Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 06.04.2020 – W 4 S 20.457
Titel:

Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis bei Antrag gegen Corona-Ausgangsbeschränkung

Normenkette:
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz:
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen eine im Wege der Allgemeinverfügung angeordnete Ausgangsbeschränkung fehlt, wenn diese zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung durch eine inhaltsgleiche andere Regelung ersetzt worden ist. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, Rechtsschutzbedürfnis, Allgemeinverfügung, Ausgangsbeschränkung, Corona-Pandemie
Fundstelle:
BeckRS 2020, 5659

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes u.a. gegen die vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie.
2
Mit Allgemeinverfügung des Bayer. Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20. März 2020, Az. Z 6a-G8000-2020/122-98 wird jedermann angehalten, die Kontakte zu anderen Menschen, ausgenommen die Angehörigen des eigenen Hausstands, auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren und, womöglich, einen Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Personen einzuhalten (Nr. 1). Gastronomiebetriebe werden mit Ausnahme der Abgabe und Lieferung von Speisen zum Mitnehmen untersagt (Nr. 2) und untersagt wird auch der Besuch von Krankenhäusern, Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen (Nr. 3). Das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt (Nr. 4, Nr. 5). Auf die Regelung im Einzelnen und die Begründung der Allgemeinverfügung wird verwiesen. Die Regelungen traten am 21. März 2020 in Kraft und waren befristet bis zum Ablauf des 3. April 2020 (Nr. 10).
3
Am 24. März 2020 wurde unter dem Az. 2126-1-4-G (BayMBl. 2020, Nr. 130) die Bayer. Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie erlassen. Nach § 2 dieser Verordnung tritt diese rückwirkend zum 21. März 2020 in Kraft.
4
Mit Schriftsatz, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am 24. März 2020, hat der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen Ziffern 4 und 5 der Allgemeinverfügung des Bayer. Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20. März 2020, Az. Z 6a-G8000-2020/122-98 anzuordnen.
5
Zur Begründung wurde ausgeführt, es gebe keine taugliche Rechtsgrundlage. Darüber hinaus sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt.
6
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 26. März 2020 den Antrag abzulehnen.
7
Mit Beschluss vom 24. März 2020 erklärte sich das Bayer. Verwaltungsgericht München für örtlich unzuständig und verwies die Verwaltungsstreitsache an das örtlich zuständige Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
9
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen die Ziffern 4 und 5 der Allgemeinverfügung des Bayer. Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege anzuordnen, hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
10
Unbeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer jeden Inanspruchnahme des Gerichts, ob durch Klage oder Antrag, ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfGE 61, 126 [135]). Für eine unnötige oder gar missbräuchliche Ausübung von Klage- und Antragsmöglichkeiten brauchen die Gerichte nicht zur Verfügung zu stehen. Damit ist diese Prozessvoraussetzung Ausfluss des allgemeinen Verbots eines Rechtsmissbrauchs.
11
Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Antragsteller sein Ziel auf anderem Weg schneller und einfacher erreichen könnte oder wenn ein Erfolg seine Rechtsstellung überhaupt nicht verbessern würde. Maßgeblich ist hierbei der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
12
So ist es vorliegend. Dem Antragsteller würde der Erfolg seines Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nichts nutzen, da er sich ohnehin an die inhaltsgleiche Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24. März 2020 unter dem Az. 2126-1-4-G, welche rückwirkend zum 21. März 2020 in Kraft getreten ist, halten muss. Die vom Antragsteller begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung vermag also nichts dazu beizutragen, dessen Rechtsschutzziel zu erreichen. Sie ist vielmehr unnütz, da der Antragsteller unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens keine reale Chance hat, den von ihm geltend gemachten Nachteil abzuwenden.
13
Der Antrag war demnach abzulehnen.
14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
15
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zu beziffern ist.