Inhalt

LArbG München, Urteil v. 28.10.2020 – 8 Sa 816/19
Titel:

Arbeitsentgelt, Arbeitslosengeld

Normenketten:
BGB § 293, § 615
KSchG § 11 Nr. 2
BUrlG § 7
Leitsatz:
Angebotene Prozessbeschäftigung war der Klägerin entgegen der Ansicht des ArbG unzumutbar. Urlaubsabgeltung wurde zu Recht zugesprochen, Voraussetzungen der Befristung des Urlaubsanspruchs nach neuerer BAG-Rspr. waren entgegen der Meinung der Beklagten nicht erfüllt (Einzelfall).
Schlagworte:
Annahmeverzug, böswillig unterlassener Zwischenverdienst, Urlaubsabgeltung, Arbeitsentgelt, Arbeitslosengeld
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 16.10.2019 – 7 Ca 304/19
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 19.01.2022 – 5 AZR 346/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 57436

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16.10.2019 - 7 Ca 304/19 - in seiner Nr. 4 und seiner Nr. 5 abgeändert und wie folgt gefasst:
„4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 63.000,00 brutto abzüglich € 17.421,71 netto nebst Zinsen aus € 45.578,29 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.04.2019 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 2%, die Beklagte 98%.“
II. Die Berufung der Klägerin im Übrigen und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 2%, die Beklagte 98%.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten zweitinstanzlich im Wege der Berufung und der Anschlussberufung noch um Vergütung aus Annahmeverzug für die Zeit von Oktober 2017 bis März 2019, um die Auszahlung weiterer Plusstunden und um Urlaubsabgeltung.
2
Die Beklagte betreibt ein Cateringunternehmen für Schulen und Kindergärten. Teil des Unternehmens ist auch der Dorfgasthof Z in C-Stadt, der sich in der Nähe des Verwaltungssitzes der Beklagten befindet.
3
Die Klägerin hat ein 4-jähriges Hochschulstudium mit dem Abschluss „Ingenieurin für Lebensmittelmanagement (B. Sc.)“ absolviert.
4
Die Klägerin stand vom 01.10.2016 bis zum 31.03.2019 in einem Arbeitsverhältnis als Marketing- und Projektmanagerin zur Beklagten; das monatliche Bruttoentgelt betrug € 3.500,00. Nach § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages hatte die Klägerin einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen.
5
Das Arbeitsverhältnis wurde im Jahr 2017 zweimal durch die Beklagte gekündigt, und zwar mit Schreiben vom 31.07.2017 zum 31.08.2017 sowie mit Schreiben vom 14.09.2017 zum 15.10.2017. Die hiergegen gerichteten Kündigungsschutzanträge sowie der Antrag auf Weiterbeschäftigung wurden mit Urteil des LAG München vom 28.11.2018 - 5 Sa 260/18 - rechtskräftig zu Gunsten der Klägerin entschieden; die Beklagte legte keine Nichtzulassungsbeschwerde ein.
6
Für die Zeit nach dem 31.08.2017 leistete die Beklagte keine Gehaltszahlungen mehr an die Klägerin.
7
Das Arbeitsgericht hat als unstreitig festgestellt, dass sich in der Güteverhandlung am 21.09.2017 hinsichtlich der Kündigungen aus dem Jahr 2017 die Klägerin auf den Vorrang einer Änderungskündigung berufen habe, nachdem die Beklagte vor Ausspruch der Kündigungen eine offene Stelle einer Servicekraft in Vollzeit inseriert hatte.
8
Mit Schreiben vom 29.09.2017 wurde der Klägerin angeboten, ab 01.10.2017 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreites als Servicekraft im Gasthof Z beschäftigt zu werden (Anlage B 1, Bl. 85 d. A.). Die regelmäßige Arbeitszeit sollte bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (5-Tage-Woche) den betrieblichen Erfordernissen nach auf die Wochentage Montag bis Sonntag verteilt sein. Als Arbeitsentgelt wurden monatlich € 2.000,00 brutto angeboten. Im Begleitschreiben vom 29.09.2017 (Anlage B 2, Bl. 86 f. d. A.) wurde darauf hingewiesen, dass die geregelte Bruttomonatsvergütung nicht dem bisherigen Verdienst entspreche, allerdings mit einem arbeitstäglichen Trinkgeld von oft mehr als € 50,00 netto gerechnet werden könne.
9
Die Klägerin erschien nicht - wie aufgefordert - am 01.10.2017 im Gasthof Z. Sie ließ mit Schreiben vom 02.10.2017 (Anlage B 3, Bl. 88 f. d. A.) der Beklagten mitteilen, dass die angebotene Prozessbeschäftigung nicht zumutbar sei. Das Gehalt wäre niedriger, der Jahresurlaubsanspruch würde statt bisher 30 Tage nur noch 20 Tage betragen und eine 7- Tage-Woche verstoße gegen das Arbeitszeitgesetz. Zuvor habe die Klägerin nie sonntags arbeiten müssen. Bei dem angesprochenen Trinkgeld handle es sich anerkanntermaßen nicht um Arbeitsentgelt.
10
Im Rahmen des schriftsätzlichen Vortrags im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht München mit dem Aktenzeichen 31 Ca 9134/17 wies die Beklagte im Schriftsatz vom 24.11.2017, Seite 7 vorletzter Absatz, darauf hin, dass sich die Frage nach der Beschäftigung der Klägerin als Servicekraft im Gasthof Z zwar stelle, die Klägerin aber diesen Arbeitsplatz nicht antreten wolle. Hierauf entgegnete die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.01.2018, Seite 15 Absätze 3 und 4, dass die ausgeschriebene Stelle einer Servicekraft in Vollzeit ihr vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung nicht angeboten worden sei. Wäre statt einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung erklärt worden, hätte sie dem Angebot „Servicekraft in Vollzeit“ unter dem Vorbehalt nach § 2 KSchG, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sei, zugestimmt. In einem weiteren Schriftsatz der Klägerin vom 20.02.2019 führte die Klägerin aus, dass sie ohne Weiteres in der Lage sei, als Servicekraft zu arbeiten. Sie sei fachlich und persönlich für die Stelle geeignet gewesen. Sie könne durchaus Bedienen und habe dies als Studentin bereits nachhaltig getan. Sie habe bei der Beklagten während des Bestands des Arbeitsverhältnisses manchmal bei der Essensverteilung mitausgeholfen. Im Übrigen wäre ihr eine Einarbeitungszeit von bis zu drei Monaten zuzubilligen. Immerhin gehe es bei der Tätigkeit der Servicekraft (lediglich) darum, Essenbestellungen anzunehmen, das bestellte Essen zu den Gästen zu bringen, abzukassieren und dabei einen höflichen und gepflegten Gesamteindruck zu hinterlassen. Dies beherrsche sie bzw. beherrschte sie nach kurzer Einarbeitungszeit. Die Zurückweisung der Prozessbeschäftigung am 02.10.2017 sei von ihr mit der Unzumutbarkeit der Entlohnung begründet worden.
11
Nach der o. g. Entscheidung des LAG München, in der zweitinstanzlich festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis fortbestehe, forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2018 (Anlage B 4, Bl. 90 d. A.) auf, sich am 03.12.2018 um 9:00 Uhr in den betrieblichen Räumen in der C Straße in C-Stadt einzufinden um die Einsatzmöglichkeiten zu besprechen. Zu diesem Gespräch erschien die Klägerin. Es wurden ihr verschiedene Einsatzmöglichkeiten genannt; ihr wurde das Wahlrecht zwischen Assistenz der Geschäftsleitung, Zimmerreinigungstätigkeit und Servicetätigkeit unterbreitet. Am selben Tag nachmittags, wurde zwischen der Klägerin und der Geschäftsführerin der Beklagten, Frau Y, ein Telefonat geführt, dessen Inhalt streitig ist. Am 04.12.2018 erschien die Klägerin kurz vor 6:00 Uhr in Straßenkleidung und Straßenschuhen ohne Wechselkleidung oder Schuhe für den internen Gebrauch im Gasthof Z. Die Klägerin meinte, die Beklagte müsse ihr die Arbeitskleidung stellen. Nach Vorlage eines Arbeitsvertrages für eine Prozessbeschäftigung (Anlage B 5, Bl. 91 d. A.) durch die Geschäftsführerin Y, weigerte sich die Klägerin diesen zu unterschreiben und verließ auf Weisung der Geschäftsführerin Y den Gasthof. In einem nachfolgenden Telefonat zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hin, dass zu Gunsten seiner Mandantin eine Weiterbeschäftigung ausgeurteilt worden sei und daher eine Prozessbeschäftigung nicht akzeptabel sei. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten verwies darauf, dass noch die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde bestehe und daher eine Beschäftigung auf Grundlage eines Prozessbeschäftigungsvertrages erfolgen solle. Mit Schreiben vom 05.12.2018 (Anlage B 6, Bl. 92 f. d. A.) bekräftigte der Prozessvertreter der Klägerin, dass die Klägerin keinen Prozessbeschäftigungsvertrag unterzeichnen werde, da sie einen unmittelbaren fälligen und notfalls vollstreckbaren Anspruch auf Weiterbeschäftigung entsprechend ihrem Arbeitsvertrag habe.
12
Mit Schreiben der Beklagten vom 10.12.2018 (Anlage B 7, Bl. 96 f. d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ausschließlich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung weiterbeschäftigt und aufgefordert werde, am 11.12.2018 um 9:00 Uhr in C-Stadt in der C-Straße zur Arbeit zu erscheinen. Daraufhin ließ die Klägerin mit Schreiben vom 11.12.2018 (Anlage B 8, Bl. 98 d. A.) ein Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung geltend machen, da für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 30.11.2018 Arbeitslohn in Höhe von 52.500,00 € abzüglich auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche und Überstundenvergütung in Höhe von € 1.031,00 brutto offen stünden. Die Beklagte beantragte die Hinterlegung eines Betrages von € 54.818,09; eine Hinterlegung erfolgte nicht. Die Agentur für Arbeit Weilheim teilte mit Anschreiben vom 27.12.2018 (Anlage K 8, Bl. 45 d. A.) der Klägerin mit, dass für die Zeit vom 01.09.2017 bis 23.06.2018 Arbeitslosengeld in Höhe von € 11.681,91 bezahlt worden sei. Der Beklagten war ein Anspruchsübergang durch Mitteilung der Agentur für Arbeit Weilheim seit Oktober 2017 bekannt.
13
Für den Zeitraum vom 01.07.2018 bis zum 31.12.2018 erhielt die Klägerin monatlich € 766,00 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Anlage K 15, Bl. 224 ff. d. A.). Für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.03.2019 wurden monatlich € 774,00 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezahlt. Letztere Zahlungen gestand die Klägerin im Kammertermin am 26.06.2019 auf Nachfrage der Beklagten zu und bezifferte sie erstmals mit Schriftsatz vom 19.07.2019.
14
Der als Servicekraft im Gasthof Z beschäftigte Mitarbeiter X erhielt im Zeitraum vom 02.04.2019 bis zum 14.05.2019 durchschnittlich knapp € 90,00 pro Arbeitstag an Trinkgeldern. Das Gesamttagestrinkgeld beläuft sich auf 8 - 10% des jeweiligen Tagesumsatzes der Beklagten mit Speisen und Getränken im Gasthof Z.
15
Mit Änderungskündigung vom 11.12.2018, der Klägerin zugegangen am 19.12.2018, wurde das Arbeitsverhältnis erneut zum 31.03.2019 gekündigt und der Klägerin angeboten, nach Ablauf der Kündigungsfrist als Zimmermädchen und Frühstückskraft beschäftigt zu werden (Anlage K 3, Bl. 21 d. A.). Die Klägerin nahm am 04.01.2019 das Angebot, zu geänderten Bedingungen weiter zu arbeiten, unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderungskündigung an. Über diese im (vorliegenden) Verfahren erster Instanz angegriffene Änderungskündigung verständigten sich die Parteien unter dem 21.03.2019 im Rahmen eines Teilvergleichs auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2019.
16
Die Beklagte führte für die Klägerin ein Arbeitszeitkonto. Die Beklagte hat erstinstanzlich den Zeitkontoausdruck zum Stichtag 31.08.2017 (Anlage B 1, Bl. 179 d. A.) vorgelegt. Dort ist ein positives Guthaben von 31,37 Stunden ausgewiesen. Der finanzielle Wert des Guthabens beläuft sich auf € 633,67 brutto.
17
Im Jahr 2017 nahm die Klägerin nach ihren Angaben 15,5 Urlaubstage, nach Angaben der Beklagten 14 Urlaubstage nicht. Der Jahresurlaub 2018 wurde komplett nicht genommen. Für das Jahr 2019 entstand ein anteiliger Urlaubsanspruch von 8 Tagen. Die Urlaubsabgeltung für von der Klägerin behauptete 55 offene Urlaubstage beträgt € 8.642,33 brutto.
18
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht vorgebracht, sie sei seit dem 01.09.2017 durchgängig leistungsfähig und leistungswillig für ihre Tätigkeit als Marketing- und Projektmanagerin gewesen. Ihr stehe deshalb Annahmeverzug für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 31.03.2019 in Höhe von monatlich € 3.500,00 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes und weiterer Zahlungen der Sozialbehörden zu. Sie müsse sich keinen fiktiven Verdienst in Höhe von € 2.000,00 und € 50,00 Trinkgeld anrechnen lassen, da ihr nicht vorgeworfen werden könne, sie habe es böswillig unterlassen, zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Beklagte habe die von der Klägerin angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen, sondern lediglich Arbeit angeboten, die nicht im Rahmen ihres Direktionsrechtes gelegen habe, sprich nicht gleichwertig gewesen sei. Der Klägerin sei eine Tätigkeit als Servicekraft bzw. Frühstückskraft bzw. Zimmermädchen ab 01.10.2017 zu einem Gehalt von € 2.000,00 und Trinkgeldaussicht in Höhe von € 50,00 netto pro Tag bei einer 7-Tage-Woche montags bis sonntags nicht zumutbar gewesen. Die Tätigkeit als Servicekraft/Frühstückskraft/Zimmermädchen wäre mit einem massiven Statusverlust einhergegangen. Der Statusverlust einer Angestellten mit Hochschulabschluss in leitender Tätigkeit zu einer ungelernten Servicekraft auf Arbeiterebene sei enorm. Hinzu käme, dass in dem Gasthof Z fast alle Kolleginnen und Kollegen mittags und auch zu sonstigen Tageszeiten zum Essen bzw. Trinken gehen würden und die Klägerin damit ihre damals aktuellen Kolleginnen und Kollegen als Servicekraft beim Mittagessen hätte bedienen müssen. Der Urlaubsanspruch in der neuen Tätigkeit hätte nur noch 20 Tage pro Jahr betragen statt bislang 30 Tage pro Jahr. Die Verringerung des Gehaltes von € 3.500,00 brutto im Monat auf € 2.000,00 brutto im Monat sei nicht zumutbar, zumal das Trinkgeld in Höhe von € 50,00, wenn auch steuerfrei, eine bloße Vergütungschance darstelle. Die Klägerin habe sich im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens, die betriebsbedingten Beendigungskündigungen vom 31.07.2017 und vom 14.09.2017 betreffend, auf den Vorrang der Änderungskündigung berufen und vorgetragen, ihr hätte im Wege der Änderungskündigung eine damals freie Stelle als Servicekraft angeboten werden müssen, da sie dann die Möglichkeit gehabt hätte, dieser Änderung der Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt von § 2 KSchG zuzustimmen, um sich zumindest den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu sichern. Dies habe für die Klägerin eine bedeutsame Rolle gespielt, weil sie vor ihrer Tätigkeit bei der Beklagten lange Zeit arbeitslos gewesen sei. Die Sicherung von Bestandschutz und die Sicherung von Anwartschaftszeiten in der Arbeitslosenversicherung hätten deswegen für die Klägerin ein massives Argument dargestellt, einer Änderungskündigung, so sie erfolgt wäre, unter Vorbehalt zuzustimmen. Die Sicherung des Bestandes eines Arbeitsplatzes, wenn auch zu schlechteren Bedingungen, sei losgelöst von der Frage der Zumutbarkeit einer anderweitigen Arbeit im Sinne von § 11 Nr. 2 KSchG zu sehen. Die Beklagte habe es in der Hand gehabt, durch Ausspruch einer Änderungskündigung statt des Ausspruchs zweier Beendigungskündigungen ihr Annahmeverzugsrisiko zu reduzieren.
19
Dass die Klägerin am 03.12.2018 bei der Beklagten erschienen sei, sei in der Erwartung erfolgt, dass der am 22.03.2018 unter Ziffer 3. ausgeurteilte und vom LAG München am 28.11.2018 bestätigte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch nun von der Beklagten bedient würde. Die Klägerin habe sich zu keinem Zeitpunkt dafür entschieden, im Gasthof Z als Frühstückkraft und Zimmermädchen für die Beklagte zu arbeiten. Sie habe dies nicht Frau Y in einem Telefonat am 03.12.2018 mitgeteilt. Die Gespräche zwischen Frau Y und der Klägerin am 03.12.2018 hätten deswegen keine besondere Relevanz.
20
Es sei unrichtig, dass von der Klägerin in ihrem Schreiben vom 11.12.2018 der konkrete offene Rückstandsbetrag nicht genannt worden sein solle, weil der zum Abzug zu bringende Arbeitslosengeldbetrag nicht exakt beziffert worden sei. Sie habe erst mit Anschreiben der Agentur für Arbeit Weilheim vom 27.12.2018 Kenntnis von der genauen Höhe der auf die Agentur für Arbeit übergegangenen Lohnsprüche in Höhe von € 11.681,91 erhalten. Eine Bezifferung sei ihr deshalb vorher nicht möglich gewesen. Der Anspruchsübergang sei der Beklagten durch gesonderte Mitteilung der Agentur für Arbeit Weilheim bereits seit Oktober 2017 bekannt gewesen. Es habe von der Beklagten verlangt werden können, hier Rücksprache mit der Agentur für Arbeit zu halten.
21
Die Klägerin habe sich seit September 2017 auf jedes von der Agentur benannte Stellenangebot beworben und ca. fünf Vorstellungsgespräche geführt. Erst nach einer Fortbildung sei die Vermittlung der Klägerin erfolgreich gewesen; sie sei seit dem 01.05.2019 neu beschäftigt.
22
Hinsichtlich des geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruchs behauptet die Klägerin, dass im Jahr 2017 noch 15,5 Urlaubstage offen gewesen seien; 14,5 Urlaubstage habe sie genommen.
23
Der Klägerin stehe schließlich die Bezahlung von 51,04 Stunden Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto zu. Am 17.08.2017 habe die Klägerin auf dem EDV-Bildschirm das Arbeitszeitguthaben von 51,04 Stunden gesehen.
24
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht zuletzt beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen Lohn zu bezahlen in Höhe von EUR 66.500,00 brutto, abzüglich auf die Agentur für Arbeit gem. § 115 SGB X übergegangener Ansprüche in Höhe von EUR 11.681,91 netto, abzüglich auf die Agentur für Arbeit gem. § 115 SGB X übergegangener Ansprüche in Höhe von EUR 6.918,00 netto zzgl. 5% Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus 3.500,00 seit 1.10.2017, aus 7.000,00 seit 1.11.2017, aus EUR 10.500,00 seit 1.12.2017, aus EUR 14.000,00 seit 1.1.2018, aus EUR 17.500,00 seit 1.2.2018, aus

EUR 21.000,00

seit

1.3.2018,

aus

EUR 24.500,00

seit

1.4.2018,

aus

EUR 28.000,00

seit

1.5.2018,

aus

EUR 31.500,00

seit

1.6.2018,

aus

EUR 35.000,00

seit

1.7.2018,

aus

EUR 38.500,00

seit

1.8.2018,

aus

EUR 42.000,00

seit

1.9.2018,

aus

EUR 45.500,00

seit

1.10.2018,

aus

EUR 49.000,00

seit

1.11.2019,

aus

EUR 52.500,00

seit

1.12.2018,

aus

EUR 56.000,00 seit 1.1.2019, aus EUR 59.500,00 seit 1.2.2019, aus EUR 63.000,00 seit 1.3.2019, aus EUR 66.500,00 seit 1.4.2019.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 8.642,33 brutto zzgl. 5% Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Klageerhebung zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.031,00 zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.
25
Die Beklagte hat beantragt,
Klageabweisung.
26
Die Beklagte hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, dass sie von einer Zumutbarkeit der Beschäftigung im Gasthof Z ausgehe, da die Klägerin dort ein Gehalt bei Einschluss des Trinkgeldes erhalten hätte, das ihr arbeitsvertragliches Gehalt überschritten hätte. Auch sei keine Arbeit an 7 Tagen, sondern in einer 5-Tage-Woche verlangt worden. Die Klägerin habe sich nach dem Gespräch am 03.12.2018 dafür entschieden, im Gasthof Z als Frühstückskraft und Zimmermädchen zu arbeiten. Dies habe sie Frau Y telefonisch am 03.12.2018 um 14:00 Uhr mitgeteilt. Frau Y habe der Klägerin gegenüber dargelegt, dass es sich hierbei ebenfalls um eine Prozessbeschäftigung handle. Am 04.12.2018 morgens habe die Klägerin auf den Vorhalt, keine hygienetaugliche Kleidung zu tragen, gemeint, die Beklagte müsse ihr die Arbeitskleidung stellen. Dies sei bei der Beklagten nicht der Fall und sei der Klägerin als ehemals für Qualitätssicherung zuständige Mitarbeiterin bekannt gewesen.
27
In dem Schreiben der Klägerin vom 11.12.2018 habe diese ihr Zurückbehaltungsrecht nicht wirksam ausgeübt, da der offene Betrag nicht klar gewesen sei, weil die Höhe des erhaltenen Arbeitslosengeldes nicht mitgeteilt worden sei. Darüber hinaus habe der Klägerin der Annahmeverzug in der behaupteten Höhe nicht zugestanden, da eine Prozessbeschäftigung möglich gewesen sei, in der die Klägerin pro Monat € 2.000,00 brutto zzgl. Trinkgelder in Höhe von mindestens € 50,00 täglich hätte erzielen können. Auch fehle Vortrag der Klägerin, warum sie Arbeitsangebote der Agentur für Arbeit seit September 2017 nicht angenommen habe. Die Klägerin sei für den streitigen Zeitraum nicht leistungsbereit gewesen. Sie habe zwar die Vollstreckung des Weiterbeschäftigungsantrags angedroht, dann aber die angebotene Arbeit nicht aufgenommen.
28
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Urlaubsabgeltungsanspruch nicht zu. Der Urlaubsanspruch für 2017 und 2018 sei verfallen, da die Klägerin die Gewährung nicht beantragt habe. Für das Jahr 2017 seien nur 14 Urlaubstage offen gewesen.
29
Sie beziehe sich auf das aus dem Zeitkontoausdruck vorhandene positive Guthaben von 31,37 Arbeitsstunden. Sie bestreite, dass der Klägerin am 17.08.2017 von der Mitarbeiterin Petra Hölle am Bildschirm 51,04 Stunden gezeigt worden seien.
30
Mit dem angegriffenen Endurteil hat das Arbeitsgericht wie folgt entschieden:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 3.500,00 brutto abzüglich € 1.178,20 netto Arbeitslosengeld zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 8.642,33 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 15.05.2019 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 633,44 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 15.05.2019 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte trägt 22,5% und die Klägerin 77,5% der Kosten des Rechtsstreits.
6. Der Streitwert wird auf € 57.573,42 festgesetzt.
31
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentliches Folgendes ausgeführt:
32
Die Klägerin habe Anspruch auf Urlaubsabgeltung und Anspruch auf Bezahlung eines Teils der geltend gemachten Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto, sowie Anspruch auf den - zweitinstanzlich nicht mehr streitbefangenen - Annahmeverzugslohn für den Monat September 2017.
33
Der Klägerin stehe für den Monat September 2017 ein Annahmeverzugsanspruch gemäß § 615 BGB in Höhe von € 3.500,00 brutto abzüglich € 1.178,20 netto erhaltenen Arbeitslosengeldes zu. Für diesen Monat habe die Klägerin unstreitig kein Gehalt bekommen und die Beklagte habe sich nach Ablauf der Kündigungsfrist und rechtskräftiger Entscheidung über die Unwirksamkeit der zum 31.08.2017 sowie zum 15.10.2017 ausgesprochenen Kündigungen seit 01.07.2017, ab dem kein Lohn an die Klägerin mehr bezahlt wurde, in Annahmeverzug befunden. Gemäß § 11 Ziffer 3 KSchG müsse sich die Klägerin das erhaltene Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.178,20 netto anrechnen lassen. Nachdem die Klägerin für den Zeitraum 01.07.2017 bis 23.06.2018 insgesamt € 11.681,91 netto Arbeitslosengeld erhalten habe, errechne sich hieraus für den Monat September 2017 ein anteiliges Arbeitslosengeld in Höhe von € 1.178,20.
34
Die Beklagte schulde keine Zinsen hierauf aus den §§ 286, 288 BGB, da von der Klägerin nicht vorgetragen worden sei, wann erstmals Arbeitslosengeld bezahlt worden sei.
35
Die weiter geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum vom Oktober 2017 bis zum März 2019 stünden der Klägerin nicht gemäß § 615 BGB zu, da sich die Klägerin unterlassenen Verdienst gemäß § 615 Satz 2 BGB sowie § 11 Ziffer 2 KSchG anrechnen lassen müsse. Nach beiden Bestimmungen sei zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar sei (BAG vom 16.06.2004 - 5 AZR 508/03). Eine Anrechnung komme auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber bestehe, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers im Verzug befinde.
36
Ob die Klägerin es böswillig unterlassen habe, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, indem sie der Arbeitsaufforderung der Beklagten nicht nachkam, sei nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zu beurteilen. Die Einwendung des § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG setze zunächst voraus, dass dem Arbeitnehmer die angebotene Arbeit zumutbar sei. Maßgebend seien die Umstände des Einzelfalls. Bei der Prüfung seien das dem Arbeitnehmer gemäß Art. 12 GG zustehende Grundrecht der freien Arbeitsplatzwahl sowie der Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten. Die Unzumutbarkeit der Arbeit könne sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie könne in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen ihren Grund haben (BAG, a. a. O.). Auch vertragsrechtliche Umstände seien zu berücksichtigen. Die Zumutbarkeit der neuen Arbeitsbedingungen im Rahmen des § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG sei nicht generell schon deshalb zu bejahen, weil Änderungsschutzklage erhoben worden sei. Der Maßstab des § 2 Satz 1 KSchG sei ein anderer als der des § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG, weil § 2 Satz 1 KSchG im Gegensatz zu § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG die betriebliche Situation bei den kündigenden Arbeitgebern entscheidend berücksichtige. Demgegenüber komme es bei § 11 Satz 1 Nr. KSchG in erster Linie auf die Verhältnisse des gekündigten Arbeitnehmers an.
37
Bei Anwendung dieser Grundsätze sei das Arbeitsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Klägerin die ab dem 01.10.2017 angebotene Beschäftigung als Servicekraft im Gasthof Z zumutbar gewesen sei. Zwar stelle die Beschäftigung als Servicekraft gegenüber der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit als Marketing- und Projektmanagerin eine statusmäßig niedrigere Position dar; auch seien die sonstigen Vertragsbedingungen zum Teil schlechter, da eine Verteilung der Arbeitszeit anders als arbeitsvertraglich geschuldet, auf 7 Tage in der Woche erfolgen sollte und mangels Regelung des Urlaubsanspruchs nur vom Mindesturlaub auszugehen gewesen sei. Hinsichtlich des Arbeitsentgeltes sei ein niedrigerer Festlohn mit Aussicht auf Trinkgeldzahlungen angeboten worden. Die Verschlechterung der sonstigen Arbeitsbedingungen sehe das Gericht hier als weniger schwerwiegend und mache für sich betrachtet das Angebot der Beklagten nicht unzumutbar. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts sei der unbestrittene Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin bereits im Gütetermin zur Kündigung vom 31.07.2017 auf den Vorrang einer Änderungskündigung verwiesen habe, nachdem die Stelle als Servicekraft bei der Beklagten frei gewesen sei. Im weiteren Kündigungsschutzprozess habe die Klägerin dann vorgetragen, dass sie eine Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hätte und dazu ausgeführt, dass die Klägerin sich auch für die Stelle geeignet hätte. Schließlich habe die Klägerin dann das Änderungsangebot der Beklagten vom 11.12.2018, nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung als Zimmermädchen und Frühstückskraft zu arbeiten, unter Vorbehalt angenommen. Aus diesem Verhalten der Klägerin schließe das Gericht, dass sie selbst die Beschäftigung als Servicekraft/Frühstückskraft/Zimmermädchen - die alle statusmäßig unter der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit als Marketing- und Projektmanagerin lägen - für sich als zumutbar ansehe. Nachdem das Bundesarbeitsgericht, dessen Erwägungen das Arbeitsgericht folge, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der angebotenen Tätigkeit maßgeblich auf die Verhältnisse des gekündigten Arbeitnehmers abstelle, komme der Einschätzung der Klägerin ein besonderes Gewicht zu. Soweit die Klägerin argumentiere, sie hätte ein Änderungsangebot 2017 und habe das Änderungsangebot aufgrund der Änderungskündigung vom 11.12.2018 unter Vorbehalt angenommen, um weiterhin in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis zu sein, nachdem sie vor der Beschäftigung bei der Beklagten längere Zeit arbeitslos gewesen sei, so spreche dies nicht gegen die Unzumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung im Annahmeverzugszeitraum, da auch ein Prozessarbeitsverhältnis ein reguläres sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis darstelle und die Klägerin diesbezüglich keine Nachteile erlitten hätte.
38
Die Klägerin müsse sich nach § 11 Ziffer 2 KSchG den angebotenen Verdienst von € 2.000,00 brutto sowie arbeitstägliches Trinkgeld von 50,00 € bis 90,00 € netto anrechnen lassen, sodass der arbeitsvertraglich geschuldete Lohn von € 3.500,00 brutto erreicht sei. Die Klägerin habe die von Beklagtenseite substantiiert vorgetragene Möglichkeit, arbeitstägliches Trinkgeld zu erzielen, nicht bestritten.
39
Für den Zeitraum vom 04.12.2018 bis zum 11.12.2018 bestehe zur Überzeugung des Arbeitsgerichts kein Annahmeverzugsanspruch, da auch für diesen Zeitraum die Klägerin die Annahme zumutbarer Arbeit bei der Beklagten böswillig unterlassen habe (§ 615 BGB, § 11 Ziffer 2 KSchG). Nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, in der die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 31.07.2017 und 14.09.2017 bestätigt worden sei (28.11.2018), hätten sich die Parteien zur Überzeugung des Gerichts darüber verständigt, dass die Klägerin als Servicekraft ab dem 04.12.2018 bei der Beklagten eingesetzt werde. Die Beklagte habe hierzu behauptet, dass man sich am 03.12.2018 wegen des Einsatzes der Klägerin besprochen habe und die Klägerin am selben Tag telefonisch ihr Einverständnis als Servicekraft zu arbeiten mitgeteilt habe. Die Klägerin habe zwar bestritten, ihr telefonisches Einverständnis gegeben zu haben, doch sei sie am 04.12.2018 um 6:00 Uhr morgens im Gasthof Z erschienen. Hieraus könne nur der Schluss gezogen werden, zumal sich die Verwaltung der Beklagten, in der die Klägerin als Objekt- und Marketingmanagerin gearbeitet habe, an einem anderen Ort (C Straße in C-Stadt) befinde, dass man sich auf eine Arbeit im Gasthof verständigt gehabt habe. Die Klägerin selbst habe zum Inhalt des Gesprächs am 03.12.2018 keine Angaben gemacht. Nach § 138 Abs. 4 ZPO hätte sie sich nicht auf ein Bestreiten des Beklagtenvortrags beschränken dürfen, da sie aus eigener Wahrnehmung den Inhalt des Gesprächs kenne.
40
Ein Annahmeverzugsanspruch der Klägerin für den Zeitraum vom 12.12.2018 bis zum 31.03.2019 sei nicht gemäß § 615 BGB gegeben, da die Klägerin ihre Arbeitsleistung nicht angeboten habe und ihr kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zugestanden habe. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB müsse, um Rechtswirkungen entfalten zu können, geltend gemacht werden. Dem Gläubiger müsse deutlich gemacht werden, aufgrund welcher konkret nachprüfbarer Gegenforderungen die Leistung vorläufig nicht erbracht werde (BAG vom 19.01.2016 - 2 AZR 449/15). Dementsprechend müsse der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so werde dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen. Ein Arbeitnehmer könne das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung ausüben, wenn er einen fälligen Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber erworben habe und der Arbeitgeber diesen nicht erfülle. Die Klägerin habe zwar mit Schreiben vom 11.12.2018 ein Zurückbehaltungsrecht erklären lassenmit dem Hinweis, dass für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis zum 30.11.2018 offener Arbeitslohn in Höhe von € 52.500,00 brutto abzüglich auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche sowie offene Überstundenvergütung bestehe. Da der Klägerin aber zum einen, wie zuvor erläutert, nur ein Annahmeverzugsanspruch in Höhe eines Monatslohns abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes zustehe und zum anderen die Beklagte die Höhe der geschuldeten Forderung nicht prüfen und entsprechend zur Auszahlung habe bringen können, habe die Klägerin ihr Zurückbehaltungsrecht nicht wirksam ausgeübt. Nachdem die Klägerin für einen Zeitraum ab 01.09.2017 Arbeitslosengeld erhalten habe, hätte sie, auch wenn der entsprechende Bescheid über die erfolgte Zahlung erst auf den 27.12.2018 datiere, anhand der erhaltenen Zahlungen diese konkret beziffern und von den geltend gemachten Bruttolöhnen in Abzug bringen können.
41
Der Klägerin stehe gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG Urlaubsabgeltung für 55 Urlaubstage in Höhe von € 8.642,33 brutto zu. Der Klägerin stehe laut Arbeitsvertrag ein Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen pro Jahr zu. Dies ergebe für das Jahr 2018 30 Urlaubstage, für das Jahr 2019 gemäß § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG acht Urlaubstage. Für das Jahr 2017 stünden der Klägerin entsprechend ihren Angaben 15,5 Urlaubstage zur Abgeltung zu. Zwar behaupte die Beklagte, dass für das Jahr 2017 nur 14 Tage offen seien, doch sei die hierfür darlegungsund beweispflichtige Beklagte beweisfällig geblieben. Die Frage der offenen Urlaubstage entscheide sich bei unstreitiger Anzahl der Jahresurlaubstage danach, wie viele Urlaubstage tatsächlich eingebracht worden seien. Hierfür sei die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.
42
Die Urlaubstage seien weder für das Jahr 2017 noch für das Jahr 2018 verfallen und deshalb wie der anteilige Urlaub 2019 abzugelten.
43
Ein Verfall des Urlaubsanspruches gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG sei nicht eingetreten. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 29.11.2017 - C-214/16 sowie vom 06.11.2018 - C684/16) hätte die Beklagte die Klägerin auf den drohenden Verfall von Urlaub hinweisen müssen. Der Arbeitgeber sei rechtlich auch nicht gehindert, einem Arbeitnehmer in einem unwirksam gekündigten und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis vorsorglich Urlaub zu erteilen. Dies gelte auch dann, wenn ein Kündigungsrechtsstreit geführt werde (BAG vom 13.12.2011 - 9 AZR 420/10).
44
Der Klägerin stehe gemäß § 612 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag die Bezahlung von 31,37 Arbeitsstunden in Höhe von € 633,44 brutto zu. Die Klägerin habe zwar behauptet, ihr stünde die Bezahlung von 51,04 Stunden zu und sich dafür darauf bezogen, dass sie am 17.08.2018 am EDV-Bildschirm in der Verwaltung der Beklagten dies gesehen habe. Die Beklagte habe aber einen Ausdruck aus dem Zeitkonto, Stand Ende August 2018, vorgelegt, wonach 31,37 Stunden Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto bestehe. Als ausschlaggebend erachte das Gericht den Ausdruck, Stande Ende August 2017, zumal die Klägerin nicht behauptet habe, dass der 17.08.2017 den Endstand ihres Arbeitszeitkontos darstelle. Die erste Kündigung sei zum 31.08.2017 ausgesprochen worden.
45
Ergänzend wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Endurteils Bezug genommen.
46
Gegen diese Entscheidung, die ihr am 13.11.2019 zugestellt wurde, wendet sich die Klägerin mit ihrer am 13.12.2019 eingelegten und am 13.02.2020 innerhalb verlängerter Frist begründeten Berufung.
47
Die Beklagte, der die Berufungsbegründung am 19.02.2020 zugestellt wurde, hat mit Schriftsatz vom 17.03.2020, der am selben Tage eingegangen ist, Anschlussberufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
48
Die Klägerin bringt zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen Folgendes vor:
49
Die Klägerin habe noch Anspruch auf weiteren Annahmeverzugslohn in Höhe von € 63.000,- brutto (18 Monate zwischen Oktober 2017 bis März 2019 x € 3.500,00) abzgl. auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche in Höhe von insgesamt € 17.421,71 netto sowie auf Zinsen ab dem 01.11.2017, weil die Agentur für Arbeit erstmals Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 01.07.2017 bis zum 23.06.2017 am 01.09.2017 bezahlt habe, wie der Bestätigung gemäß Anlage BK 5 zu entnehmen sei.
50
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht angenommen, die Klägerin habe sich in der Zeit vom 01.10.2017 bis zum 04.12.2017 böswillig unterlassenen Zwischenverdienst anrechnen zu lassen. Es habe verkannt, dass der Klägerin am 29.09.2017 lediglich ein unbefristeter Prozessbeschäftigungsvertrag angeboten worden sei, und es sei aus unzutreffenden Erwägungen zur Fiktion gelangt, die Klägerin habe eine Beschäftigung als Servicekraft, Frühstückskraft und Zimmermädchen für sich als zumutbar angesehen.
51
Die Beklagte habe der Klägerin unter dem 29.09.2017 einen von ihr bereits unterzeichneten Prozessbeschäftigungsvertrag lediglich per Telefax angeboten (vgl. Anlage BK 6). Da § 14 Abs. 4 TzBfG für eine wirksame Zweckbefristung die Schriftform verlange, wäre bei Gegenzeichnung und Rückleitung durch die Klägerin die Zweckbefristung nicht wirksam vereinbart worden, sondern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den schlechteren Konditionen, und zwar neben dem originären Arbeitsvertrag vom 27.09.2016, entstanden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts (vgl. S. 14 d. Ersturteils) hätte eine Unterzeichnung massive Nachteile für die Klägerin zur Folge gehabt. Die Rückkehr an den alten Arbeitsplatz wäre faktisch unmöglich geworden.
52
Bestritten werde der Vortrag der Beklagten, die Klägerin hätte davon ausgehen müssen, dass bei einem entsprechenden Vorhalt hinsichtlich der Formbedürftigkeit bei Arbeitsantritt eine Gegenzeichnung des Telefax erfolgt wäre. Im Übrigen unterschlage die Beklagte, dass die Klägerin sie auf die Einhaltung der Formvorschriften überobligationsmäßig mit Telefax vom 02.10.2017 aufmerksam gemacht habe. Entgegen der Auffassung der Beklagte habe die Klägerin der Beklagten nicht mitteilen müssen, dass sie mit dem Angebot einer Beschäftigung vom 29.09.2017 einverstanden gewesen wäre, wenn eine beidseits unterzeichnete Originalurkunde erstellt würde. Nachdem die Regelung in § 11 Nr. 2 KSchG eine für den Arbeitgeber günstigere Rechtsfolge bewirke, sei es selbstverständlich von der Beklagten zu verlangen gewesen, der Klägerin einen formal und inhaltlich zumutbaren Prozessbeschäftigungsarbeitsvertrag vorzulegen.
53
Das Arbeitsgericht habe auch verkannt, dass in dem angebotenen Prozessbeschäftigungsvertrag (Anlage BK 6) Trinkgeldzahlungen als Sachbezugsanspruch nicht vorgesehen gewesen seien, womit sich das monatliche Gehalt der Klägerin von € 3.500,00 brutto auf € 2.000,00 verschlechtert hätte. Ferner habe im originären Arbeitsvertrag eine 5-Tage-Woche gestanden, im angebotenen Prozessbeschäftigungsarbeitsvertrag sei eine 7-Tage-Woche abgebildet gewesen. Im originären Arbeitsvertrag sei ein Urlaubsanspruch von sechs Wochen im Jahr zugebilligt gewesen, im angebotenen Prozessbeschäftigungsarbeitsvertrag nur von vier Wochen pro Jahr. Der Status der Klägerin hätte sich von einer Akademikerin hin zu einer Arbeiterin verschlechtert.
54
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht fingiert (vgl. S. 14 d. Ersturteils), die Klägerin habe in der Zeit vom 01.10.2017 bis zum 04.12.2017 eine Prozessbeschäftigung als Servicekraft „für sich als zumutbar angesehen“. Für diese Fiktion existierten weder sachliche noch rechtliche Anknüpfungstatsachen. Fehlerhaft habe das Arbeitsgericht unterstellt, die Parteien hätten bereits in der Güteverhandlung am 21.09.2017 über den Vorrang einer Änderungskündigung gesprochen. Die Klägerin habe die Thematik vielmehr erstmals in ihrem Schriftsatz vom 08.01.2018 angesprochen. Der Vortrag der Beklagten zum Verlauf der Güteverhandlung am 21.09.2017 sei unrichtig. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Beklagte hierzu im Schriftsatz vom 25.01.2018 geäußert habe, die Klägerin sei für den angesprochenen Arbeitsplatz als „Servicekraft in Vollzeit (m/w)“ mangels Ausbildung und Berufserfahrung nicht geeignet. Die ausgeschriebene Stelle sei mit der der Klägerin unter dem 29.09.2017 als Prozessbeschäftigung angebotenen Stelle nicht gleichzusetzen. Unberücksichtigt habe das Arbeitsgericht fehlerhaft auch gelassen, dass die Beklagte weiter ausgeführt habe, die der Klägerin angebotene Arbeitsstelle habe weder bei Ausspruch der Kündigung noch beim Angebot vom 29.09.2017 existiert; es seien rein prozessuale Erwägungen der Grund gewesen, so zu verfahren. Weiter habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 07.03.2018 behauptet, bei Kündigung habe kein freier Arbeitsplatz für eine Servicekraft mit oder ohne Fachausbildung existiert. Ob die von der Klägerin unter dem 01.08.2018 angesprochene Stelle überhaupt existiert habe, sei im Kündigungsschutzverfahren bis zuletzt streitig geblieben. Mit ihrem Schriftsatz vom 22.05.2019 habe die Klägerin dargestellt, warum sie eine Änderungskündigung auf die Tätigkeit einer „Servicekraft in Vollzeit (m/w)“ zwar als massiv statusverschlechternd empfinde, sie eine Änderungskündigung gleichwohl unter Vorbehalt angenommen hätte: Die Annahme unter Vorbehalt wäre zur Sicherung von Bestandschutz und von Anwartschaftszeiten in der Arbeitslosenversicherung vor dem Hintergrund vorangegangener Arbeitslosigkeit erfolgt. Der Vortrag der Klägerin im Kündigungsschutzverfahren habe der Abwehr der Beendigungskündigungen gedient. Mit keinem Wort habe sie eingeräumt, die im Rahmen der Prozessbeschäftigung angebotene Tätigkeit sei adäquat oder zumutbar. Sie schätze die ihr angebotenen Tätigkeiten auch heute als nicht zumutbar ein. Soweit das Arbeitsgericht auf die persönliche Einschätzung des Arbeitnehmers abgestellt habe, habe es die Einschätzung der Klägerin verkannt. Es habe auch zwei getrennt zu betrachtende Vertragsverhältnisse, nämlich das originäre Arbeitsverhältnis und das nicht realisierte Vertragsverhältnis gemäß Angebot vom 29.09.2017, vermengt und sei deshalb zu sachfremden Ergebnissen gekommen. Eine etwaige Änderungskündigung des originären Vertrages hätte sie zur Bestandsicherung unter Vorbehalt angenommen; hinsichtlich des nicht realisierten Beschäftigungsvertrages hätte sie eine Beschäftigung auf Arbeiterniveau als unzumutbar empfunden. Ein Widerspruch liege darin entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht. Irrtümlich habe das Arbeitsgericht das originäre Arbeitsverhältnis und die (nicht realisierte) Prozessbeschäftigung gleichgesetzt, obwohl der Arbeitsvertrag das wechselseitige Synallagma beschreibe und die Prozessbeschäftigung nur der Minimierung des Annahmeverzugsrisikos diene. Darum könnten Erklärungen der Klägerin bezüglich des originären Arbeitsverhältnisses ihr nicht im Rahmen der Zumutbarkeitsbeurteilung einer vertraglichen Prozessbeschäftigung als widersprüchlich entgegengehalten werden. - Wegen der Erwägungen der Klägerin im Einzelnen wird auf Bl. 17 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 462 ff. d. A.) verwiesen.
55
Die Statusverschlechterung und die Gehaltsreduzierung legten eine Unzumutbarkeit der angebotenen Prozessbeschäftigung nahe. - Auf Seite 16 ff. d. Berufungsreplik vom 15.05.2020 (Bl. 626 ff. d. A.) wird Bezug genommen.
56
Die Klägerin meint weiter, das Arbeitsgericht habe bei seiner Zumutbarkeitsprüfung auch nicht berücksichtigt, dass die Beschäftigung der Klägerin als Servicekraft als Demütigung gedacht bzw. hierzu geeignet gewesen sei. Da fast alle ihre Kollegen vor allem mittags, aber auch sonst im Gasthof gegessen hätten, hätte sie diese bedienen müssen. Dies habe das Arbeitsgericht unberücksichtigt gelassen. Die Art der Arbeit und vertragsrechtliche Umstände sprächen gegen die Zumutbarkeit. Die Maßstäbe des § 2 S. 1 KSchG und des § 11 Nr. 2 KSchG seien unterschiedlich. Die Frage habe das Arbeitsgericht zwar zutreffend dargestellt, jedoch dann sachfremde Kriterien in die Zumutbarkeitsprüfung eingestellt.
57
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auch angenommen, die Klägerin hätte Trinkgeld von € 50 - 90 erzielt und müsse sich dies als Zwischenverdienst anrechnen lassen. Es werde bestritten, dass die Klägerin eine derartige Erwerbschance gehabt hätte. Im Übrigen sei im angebotenen Prozessarbeitsvertrag auch nicht vorgesehen gewesen, dass Trinkgeld einen Sachbezug/Naturalbezug darstelle. Mangels einer derartigen Vereinbarung unterfalle es auch nicht der Anrechenbarkeit nach § 11 Nr. 2 KSchG. Eine Schätzung des erzielbaren Trinkgeldes nach § 287 Abs. 2 ZPO komme nicht in Betracht; der Norm sei keine allgemeine Befugnis zur Schätzung zu entnehmen.
58
Auch für den Zeitraum vom 04.12.2018 bis zum 11.12.2018 habe das Arbeitsgericht zu Unrecht angenommen, böswillig unterlassener Zwischenverdienst sei anzurechnen. Das Landesarbeitsgericht habe mit Urteil vom 28.11.2018 - 5 Sa 2016/18 die Verurteilung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen bestätigt. Als die Klägerin aufgefordert worden sei, sich am 03.12.2018 um 9.00 Uhr zur Besprechung der Einsatzmöglichkeiten einzufinden, sei ihr entgegen ihren Erwartungen mitgeteilt worden, ihre ursprüngliche Tätigkeit könne ihr nicht mehr angeboten werden, da diese durch die Kündigung im Juli 2017 weggefallen sei. Sie könne zwischen dem Ausfahren von Essenskisten, einer Tätigkeit als Zimmermädchen im Gasthof oder als Assistentin der Geschäftsführung wählen; sie möge bis zum Mittag Bescheid geben. Am 04.12.2018 sei ihr dann ein Arbeitsvertrag für eine Prozessbeschäftigung als „Frühstückskraft und Zimmermädchen“ angeboten worden, was die Klägerin erstaunt habe. Diesen habe die Klägerin nicht unterzeichnet, sondern die Räumlichkeiten der Beklagten verlassen. Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den Schluss gezogen, das Erscheinen der Klägerin am 04.12.2018 um 6.00 Uhr sei ein Indiz für eine Einigung der Parteien über eine Tätigkeit als Servicekraft. Der Arbeitsantritt am 04.12.2018 um 6.00 Uhr habe auch nicht indiziert, dass die Zimmermädchentätigkeit akzeptiert worden sei. Die Klägerin habe Frau Y zu keinem Zeitpunkt darüber informiert, dass sie eine derartige Stelle antreten wolle. Richtigerweise sei die Klägerin davon ausgegangen, dass sie nun entsprechend dem rechtskräftig ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruch beschäftigt werde. Bei dem Telefonat am 03.12.2018 habe sie Frau Y auch entsprechend verstanden. Für die Annahme einer Beschäftigung aufgrund eines mündlichen unbefristeten Prozessbeschäftigungsvertrages sei kein Raum, die Ausführungen des Arbeitsgerichts auf Seite 15 seines Urteils seien fehlerhaft. - Wegen der Einzelheiten der klägerischen Ausführungen wird auf Seite 31 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 476 ff. d. A.) Bezug genommen.
59
Das Angebot der Beschäftigung als Servicekraft/Frühstückskraft/Zimmermädchen habe nach ihrer Auffassung der Schikane gedient. - Wegen der Einzelheiten wird auf Seite 4 ff. des Schriftsatzes vom 25.06.2020 (Bl. 670 ff. d. A.) Bezug genommen.
60
Die Klägerin macht weiter geltend, für den Zeitraum vom 12.12.2018 bis zum 31.03.2019 habe das Arbeitsgericht (auf S. 15 f. des Ersturteils) zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin kein Annahmeverzugslohn zustehe, weil sie ihre Arbeitskraft nicht angeboten und ihr kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zugestanden habe. Richtigerweise habe sie ihre Arbeitskraft angeboten; sie habe aufgrund der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung einen Anspruch darauf gehabt, entsprechend ihrem ursprünglichen Arbeitsvertrag beschäftigt zu werden. Auf eine Weiterbeschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung habe sie sich nicht einlassen müssen. Sie habe ihre Arbeitsleistung verzugsbegründend dadurch angeboten, dass sie die Beschäftigung zu unveränderten Bedingungen durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.12.2018 (Anl. BK 11) verlangt habe. Dadurch sei das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung wirksam ausgeübt worden. Dass der als Arbeitslosengeld II gezahlte Betrag keine Erwähnung gefunden habe, könne nicht schaden, da jedenfalls mehr als ein Bruttomonatsgehalt offen gewesen sei. Und es sei ausgeführt worden, dass vom Bruttosaldo Abzüge wegen Leistungen der Agentur für Arbeit vorzunehmen seien. Eine konkretere Bezifferung sei der Klägerin zum einen nicht möglich gewesen, zum anderen hätte die Beklagte den Abzugsbetrag selbstständig eruieren können. Die Darstellung des offenen Annahmeverzugslohns sei mithin ausreichend gewesen, um der Beklagten eine Abwendung des Zurückbehaltungsrechts zu ermöglichen. Es sei erkennbar gewesen, was zu dessen Abwendung von der Beklagten verlangt worden sei. Das Zurückbehaltungsrecht habe die Klägerin also wirksam ausgeübt; auf Seite 20 ff. der Berufungsreplik (Bl. 630 ff. d. A.) wird ergänzend Bezug genommen. Auch der für den Annahmeverzug nötige Leistungswille habe durchaus bestanden, jedoch erst nach Bedienung des aufgelaufenen, erheblichen Lohnrückstands.
61
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht der Klägerin lediglich € 633,44 brutto als Abgeltung für 31,37 Plusstunden auf ihrem Arbeitskonto zugesprochen. Richtigerweise wären weitere 19,67 Plusstunden zu berücksichtigen gewesen, was einem Betrag von € 397,49 brutto entspreche. Auch dieser werde mit der Berufung weiterverfolgt. Sie habe erstinstanzlich ausreichend vorgetragen, dass die Beklagte behauptet habe, der Plussaldo habe am 31.08.2017 51,04 Stunden betragen. De Klägerin vom 26.07.2017 bis 31.08.2017 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Am 17.08.2017 habe sie den Betrieb aufgesucht, um den Schlüssel abzugeben, und sie habe dabei von einer Kollegin die Auskunft erhalten, dass sie einen Plusstundensaldo von 51,04 Stunden gehabt habe. Dies habe die Klägerin auch dem Bildschirm entnehmen können. Zwischen dem Tag der Einsichtnahme am 17.08.2017 und dem 31.08.2017 habe sich wegen der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit keine Änderung ergeben können, was das Erstgericht übersehen haben dürfte. Dem behaupteten Abzug von 19,67 Stunden für Mittagspausen sei sie mit dem Argument entgegengetreten, dass ein derartiger Abzug nicht vereinbart gewesen und damit unzulässig sei. Dem sei die Beklagte nicht ausreichend entgegengetreten. Ein zu Gunsten der Klägerin bestehendes Zeitguthaben von 51,04 Stunden gelte damit als zugestanden. - Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Klägerin auf den Seiten 36 - 39 der Berufungsbegründung (Bl. 481 - 484 d. A.) verwiesen.
62
Die Anschlussberufung der Beklagten könne keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht habe der Klägerin zu Recht die Abgeltung des Urlaubs in beantragter Höhe zugesprochen. Es sei letztlich unstreitig, dass der Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.03.2019 55 Arbeitstage betragen habe. Dieser Anspruch sei nicht erfüllt worden, nicht verfallen und auch sonst nicht erloschen. Eine (vorsorgliche) Urlaubserteilung durch die Beklagte in den Urlaubsjahren 2017, 2018 und 2019 nach dem Zugang der ersten Kündigung vom 31.07.2017 sei nicht erfolgt. Die Kündigungen habe die Klägerin auch nicht als endgültige Erfüllungsverweigerung verstehen müssen. Die Klägerin sei in den genannten drei Urlaubsjahren auch nicht auf den drohenden Verfall offener Urlaubsansprüche hingewiesen worden, wie nach der Rechtsprechung des EuGH und des BAG (Urt. v. 19.02.2019 - 9 AZR 423/16) erforderlich sei. Der Argumentation der Beklagten, das Urteil des Arbeitsgerichts weiche von der zitierten Rechtsprechung ab, sei nicht zu folgen. Diese Rechtsprechung betreffe nicht nur unstreitig fortbestehende Arbeitsverhältnisse, wie die Beklagte meine. Unzutreffend nehme die Beklagte an, eine Prozessbeschäftigung hätte der Klägerin die Möglichkeit geboten, Urlaub zu nehmen. Eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses hätte es nicht bedurft, um den Urlaubsanspruch der Klägerin zu bedienen. Denn die Beklagte hätte den Urlaub vorsorglich erteilen können, also außerhalb eines Prozessbeschäftigungsarbeitsverhältnisses. Eine nachträgliche Anrechnung von Urlaub auf die Ansprüche aus Annahmeverzug komme nicht in Betracht. Soweit die Beklagte damit argumentiere, es bestehe kein Einheitsanspruch aus der Freistellung von der Arbeit und Urlaubsentgelt, übersehe sie, dass das BAG mit Urteil vom 10.02.2015 - 9 AZR 455/13 - den sogenannten Einheitsanspruch anerkannt habe.
63
Dass die Klägerin im April 2018 mit Zustimmung der Arbeitsagentur für eine Woche nicht erreichbar im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 1 EAO gewesen sei, habe systematisch mit dem Urlaubsanspruch nichts zu tun und führe nicht zu dessen Anrechenbarkeit. Das Arbeitsgericht habe der Klägerin die Urlaubsabgeltung zu Recht zugesprochen.
64
Die Klägerin beantragt,
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16.10.2019 - Az.: 7 Ca 304/19 abgeändert.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen Lohn zu bezahlen in Höhe von EUR 63.000,- brutto, abzüglich auf die Agentur Arbeit gemäß § 115 SGB X übergegangener Ansprüche in Höhe von EUR 10.503,71 netto, abzüglich auf die Agentur Arbeit gemäß § 115 SGB X übergegangener Ansprüche in Höhe von EUR 6.918,00 netto zzgl. 5%-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB aus EUR 3.500,00 seit 01.11.2017, aus EUR 7.000,00 seit 01.12.2017, aus EUR 10.500,00 seit 01.01.2018, aus EUR 14.000,00 seit 01.02.2018, aus EUR 17.500,00 seit 01.03.2018, aus EUR 21.000,00 seit 01.04.2018, aus EUR
24.500,00 seit 01.05.2018, aus EUR 28.000,00 seit 01.06.2018, aus EUR
31.500,00 seit 01.07.2018, aus EUR 35.000,00 seit 01.08.2018, aus EUR
38.500,00 seit 01.09.2018, aus EUR 42.000,00 seit 01.10.2018, aus EUR
45.500,00 seit 01.11.2018, aus EUR 49.000,00 seit 01.12.2018, aus EUR
52.500,00 seit 01.01.2019, aus EUR 56.000,00 seit 01.02.2019, aus EUR 59.500,00 seit 01.03.2019 und aus EUR 63.000,00 seit 01.04.2019.
2. Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin EUR 397,56 zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 15.05.2019 (Klageerhebung) zu bezahlen.
65
Die Klägerin beantragt weiter,
die Anschlussberufung der Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
66
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16.10.2019 - Az.: 7 Ca 304/19 wird zurückgewiesen.
und im Wege der Anschlussberufung:
67
Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Az.: 7 Ca 304/19, vom 16.10.2019 wird abgeändert und der Klageantrag Ziff. 2.) gerichtet auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von EUR 8.642,33 wird abgewiesen.
68
Die Beklagte macht geltend, die Berufungsangriffe der Klägerin könnten nicht zur Abänderung des Ersturteils zu ihren Gunsten führen.
69
Zu Unrecht berufe sich die Klägerin auf einen Formmangel des Prozessbeschäftigungsangebots vom 29.09.2017. Im Rahmen der Obliegenheit gemäß § 11 S. 1 Ziff. 2 KSchG werde von der Klägerin mehr verlangt, als einem Arbeitsangebot wegen einer angeblichen formalen Fehlerhaftigkeit nicht näher zu treten. Sie hätte auf eine Gegenzeichnung durch die Beklagte beim Arbeitsantritt bestehen bzw. darauf hinweisen müssen; die Klägerin sei aber vorsätzlich untätig geblieben. Sie habe davon ausgehen müssen, dass bei einem entsprechenden Vorhalt eine Gegenzeichnung erfolgt wäre. Da die Klägerin in Ihrem Schreiben vom 02.10.2017 auch weitere Ablehnungsgründe aufgeführt habe, habe es auch keinen Sinn gemacht, der Klägerin das Angebot erneut mit Originalunterschrift zu unterbreiten.
70
Zu Unrecht und unbehelflich mache die Klägerin geltend, der Tatbestand des Ersturteils sei insoweit falsch, als dort festgehalten werde, dass sich die Klägerin in der Güteverhandlung am 21.09.2017 hinsichtlich der Kündigungen aus dem Jahr 2017 auf dem Vorrang der Änderungskündigung berufen habe. Die Darstellung der Klägerin zum Verlauf der Güteverhandlung am 21.09.2017 sei im Wesentlichen falsch. Richtig sei, dass der Klägervertreter auf die Weiterbeschäftigung als Servicekraft entsprechend einem mitgebrachten Inserat verwiesen habe. Gerade deshalb sei der Klägerin die Stelle einer Servicekraft im Rahmen einer Prozessbeschäftigung angeboten worden. Die der Klägerin angebotene Stelle habe ursprünglich nicht existiert, sondern sei geschaffen worden. Die Beklagte habe sich dazu entschlossen, als Daueraushilfen regelmäßig angeforderte Servicekräfte nicht mehr einzusetzen, sondern an deren Stelle die Klägerin. Die Ablehnung des Beschäftigungsangebots sei mit ihrer Argumentation zur Unwirksamkeit der Kündigung nicht vereinbar.
71
Erst mit Schriftsatz vom 22.05.2019 habe die Klägerin einen unzumutbaren Statusverlust in Folge einer Annahme der angebotenen Stelle geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte keine Möglichkeit mehr gehabt, sich hierüber Gedanken zu machen. Unrichtig sei, dass die Klägerin die Mitarbeiter der Beklagten beim Mittagessen hätte bedienen müssen.
72
Die Behauptung der Klägerin, sie habe die Prozessbeschäftigung abgelehnt, weil die dort abgebildeten Vertragsbedingungen einer massiven Statusverschlechterung gleichgekommen wären, sei nicht richtig. Es hätte sich auch ein Weg gefunden, dass die Klägerin ihre Kollegen beim Abendessen nicht als Servicekraft hätte bedienen müssen. Das Angebot als Servicekraft/Frühstückskraft/Zimmermädchen habe auch nicht der Schikane der Klägerin dienen sollen. Die Klägerin hätte im aktiven Prozessbeschäftigungsverhältnis Trinkgeld eingeworben. Dieses stelle einen nach § 11 KSchG anrechenbaren Zwischenverdienst dar.
73
Deutlich zu machen sei, dass die Klägerin stets vorgetragen habe, dass sie das streitgegenständliche Beschäftigungsangebot als Teil einer Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hätte. Sie hätte die anfallenden Tätigkeiten ohne den Einwand der Unzumutbarkeit erbracht. Im Hinblick auf ihre Obliegenheit, einen auf Seiten der Beklagten entstehenden Schaden möglichst gering zu halten, sei die Ablehnung der Tätigkeit als Servicekraft/Zimmermädchen nicht zu begründen, wenn sie ausgeübt worden wäre, falls sie im Rahmen der Änderungskündigung angeboten worden wäre. In dieser Konstellation habe die Obliegenheit der Klägerin bestanden, das Prozessbeschäftigungsverhältnis ohne Wenn und Aber anzunehmen, um den Schaden bei der Beklagten möglichst gering zu halten. Die Klägerin sei nicht schützenswert, weil sie erklärt habe, sie hätte die Tätigkeit in dem Fall ausgeübt, dass sie ihr im Rahmen einer Änderungskündigung angetragen worden wäre.
74
Für die Beantwortung der Frage, wie weit die Obliegenheit der Klägerin zur Schadensbegrenzung reiche, sei ihre persönliche Einschätzung der Zumutbarkeit entscheidend.
75
Die Geschehnisse am 03.12.2018 und am 04.12.2018 würden von der Klägerin unzutreffend dargestellt. Es sei absurd, sich auf einen Beschäftigungsbeginn im Gasthof um 6:00 Uhr zu verabreden, wenn man glaube, als Assistentin der Geschäftsführung an einem anderen Beschäftigungsort mit einem üblichen Arbeitsbeginn um 9:00 Uhr weiterbeschäftigt zu werden. Frau Y sei von der Klägerin dahin informiert worden, dass sie die Stelle eines Zimmermädchens antreten wolle. Die Klägerin habe gegen die Obliegenheit des § 11 Ziffer 2 KSchG verstoßen, sodass der entgangene Verdienst anzurechnen sei. Die Norm sei vom Gebot der Rücksichtnahme gegenüber dem Vertragspartner getragen, wie das BAG in seinem Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 508/03 ausgeführt habe. Der aus Sicht der Klägerin geringere Verdienst sei kein tragfähiger Ablehnungsgrund gewesen. Das Gleiche gelte für den geringeren Urlaubsanspruch.
76
Für den Fall, dass die Klägerin aufgrund des Schreibens zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erschienen wäre, wäre sie wohl in irgendeiner Form als Assistentin der Frau Y eingesetzt worden. Das Nichterscheinen der Klägerin nach dieser Aufforderung sehe sie in erster Linie als eine Frage der Leistungsbereitschaft der Klägerin an, und zwar bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und nicht auf eine etwaige Prozessbeschäftigung.
77
Auch die Einwände der Klägerin hinsichtlich der Verneinung des Zurückbehaltungsrechts könnten nicht durchgreifen. Es seien keine Hinderungsgründe dafür ersichtlich, die von der Agentur für Arbeit erhaltenen Zahlungen zu addieren und mitzuteilen. Im Übrigen zeige die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts zu einem Zeitpunkt, zu dem die vertragsgerechte Beschäftigung nach dem ausgeurteilten Weiterbeschäftigungsanspruch angeboten worden sei, dass ein Leistungswille der Klägerin nicht vorhanden gewesen sei. Wenn die Klägerin vortrage, der Beschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nicht nachkommen zu müssen, bestätige dies ihren fehlenden Leistungswillen.
78
Erst mit Schriftsatz vom 19.07.2019 habe die Klägerin weitere Leistungen der Agentur für Arbeit beziffert mitgeteilt. Die Klage sei über Monate hinweg unbegründet gewesen, ebenso eine Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts.
79
Hinsichtlich des Zeitsaldos argumentiere die Beklagte nicht mit dem Abzug 30-minütiger Mittagspausen, sondern damit, dass der Saldo zum Ende des Arbeitsverhältnisses eben der Stundenzahl entsprochen habe, deren finanziellen Ausgleich die erste Instanz zuerkannt habe. Dass die Klägerin irgendwann eine höhere Zahl auf dem Bildschirm gesehen habe, bleibe bestritten.
80
Zur Begründung ihrer Anschlussberufung bringt die Beklagte im Wesentlichen Folgendes vor:
81
Das Erstgericht habe die Rechtsprechung des EuGH nicht zutreffend auf die vorliegende Fallkonstellation angewandt. Zum einen betreffe diese Rechtsprechung nur unstreitig fortbestehende Arbeitsverhältnisse. Zum anderen habe das BAG in seiner Entscheidung vom 14.08.2007 - 9 AZR 934/06 den Urlaubsanspruch nicht als Einheitsanspruch angesehen, womit zwischen Freistellung von der Arbeit und Urlaubsentgelt zu unterscheiden sei, was in der zitierten EuGH-Rechtsprechung nicht getan werde. Die erstinstanzlich herangezogenen Entscheidungen seien mithin nicht ohne Weiteres zu übertragen. Im Übrigen zeige das Schreiben des Klägervertreters vom 18.10.2017 (Anlage BB 1), dass die Klägerin über den ihr zustehenden Urlaubsanspruch informiert gewesen sei. Die Betonung des Kräfteverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zeige, dass der EuGH das unstreitig bestehende und fortlaufende Arbeitsverhältnis im Auge gehabt habe. Dieser Aspekt komme vorliegend nicht zum Tragen, da das Arbeitsverhältnis hier gekündigt gewesen sei. In dieser Situation sei die Beklagte nicht gehalten gewesen, bezahlten Erholungsurlaub zu gewähren, zumal die Klägerin über ihren Urlaubsanspruch informiert gewesen sei. Im Übrigen hätte die angebotene Prozessbeschäftigung der Klägerin die Möglichkeit gegeben, in einem unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub zu nehmen. Hätte die Klägerin die Annahme des Prozessbeschäftigungsangebots nicht unterlassen, so hätte ihr die Beklagte in diesem Arbeitsverhältnis Urlaub gewährt. Ebenso, wie sich der Arbeitnehmer den von einem anderen Arbeitgeber während des Kündigungsschutzrechtsstreits gewährten Urlaub anrechnen lassen müsse, gelte dies auch für die Fälle der Ablehnung eines Prozessbeschäftigungsangebots durch den beklagten Arbeitgeber. Der Beklagten könne nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe die unterbliebene Urlaubsgewährung zu verantworten. Das böswillige Unterlassen anderweitigen Erwerbs schlage auf die Zeiten der bezahlten Freistellung durch. Unrechtmäßiges Verhalten dürfe nicht zu einem finanziellen Vorteil führen.
82
Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren auf die Sitzungsniederschrift vom 07.09.2020 und die bis dahin vorgelegten Schriftsätze Bezug genommen.
83
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung ließ die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.09.2020 weitere Ausführungen unterbreiten, auf die die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.10.2020 erwidern ließ. Hierüber wurde von der Berufungskammer am 27.10.2020 beraten; auf den Vermerk vom selben Tage (Bl. 759 d. A.) wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
Berufung der Klägerin
84
Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts steht ihr Vergütung aus Annahmeverzug auch für die Zeit vom 01.10.2017 bis zum 31.03.2019 nebst Verzugszinsen seit dem 01.04.2019 zu. Dagegen kann sie keine Zahlung zum Ausgleich angeblicher weiterer Plusstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto verlangen.
I.
Vergütung aus Annahmeverzug
85
Der Klägerin steht nicht nur für September 2017 Vergütung aus Annahmeverzug zu, wie sie ihr vom Arbeitsgericht rechtskräftig zugesprochen wurde, sondern auch für den restlichen streitgegenständlichen Zeitraum. Die Klägerin kann nach dem bis zum 31.03.2019 bestehenden Arbeitsvertrag mit der Beklagten gemäß § 615 Satz 1, §§ 293 ff. BGB Vergütung aus Annahmeverzug beanspruchen.
86
1. Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die vereinbarte Vergütung fortzuzah len, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Die Voraussetzungen des Annahmeverzuges richten sich nach den §§ 293 ff. BGB. Ist für die vom Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, bedarf es nach § 296 BGB keines Angebots des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die Handlung nicht rechtzeitig vornimmt.
87
Die nach dem Kalender bestimmte Mitwirkungshandlung ist darin zu sehen, dem Arbeitnehmer für jeden Arbeitstag einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Dem Arbeitgeber obliegt es als Gläubiger der geschuldeten Arbeitsleistung, dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung zu ermöglichen. Dazu muss er den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers fortlaufend planen und durch Weisungen hinsichtlich Ort und Zeit näher konkretisieren. Kommt der Arbeitgeber dieser Obliegenheit nicht nach, gerät er in Annahmeverzug, ohne dass es eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer bedarf. Nach einer unwirksamen Kündigung muss deshalb der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, wenn er nicht in Annahmeverzug geraten will, die Arbeit wieder zuweisen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die erkennende Berufungskammer folgt (vgl. etwa BAG, Urteil vom 19.01.1999 - 9 AZR 679/97, juris, Rn. 14).
88
Nach § 11 Nr. 2 KSchG muss sich jedoch der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach der Entscheidung des Gerichts im Kündigungsschutzprozess fortbesteht, auf das vom Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung geschuldete Entgelt anrechnen lassen, was er hätte verdienen können, wenn er nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Böswillig im Sinne der Norm (und des inhaltsgleichen § 615 Satz 2 BGB) handelt der Arbeitnehmer, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände (Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und Nachteilsfolgen für den Arbeitgeber) vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Eine Anrechnung kommt auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug befindet. Der Arbeitnehmer braucht ihm gegenüber aber nicht von sich aus aktiv zu werden, wie dem Wortlaut von § 11 Nr. 2 KSchG zu entnehmen ist. Danach muss es der Arbeitnehmer unterlassen haben, eine Arbeit „anzunehmen“. Die „Annahme“ einer Arbeit ist aber regelmäßig nur möglich, wenn sie zuvor angeboten worden ist. Das bedarf einer entsprechenden Erklärung des Arbeitgebers (ebenfalls ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa Urteil vom 22.02.2000 - 9 AZR 194/99, juris, Rn. 11 f.).
89
Nach § 11 Nr. 2 KSchG ist (wie auch nach § 615 Satz 2 BGB) ist also (auch) zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Diese Beurteilung hat nach den gesamten Umständen des konkreten Falls zu erfolgen. Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen ihren Grund haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Demgegenüber kann auf die Zumutbarkeitskriterien des § 121 SGB III nicht abgestellt werden, weil es hier um einen anderen Regelungsgegenstand, nämlich den Schutz der Versichertengemeinschaft, geht. Die Zumutbarkeit der neuen Arbeitsbedingungen im Rahmen des § 11 Nr. 2 KSchG ist nicht generell schon deshalb zu bejahen, weil Änderungsschutzklage oder Kündigungsschutzklage erhoben wurde. Zu beachten ist, dass der Maßstab des § 2 Satz 1 KSchG ein anderer ist als der des § 11 Nr. 2 KSchG, weil § 2 Satz 1 KSchG im Gegensatz zu § 11 Nr. 2 KSchG die betriebliche Situation bei dem kündigenden Arbeitgeber entscheidend berücksichtigt. Demgegenüber kommt es bei § 11 Nr. 2 KSchG in erster Linie auf die Verhältnisse des gekündigten Arbeitnehmers an. Eine Unzumutbarkeit kann sowohl bei ungerechtfertigter wie auch bei gerechtfertigter Änderungskündigung gegeben sein. Eine Unzumutbarkeit folgt nicht allein daraus, dass die Beklagte dem Kläger die Weiterbeschäftigung nur zu geänderten Bedingungen angeboten hat (wiederum ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. etwa Urteil vom 16.06.2004 - 5 AZR 508/03, juris, Rn. 18 ff.).
90
2. Von diesen Grundsätzen ist das Arbeitsgericht zwar (erkennbar bzw. ausdrücklich) ausgegangen, jedoch nicht zum zutreffenden Ergebnis gelangt. Ihre Anwendung ergibt vielmehr, dass der Klägerin Vergütung aus Annahmeverzug in geltend gemachter Höhe zusteht.
91
2.1. Die Beklagte ist mit Ablauf des 31.08.2017 in Annahmeverzug hinsichtlich der von der Klägerin geschuldeten Dienste geraten, ohne dass es eines Angebots der Klägerin bedurfte. Denn mit diesem Tag endete die Kündigungsfrist nach der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 31.07.2017.
92
2.2. Der Annahmeverzug endete nicht vor dem (vergleichsweise vereinbarten) Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.03.2019. Denn die Beklagte hat die Arbeitsleistung der Klägerin bis dahin nicht als Erfüllung des bestehenden Arbeitsvertrags annehmen wollen, was für die Beendigung des Annahmeverzugs aber vorauszusetzen ist (vgl. BAG, Urteil vom 24.09.2003 - 5 AZR 500/02, juris, Rn. 15 m. w. N.). Denn das Angebot einer Prozessbeschäftigung beendet den Annahmeverzug selbst dann nicht, wenn diese zu den Bedingungen des gekündigten Arbeitsvertrages erfolgen soll; erst recht gilt das bei abweichenden Bedingungen.
93
Die von der Beklagten angebotenen Arbeitsverträge zur Prozessbeschäftigung vermochten den eingetretenen Annahmeverzug mithin nicht zu beenden. Das gleiche gilt für die von ihr bekundete Bereitschaft, sich nach dem Urteil der 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts München im Kündigungsschutzprozess der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung zu beugen. Dies entspricht nicht der Annahme der Arbeitsleistung als Erfüllung des abgeschlossenen Arbeitsvertrages. Dass die Beklagte hierzu nicht bereit war, wird vorliegend besonders deutlich durch den telefonischen Hinweis des Beklagtenvertreters auf die noch bestehende Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde. In die gleiche Richtung weist auch die Vorlage des Vertragsentwurfs (Anlage B 5), der den Willen der Beklagten zeigt, die Weiterbeschäftigung (erneut) nur auf der Grundlage eines hierzu gesondert abgeschlossenen Arbeitsvertrages durchzuführen (vgl. hierzu auch: APS/Biebl, § 11 KSchG, Rn. 24 und Rn. 15 m. w. N.).
94
2.3. Der Annahmeverzug im gesamten (noch) streitgegenständlichen Zeitraum ist auch weder insgesamt noch teilweise gem. § 297 BGB wegen mangelnden Leistungswillens der Klägerin entfallen.
95
2.3.1 Nach § 297 BGB kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner zur Zeit des Angebots oder im Falle des § 296 zu der für die Handlung des Gläubigers bestimmten Zeit außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Die im Gesetz nicht ausdrücklich angesprochene Voraussetzung der Leistungswilligkeit folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außerstande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Der subjektive Leistungswille ist eine von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzung, die während des gesamten Verzugszeitraums vorliegen muss. Die Norm lässt den Annahmeverzug also entfallen, wenn der Schuldner außerstande ist oder sich außerstande gesetzt hat, die Leistung zu bewirken.
96
Leistungsfähigkeit bzw. Leistungswille sind auf die nach dem (gekündigten) Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung zu beziehen (vgl. APS/Biebl, § 11 KSchG, Rn. 8); unmaßgeblich sind in diesem Zusammenhang die Fähigkeit und der Wille zu einer Prozessbeschäftigung. Dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außerstande oder subjektiv nicht bereit war, hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen. Da der Leistungswille eine innere Tatsache darstellt, genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast zunächst durch den Vortrag von Indizien, aus denen auf den fehlenden Leistungswillen geschlossen werden kann. In Betracht kommt insbesondere die Nichtaufnahme der Arbeit nach erfolgreichem Betreiben der Zwangsvollstreckung aus einem Weiterbeschäftigungstitel. Von der Nichtaufnahme einer vom Arbeitgeber angebotenen Arbeit kann nur auf einen fehlenden Leistungswillen geschlossen werden, wenn der Arbeitnehmer ein Angebot des Arbeitnehmers ablehnt, dass trotz Aufrechterhaltung der Kündigung auf eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen gerichtet ist und dessen Annahme auch sonst zumutbar ist (vgl. BAG, Urteil vom 17.08.2011 - 5 AZR 251/10, juris, Rn. 15 ff. m. w. N.).
97
2.3.2 Danach war der Annahmeverzug hier nicht durch § 297 BGB ausgeschlossen.
98
2.3.2.1 Die Beklagte hat nicht behauptet, der Klägerin habe im (noch) streitgegenständlichen Zeitraum - ganz oder teilweise - die objektive Leistungsfähigkeit gefehlt.
99
2.3.2.2 Hinsichtlich eines - ganz oder teilweise - fehlenden Leistungswillens hat sie ihrer Darlegungslast nicht genügt.
100
Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Vortrag kein Angebot zur Prozessbeschäftigung unterbreitet, das auf eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen gerichtet gewesen wäre. Hinsichtlich des § 297 BGB ist es unerheblich, ob die Klägerin in der Lage und willens gewesen wäre, die als Prozessbeschäftigung angebotenen Tätigkeiten im Service, als Frühstückskraft oder in der Zimmerreinigung zu übernehmen; denn diese waren nach dem insoweit maßgeblichen Arbeitsvertrag (Anlage K 1) nicht geschuldet.
101
Dass die Arbeitsaufnahme nicht ab dem 03.12.2018 infolge des Schreibens vom 29.11.2018 (Anlage B 4) zustande kam, indiziert schon deshalb keinen Unwillen der Klägerin der Klägerin zur Erfüllung des (ursprünglichen) Arbeitsvertrages, weil ihr wiederum eine Tätigkeit auf der Grundlage eines abzuschließenden Prozessbeschäftigungsvertrages angesonnen wurde.
102
Dass die Klägerin der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung dienenden Aufforderung zum Erscheinen vom 10.12.2018 (Anlage B 7) nicht Folge geleistet hat, sondern sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen hat, indiziert den fehlenden Leistungswillen ebenfalls nicht. Es handelt sich um eine Vorgehensweise bei erheblichen Vergütungsansprüchen, die auch im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis zulässig wäre, ohne auch nur den Verdacht zu rechtfertigen, die Arbeitnehmerin wolle sich zeitweilig oder gar dauerhaft der ihr obliegenden Arbeitspflicht entziehen.
103
Von dieser Aufforderung abgesehen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel erfolgreich betrieben hätte. Ein dahingehender Vortrag ist nicht erfolgt und war auch nicht entbehrlich, weil die maßgeblichen Umstände hier aktenkundig gewesen wären; dies ist nicht der Fall: Die Zwangsmittelanträge aus der Erstakte des vorliegenden Verfahrens betreffen nur Verpflichtungen aus dem TeilVergleich gemäß dem Beschluss vom 21.03.2019 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, nicht aber die Pflicht zur Weiterbeschäftigung.
104
Auch sonst sind keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die auf den fehlenden Leistungswillen schließen ließen.
105
2.4. Die Höhe des - somit dem Grunde nach gegebenen - Anspruchs nach §§ 611a Abs. 2, 615 Satz 1 BGB richtet sich zunächst nach dem (unwirksam gekündigten) Arbeitsvertrag, sodass die Klägerin im (noch) streitgegenständlichen Zeitraum von Oktober 2017 bis einschließlich März 2019 € 3.500,00 brutto pro Monat zustehen.
106
2.4.1 Hiervon in Abzug zu bringen sind gemäß § 11 Nr. 3 KSchG öffentlichrechtliche Leistungen infolge Arbeitslosigkeit aus der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, dem SGB II oder der Sozialhilfe. Dem hat die Klägerin bereits mit der Antragsstellung Rechnung getragen. Dass nach § 11 Nr. 3 KSchG weitere Beträge in Abzug zu bringen wären, ist weder von der Beklagten behauptet noch sonst ersichtlich.
107
2.4.2 Der von der Klägerin als Verzugslohn begehrte Betrag war nicht weiter nach § 11 Nr. 2 KSchG zu kürzen, wie das Arbeitsgericht angenommen hat.
108
Nach dieser Regelung hat sich der Arbeitnehmer - wie oben unter Nr. 1 bereits ausgeführt - auf seinen Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug das anrechnen zu lassen, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.
109
2.4.2.1 Mit diesen Rechtsgrundsätzen stimmt die Auffassung der Beklagten nicht überein, wonach es bei der Frage der Zumutbarkeit einer Prozessbeschäftigung auf die persönliche Einschätzung des gekündigten Arbeitnehmers ankomme. Die subjektive Einschätzung ist nicht mit dem Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung im dargestellten Sinne gleichzusetzen; der Beklagten kann daher nicht in der Annahme gefolgt werden, sich für ihre Auffassung auf die Rechtsprechung des BAG berufen zu können.
110
Die Beklagte will letztlich die Rechtsauffassung vertreten, dass dem Arbeitnehmer, der sich im Streit um eine Beendigungskündigung auf den Vorrang der Änderungskündigung wegen der Beschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz berufen hat, im (nachfolgenden) Streit um den Annahmeverzug ohne Weiteres entgegengehalten werden könne, dass eine Prozessbeschäftigung auf dem Alternativarbeitsplatz zumutbar i. S. v. § 11 Nr. 2 KSchG (gewesen) sei, auf den sich der Arbeitnehmer im Kündigungsstreit berufen hat. Dies ist weder mit der Maßgeblichkeit einer umfassenden Einzelfallbetrachtung für die Bestimmung der Zumutbarkeit i. S. v. § 11 Nr. 2 KSchG noch mit der Eigenständigkeit der Prüfungsmaßstäbe nach § 1 Abs. 2 KSchG einerseits und § 11 Nr. 2 KSchG andererseits in Einklang zu bringen.
111
Im Übrigen überzeugt die Argumentation auch in tatsächlicher Hinsicht nicht. Denn nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hat sich die Klägerin im Kündigungsrechtsstreit auf eine Stelle als Bedienung bezogen, die ausgeschrieben war. Weiter trägt die Beklagte selbst vor, sie habe der Klägerin jedoch nicht diese ausgeschriebene Position (für eine ausgebildete Servicekraft) als Prozessbeschäftigung angeboten, sondern eine durch Zusammenfassung der Stellen mehrerer ungelernter Abrufkräfte geschaffene neue Position. Selbst wenn der Rechtsauffassung der Beklagten zur Maßgeblichkeit der subjektiven Einschätzung der Zumutbarkeit näher zu treten wäre, würde ihr dies vorliegend also schon mit Blick auf die dann konkret angebotene Servicetätigkeit nicht helfen. Erst recht gilt dies hinsichtlich der Angebote, als Frühstückskraft oder Reinigungskraft tätig zu werden, auf die sich die Klägerin im Kündigungsschutzprozess, soweit dargelegt bzw. ersichtlich, schon nicht bezogen hat.
112
2.4.2.2 Die Anwendung der oben unter Nr. 1 dargestellten Grundsätze des BAG ergibt, dass die Angebote zur Prozessbeschäftigung unzumutbar waren, womit der Klägerin kein böswilliges Unterlassen vorzuwerfen ist.
113
Maßgeblich für die Unzumutbarkeit sprechen hier die wesentlich geringere Bezahlung und der Statusverlust bei sämtlichen als Prozessbeschäftigung angebotenen Tätigkeiten. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die gekündigte Arbeitnehmerin grds. nicht verpflichtet, eine Statusverschlechterung hinzunehmen oder eine wesentlich geringer bezahlte Tätigkeit anzunehmen (zutreffend APS/Biebl. § 11 KSchG, Rn. 25).
114
Die Vergütung für die Prozessbeschäftigung sollte gegenüber dem gekündigten Arbeitsvertrag nur 57% betragen, was als eine wesentliche, keineswegs nur marginale Reduzierung zu betrachten ist, die zudem zu einem Lohnniveau führt, das eine auch nur annähernde Wahrung des mit dem ursprünglichen Gehalt möglichen Lebensstandards als ausgeschlossen erscheinen lässt.
115
Unbehelflich ist der Hinweis der Beklagten auf die Möglichkeit, Trinkgeld zu erhalten, die ohnehin nur hinsichtlich der Tätigkeit im Service konkret behauptet wurde. Auch insoweit hilft sie der Beklagten jedoch nicht. Denn es handelt sich nicht um einen vertraglich begründeten Anspruch, sondern um eine von Unwägbarkeiten abhängige, bloße Erwerbschance, auf die sich die gekündigte Beschäftigte nicht verweisen lassen muss.
116
Die Statusverschlechterung folgt aus der Art der angebotenen Tätigkeiten im Vergleich zur vertraglich geschuldeten Tätigkeit, die unbestritten als Leitungsfunktion zu bezeichnen war und einen akademischen Abschluss vorausgesetzt hat. Angeboten hat die Beklagte lediglich Anlerntätigkeiten. Dies gilt auch für die Tätigkeit als Bedienung; denn die Beklagte hat selbst dargelegt, dass die für die Prozessbeschäftigung der Klägerin gedachte Position durch die Zusammenfassung der Stellen von ungelernten Abrufarbeitskräften geschaffen werden sollte.
117
Hinsichtlich dieser Tätigkeit ist auch, wie die Klägerin zu Recht geltend gemacht hat, zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie den anderen Mitarbeitern nicht verborgen bleiben konnte, da die Gaststätte von diesen unstreitig aufgesucht wurde.
118
Dem Umstand, dass die Klägerin die anderen Mitarbeiter zumindest in der Mittagszeit nicht persönlich hätte bedienen müssen, kommt kein erhebliches Gewicht zu; entscheidend erscheint, dass die Statusverschlechterung für die anderen Beschäftigten wahrnehmbar war.
119
Schließlich sprechen auch die Bedingungen der angebotenen Arbeitsverträge gegen und nicht für eine Zumutbarkeit. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der grundsätzlichen Pflicht, auch an Sonntagen arbeiten zu müssen.
120
Als Vorteil für die Klägerin ist lediglich die Vermeidung von Arbeitslosigkeit zu erkennen. Dieser rechtfertigt es angesichts des Ausmaßes der Nachteile, auch mit Blick auf das Interesse der Beklagten, von den finanziellen Folgen unwirksam ausgesprochener Kündigungen möglichst verschont zu bleiben, nicht, die Klägerin zur Annahme einer der angebotenen Prozessbeschäftigungen für verpflichtet zu halten.
121
Auf die weiteren Erwägungen der Klägerin zur Unzumutbarkeit kam es mangels Entscheidungserheblichkeit nicht mehr an.
122
2.4.2.3 Nach all dem kam die Anrechnung hypothetischen Zwischenverdienstes nicht in Betracht.
123
3. Zinsen in gesetzlicher Höhe stehen der Klägerin gemäß § 288 Abs. 1 BGB ab dem 01.04.2019 zu.
124
Soweit sie weitere Zinsen geltend gemacht hat, hat sie außer Acht gelassen, dass sie nicht auf die volle vertragliche Vergütung abstellen kann, weil diese teilweise gemäß § 115 SGB X auf die Agentur für Arbeit in Höhe der von ihr gewährten Leistungen übergegangen ist.
II.
Auszahlung weiterer Gutstunden
125
Ohne Erfolg bleibt die Berufung der Klägerin, soweit sie die Abgeltung weiterer Stunden aus dem Arbeitszeitsaldo geltend macht. Sie ist insoweit zulässig, aber nicht begründet. Der behauptete Anspruch besteht nicht, die Klägerin hat hierzu nicht hinreichend vorgetragen.
126
1. Der geltend gemachte Anspruch richtet sich auf die Zahlung von Vergütung. Denn ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste (vgl. BAG, Urteil vom 23.09.2015 - 5 AZR 767/13 - Rn. 20, juris; Urteil vom 21.03.2012 - 5 AZR 676/11 - Rn. 20, BAGE 141, 88) und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Zeitguthabens, macht er den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend.
127
Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt (vgl. BAG, Urteil vom 23.09.2015, a. a. O., Urteil vom 13.03.2002 - 5 AZR 43/01 - zu II 1 der Gründe; Urteil vom 28.07.2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13). Die Darlegungslast ist allerdings nach § 138 Abs. 2 ZPO abgestuft.
128
2. Die Klägerin hat dieser Darlegungslast nicht genügt. Sie hat sich zweitinstanzlich im Wesentlichen darauf beschränkt, ihren erstinstanzlichen Vortrag zu wiederholen, den die Beklagte bereits mit ihrem Schriftsatz vom 14.06.2019 erheblich bestritten hat (vgl. Blatt 438 d. A.). Die Klägerin hat es auch in der Berufungsinstanz versäumt, wie von
129
§ 138 Abs. 2 ZPO geboten, sich mit dem gleichzeitig von der Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Arbeitszeitkonto (Anlage B 1) auseinanderzusetzen.
130
Soweit sie stattdessen geltend gemacht hat, die Beklagte habe unzureichend bestritten, so dass der Klagevortrag nach § 138 Abs. 4 ZPO als zugestanden gelte, ist ihre Argumentation in keiner Weise nachvollziehbar.
131
3. Damit musste ihrem Rechtsmittel insoweit der Erfolg versagt bleiben.
B.
Anschlussberufung der Beklagten
132
Die zulässige Anschlussberufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die restlichen Urlaubsansprüche der Klägerin nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen sind.
133
1. Das gesetzliche Befristungsregime des § 7 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 BUrlG greift nur ein, wenn der Arbeitgeber zuvor seiner Obliegenheit genügt hat, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Nur in diesem Fall ist der Urlaubsanspruch grundsätzlich auf das Kalenderjahr befristet (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG), und eine Übertragung des Urlaubs auf die ersten drei Monate des nächsten Kalenderjahres nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG).
134
Denn nach der neueren Rechtsprechung des BAG, der die erkennende Berufungskammer folgt, erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG) bei einer mit Art. 7 der RL 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG) oder eines zulässigen Übertragungszeitraums (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 BUrlG), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. BAG, Urteil vom 29.09.2020 - 9 AZR 113/19 - Rn. 22, juris, Urteil vom 19.02.2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 21 ff., BAGE 165, 376, juris).
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Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer - erforderlichenfalls förmlich - auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt. Zudem darf der Arbeitgeber, will er seinen Mitwirkungsobliegenheiten genügen, den Arbeitnehmer nicht in sonstiger Weise daran hindern, den Urlaub wahrzunehmen. Er darf ihn insbesondere nicht mit Umständen konfrontieren, die ihn davon abhalten könnten, seinen Jahresurlaub zu nehmen (vgl. BAG, Urteil vom 29.09.2020 - 9 AZR 113/19 - Rn. 23, juris; Urteil vom 21.05.2019 - 9 AZR 579/16 - Rn. 50).
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Da diesbezüglich konkrete gesetzliche Vorgaben fehlen, ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl der Mittel frei, deren er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten bedient. Die Mittel müssen jedoch zweckentsprechend sein. Sie müssen geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Es ist der Eintritt einer Situation zu vermeiden, in der ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers davon abgehalten werden kann, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Ob der Arbeitgeber das Erforderliche getan hat, um seinen Mitwirkungsobliegenheiten zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Die Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten hat der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, weil er hieraus eine für sich günstige Rechtsfolge ableitet (vgl. BAG, Urteil vom 29.09.2020 - 9 AZR 113/19 - Rn. 24, juris, Urteil vom 19.02.2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 40, BAGE 165, 376).
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Hat der Arbeitgeber durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr gebunden und verlangt der Arbeitnehmer dennoch nicht, ihm Urlaub zu gewähren, verfällt sein Anspruch nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG mit Ablauf des Urlaubsjahres. Liegen die Voraussetzungen einer Übertragung des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 4 BUrlG vor, wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen. Der Urlaubsanspruch kann in diesem Fall grundsätzlich nur dann mit Ablauf des Übertragungszeitraums untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auffordert, seinen Urlaub noch innerhalb des Übertragungszeitraums zu nehmen, und ihn darauf hinweist, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls erlischt (vgl. BAG, Urteil vom 29.09.2020 - 9 AZR 113/19 - Rn. 25, juris, Urteil vom 22.10.2019 - 9 AZR 98/19 - Rn. 15).
138
Hat der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine Mitwirkungsobliegenheiten für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den kumulierten Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) Übertragungszeitraums (vgl. BAG, Urteil vom 29.09.2020 - 9 AZR 113/19 - Rn. 26, Urteil vom 19.02.2019 - 9 AZR 423/16 - Rn. 44, BAGE 165, 376).
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Diese Voraussetzungen für eine Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 BUrlG gelten unmittelbar für den gesetzlichen Mindesturlaub, mittelbar aber auch für tarif- und arbeitsvertraglichen Mehrurlaub, soweit nichts Anderes bestimmt ist (vgl. HWK-Schinz, § 7 BUrlG, Rn. 78).
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2. Die dargestellten Voraussetzungen für die Befristung des Urlaubsanspruchs sind vorliegend nicht erfüllt. Die Beklagte hat nicht ansatzweise vorgetragen, dass sie die Kläger in die Lage versetzt hätte, ihren Urlaub tatsächlich zu nehmen.
141
3. Ihren rechtlichen Erwägungen gegen die unter Nr. 1 dargestellten Grundsätze ist nicht zu folgen.
142
3.1 Für die Annahme, die Grundsätze beanspruchten nur für unstreitig fortbestehende Arbeitsverhältnisse Geltung, lässt die Beklagte jedes Argument vermissen. Die Wiedergabe der Rechtsprechungsentwicklung im Allgemeinen und der Hinweis auf die Einschätzung des Kräfteverhältnisses der Arbeitsvertragsparteien durch den EuGH im Besonderen sind insoweit ohne Erkenntniswert.
143
3.2 Warum die (frühere) Rechtsprechung des BAG zur Frage des „Einheitsanspruch“ die europarechtlich geprägten Grundsätze unter Nr. 1 in Frage zu stellen vermöchte, erschließt sich nicht.
144
3.3 Der Hinweis darauf, dass die Klägerin über ihren Anspruch informiert gewesen sei, greift zu kurz; die Initiativlast des Arbeitgebers erschöpft sich nicht in einer bloßen Information.
145
3.4 Unerfindlich bleibt schließlich, warum ein gekündigter Arbeitnehmer bei Ablehnung einer Prozessbeschäftigung nicht mehr nach Maßgabe der unter Nr. 1 dargestellten Grundsätze geschützt sein soll. Dies bedarf indes keiner Vertiefung, da der Klägerin hier, wie oben erläutert, kein böswilliges Unterlassen von Zwischenverdienst vorgeworfen werden kann.
C.
Kostenentscheidung
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
D.
Keine Revisionszulassung,