Klägers aus den Jahren 2011 bis 2015 (= Anträge zu 1 bis 5) auch verjährt sind, kann nach alledem offenbleiben, da sie bereits infolge der Ausschlussfrist erloschen sind.
31
5. Unabhängig vom Verfall der Ansprüche sind auch die Darlegungen des Klägers zur Vergleichbarkeit und zur betriebsüblichen Entwicklung nicht ausreichend, um einen Anspruch gem. § 37 Abs. 4 BetrVG zu begründen (siehe hierzu sogleich unter II. 3.)
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6. Auch ein möglicher Anspruch aus § 78 S. 2 BetrVG besteht - unabhängig vom Verfall - nicht.
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a) Neben dem Anspruch aus § 37 Abs. 4 BetrVG kann sich ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung aus § 78 S. 2 BetrVG ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds gerade wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann daher den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen (BAG 17.08.2005 - 7 AZR 528/04). Ein Anspruch aus § 78 S. 2 BetrVG setzt allerdings voraus, dass dem Betriebsratsmitglied der Nachweis gelingt, dass es ohne seine Tätigkeit als Mitglied einer Betriebsvertretung inzwischen mit einer Aufgabe betraut worden wäre, die ihm den Anspruch auf das begehrte Arbeitsentgelt geben würde. Es bedarf daher der - wenn auch auf Hilfstatsachen beruhenden - Feststellung, dass das Betriebsratsmitglied diese berufliche Entwicklung ohne seine Amtstätigkeit tatsächlich genommen hätte (BAG 17.08.2005, a.a.O.)
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b) Der Kläger hat aber nicht schlüssig dargelegt, dass er eine bestimmte Stelle ohne seine Amtstätigkeit übertragen bekommen hätte. Der Kläger hat eine solche hypothetische Entwicklung bereits nicht im Ansatz dargelegt (es kommt deshalb nach Auffassung der Kammer - selbst bei Berücksichtigung der Wertung aus § 22 AGG - auch nicht im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast zu einer Verschiebung der Vortragslast auf die Beklagte). Der Kläger trägt - ergänzend zum Vortrag zur Vergleichsgruppe i.S.v. § 37 Abs. 4 BetrVG - letztlich nur vor, dass seine Gehaltsentwicklung ins Stocken geraten sei und er sich wiederholt auf Abteilungsleiter- bzw. Teamleiterstellen beworben habe. Dies genügt den soeben aufgezeigten Anforderungen nicht. Es fehlt außerdem bereits eine Festlegung, welchen Karriereweg (zu welcher fiktiven Beförderungsstelle) genau der Kläger nach seiner Auffassung genommen hätte.
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7. Ob der Kläger seine Ansprüche der Höhe nach nachvollziehbar begründet hat, kann offenbleiben.
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Auch der Feststellungsantrag (Antrag zu 8) hat keinen Erfolg.
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Der Kläger hat nicht ausreichend dargelegt, dass die Erhöhung seines Jahresgehalts jeweils zum 31.10. durch die durchschnittliche Gehaltsentwicklung der Vergleichsgruppe, bestehend aus den Personen mit der Personalnummer 52773, 30987, 32835, 54752, 54091, 32907, 53506, 33280, 54855 zu errechnen ist.
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1. Voraussetzung für die vom Kläger begehrte Feststellung wäre es, dass die bezeichneten Kollegen des Klägers gem. § 37 Abs. 4 BetrVG mit dem Kläger vergleichbar waren und eine betriebsübliche berufliche Entwicklung genommen haben.
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2. Nach § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen sein als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Das Einkommen des Betriebsratsmitglieds soll nicht durch die Inanspruchnahme durch das Betriebsratsamt beeinträchtigt werden. Damit stellt die Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG eine besondere Ausprägung und Konkretisierung des allgemeinen Benachteiligungsverbots des § 78 S. 2 BetrVG dar (BAG 17.05.1977 - 1 AZR 458/74).
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3. Dem Kläger ist es vorliegend nicht gelungen, hinreichend vorzutragen, dass die Mitarbeiter mit der Personalnummer 52773, 30987, 32835, 54752, 54091, 32907, 53506, 33280, 54855 mit ihm vergleichbar waren und eine betriebsübliche Entwicklung genommen haben i.S.d. § 37 Abs. 4 BetrVG.
41
a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Betrachtung der Vergleichbarkeit ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Amtsübernahme (BAG 18.01.2017 - 7 AZR 205/15).
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Ob hiervon vorliegend eine Ausnahme gemacht werden muss - wie die Beklagte meint - kann unterdessen offenbleiben. Denn selbst wenn man (wie der Kläger) vom Zeitpunkt der Amtsübernahme ausgeht, fehlt es an hinreichendem Vortrag zur Vergleichbarkeit und zur betriebsüblichen Entwicklung.
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind „vergleichbar“ i.S.v. § 37 Abs. 4 BetrVG diejenigen Arbeitnehmer des Betriebs, die ähnliche Tätigkeiten wie das Betriebsratsmitglied ausübten und dafür in ähnlicher Art und Weise fachlich und persönlich qualifiziert waren (BAG 18.01.2017 - 7 AZR 205/15; BAG 03.11.1987 - 7 AZR 550/86). Entscheidend ist also, ob unter Berücksichtigung der Qualifikation und der Persönlichkeit dieselbe oder eine im Wesentlich gleich qualifizierte Arbeit verrichtet wird (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 37 Rn. 119). Um den Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer zu ermitteln, ist die Tätigkeit der Arbeitnehmer ausschlaggebend. Dabei ist der reine Tätigkeitsvergleich aufgrund objektiver Betrachtung vorzunehmen. Da entscheidend also die Tätigkeiten sowie die dafür erforderlichen Qualifikationen sind, ist die Einstufung der Mitarbeiter in ein Gehaltsgefüge nicht von Bedeutung für die Frage der Vergleichbarkeit. Eine ähnlich lange Betriebszugehörigkeit in einem Produktbereich kann allenfalls mittelbar einen Faktor in der Vergleichbarkeit bilden (vgl. BAG vom 11.05.1988 - 5 AZR 334/87).
44
c) Eine „betriebsübliche berufliche Entwicklung“ i.S.v. § 37 Abs. 4 BetrVG entsteht aus einem gleichförmigen Verhalten des Arbeitgebers und einer bestimmten Regel, wobei maßgebend die Entwicklung ist, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben; Beförderungen müssen so typisch sein, dass aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich, also wenigstens in der überwiegenden Mehrzahl der vergleichbaren Fälle, mit einem derartigen Aufstieg gerechnet werden kann, mithin nach den betrieblichen Gepflogenheiten auch das Betriebsratsmitglied zur Beförderung angestanden hätte oder wenigstens die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs einen derartigen Aufstieg erreicht (vgl. etwa LAG München 22.12.2005 - 4 Sa 736/05, m.w.N.) Nicht ausreichend ist es deshalb, dass das Betriebsratsmitglied bei der Amtsübernahme in seiner bisherigen beruflichen Entwicklung einem vergleichbaren Arbeitnehmer vollkommen gleichgestanden hat oder die Besserstellung eines oder mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer auf individuellen, nur auf diese bzw. diesen Arbeitnehmer persönlich zugeschnittenen Gründen beruht (BAG 18.01.2017 - 7 AZR 205/15).
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d) Der Kläger muss nach allgemeinen Grundsätzen die Voraussetzungen für seinen Anspruch darlegen und gegebenenfalls beweisen. Es reicht nicht aus, dass ein Betriebsratsmitglied im Rahmen des § 37 Abs. 4 BetrVG die aus seiner Sicht vergleichbaren Arbeitnehmer benennt und es anschließend dem Arbeitgeber überlässt, gegebenenfalls den Gegenbeweis zu führen (LAG München vom 22.12.2005, a.a.O.; Arbeitsgericht München vom 05.02.2015 - 20 Ca 9729/13, n.V.)
46
e) Vorliegend ist bereits der Vortrag des Klägers zur Vergleichbarkeit nicht ausreichend. So hat der Kläger, trotz entsprechenden Hinweises der Beklagten nicht ausgeführt, inwieweit die Tätigkeiten als „Teamleiter“ (8 Kollegen) und „Teamleiter Techniker“ (Kläger und ein weiterer Kollege) vergleichbar sind im obigen Sinne. Es fehlen konkrete Ausführungen zu den Tätigkeiten und zur fachlichen und persönlichen Qualifikation der vom Kläger als vergleichbar erachteten Kollegen. Es wird auch nicht deutlich, welche Bedeutung der Kläger den von ihm gewählten Kriterien der Betriebszugehörigkeit und des Alters der Kollegen beimisst und wie er unter Zugrundelegung dieser Kriterien die Gruppe gebildet hat.
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f) Es mangelt darüber hinaus aber vor allem an Ausführungen zur betriebsüblichen Entwicklung. Es fehlen hier Ausführungen dazu, warum die vom Kläger benannten Kollegen eine berufliche Entwicklung vorweisen können, die einer normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht entspricht. Die Entwicklung der Kollegen ist dabei offensichtlich unterschiedlich verlaufen. Die Kollegen, die zu Zeitpunkt der Amtsübernahme wie der Kläger Teamleiter (Techniker) oder Teamleiter waren, haben sich zu Projektleitern (2), Abteilungsleitern (3) und zum Senior Fachreferent (1) entwickelt oder sind Teamleiter oder Teamleiter (Techniker) geblieben (insgesamt 3). Ausführungen zur Betriebsüblichkeit der Entwicklung(en) fehlen: Es wird nicht deutlich, dass die entsprechenden Beförderungen so typisch gewesen wären, dass aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich, also wenigstens in der überwiegenden Mehrzahl der vergleichbaren Fälle, mit einem derartigen Aufstieg gerechnet hätte werden können, mithin nach den betrieblichen Gepflogenheiten auch der Kläger zur Beförderung angestanden hätte oder wenigstens die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs einen derartigen Aufstieg erreicht hätte. Es bleibt bereits offen, ob der Kläger eine Entwicklung etwa zum Projektleiter oder zum Abteilungsleiter als üblich erachtet oder einen Verbleib auf der Position Teamleiter oder Teamleiter (Techniker). Es wird hier auch nicht auf einen Ausschnitt der Kollegen abgestellt, sondern es werden alle Kollegen herangezogen und ein Durchschnitt der Gehaltsentwicklung errechnet. Eine betriebsübliche Entwicklung hin zu einer bestimmten Karrierestufe ist nicht hinreichend erkennbar.
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1. Der Streitwert wurde gem. § 61 ArbGG im Urteil festgesetzt. Dabei wurden die eingeklagten Beträge angesetzt und für den Feststellungsantrag der dreifache Jahresbetrag 2018 (3 * € 17.274,24).
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2. Die Kosten trägt gem. § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger.
50
3. Der Kläger kann gegen dieses Urteil Berufung nach Maßgabe der folgenden Rechtsmittelbelehrungeinlegen.