Inhalt

ArbG Bamberg, Endurteil v. 05.08.2020 – 2 Ca 730/19
Titel:

Streitigkeit über Entschädigungsansprüche wegen Nichtberücksichtigung von Bewerbungen eines Schwerbehinderten

Normenketten:
AGG § 1, § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2
BGB § 253 Abs. 1, Abs. 2, § 823
GG Art. 1, Art. 2 Abs. 1
SGB IX § 165 S. 3
ZPO § 256 Abs. 1
Leitsätze:
1. Lädt ein öffentlicher Arbeitgeber einen schwerbehinderten Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, ist dies grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. etwa BAG v. 20.01.2016 - 8 AZR 194/14 NZA 2016, 681 Rn. 34 zu § 82 S. 2 SGB IX a.F.) (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Macht ein Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht in der Wartezeit gebrauch, weil er den Eindruck gewonnen hat, dass der Betroffene nicht in den Betrieb „passt“, weil er dem Betriebsklima abträglich und eine weitere Zusammenarbeit daher nicht sinnvoll ist, dann ist er nicht verpflichtet, diesen Arbeitnehmer alsbald nach der Kündigung wieder zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Arbeitsverhältnis, ausgeschriebene Stelle, Behinderung, Bewerbungsverfahrensanspruch, Entschädigungsanspruch, Feststellungsinteresse, Nichtberücksichtigung, Schwerbehinderung, Stellenausschreibung, Vorstellungsgespräch
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 20.05.2021 – 5 Sa 419/20
BAG Erfurt, Urteil vom 19.01.2023 – 8 AZR 439/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 57655

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Der Streitwert wird festgesetzt auf 3.000,00 €.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche wegen Nichtberücksichtigung der Bewerbungen des schwerbehinderten Klägers vom 21.06.2019 und vom 22.06.2019, auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle „Verwaltungsfachangestellte für das Hauptamt und die Kämmerei“ (In den weiteren noch laufenden Rechtsstreiten geht es unter dem Aktenzeichen 2 Ca 101/19 um Entschädigungsansprüche wegen der Nichtberücksichtigung der Bewerbung vom 20.12.2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter Teamassistenz Bürgermeisteramt. Im verfahren 2 Ca 554/19 geht es um Entschädigungsansprüche wegen der Nichtberücksichtigung der Bewerbung des Klägers vom 27.03.2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Angestellter im Bereich Bauamt).
2
Der Kläger war bei der Beklagten bereits aufgrund des befristeten Arbeitsvertrags vom 29.06.2018/03.07.2018 spätestens ab 01.07.2018 als Vollbeschäftigter in der Kämmerei (Beitragswesen/Feuerwehrwesen) angestellt (wegen des Arbeitsvertrags vergleiche Anlage K 1, Bl. 19 der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18). Die Einstellung erfolgte auf Grund eines Vorstellungsgesprächs am 15.05.2018, an dem der Kläger und für die Beklagte der Personalverantwortliche Herr … und die Personalsachbearbeiterin Frau … teilgenommen haben. Im Laufe des Arbeitsverhältnisses entwickelten sich rasch zahlreiche Unstimmigkeiten und Streitigkeiten zwischen den Parteien, die ua. Gegenstand des zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Bamberg unter dem Az. 2 Ca 575/18 geführten Verfahrens waren. Die Parteien stritten darüber, ob Beginn des Arbeitsverhältnisses - wie im Arbeitsvertrag ausgewiesen - der 01.07.2018 war oder schon der 11.06.2018, weil der Kläger bereits - nach Vortrag der Beklagten im Rahmen eines vom Kläger selbst angeboten unentgeltlichen Praktikums - am 11. und 12.06.2018 sowie vom 19. bis 29.06.2018 in der Dienststelle tätig war. Die Parteien stritten außerdem über die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Während die Beklagte den Kläger nach der Entgeltgruppe E 6 TVöD-V vergütete, machte der Kläger geltend, dass ihm eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 8 im Rahmen des Vorstellungsgesprächs zugesagt worden sei, was die Beklagte in Abrede stellte. Vor diesem Hintergrund weigerte sich der Kläger, bei der Beklagten seine Kontodaten für die Entgeltabrechnung und Überweisung des Entgelts zur Verfügung zu stellen. Es entwickelte sich daher am 11.07.2018 ein E-Mail-Verkehr des Klägers mit Frau … In diesem behauptete der Kläger u.a., dass ihm im Vorstellungsgespräch „E 8 und unbefristet“ in Aussicht gestellt worden sei, weshalb er im guten Glauben kostenfrei zur Probe gearbeitet habe. Frau … stellte die behaupteten Zusagen in Abrede (wegen des Email-Verkehrs wird auf die Anlagen B 4 und B 5 Bl. 186 ff der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18, Bezug genommen). Die Parteien stritten außerdem über die leidensgerechte Beschäftigung des Klägers. Der Kläger weigerte sich aus gesundheitlichen Gründen, der Aufforderung der Beklagten Folge zu leisten, die Vorsitzende der Beklagten, Frau … am 13.07.2018 zu einer Bürgerversammlung zu begleiten und das Protokoll zu führen. Die Beklagte forderte den Kläger daher zu einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung auf (wegen des diesbezüglichen E-Mail-verkehrs wird Bezug genommen auf die Anlage K 14, Bl. 70/71 der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18). Der Kläger machte außerdem geltend, dass es die Beklagte versäumt habe, rechtzeitig einen höhenverstellbaren Tisch und Stuhl mit hoher Rückenlehne und Kopfstütze beim zuständigen Sozialversicherungsträger zu beantragen und dem Kläger zur Verfügung zu stellen. Der Kläger hatte diesen mit Email vom 03.07.2018 bei Herrn … unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung beantragt, Herr … hat den Kläger mit Email vom 08.07.2018 an dessen unmittelbaren Vorgesetzten Herrn … verwiesen (wegen der Emails vgl. Anlage B 13, Bl. 342 f der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18). Mit Email vom 20.07.2018 teilte der Kläger Herrn … schließlich mit, dass der Antrag auf Teilhabe bereits gestellt worden sei, monierte jedoch, dass er immer noch an einem Behelfsarbeitsplatz mit teilweise defektem Notebook und ohne Scanner arbeiten müsse. In dieser E-Mail machte der Kläger außerdem „… die 80 Stunden geltend, die ich nur im Vertrauen in den Erhalt der zugesicherten Leistung (E8, unbefristet) eingebracht habe“ (vgl. Anlage B 12, Bl. 338 der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18). Streit bestand auch darüber, ob der Kläger am 16.07.2018 unentschuldigt nicht zu einem Personalgespräch erschienen ist sowie über den Umfang einer von der Beklagten zugesagten Stundengutschrift für drei freie Arbeitstage (die Beklagte hatte insoweit 23,24 Stunden gutgeschrieben, der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, dass 25,30 Stunden gutzuschreiben seien, vergleiche den E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger und dem Personalverantwortlichen der Beklagten, Herrn …, vom 20.07.2018, Bl. 63 und 77 der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18).
3
Am 23.07.2018 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger in Anwesenheit der Vorsitzenden der Beklagten, Frau …, dem Personalverantwortlichen, Herrn … dem Vorgesetzten des Klägers, Herrn …, und dem Personalrat, Herrn …, statt. Inhalt und Verlauf des Personalgesprächs blieben streitig.
4
Mit Schreiben vom 31.07.2018 erklärte die Beklagte die Kündigung zum 13.08.2018 sowie mit Schreiben vom 12.09.2018 die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.09.2018. Die Beklagte begründete die Kündigungen mit der Störung des Betriebsfriedens durch den Kläger. Zur Begründung führte sie die Weigerung des Klägers an, seine Kontodaten zum Zwecke der Gehaltsabrechnung mitzuteilen, die damit zusammenhängenden Äußerungen des Klägers im E-Mail-Verkehr mit Frau … am 11.07.2018, die behaupteten wahrheitswidrigen Angaben des Klägers zur Zusicherung der Vergütung nach EG 8 und sein Verhalten während des Personalgesprächs am 23.07.2018 (insoweit hat die Beklagte dem Kläger vorgeworfen, er hätte im Personalgespräch wahrheitswidrig behauptet, Herr … hätte behauptet, dass dem Kläger bereits ab 11.06.2018 Vergütungsansprüche zustünden und der Personalratsvorsitzende … hätte behauptet, dass die Tätigkeit des Klägers eine Vergütung nach EG 8 rechtfertige). Der Kläger habe den Betriebsfrieden mehrfach dadurch gestört, dass Mitarbeitern unterschiedliche Information zugespielt habe und direkte Kommunikationswege ausgelassen habe.
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Der Kläger erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 10.08.2018, der Beklagten am 17.08.2018 zugestellt, vor dem Arbeitsgericht Bamberg unter dem Aktenzeichen 2 Ca 575/18 Kündigungsschutzklage. Ferner beantragte er die rückständige Vergütung seit 11.06.2018 auf Grundlage der EG 8 sowie Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,- € gemäß §§ 253 BGB, 15 Abs. 2 AGG.
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In der öffentlichen Sitzung vor dem Arbeitsgericht am 27.02.2019 schlossen die Parteien sodann folgenden Vergleich:
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1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund ordentlicher betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung vom 30.07.2018 mit Ablauf des 31.08.2018.
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2. Es besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt bereits ordnungsgemäß abgerechnet wurde und der sich daraus ergebende Nettolohnanspruch des Klägers ausbezahlt wurde.
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3. Die Parteien halten Vorwürfe, die in der Person oder im Verhalten des Klägers begründet lagen oder die gegenüber der Beklagten erhoben wurden, nicht weiter aufrecht.
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4. Die Beklagte zahlt an den Kläger zur Abgeltung des Klageantrags Ziffer 13 aus dem Schriftsatz vom 30.11.2018 (ursprünglich Klageantrag Ziffer 8 aus der Klageschrift vom 10.08.2018) gemäß §§ 1, 7, 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe von 3.017,56 €.
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5. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III unter Berücksichtigung dieses Vergleiches zu erteilen und zu übersenden.
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6. Die Parteien bewahren über den Inhalt dieses Vergleichs - vorbehaltlich etwaiger behördlicher oder gesetzlicher Auskunftspflichten - Stillschweigen.
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7. Über diesen Vergleich hinaus bestehen zwischen den Parteien aus dem streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung wechselseitig keine finanziellen Ansprüche mehr, unabhängig davon, ob solche derzeit bekannt oder unbekannt sind und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen. Unberührt bleiben etwaige Ansprüche des Klägers aus den Verfahren 2 Ca 101/19 und 2 Ca 766/18.
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8. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
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Gegenstand eines weiteren von den Parteien vor dem Arbeitsgericht unter dem Az. 2 Ca 766/18 geführten Rechtsstreits waren ua. Entschädigungsansprüche des Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 24.08.2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter im Bauamt. Der Kläger stützte die Klage ua. darauf, dass die Beklagte ihn entgegen § 165 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Die Beklagte hat in diesem Verfahren zur Begründung ua. darauf verwiesen, dass sie den Kläger mit Schreiben vom 18.10.2018 für den 23.10.2018 zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe der Kläger als einziger Bewerber ohne Angabe von Gründen nicht erschienen sei, weshalb das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen worden sei. Das Arbeitsgericht Bamberg hat die Klage mit Endurteil vom 13.02.2019 unter dem Aktenzeichen 2 Ca 766/18 abgewiesen. Da der Kläger vor Abfassung der Entscheidungsgründe einen Rechtsmittelverzicht erklärt hat, wurde beim Endurteil gemäß § 313 a Abs. 2 Satz 1 ZPO von der Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe abgesehen (vgl. Bl. 154, 155/156 der beigezogenen Akte 2 Ca 766/18).
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Gegenstand des hiesigen Verfahrens sind die Bewerbungen des Klägers auf die Stellenausschreibung der Beklagten für „Verwaltungsfachgestellte für das Hauptamt und die Kämmerer“. Die Beklagte hat diese Stellenausschreibung mit einer Bewerbungsfrist bis 21. Juli 2019 veröffentlicht (Anlage K5, Blatt 13 der Akte). Der Kläger hat sich mit E-Mail vom 21.06.2019 auf die ausgeschriebene Stelle im Hauptamt (vergleiche Anlage K1, B. 7 ff der Akte) und mit E-Mail vom 22.06.2019 auf die Stelle in der Kämmerei (vergleiche Anlage K3, Bl. 10 ff) beworben. In seinen Bewerbungen wies der Kläger ausdrücklich auf seine Schwerbehinderung, sowie den Bewerbungsverfahrensanspruch hin. Die Beklagte hat dem Kläger mit E-Mails vom 24.06.2019 den Eingang der Bewerbungsunterlagen sowohl für die Bewerbung auf die Stelle im Hauptamt als auch für die Stelle in der Kämmerei bestätigt (Anlage K2, Bl. 9 der Akte und Anlage K 4, Bl. 12 der Akte).
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Mit Schreiben vom 09.08.2019, dem Kläger am 12.08.2019 zugegangen, hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie die Bewerbung des Klägers aufgrund der Vielzahl der eingegangenen Bewerbungen und der guten Qualifikation der Bewerber nicht berücksichtigen habe können (vergleiche Anlage K6, B. 14 der Akte). Mit E-Mail vom 12.08.2019 monierte der Kläger die Absage seiner Bewerbung auf das Hauptamt (Anlage K7, Bl. 15 ff der Akte) und mit E-Mail vom 14.08.2018 monierte er die Absage im Hinblick auf seine Bewerbung für die Kämmerei (Anlage K8, Bl. 19 ff der Akte).
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Mit E-Mail vom 19.08.2019 teilte Herr …, dem Kläger mit, dass er nicht berücksichtigt worden sei, weil er sich in einem früheren Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nichtbewährt habe und dass die Beklagte im Hinblick auf die frühere Beschäftigung im Jahr 2018 nicht verpflichtet gewesen sei, eine Einladung zum Vorstellungsgespräch auszusprechen. Dies sei mit Billigung des Personalrats erfolgt (vgl. Anlage K9, Bl. 23 der Akte).
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In der am 02.10.2019 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 14.10.2019 zugestellten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass ihm in Anbetracht der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21.06.2019 und 22.06.2019 ein Schmerzensgeldanspruch zustehe und die Beklagte zu verurteilen ist, dem Kläger ein Bruttomonatslohn, E8 Stufe 3, in Höhe von 3.000,00 € zu bezahlen.
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Der Kläger weist darauf hin, dass er nur ein Absageschreiben für beide Bewerbungen erhalten habe, die auch eigenständig und selbstständig jeweils isoliert voneinander rückbestätigt worden seien. Es stelle sich deshalb die ungeklärte Rechtsfrage, ob die Absagen in einem Schreiben rechtlich haltbar sei oder ob nicht vielmehr für beide Stellen getrennt voneinander Absagen hätten erteilt werden müssen. Es handle sich schon um unterschiedliche Stellen mit unterschiedlichen Anforderungen. Das formlose Absageschreiben vom 09.08.2019 enthalte keine individuelle Begründung, sondern es werde lediglich pauschal auf eine angebliche Vielzahl von Bewerbungen und guten Qualifikationen Bezug genommen. Bei einem schwerbehinderten Bewerber sehe das Schwerbehindertenrecht ein strenges Verfahren vor, bei dessen Verletzung ein Indiz für die Benachteiligung und somit für einen Schadenersatzanspruch begründet werde. Vor der Besetzung freier Stellen müsse zunächst geprüft werden, ob die Position mit einer schwerbehinderten Person besetzt werden könne und hierzu gegebenenfalls die Agentur für Arbeit eingeschaltet werden. Unmittelbar nach Eingang der Bewerbung müsse der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung unterrichtet werden. Bei Nichterfüllung dieser Pflichtquote habe der Arbeitgeber dann die Ablehnung der Schwerbehinderten mit einem Betriebsrat oder der Schwerbehindertenvertretung zu erörtern und dabei den Betroffenen anzuhören. Der Arbeitgeber habe schließlich seine Entscheidung allen Beteiligten unverzüglich und unter Angabe von Gründen mitzuteilen. Es bestehe also eine Begründungspflicht für die Ablehnung, soweit die Pflichtquote für die Beschäftigung von Schwerbehinderten nicht erfüllt sei. Hierzu sei festzuhalten, dass bei der Beklagten kein einziger Schwerbehinderter angestellt sei. Der Kläger nimmt Bezug auf den Sachverhalt des Verfahrens 2 Ca 554/19 und trägt vor, dass er vormals offensichtlich nur rein pro forma zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden sei, während er vorliegenden Verfahren überhaupt nicht berücksichtigt worden sei. Die Inkongruenz sei nicht zu erklären, nicht vernünftig und auch nicht nachvollziehbar. Die Einstellung eines anderen Bewerbers und der Nachweis der Personalratsbeteiligung werde mit Nichtwissen bestritten. Zudem habe sich die Beklagte bekanntermaßen „diverser Methoden“ bedient, die alleine schon sein Klagebegehr aus § 15 AGG rechtfertigen würden (unter anderem die Sperrung von E-Mail-Adressen des potenziellen Bewerbers, wahrheitswidrige Behauptungen der Einstellung eines anderen Bewerbers). Besonders verwunderlich sei, dass auch auf die streitbefangene Stelle niemand eingestellt worden sei und das Bewerbungsverfahren auch nicht abgebrochen worden sei. Die Personalfunktion bei der Beklagten sei extrem. In den letzten drei Jahren „… oder soll man sagen seit Einführung des … als Personalchef und Vertrauter der Bürgermeisterin …“ seien nunmehr an die 15 Personen gegangen oder gegangen worden.
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Der Kläger beantragt zuletzt:
1. Es wird festgestellt, dass das dem Kläger in Anbetracht der „Nichtberücksichtigung“ seiner Bewerbung vom 21.06.2019 und 22.06.2019 als Angestellter im Bereich Kämmerei und Hauptamt ein Schmerzensgeldanspruch aus Art. 15 Abs. 2 AGG und/oder § 253 Abs. 2 BGB zusteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger dafür ein Bruttomonatslohn, E8 Stufe 3, gerundet mit 3.000 € zu bezahlen.
22
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
23
Die Beklagte trägt vor, die fragliche Stellen seien der Bundesagentur für Arbeit als freie Stellen gemeldet worden. Die Beklagte arbeite insoweit seit Jahren mit demselben Sachbearbeiter zusammen.
24
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresse bereits unzulässig sei. Die Klage sie im Übrigen unbegründet, weil dem Kläger keine Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG zustünden. Die Beklagte sei nicht nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG und § 165 S. 3 SGB IX verpflichtet gewesen, den Kläger zu einem erneuten Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Einladungspflicht würde aber unabhängig davon, ob es sich um die gleiche, eine vergleichbare oder aber eine andere Stelle beim selben Arbeitgeber handele, nicht bestehen, wenn sich ein Bewerber in zurückliegenden Arbeitsverhältnis nicht bewährt und den Arbeitgeber nicht von sich überzeugt habe. In diesen Fällen sei der vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Sinn und Zweck der Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber nach. § 165 SGB IX, schwerbehinderten Menschen einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt verschaffen, faktisch nicht mehr realisierbar. Dies müsse - wie vorliegend - erst recht dann gelten, wenn sich ein Arbeitnehmer vor allem als persönlich ungeeignet für ein Arbeitsverhältnis von einem Arbeitgeber erwiesen habe. Die Intention des Gesetzgebers, einem schwerbehinderten Menschen die Möglichkeit zu bieten, einen Arbeitgeber erstmalig von sich zu überzeugen, könne in diesem Fall - unabhängig von der fachlichen Qualifikation des betroffenen Arbeitnehmers und unabhängig von Art, Inhalt und Ausgestaltung der Arbeitsstelle - nicht mehr ermöglicht werden. Dies müsse erst recht gelten, wenn es sich wie vorliegend um einen Arbeitgeber mit nur wenigen Beschäftigten handele. Der Kläger habe während des bestehenden Arbeitsverhältnisses mehrfach den Betriebsfrieden bei der Beklagten erheblich gestört, Anordnungen seiner Vorgesetzten keine Folge geleistet und darüber hinaus untragbare Vorwürfe gegen die Vorsitzenden der Beklagten sowie den Leiter des Bürgeramts, Herrn … erhoben.
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Die Beklagte ist außerdem der Ansicht, dass die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs des Klägers rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB gewesen sei. Die Bewerbung sei offensichtlich alleine in dem Bestreben erfolgt, einen Entschädigungsanspruch zu begründen. Im Rahmen des unter dem Aktenzeichen 2 Ca 575/18 geführten Kündigungsschutzrechtsstreits habe der Kläger im Schriftsatz vom 04.09.2018 auf Seite 8 unter anderem angegeben, seine Tätigkeit bei der Beklagten sei von Angst um Leib und Leben geprägt gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger bei dem von ihm in höchstem Maße als Diskriminierten gerügten Arbeitsbedingungen, den vom ihm gegenüber der Beklagten erhobenen Mobbingvorwürfen und nicht zuletzt der im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beklagten empfundenen Angst um Leib und Leben mit ernsthaftem Interesse auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Teamassistenz beworben habe.
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Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die wechselseitigen eingereichten Schreiben und Schriftsätze Bezug genommen. Bezug genommen wird auch auf die Sitzungsprotokolle vom 20.12.2019 und vom 05.08.2020, auf den gesamten Akteninhalt im Übrigen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akten 2 Ca 575/18, 2 Ca 766/18, 2 Ca 554/19 und 2 Ca 101/19.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zum Teil unzulässig und insgesamt unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch weder gemäß § 15 Abs. 2 AGG noch gem. § 823 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG i.V.m. § 253 Abs. 1 BGB noch gemäß § 253 Abs. 2 BGB zu.
I.
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Hinsichtlich des Feststellungsantrags (Klageantrag zu 1.) ist die Klage unzulässig. Es fehlt am nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen, über den vorrangigen Leistungsantrag (Klageantrag zu 2) hinausgehenden besonderen Feststellungsinteresse.
II.
29
Die Klage ist hinsichtlich beider Klageanträge unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch weder gemäß § 15 Abs. 2 AGG noch gem. § 823 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG i.V.m. § 253 Abs. 1 BGB noch gemäß § 253 Abs. 2 BGB zu
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1. Die Beklagte hat den Kläger im Zusammenhang mit der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21.06 und 22.06.2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter für das Hauptamt und die Kämmerei gem. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG benachteiligt, weshalb ein Entschädigungsanspruch (Schmerzensgeldanspruch) nach § 15 Abs. 2 AGG ausscheidet.
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a) Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger (vgl. BAG vom 16.05.2019 - 8 AZR 315/18 NZA 2019, 1419, Rn. 24 ff.) hat schon keine Umstände vorgebracht, aus denen sich Indizien i.S.d. § 22 AGG dafür ergeben, dass die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21.06 und 22.06.2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter für das Hauptamt und die Kämmerei durch die Beklagte wegen der Schwerbehinderung des Klägers erfolgt ist.
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b) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ergibt sich ein solches Indiz nicht daraus, dass die Beklagte gegen ihre Pflicht als öffentlicher Arbeitgeber verstoßen hätte, den schwerbehinderten Kläger gem. § 165 S. 3 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
33
aa) Zwar ist richtig, dass die Verletzung der nunmehr in § 165 S. 3 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderten Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, grundsätzlich die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung begründet. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. etwa BAG vom 20.01.2016 - 8 AZR 194/14 NZA 2016, 681 Rn. 34 zu § 82 S. 2 SGB IX a.F.)
34
bb) Die Beklagte war vorliegend jedoch nicht gem. § 165 S. 3 SGB IX verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
35
(a) Der Sinn und Zweck der in § 165 S. 3 SGB IX geregelten Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, einen (fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten) schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, besteht darin, dass der schwerbehinderte Bewerber die Möglichkeit erhalten soll, den öffentlichen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können (vgl. BAG vom 23.01.2020 - 8 AZR 484/18 NZA 2020, 851, Rn. 48). Der Gesetzeszweck gebietet es nicht, einen schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, mit dem bereits ein Arbeitsverhältnis bestand, dass der Arbeitgeber noch während der sechsmonatigen Wartezeit („Probezeit“) des § 1 KSchG und des § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX gekündigt hat, weil er den Arbeitnehmer für. persönlich ungeeignet befunden hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn zwischen Beendigung des vormaligen Arbeitsverhältnisses und neu ausgeschriebener Stelle - wie vorliegend - ein Zeitraum von noch nicht einmal einem Jahr liegt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Wartezeit der beiderseitigen Überprüfung der Arbeitsvertragsparteien dient, ob sie das Arbeitsverhältnis über die Wartezeit hinaus fortsetzen wollen. In der Wartezeit besteht Kündigungsfreiheit auch des Arbeitgebers. Diese Freiheit ist durch Art. 12 GG durch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit i.S. von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Die grundrechtliche Gewährleistung erstreckt sich auch auf das Interesse des Arbeitgebers, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen. In der gesetzlichen Wartezeit unterliegt die Bildung der Meinung des Arbeitgebers, ob ein Arbeitnehmer seinen Vorstellungen entspricht, von Missbrauchsfällen abgesehen keiner Überprüfung nach objektiven Maßstäben. Kommt der Arbeitgeber bei dieser Prüfung zu einem negativen Ergebnis, kann er das Arbeitsverhältnis grundsätzlich frei kündigen, ohne auf entgegenstehende Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen zu müssen. Die während der Wartezeit grundsätzlich bestehende Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers ist das Gegengewicht zu dem im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes entstehenden materiellen Kündigungsschutz, der die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers nicht unerheblich beschneidet (vgl. BAG vom 12.09.2013 - 6 AZR 121/12 NZA 2013, 1412, Rn. 24 m.w.N.). Der Arbeitgeber hat in der Wartezeit das Recht sich bei der Kündigungsentscheidung von seinem „Bauchgefühl“ leiten zu lassen. Bis zum Ablauf der Wartezeit kann sich der Arbeitgeber daher - außerhalb von Missbrauchs-, insbesondere Diskriminierungsfällen - frei von solchen Arbeitnehmern trennen, bei denen er während der Wartezeit den Eindruck gewonnen hat, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht sinnvoll ist (vgl. BAG vom 12.09.2013 - 6 AZR 121/12 NZA 2013, 1412, Rn. 39). Das gilt im Grundsatz auch gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern, da deren Sonderkündigungsschutz gem. § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX ebenfalls erst nach einer sechsmonatigen Wartezeit einsetzt. Macht aber der Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht in der Wartezeit gebrauch, weil er den Eindruck gewonnen hat, dass der Betroffene nicht in den Betrieb (bzw. in die Dienststelle) „passt“, da er dem Betriebsklima abträglich und eine weitere Zusammenarbeit daher nicht sinnvoll ist, dann kann er nicht verpflichtet sein, diesen Arbeitnehmer alsbald nach der Kündigung wieder zu einem Vorstellungsgespräch einladen zu müssen. Die Nichteinladung beruht dann auf der vom Arbeitgeber in der Probezeit bereits festgestellten fehlenden persönlichen Eignung des Bewerbers. Sie verstößt nicht gegen § 165 SGB IX S. 3, zumal der schwerbehinderte Bewerber in diesen Fällen im Hinblick auf das in der Wartezeit gekündigte Arbeitsverhältnis nicht nur die Chance hatte, den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von sich überzeugen, sondern sogar im Rahmen eines bereits begründeten Arbeitsverhältnisses (vgl. zur nicht bestehenden Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung eines persönlich ungeeigneten schwerbehinderten Bewerbers auch LAG Düsseldorf vom 27.06.2018 - 12 Sa 135/18, BeckRS 2018, 17460 Rn. 77).
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(b) Vorliegend hat die Beklagte das mit dem Kläger (frühestens) zum 11.06.2018 begründete Arbeitsverhältnis während der Wartezeit wirksam mit Schreiben vom 30.07.2018 zum 31.08.2018 gekündigt (vgl. Ziff. 1 des gerichtlichen Vergleichs vom 27.02.2019 im verfahren 2 Ca 575/18). Sie hat damit von ihrem Recht Gebraucht gemacht, ihrer Einschätzung folgend, dass eine Zusammenarbeit mit dem Kläger - unabhängig von der zu besetzenden - nicht sinnvoll ist, weil dieser auf Grund seiner Persönlichkeit nicht in die Dienststelle passt und seine Weiterbeschäftigung den Betriebsfrieden gefährdet, das Arbeitsverhältnis noch während der Wartezeit zu beenden. Dies beruhte nicht auf diskriminierenden Motiven. Die Gründe, die die Beklagte führt diese Entscheidung nachvollziehbar angeführt hat, stehen nicht im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung des Klägers. Es ist nachvollziehbar, dass die Beklagte während der Wartezeit zu der Einschätzung gelangt ist, dass auf Grund der Vielzahl der Streitigkeiten und Unstimmigkeiten, die in der kurzen Zeit des Arbeitsverhältnisses bereits aufgetreten sind, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit im Betrieb (bzw. der Dienststelle) nicht zu erwarten steht. Es hat sich auch im Laufe dieses (und der anderen) Gerichtsverfahren gezeigt, dass es sich beim Kläger um eine sehr schwierige, äußerst bestimmend und fordernd auftretende Persönlichkeit handelt. Die Annahme diskriminierender Motive folgt auch nicht daraus, dass in Ziffer 4 des Vergleichs vom 27.02.2019 eine Entschädigungszahlung gem. § 15 Abs. 2 AGG vereinbart wurde. Damit wurde nicht „festgeschrieben“, dass sich die Beklagte diskriminierend verhalten hat. Das dem nicht so war, ergibt sich schon aus Ziffer 3 des Vergleichs. Im Übrigen wurde die Entschädigung auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers an Stelle einer Abfindung vereinbart. Die Beklagte war auf Grund der Kündigung vom 30.07.2018 zum 31.08.2018 daher nicht den verpflichtet, den Kläger zum Vorstellungsgespräch bzgl. der im Juni 2019 ausgeschriebenen Stelle einzuladen.
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(c) Etwas Anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte den Kläger bei vormaligen Stellenausschreibungen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen und die E-Mail-Adressen blockiert hat. Insoweit kann auf die Entscheidungsgründe des unter dem Az. 2 Ca 101/19 ergangenen Endurteils vom 05.08.2020 Beug genommen werden. Im Übrigen ist es der Kläger, der sich insoweit widersprüchlich verhält:. Er beanstandet, wenn er zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird (vgl. das Verfahren 2 Ca 101/19) und er beanstandet, wenn er - wie im vorliegenden Streitfall - nicht eingeladen wird.
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c) Ein Indiz i.S.d. § 22 AGG folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte gegen ihre sich aus § 165 S. 1 SGB IX ergebende Pflicht zur Meldung freier Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit verstoßen hätte. Sie hat - insoweit unbestritten - vorgetragen, (auch) die betreffenden Stellen der Bundesagentur für Arbeit gemeldet zu haben.
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d) Schließlich ergibt sich aus dem Vorbringen des insoweit darlegungspflichtigen Klägers nicht, dass die Beklagte die Erörterungspflicht nach § 164 Abs. 1 S. 8 SGB IX oder die Begründungspflicht nach § 164 Abs. 1 S. 9 SGB IX verletzt hätte. Diese Verpflichtungen treffen den Arbeitgeber nur dann, wenn er nach § 164 Abs. 1 S. 7 SGB IX verpflichtet ist, seine beabsichtigte Entscheidung mit der Schwerbehindertenvertretung und/oder einer in § 176 SGB IX genannten Vertretung unter Darlegung der Gründe zu erörtern. Voraussetzung hierfür ist nicht nur, dass gegen die Beschäftigtenpflicht i.S.d. § 154 SGB IX verstoßen wurde, sondern auch, dass beim Arbeitgeber eine Schwerbehindertenvertretung und/oder eine in § 176 SGB IX genannte Vertretung existiert, die mit der Entscheidung des Arbeitgebers nicht einverstanden war (vgl. zur Vorgängemorm des § 81 Abs. 1 SGB IX a.F. BAG vom 28.09.2017 - 8 AZR 492/16 - NJW 2018, 1118, Rn. 29 ff). Dazu, dass bei der Beklagten eine Schwerbehindertenvertretung und/oder eine in § 176 SGB IX genannte Vertretung bei der Beklagten existiert, die mit der Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden war, hat der darlegungspflichtige Kläger (vgl. zur Darlegungslast auch BAG vom 16.05.2019 - 8 AZR 315/18 NZA 2019, 1419, Rn. 27 f). nichts vorgetragen. Soweit er eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats mit Nichtwissen bestritten hat, ist dies angesichts der ihm obliegenden Darlegungslast unbehelflich.
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e) Ein Indiz i.S.d. § 22 AGG folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte den Kläger bei vormaligen Stellenausschreibungen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen und die E-Mail-Adressen blockiert hat. Insoweit kann auf die Entscheidungsgründe des unter dem Az. 2 Ca 101/19 ergangenen Endurteils vom 05.8.2020 Beug genommen werden. Im Übrigen ist es der Kläger, der sich insoweit widersprüchlich verhält: Er beanstandet, wenn er zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird (vgl. das Verfahren 2 Ca 101/19) und er beanstandet, wenn er - wie im vorliegenden Streitfall - nicht eingeladen wird.
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2. Dem Kläger stehen wegen der Nichtberücksichtigung mit der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21.06 und 22.06.2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter für das Hauptamt und die Kämmerei auch keine Entschädigungsansprüche (Schmerzensgeldansprüche) nach § 253 BGB zu. Dadurch wurde der Kläger weder in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG noch in einem sonstigen Recht i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB verletzt.
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a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründet kein Recht auf Einstellung. Es begründet lediglich einen Anspruch darauf, dass mit eingereichten Bewerbungen nicht in ehrverletzender Weise umgegangen wird. Die Beklagte ist mit der Bewerbung des Klägers jedoch nicht in ehrverletzender Weise umgegangen. Die E-Mails der Beklagten vom 24.6.2019 und vom 19.08.2019 sowie das Absageschreiben vom 09.08.2019 weisen keinerlei ehrverletzenden Inhalt auf. Eine für den Schmerzensgeldanspruch zudem erforderliche schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers bzw. ein schweres Verschulden der Beklagten (vgl. etwa BAG vom 24.09.2009 - 8 AZR 636/08, NJW 2010, 554, 557) ist nicht ersichtlich.
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b) Eine Verletzung sonstiger Rechte i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB ist ebenfalls nicht ersichtlich. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte hätte seinen aus Art. 33 Abs. 2 GG abgeleiteten Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt, ist dies aus mehreren Gründen nicht geeignet, einen Entschädigungsanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB zu begründen.
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aa) Ein übergangener Bewerber kann zwar Schadensersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen, und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren. Der Schadensersatz ist jedoch nicht - wie vom Kläger beantragt - auf Erstattung eines Nichtvermögensschadens i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB (Schmerzensgeld) gerichtet, sondern auf den Ersatz eines eingetretenen Vermögensschadens durch Geldersatz gem. §§ 249 Abs. 1 BGB, 251 Abs. 1 BGB (vgl. BAG vom 28.01.2020 - 9 AZR 91/19, NJW 2020, 1754, Rn. 28).
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bb) Darüber hinaus hat die Beklagte den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers nicht verletzt. Sie war nicht verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. entsprechend oben unter II 1 b bb der Gründe)
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cc) Schließlich kommt hinzu, dass eine etwaige Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs allein nicht ausreichend ist, um eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers zu begründen. Das Verhalten des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren ist für den Schaden eines zurückgewiesenen Bewerbers nur ursächlich, wenn sich jede andere Besetzungsentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erwiesen hätte. Deshalb hat der zurückgewiesene Bewerber nur in den Fällen Anspruch auf Ersatz seines Schadens, in denen ihm anstelle des Konkurrenten das Amt hätte übertragen werden müssen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Reduktion des dem Arbeitgeber zustehenden Auswahlermessens auf null wiederum setzt voraus, dass der erfolglose Bewerber nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der bestqualifizierte Bewerber war. Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
III.
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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2. Der Streitwert wurde gemäß §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff. ZPO in Höhe des eingeklagten Zahlungsbetrags festgesetzt.
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3. Die Berufungszulassung beruht auf § 64 Abs. 2 a i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 ArbGG. Die Kammer misst der Rechtsfrage, ob der öffentliche Arbeitgeber verpflichtet ist, den schwerbehinderten Arbeitnehmer, der bereits bei ihm beschäftigt war und der sich zeitnah nach Ausscheiden wieder bewirbt, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, grundsätzliche Bedeutung zu.