Titel:
Wirksamkeit einer Kündigung
Normenkette:
BGB § 626 Abs. 2, § 613a Abs. 4, § 119, § 123, § 138, § 174
Leitsätze:
1. Wird durch die Ordenskongregation des Vatikans eine apostolische Kommissarin zur Leitung und Verwaltung eines Klosters eingesetzt und durch Dekret bei der Umsetzung jeglicher Entscheidung in wirtschaftlichen Angelegenheiten an die Zustimmung der Ordenskongregation gebunden, hat sie vor Ausspruch einer Kündigung gegenüber einer Beschäftigten des Klosters vorab diese Zustimmung einzuholen. (Rn. 36)
2. Bestimmt das Dekret, dass andernfalls die Maßnahme nichtig ist, ist für eine Analogie zum deutschen GmbH-Recht kein Raum eingelegt. (Rn. 41)
Schlagworte:
Kündigung, apostolische Kommissarin, Dekret, Zustimmung der Ordenskongregation, Zustimmung, Arbeitsvertrag, Besoldungsgruppe, Genehmigung, Widerruf, Anfechtung, Sittenwidrigkeit, Vertragsschluss, Arbeitsleistung, Erlaubnis, Wirksamkeit, Kloster
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 06.02.2020 – 2 Ca 10614/19
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt vom -- – 2 AZN 89/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 57533
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06.02.2020 - 2 Ca 10614/19 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und ob dieses wirksam gekündigt worden ist.
2
Bei der Beklagten handelt es sich um eine anerkannte Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasst ist. Nach ihren Konstitutionen wird die Ordensgemeinschaft durch die Oberin vertreten (Anlage B5 = Bl. 155 d. A.; vgl. dort Vorbemerkung Absatz 7; im Folgenden: Konstitutionen). 2016 beschloss der Vatikan, das Kloster nach Klärung des kanonischen Status der verbleibenden Schwestern aufzulösen. Da dem Kloster keine Oberin mehr vorstand, beauftragte der zuständige Erzbischof von D-Stadt und D-Stadt durch Dekret vom 18.01.2018 einen Wirtschaftsprüfer/Steuerberater mit der gesamten Wirtschaftsverwaltung des Klosters einschließlich seiner Wirtschaftsbetriebe. In dem Dekret heißt es auszugsweise:
„Die schriftliche Genehmigung der mit der Durchführung der Stiftungsaufsicht beauftragten Erzbischöflichen Finanzkammer ersetzt die gemäß Kapitel 1, Abschnitt IV, Nr. 13 a der Konstitutionen erforderliche Zustimmung des derzeit nicht vorhandenen Schwesternrates bei außerordentlichen Ausgaben, welche die Summe von DM 10.000,- (€ 5.112,92) übersteigen. Für außerordentliche Ausgaben, welche die Summe von DM 20.000,- (€ 10.225,84) übersteigen, tritt die schriftliche Genehmigung durch die Erzbischöfliche Finanzkammer sowohl an die Stelle der Zustimmung des derzeit nicht vorhandenen Schwesternrates wie auch an die darüber hinaus geforderte Erlaubnis des Erzbischöflichen Ordinariats.“
3
Für den übrigen Inhalt des Dekrets wird auf die Anlage K2 (= Bl. 15 f. d. A.) Bezug genommen.
4
Am 09.08.2018 schloss der Verwalter mit der Klägerin einen Arbeitsvertrag, wonach sie ab 01.09.2018 auf unbestimmte Zeit als Landwirtschaftsmeisterin in der Landwirtschaft des Klosters unter Geltung der arbeitsvertraglichen Regelungen der Bayerischen Diözesen (ABD) in ihrer jeweils geltenden Fassung eingestellt werden sollte. Der Arbeitsvertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung des rechtswirksamen Austritts der Klägerin aus dem Orden. Neben der ordentlichen Unkündbarkeit war der Klägerin eine Versorgungszusage mit 71,75% des monatlichen Bruttotabellenentgelts der Besoldungsgruppe A8 der Bayerischen Beamtenbesoldung, die Geltung der Vertrauensarbeitszeit und ergänzend eine unentgeltliche Wohnungsüberlassung zugesagt worden. Ebenfalls am 09.08.2018 erteilte die Erzbischöfliche Finanzkammer D-Stadt die kirchenaufsichtliche Genehmigung, unterzeichnet vom stellvertretenden erzbischöflichen Finanzdirektor und dem Hauptabteilungsleiter Stiftungsaufsicht (vgl. Bl. 14 d. A.). Die Klägerin trat am 20.08.2018 aus dem Orden aus und wurde entsprechend dem Arbeitsvertrag beschäftigt.
5
Im Oktober 2018 beschloss der Vatikan, die Selbständigkeit des Schwesternkonvents zu erhalten. Die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens (im Folgenden: Ordenskongregation bzw. Dikasterium) ernannte durch Dekret vom 18.10.2018 eine apostolische Kommissarin und bestimmte in diesem:
„Die Apostolische Kommissarin hat die Aufgabe, die Gemeinschaft zu leiten und in Übereinstimmung mit der Instruktion Cor Orans und der Apostolischen Konstitution Vultum Dei quaerere einer dauerhaften Regelung zuzuführen. Sie hat daher die Kompetenzen der Oberin und des Rates des Klosters. Die Apostolische Kommissarin wird dieses Dikasteriums vor der Umsetzung jeglicher Entscheidung in wirtschaftlichen Angelegenheiten um Zustimmung bitten, andernfalls ist die Maßnahme selbst nichtig.
Mit dem vorliegenden Dekret erhält die (wohl: sie) darüber hinaus die Befugnisse des gesetzlichen Vertreters des Klosters, um zivile Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Kloster zu regeln.“
6
Wegen des weiteren Inhalts dieses Dekrets wird auf die Anlage B4 (= Bl. 98 d. A.) Bezug genommen.
7
Mit Schreiben vom 24.09.2019 kündigte die apostolische Kommissarin das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Vorsorglich erklärte sie den Rücktritt, die Anfechtung und den Widerruf des Arbeitsvertrags. Durch Schreiben vom 27.09.2019 wies die Klägerin die Kündigung wegen Nichtvorlage einer Originalvollmacht zurück.
8
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe. Die Kündigung sei mangels Vorlage einer Originalvollmacht, mangels eines hinreichenden Kündigungsgrundes, der fehlenden Einhaltung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB und wegen Betriebsübergangs gemäß § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam.
9
Die Beklagte hat für ihren Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, dass der Arbeitsvertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten von Anfang an nichtig sei. Die im Vertrag vereinbarte Gegenleistung für die Tätigkeit der Klägerin stehe in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung und beruhe auf einer verwerflichen Einstellung der Klägerin. Darüber hinaus bestehe ein planmäßiges Zusammenwirken vom Vertreter und Vertragspartner zum Nachteil des vertretenen Beklagten. Die erforderliche kirchenaufsichtliche Zustimmung des Erzbischofs liege nicht vor. Die apostolische Kommissarin habe die Befugnisse des gesetzlichen Vertreters des Klosters, um zivile Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Kloster zu regeln. Das Dekret vom 18.10.2018 sei bei Aushändigung der Kündigung im Original zur Inaugenscheinnahme vorgelegt worden. Die außerordentliche Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen (Rationalisierungsmaßnahmen) gerechtfertigt. Die Geschäftsgrundlage für den Arbeitsvertrag sei entfallen, da die Parteien bei Vertragsschluss davon ausgegangen seien, dass das Kloster aufgelöst werde. Zudem liege ein Verstoß gegen die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vor. Die Klägerin beachte die Glaubens- und Sittenlehre nicht mehr.
10
Das Arbeitsgericht München hat durch Urteil vom 06.02.2020 - 2 Ca 10614/19 - festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 24.09.2019 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet habe und dieses unbefristet fortbestehe. Zwischen den Parteien sei rechtswirksam ein Arbeitsvertrag abgeschlossen worden. Die erforderliche kirchenrechtliche Zustimmung fehle nicht. Gemäß Dekret vom 18.01.2018 sei die erforderliche Erlaubnis für außergewöhnliche Ausgaben an die erzbischöfliche Finanzkammer übertragen worden. Deren schriftliche Genehmigung sei am 09.08.2018 erteilt worden. Fehle es an der erforderlichen Genehmigung in Bezug auf die mietvertragliche Regelung, wäre lediglich die Überlassung der Dienstwohnung, nicht jedoch der Arbeitsvertrag unwirksam. Der Arbeitsvertrag sei auch nicht aufgrund des in der Kündigung erklärten Rücktritts, der Anfechtung oder des Widerrufs unwirksam. Anfechtungsgründe gemäß §§ 119, 123 BGB seien nicht ersichtlich. Rücktritt, Anfechtung oder Widerruf seien arbeitsrechtlich nicht möglich. Der Arbeitsvertrag sei auch nicht gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Er beinhalte insbesondere kein wucherisches Rechtsgeschäft, weil keine verwerfliche Einstellung der Klägerin bei Vertragsschluss erkennbar sei. Es sei nicht ansatzweise erkennbar, dass die Klägerin als „Wucherer“ die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausgebeutet hätte. Bei dem Vertreter des Beklagten handele es sich um einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Zudem sei der Vertrag am selben Tag vom stellvertretenden Erzbischöflichen Finanzdirektor und vom Hauptabteilungsleiter Stiftungsrecht genehmigt worden. Die zitierten Attribute dürften auf diese Personen nicht zutreffen. Darüber hinaus fehle es an einem auffälligen Missverhältnis zwischen der Arbeitsleistung der Klägerin und der vertraglich vereinbarten Gegenleistung. Die Klägerin sollte nach dem Wunsch der Beklagten entweder in einen anderen Orden übertreten oder aus dem Orden ganz austreten, was mit erheblichen sozialen Nachteilen für die Klägerin verbunden sei, die durch die arbeitsvertraglich vereinbarten Gegenleistungen ausgeglichen werden sollten. Ein kollusives Zusammenwirken sei gleichfalls nicht feststellbar. Die außerordentliche Kündigung vom 24.09.2019 sei schon gemäß § 174 BGB unwirksam. Die durch Dekret vom 18.10.2018 eingesetzte apostolische Kommissarin sei nicht gesetzliche Vertreterin des Klosters geworden. Dies sei ausweislich der Vorbemerkungen zu den Konstitutionen die Oberin des Klosters.. In dem Dekret erhielte die apostolische Kommissarin lediglich die Vollmacht, im Umfang des gesetzlichen Vertreters die zivilen Angelegenheiten zu regeln. Sie sei damit gerade nicht als gesetzliche Vertreterin eingesetzt, sondern nur mit den Befugnissen einer gesetzlichen Vertreterin ausgestattet worden. Bei Ausspruch der Kündigung hätte deshalb das Dekret vom 18.10.2018 in Urschrift oder Ausfertigung vorgelegt werden müssen. Die diesbezügliche Behauptung der Beklagten sei seitens der Klägerin bestritten und von der Beklagten nicht unter Beweis gestellt worden.
11
Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 16.03.2020 zugestellte Urteil habt die Beklagte am 09.04.2020 Berufung beim Landesarbeitsgericht München eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.06.2020 am 16.06.2020 begründet.
12
Es sei kein wirksamer Arbeitsvertrag begründet worden. Nach § 3 der auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden arbeitsvertraglichen Regelungen der bayerischen Diözesen (ABD) bedürfe es zur Wirksamkeit eines Vertrages der kirchenrechtlichen Genehmigung. Die Genehmigung durch die erzbischöfliche Finanzkammer ersetze nur Ausgaben, die in Kap. 1 Abs. IV Nr. 13 a) der Konstitutionen geregelt seien. Bei der Belastung von Stammvermögen der Ordensgemeinschaft wäre zusätzlich die Erlaubnis des Erzbischofs gemäß CAM.638 § 3 CIC notwendig. Diese habe nicht vorgelegen.
13
Der Arbeitsvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Es liege ein Missverhältnis zwischen der Arbeitsleistung der Klägerin und den ihr zugesagten Gegenleistungen vor. Das Arbeitsgericht führe nicht an, welche sozialen Nachteile die Klägerin bei Austritt aus dem Orden erlitten habe, und führe keine Abwägung zwischen Arbeitsleistung und Gegenleistungen durch. Das Gestaltungsrecht des Rücktritts, der Anfechtung und des Widerspruchs seien gesetzlich zulässig. Es könne von einem Arbeitsvertrag im Sinne des § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB zurückgetreten werden. Die Anfechtungsfrist wäre wegen Bestellung der apostolischen Kommissarin am 18.10.2018 erst am 18.10.2019 abgelaufen.
14
Die Kündigung sei wirksam. Es habe keiner Vorlage einer Vollmacht bedurft. Bei der apostolischen Kommissarin handele es sich um die gesetzliche Vertreterin der Beklagten, da sie durch die Einsetzung des Heiligen Stuhls in Rom als Oberin tätig sei. Es handele sich um eine außerordentliche Form der Leitung und Vertretung, die ihre Rechtfertigung in einem Akt des päpstlichen Jurisdiktionsprimats finde (c. 331 CIC). Jedenfalls sei bei Übergabe des Kündigungsschreibens das Dekret vom 18.10.2018 im Original und in Kopie vorgelegt worden, wofür die Beklagte die Parteieinvernahme der apostolischen Kommissarin und Zeugenbeweis anbiete.
15
Das Schreiben der Ordenskongregation vom 20.08.2020, das aufgrund der Berufungsantwort der Klägerin hätte angefordert werden müssen, bestätige, dass die apostolische Kommissarin als Oberin eingesetzt worden sei, gerichtliche und außergerichtliche Vertretungsmacht innehabe und zur Beendigung der Arbeitsverhältnisse berechtigt gewesen sei. Darüber hinaus sei aufgrund dieses Schreibens der Einwand der Klägerin, die apostolische Kommissarin hätte vor Ausspruch der Kündigung die Kongregation um Genehmigung bitten müssen, hinfällig. Die Ordenskongregation sei stets in die Kündigung eingebunden gewesen und habe diese auch mitgetragen. Vor diesem Hintergrund sei es müßig darüber zu diskutieren, ob die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses als wirtschaftliche Angelegenheit angesehen werden könne oder nicht. Ähnlich wie bei einem Geschäftsführer einer GmbH müsse zwischen den Beschränkungen im Innen- und Außenverhältnis unterschieden werden.
16
Die Beklagte beantragt,
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06.02.2020, Az. 2 Ca 10614/19, wird abgeändert.
II. Die Klage wird abgewiesen.
17
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
18
Es sei zwischen den Parteien ein wirksamer Arbeitsvertrag zustande gekommen. Die kirchenrechtliche Genehmigung sei wirksam erteilt worden. Die Kündigung sei auch deshalb nichtig, weil die Zustimmung der Ordenskongregation nicht vorliege. Bei der Kündigung handele es sich um eine wirtschaftliche Angelegenheit. Insoweit enthalte das Dekret vom 18.10.2018 den Vorbehalt, dass die apostolische Kommissarin die Ordenskongregation vor der Umsetzung jeglicher Entscheidung in wirtschaftlichen Angelegenheiten um Zustimmung bitten müsse, andernfalls sei die Maßnahme selbst nichtig. Die Kündigung gegenüber der Klägerin sei ein Teil der behaupteten, von der Beklagten beabsichtigten Rationalisierungsmaßnahme der Kostenersparnis in der Landwirtschaft, wie die Beklagte in ihrem Klageerwiderungsschriftsatz unter IV. dargestellt habe. Die Zustimmung zur Kündigung durch die Ordenskongregation liege nicht vor.
19
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 16.06.2020 (Bl. 258 - 279 d. A.) und 15.10.2020 (Bl. 303 - 320 d. A.), den Schriftsatz der Klägerin vom 17.07.2020 (Bl. 293 - 300 d. A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2020 (Bl. 321 - 324 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
20
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
21
Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.
22
Die Berufung ist jedoch unzulässig. Das Arbeitsgericht hat zu Recht geurteilt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag besteht, der nicht durch die Kündigung vom 24.09.2019 aufgelöst worden ist.
23
1. Die Parteien haben rechtswirksam einen Arbeitsvertrag geschlossen, § 611 a Abs. 1 BGB.
24
a) Mit dem Arbeitsvertrag vom 09.08.2018 haben die Klägerin und die Beklagte, vertreten durch den seitens des Erzbischofs von D-Stadt und D-Stadt durch Dekret vom 18.01.2018 eingesetzten Verwalter ein Arbeitsverhältnis begründet. Die nach § 2 des Arbeitsvertrags i. V .m. § 3 ABD erforderliche kirchenrechtliche Genehmigung des Erzbischofs von D-Stadt und D-Stadt liegt vor.
25
Durch Dekret vom 18.01.2018, Ziffer 1 Absatz 4 Satz 2 wurde bestimmt, dass die schriftliche Genehmigung durch die Erzbischöfliche Finanzkammer an die Stelle der nach Kapitel 1, Abschnitt IV, Nr. 13 a der Konstitutionen (= Bl. 165 d. A.) geforderten Erlaubnis des Erzbischöflichen Ordinariats tritt. Aus der Regelung des Dekrets, Ziffer 1, Absatz 1 Satz 2 und 3 ergibt sich, dass zu der Verwaltung des Klosters gemäß Kapitel 1, Abschnitt IV, Nr. 13 a der Konstitutionen auch der „Abschluss und die Beendigung von Verträgen jedweder Art, insbesondere von …Verträgen zur Regelung der Tätigkeit Dritter für das Kloster, die Aufgaben als Dienstvorgesetzter der Beschäftigten …“ gehören. Zu Recht hat das Arbeitsgericht deshalb erkannt, dass schriftliche Genehmigung der Bischöflichen Finanzkammer durch die „Kirchenaufsichtliche Genehmigung zum Arbeitsvertrag vom 09.08.2018 zwischen den Franziskanerinnen … und /der Klägerin“ (Bl. 14 d. A.) erteilt worden ist. Insoweit fehlt es an einer nachvollziehbaren Auseinandersetzung der Beklagten mit den Urteilsgründen.
26
b) Der Arbeitsvertrag ist nicht gemäß § 138 BGB nichtig.
27
aa) Nach § 138 Abs. 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit oder des Mangels an Urteilsvermögen eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht ein wucherähnliches Geschäft im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB angenommen, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen und weitere sittenwidrige Umstände wie z.B. eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigten hinzutreten (vgl. BAG, Urteil vom 17.12.2014 - 5 AZR 663/13 - Rn. 17). Diese verwerfliche Gesinnung ist nicht nur dann zu bejahen, wenn der begünstigte Vertragsteil als der wirtschaftlich und intellektuell Überlegene die schwächere Lage des anderen Teils zu seinem Vorteil bewusst ausnützt, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Einsicht verschließt, dass sich der andere nur wegen seiner schwächeren Lage oder unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt (vgl. BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 - Rn. 27).
28
bb) Die Beklagte hat zu der subjektiven Seite des behaupteten wucherähnlichen Rechtsgeschäfts durch den Arbeitsvertrag vom 09.08.2018 nichts vorgetragen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Klägerin habe sich leichtfertig der Einsicht verschlossen, die Beklagte hätte sich unter Zwang der Verhältnisse auf den Arbeitsvertrag eingelassen. Der Arbeitsvertrag wurde für die Beklagte durch einen als Verwalter eingesetzten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater geschlossen und zudem durch die Bischöfliche Finanzkammer, vertreten durch den stellvertretenden Erzbischöflichen Finanzdirektor und den Hauptabteilungsleiter Stiftungsaufsicht genehmigt. Diese Personen dürften aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung und Erfahrung gegenüber der Klägerin als ausgebildete Landwirtschaftsmeisterin höhere Kompetenzen in Wirtschaftsfragen haben.
29
c) Der Arbeitsvertrag ist nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig.
30
Die Beklagte hat auch im Berufungsverfahren keinen Anfechtungsgrund i. S. d. § 123 BGB vorgetragen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Frist einer Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung vom 24.09.2019 noch lief, § 124 Abs. 1 BGB. Zur Anfechtung nach § 119 BGB fehlt es ebenfalls am Vortrag der Beklagten zu einem Anfechtungsgrund und der Einhaltung der Anfechtungsfrist.
31
d) Das Arbeitsverhältnis hat auch nicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage geendet. Die Beklagte kann sich nicht auf das Rücktrittsrecht nach § 313 Abs. 3 BGB berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Kündigungsrecht lex specialis zu dieser Regelung und verdrängt es (vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2016 - 2 AZR 609/15 - Rn. 19).
32
e) Der Arbeitsvertrag ist schließlich nicht durch Widerruf (rückwirkend) beendet wor den. Die Beklagten haben nicht dargelegt, dass die Möglichkeit zum Widerruf des Arbeitsvertrags neben den kündigungsrechtlichen Bestimmungen überhaupt bestehen könnte und dass ein Widerrufsgrund vorliegt.
33
2. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die Kündigung vom 24.09.2019 aufgelöst wor den. Die Kündigung ist gemäß Dekret vom 18.10.2018 nichtig, weil die erforderliche vorherige Zustimmung der Ordenskongregation nicht dargelegt worden ist.
34
a) Die Auslegung des Dekrets der Ordenskongregation vom 18.10.2018 richtet sich nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Bei dem Dekret handelt es sich um einen Akt des päpstlichen Jurisdiktionsprimats (vgl. can. 331 CIC), weshalb es wie bei der Gesetzesauslegung darum geht festzustellen, wie der Norm Unterworfene und das Gericht seinen Inhalt zu verstehen haben. Entsprechend der Gesetzesauslegung ist das Dekret deshalb objektiv auszulegen. Auszugehen ist danach zunächst vom Wortlaut und dem von ihm vermittelten Wortsinn. Über den reinen Wortsinn hinaus ist der wirkliche Wille des Dekretgebers zu berücksichtigen, soweit er im Dekret seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten (vgl. Bleckmann, Zu den Methoden der Gesetzesauslegung in der Rechtsprechung des BVerfG, JuS 2002, 942 m. zahlr. Nachw.).
35
b) Danach ergibt die Auslegung des Dekrets vom 18.10.2018, dass vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung durch die Apostolische Kommissarin eine Zustimmung der Ordenskongregation hätte eingeholt werden müssen.
36
Nach dem Wortlaut des Dekrets vom 18.10.2018 wird die Apostolische Kommissarin „vor der Umsetzung jeglicher Entscheidung in wirtschaftlichen Angelegenheiten um Zustimmung bitten, andernfalls ist die Maßnahme selbst nichtig.“ Diese klare Regelung findet ihren Sinn und Zweck darin, dass der Apostolischen Kommissarin durch das Dekret vom 18.10.2018 die Befugnisse der Oberin des Klosters erteilt wurden, die gemäß Kapitel 1, Abschnitt IV, Nr. 13 a der Konstitutionen ihrerseits bei bestimmten Rechtsgeschäften an die Erlaubnis des Erzbischöflichen Ordinariates gebunden ist. Nach dem Dekret vom 18.10.2018 tritt die erforderliche Zustimmung der Ordenskongregation an die Stelle der sonst erforderlichen Erlaubnis des Erzbischöflichen Ordinariates. Die Apostolische Kommissarin wird wie die Oberin des Klosters in ihrem Handeln gebunden.
37
Bei der streitgegenständlichen Kündigung handelt es sich zudem um eine Entscheidung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Mit der seitens der Beklagten angestrebten Einstellung der Eigenbewirtschaftung unter Entlassung der Klägerin und ihres Ehemannes aus den Arbeitsverhältnissen liegt eine wirtschaftliche Angelegenheit vor. Zudem hat die Beklagte die entsprechende Behauptung der Klägerin nicht bestritten.
38
c) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die Apostolische Kommissarin vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung die Zustimmung der Ordenskongregation eingeholt hat. Das Schreiben der Ordenskongregation vom 20.08.2020 bestätigt lediglich, dass sie in die Entscheidungen, die Kündigungen auszusprechen, „mit eingebunden war“. Es bleibt damit offen, ob die Ordenskongregation zugestimmt und ob die Zustimmung vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung vorgelegen hat. Da die Ordenskongregation selbst das Zustimmungserfordernis aufgestellt hat und nunmehr lediglich ein Eingebundensein ausdrückt, spricht Vieles für die Annahme, dass ihre Zustimmung nicht vorliegt.
39
Soweit die Apostolische Kommissarin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht München am 22.10.2020 behauptete, sie sei vor Ausspruch der Kündigung in Rom gewesen und hätte dort mit den zuständigen Stellen alles abgesprochen und diese Stellen seien damit einverstanden gewesen, ist dieser Vortrag bereits nicht hinreichend konkret. Es werden weder Daten noch Personen benannt. Zudem wäre der Vortrag verspätet und würde zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führen. Die Klägerin hat bereits mit Schriftsatz vom 17.07.2020 bestritten, dass die erforderliche Zustimmung der Ordenskongregation vor Ausspruch der Kündigung erteilt worden war.
40
d) Aufgrund der nicht vorgetragenen vorherigen Zustimmung der Ordenskongregation vor Ausspruch der Kündigung ist die Kündigung selbst nichtig. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des Dekrets vom 18.10.2018 in dem es heißt:
„Andernfalls ist die Maßnahme selbst nichtig.“
41
Im Hinblick auf diese Regelung ist für eine Analogie zum deutschen GmbH-Recht kein Raum. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.
42
Die Beklagten haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
43
Es bestand kein Grund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.