Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 27.03.2020 – W 6 S 20.411
Titel:

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Mischkonsums von Cannabis und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen

Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 14 Abs. 1 S. 3, § 46 Abs. 1 S. 1, Anl. 4 Nr. 9.2.2
VwGO § 80 Abs. 5
BayVwZVG Art. 3 Abs. 1 S. 2, Art. 8 Abs. 1 S. 2
ZPO § 180 S. 2
Leitsatz:
Die Fahrerlaubnisbehörde darf bei gelegentlichen Cannabiskonsumenten bereits im Falle eines festgestellten Mischkonsums von Cannabis sowie psychoaktiven Substanzen gem. § 11 Abs. 7 FeV von einer feststehenden Nichteignung des Betroffenen ausgehen (Anschluss an VG Gelsenkirchen BeckRS 2017, 122593; VG München BeckRS 2010, 52150). Der Anordnung einer Aufklärungsmaßnahme gem. § 14 Abs. 1 S. 3 FeV – wie sie etwa bei erstmaliger Verletzung gegen das Gebot der Trennung von Cannabiskonsum und Fahren gefordert wird – bedarf es bei einer festgestellten Wirkungskumulation infolge eines Mischkonsums von Cannabis und psychoaktiver Substanzen nicht. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilverfahren, Fahrerlaubnisentziehung, gelegentlicher Cannabiskonsum, Einnahme psychoaktiver Substanzen, Mischkonsum, Zustellung an den Bevollmächtigten, Entziehung der Fahrerlaubnis, psychoaktive Substanz, Zustellung an Bevollmächtigten
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 02.09.2020 – 11 CS 20.814
Fundstelle:
BeckRS 2020, 5645

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 8.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller (geb. …1965) wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs der Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B, BE, C1, C1E, CE und L.
2
1. Nach Mitteilung der Polizeiinspektion B. B. wurde das Wohnhaus des Antragstellers am 20. Oktober 2019 um ca. 1:00 Uhr im Zuge einer Ermittlungsmaßnahme durchsucht. Dabei wurden in einem Kellerraum Konsumutensilien für Cannabis sowie 0,32 Gramm Marihuana aufgefunden, die dem Antragsteller zugeordnet werden konnten. Dieser händigte der Polizei anschließend eine Box mit 1,19 Gramm Haschisch aus. Weiterhin konnte im Verlauf der Durchsuchung im Schlafzimmer ein Gläschen mit einer geringen Menge Haschisch-Tabak-Gemisch aufgefunden werden.
3
Da der Antragsteller unmittelbar vor der Durchsuchung seines Anwesens mit seinem PKW (amtl. Kennzeichen …) fuhr, wurde ihm am 20. Oktober 2019 um 2:14 Uhr eine Blutprobe entnommen. Dabei gab der Antragsteller gegenüber der Polizei an, dass er „heute“ (wohl gemeint: am Vortag) gegen 10:00 Uhr Tramal long (150 mg), „Amiricitin (50 mg)“ sowie eine blutdrucksenkende Tablette eingenommen habe. Gegen 22:00 Uhr habe er einen Joint mit Haschisch geraucht.
4
Laut chemisch-toxikologischer Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bonn vom 19. November 2019 konnten in der Blutprobe des Antragstellers die Stoffe Tetrahydrocannabinol (THC) 6,8 ng/ml, 11-OH-THC (THC-Metabolit) 3,4 ng/ml, THC-COOH (THC-Metabolit) 55,2 ng/ml, Amitriptylin 16,5 ng/ml, Nortriptylin (Amitriptylin-Metabolit) 43,0 ng/ml, Bisoprolol ca. 13,3 ng/ml, Tramadol 159 ng/ml, O-Desmethyltramadol (Tramadol-Metabolit) 28,8 ng/ml sowie Hinweise auf Candesartan festgestellt werden. Es sei nachgewiesen, dass der Antragsteller Cannabisprodukte sowie Amitriptylin-, Bisoprolol- und Tramadolhaltige Arzneimittel eingenommen habe. Die festgestellten Konzentrationen sprächen dafür, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme zugleich unter der Wirkung von THC, dem Betablocker Bisoprolol, dem Antidepressivum Amitriptylin sowie dem Opioid Tramadol stand.
5
Mit Schreiben vom 6. Februar 2020 wies das Landratsamt Bad K. (künftig: Landratsamt) den Antragsteller darauf hin, dass die chemisch-toxikologische Untersuchung der Universitätsklinik Bonn vom 19. Dezember 2019 den Nachweis des Konsums von Cannabis sowie psychoaktiver Stoffe ergeben habe und er deshalb gem. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Dem Antragsteller wurde die Möglichkeit eingeräumt, zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis Stellung zu nehmen.
6
Mit Schreiben vom 13. Februar 2020 an das Landratsamt sowie unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zeigte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers an. In der Sache wurde entgegnet, vor dem Entzug der Fahrerlaubnis müsse einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten die Möglichkeit gegeben werden, die Trennung von Konsum von Cannabisprodukten und der Teilnahme am Straßenverkehr nachzuweisen. Der Antragsteller habe erst nach Beendigung der Fahrt Cannabisprodukte zu sich genommen („Nachtrunk“). Die Blutwerte seien nicht aus der Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr heraus festgestellt worden.
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2. Mit Bescheid vom 19. Februar 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B, BE, C1, C1E, CE und L (Nr. 1). Die Rückgabe des Führerscheins (Nr. …) wurde unverzüglich, spätestens bis zum 28. Februar 2020 angeordnet (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 3). Für die Nichterfüllung der Rückgabepflicht wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 4). Dem Antragsteller wurden schließlich die Kosten des Verfahrens auferlegt (Nr. 5 und Nr. 6).
8
Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen habe, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweise. Dies gelte insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV). Nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV sei im Fall der gelegentlichen Einnahme von Cannabis die Kraftfahreignung unter anderem nur dann gegeben, wenn der Betroffene nicht zusätzlich andere psychoaktiv wirkende Stoffe gebrauche. Daraus folge im Umkehrschluss, dass die Fahreignung eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten unter anderen dann zu verneinen sei, wenn er zusätzlich einen anderen psychoaktiv wirkenden Stoff zu sich nehme. Daneben sei nicht die Teilnahme am Straßenverkehr notwendig. Die Alternativen stünden selbstständig nebeneinander. Sei die zweite Alternative „zusätzlicher Gebrauch anderer psychoaktiv wirkender Stoffe“ gegeben, setze dies nicht voraus, dass Konsum und Fahren nicht getrennt werden können. Es müsse jedoch ein Konsum vorliegen, der in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht unter wirkungsbezogener Betrachtungsweise zu einer kumulierten Rauschwirkung bzw. zu einer Wirkungskumulation führen könne.
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Laut rechtsmedizinischem Gutachten der Universitätsklinik B. vom 19. November 2019 sei beim Antragsteller ein THC-COOH-Wert von 55,2 ng/ml ermittelt worden. Bei einem Wert ab 10 ng/ml sei von einem gelegentlichen Konsum auszugehen, so lange kein substantiierter und glaubhafter Vortrag erfolge, der dies entkräftet. Des Weiteren habe der Antragsteller den täglichen Konsum von THC aus gesundheitlichen Gründen im Rahmen der Durchsuchung seines Anwesens eingeräumt. Somit stehe zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde der zumindest gelegentliche Konsum von THC fest, da hier der Nachweis von mindestens zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen, welche auch im zeitnahen zeitlichen Zusammenhang stehen, als nachgewiesen zu erachten sei. Aus der Beurteilung der ermittelten Werte im Gutachten des Universitätsklinikums Bonn sei zu entnehmen, dass der Antragsteller Cannabisprodukte konsumiert und Amitriptylin-, Bisoprolol- und Tramadolhaltige Arzneimittel aufgenommen habe. Im Gutachten werde davon ausgegangen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme aufgrund der aufgefundenen Konzentrationen unter Wirkung von THC und der psychoaktiven Arzneimittelwirkstoffe gestanden habe. Daher sei davon auszugehen, dass es aufgrund des gelegentlichen Konsums von THC in Verbindung mit einem zusätzlichen Gebrauch von psychoaktiv wirkenden Stoffen zu einer kumulierten Rauschwirkung bzw. zu einer Wirkungskumulation gekommen sei. Eine vorherige Begutachtung des Antragstellers sei nicht notwendig gewesen, da es sich nicht ausschließlich um einen gelegentlichen Konsum von Cannabis gehandelt habe. Bei einem nachgewiesenen Mischkonsum von THC und psychoaktiven Stoffen sei gemäß Nr. 9.2.2 zur Anlage 4 zur FeV die Fahreignung nicht mehr gegeben. Die Behauptung eines „Nachtrunks“ sei eine Schutzbehauptung und irrelevant, da beim Antragsteller ein Mischkonsum von THC und psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliege, bei dem es nicht auf die Teilnahme am Straßenverkehr ankomme. Aufgrund des vorstehenden Sachverhalts stehe für die Fahrerlaubnisbehörde ein Mischkonsum von THC und psychoaktiv wirkender Stoffen fest, welcher zu einer kumulierten Rauschwirkung bzw. zu einer Wirkungskumulation geführt habe. Daraus folge zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde die Nichteignung des Antragstellers. Es unterbleibe somit nach § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens und die Fahrerlaubnis sei gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 zur Anlage 4 FeV zu entziehen gewesen.
10
Nach der Entziehung der Fahrerlaubnis sei der ausgestellte Führerschein unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern (Nr. 2 des Bescheids). Dadurch solle verhindert werden, dass der Besitzer des Führerscheins den Anschein erwecken kann, er sei im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Die sofortige Vollziehung unter Nr. 3 dieses Bescheids sei angeordnet worden, um sicherzustellen, dass der Antragsteller ab Zustellung des Bescheids kein Kraftfahrzeug mehr führe. Das öffentliche Interesse an der Sicherheit im Straßenverkehr fordere den sofortigen Vollzug dieses Bescheids und lasse ein privates Interesse an einem Aufschub der Auswirkungen dieser Entscheidung zurücktreten. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass von Betäubungsmittelkonsumenten erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgingen. Cannabiskonsum und ein wie hier vorliegender Mischkonsum mit psychoaktiven Stoffen beeinträchtige Fähigkeiten, die zum Führen eines Kraftfahrzeugs notwendig seien. Die Allgemeinheit habe ein Interesse, vor Kraftfahrern geschützt werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind. Persönliche Härten könnten insoweit nicht berücksichtigt werden. Selbst bei gravierenden Folgen sowohl beruflicher als auch privater Art für den Fahrerlaubnisinhaber rechtfertige die Sicherheit des Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung.
11
Die Anordnung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29 i.V.m. Art. 31 und Art. 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Das angedrohte Zwangsgeld bewahre den gesetzlich vorgegebenen Rahmen und sei nach pflichtgemäßem Ermessen in Ansehung der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache festgesetzt worden. Der Antragsteller habe nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Kostengesetz (KG) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung der Gebühr unter Nr. 6 des Bescheids stütze sich auf §§ 1 - 4 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr sowie auf Nr. 206 des Gebührentarifes. Der Bescheid vom 19. Februar 2020 wurde laut Postzustellungsurkunde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 21. Februar 2020 zugestellt.
12
3. Am 11. März 2020 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 19. Februar 2020 erheben (W 6 K 20.408), über die noch nicht entschieden ist. Dabei wies der Bevollmächtigte des Antragstellers darauf hin, dass weder ihm noch seinem Mandanten der angefochtene Bescheid vom 19. Februar 2020 zugestellt worden sei bzw. vorliege.
13
Ebenfalls am 11. März 2020 ließ der Antragsteller im zugrundeliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 19. Februar 2020 wiederherzustellen.
14
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsgegner habe mit dem (unbekannten) Bescheid vom 19. Februar 2020 dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen. Die Sofortvollziehung des Bescheids sei wohl angeordnet worden. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei wiederherzustellen, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Entzugs der Fahrerlaubnis nicht ausreichend begründet sei. Der Antragsgegner gehe offenbar davon aus, dass der Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund der Kombination der Einnahme von Cannabis nebst psychoaktiver Stoffe zwingend gewesen sei. Es sei einzuwenden, dass die Einnahme der psychoaktiven Stoffe dem Antragsteller durch einen Arzt verschrieben worden sei und er sich an die entsprechende ärztliche Empfehlung halte. Im Übrigen habe er seinen ehemals illegalen Cannabiskonsum nunmehr auf eine legale Basis gestellt. Als Beleg hierfür wurden dem Gericht vom Bevollmächtigten des Antragstellers diverse ärztliche Bescheinigungen und Rezepte übersandt, auf die im Übrigen verwiesen wird.
15
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag abzulehnen.
16
Zur Begründung wurde auf den Bescheid vom 19. Februar 2020 verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass der Antragsteller auch dann nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, wenn er - wie angeführt - den illegalen Konsum von Cannabis nun per Verschreibung in einen medizinischen Konsum umwandle. Der Antragsteller habe seine Fahreignung durch den nachgewiesenen Mischkonsum von Cannabis und psychoaktiv wirkenden Stoffen verloren und auch durch eine nachfolgende ärztliche Verordnung und Einnahme von Medizinal-Cannabis nicht wiedererlangt. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses habe die Ungeeignetheit zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde festgestanden. Ob das medizinische Cannabis nun in Zukunft ordnungsgemäß und ohne weiteren Beikonsum von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen eingenommen werde, könne zum aktuellen Zeitpunkt nicht sicher beurteilt werden. Wie aus den vorliegenden Rezepten ersichtlich sei, sei dem Antragsteller am 17. Februar 2020 Amitriptylin, Tramal und Zopiclon verschrieben worden. Eine Einstellung des Konsums von psychoaktiven Stoffen erscheine daher nicht schlüssig. Vielmehr bestünden weiterhin erhebliche Zweifel, da aufgrund der Verordnungen durch mehrere verschiedene Ärzte weiterhin der Konsum von THC, wenn auch nun in Form von medizinischem Cannabis, zusammen mit den verordneten Arzneimitteln stattfinden werde. Es erscheine auch nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller neben dem medizinischen weiterhin illegalen Cannabis konsumiere. Im Übrigen bestünden auch Bedenken, ob der Antragsteller unter dem Einfluss des ärztlich verordneten Cannabis zum Führen von Kraftfahrzeugen i.S.d. Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV hinreichend leistungsfähig sei. Aufgrund des vorstehenden Sachverhaltes habe für die Fahrerlaubnisbehörde ein Mischkonsum von THC und psychoaktivwirkenden Stoffen festgestanden, welcher zu einer kumulierten Rauschwirkung bzw. zu einer Wirkungskumulation geführt habe. Ohne die Anordnung eines weiteren Gutachtens sei die Fahrerlaubnis deshalb zu entziehen gewesen. Als sicherheitsrechtliche Maßnahme im Interesse der Allgemeinheit sei die Entziehung der Fahrerlaubnis auch für sofort vollziehbar zu erklären gewesen.
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4. Da der Antragsteller seinen Führerschein nicht fristgemäß abgab, wurde das im Bescheid vom 19. Februar 2020 angedrohte Zwangsgeld mit Schreiben des Landratsamtes vom 3. März 2020, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 4. März 2020, in Höhe von 500,00 EUR fällig gestellt. Der Führerschein des Antragstellers wurde im Auftrag des Landratsamtes am 8. März 2020 polizeilich sichergestellt. Dabei gab der Antragsteller an, er habe vom Entzugsbescheid vom 19. Februar 2020 bislang keine Kenntnis.
18
Mit Posteingang beim Landratsamt am 9. März 2020 wurde der an den Bevollmächtigten des Antragstellers übersandte Entzugsbescheid vom 19. Februar 2020 ungeöffnet und mit dem handschriftlich auf dem Briefumschlag angebrachten Vermerk „Kanzlei S. […] ist nicht Zustellungsbevollmächtigt“ wieder an die Fahrerlaubnisbehörde zurückgesandt.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Hauptsacheverfahren (W 6 K 20.408) sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
20
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes vom 19. Februar 2020 ist zulässig, jedoch nicht begründet.
21
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 19. Februar 2020 ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.
22
1.1 Der Entzugsbescheid wurde ordnungsgemäß bekannt gegeben und damit wirksam (Art. 43 Abs. 1 i.V.m. Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG, Art. 3, 8 BayVwZVG), sodass in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft ist.
23
Da der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Landratsamt im Verwaltungsverfahren eine vom Antragsteller unterzeichnete, weder mangelbehaftete noch inhaltlich beschränkte schriftliche Vertretungsvollmacht vorlegte, war der Entzugsbescheid vom 19. Februar 2020 an den Bevollmächtigten zuzustellen, Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Dies erfolgte ausweislich der Postzustellungsurkunde am 21. Februar 2020 durch Einlegen in einen zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten (Art. 3 VwZVG i.V.m. § 180 ZPO).
24
Das nicht näher substantiierte Vorbringen, wonach der Bescheid weder dem Antragsteller noch seinem Bevollmächtigten zugestellt worden sei, ist auch nicht geeignet, den Beweiswert der Postzustellungsurkunde zu erschüttern. Bei der Postzustellungsurkunde handelt es sich um eine öffentliche Urkunde (§ 415, § 418 ZPO), die den vollen Beweis für die darin dokumentierten Vorgänge erbringt, mithin vorliegend, dass der Bescheid vom 19. Februar 2020 tatsächlich am 21. Februar 2020 in einen zu den Kanzleiräumlichkeiten des Bevollmächtigten des Antragstellers gehörenden Briefkasten eingelegt wurde. Dies wird alleine durch die bloße Behauptung einer mangelnden Zustellung ohne nähere Ausführungen nicht in Frage gestellt. Für einen tatsächlichen Zugang spricht im Übrigen, dass der Briefumschlag, in welchem der Entzugsbescheid übermittelt wurde, am 8. März 2020 ungeöffnet und mit dem handschriftlich angebrachten Vermerk „Kanzlei S. […] ist nicht Zustellungsbevollmächtigt!“ an das Landratsamt zurückgesandt wurde, sowie ferner auch die diesbezügliche Erklärung einer Angestellten des Bevollmächtigten des Antragstellers, wonach in dessen Kanzlei keine PZU-Schreiben („gelbe Briefe“) angenommen und stattdessen wieder zurückgeschickt würden (vgl. Aktenvermerk vom 9.3.2020, Blatt 62 der Behördenakte).
25
Da es gemäß § 180 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG nicht erforderlich ist, dass der Adressat des Bescheids tatsächlich von dessen Inhalt Kenntnis nimmt, berührt es die Rechtswirksamkeit der Bekanntgabe nicht, dass der den Bescheid vom 19. Februar 2020 beinhaltende Briefumschlag ungeöffnet dem Landratsamt zurückgesandt wurde und deshalb - wie vorgetragen - weder der Bevollmächtigte des Antragstellers noch dieser den Inhalt des Bescheids zur Kenntnis nahmen. Bereits mit der durch die Postzustellungsurkunde belegten Ersatzzustellung gilt der Bescheid vom 19. Februar 2020 als bekannt gegeben, § 180 Satz 2 ZPO i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG. Der Entzugsbescheid wurde daher durch Einlegen in den Briefkasten des Bevollmächtigten gegenüber dem Antragsteller wirksam (Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG).
26
1.2 Das Landratsamt ordnete im Bescheid vom 19. Februar 2020 die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Pflicht zur Rückgabe des Führerscheins an, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Die in der Hauptsache eingelegte Anfechtungsklage hat deshalb keine aufschiebende Wirkung, sodass im Eilverfahren der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO einschlägig ist.
27
2. Die Anordnung des Sofortvollzugs genügt den formellen Anforderungen. Das Landratsamt hat die Anordnung insbesondere in ausreichender Weise begründet. Die Vorschrift des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt eine Darlegung der Gründe, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für ausnahmsweise geboten erachtet (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 55). Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 19. Februar 2020 erfüllt diese formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Dass in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle betreffend die Ungeeignetheit von Kraftfahrern das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist und die fahrerlaubnisrechtliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ähnlich begründet wird, ändert an deren Einzelfallbezogenheit nichts (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.11.2016 - 11 CS 16.1957 - juris; B.v. 15.6.2016 - 11 CS 16.879 - juris).
28
3. Ist der Sofortvollzug wirksam angeordnet, kann gemäß § 80 Abs. 5 VwGO das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen, wobei es eine eigene Abwägungsentscheidung trifft. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68 und 73 ff.).
29
Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt vorliegend, dass die Klage des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Es spricht einiges dafür, dass die im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Regelungen formell und materiell rechtmäßig sind und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt den zutreffenden Gründen des Bescheides vom 19. Februar 2020 und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit von einer Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Das Vorbringen des Antragstellerbevollmächtigten führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
30
3.1 Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis ist nach Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann gegeben, wenn Konsum und Fahren getrennt werden und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen vorliegt. Steht nach Maßgabe der gesetzlichen Voraussetzungen die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, entzieht die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis unmittelbar; die Entscheidung ist ohne Ermessensspielraum zwingend. Einer Gutachtenseinholung bedarf es dann nicht (§ 11 Abs. 7 FeV).
31
Da der Antragsteller als gelegentlicher Cannabiskonsument am 20. Oktober 2019 unter nachgewiesenem Einfluss eines fahreignungsrelevanten Mischkonsums mehrerer psychoaktiver Stoff sowie THC stand, durfte das Landratsamt ohne weitere Aufklärungsmaßnahme von einer feststehenden Fahrungeeignetheit ausgehen, § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 FeV sowie Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV.
32
Von einem gelegentlichen Konsum des Antragstellers von Cannabis durfte ausgegangen werden. Im Zuge der polizeilichen Durchsuchung seines Wohnhauses am 20. Oktober 2019 gab der Antragsteller selbst an, dass er aus gesundheitlichen Gründen täglich Haschisch konsumiere, um besser schlafen zu können. Hiernach ist zumindest von einer mehr als einmaligen und mithin gelegentlichen Einnahme von Cannabis auszugehen. Darauf deuten auch die im Rahmen der Durchsuchung aufgefundene Menge an Marihuana (0,32 g) und Haschisch (1,19 g) sowie diverse Konsumutensilien hin, die jeweils dem Antragsteller zugeordnet werden konnten. Wie der Antragsteller ferner gegenüber der Polizei einräumte, erfolgte die Einnahme von Cannabis nicht auf Grundlage einer ärztlichen Verordnung. Der Antragsgegner hat deshalb zurecht die Beurteilung der Fahreignung des Antragstellers am Maßstab der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV und nicht anhand der Eignungskriterien bei einer Dauerbehandlung mit Arzneimitteln (Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV) bzw. einer missbräuchlichen Einnahme von Arzneimitteln (Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV) vorgenommen.
33
Ausweislich des rechtsmedizinischen Gutachtens der Universitätsklinik Bonn vom 19. November 2019 stand der Antragsteller am 20. Oktober 2019 nicht nur unter Einfluss von Cannabis (6,8 ng/ml THC), sondern auch unter einer Wirkung von mehreren fahreignungsrelevanten psychoaktiven Stoffen, namentlich Amitriptylin (Antidepressivum), Bisoprolol (Betablocker) und Tramadol (schmerzlinderndes Opioid). Bereits der Umstand, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme infolge eines Mischkonsums unter der kumulierten Wirkung dieser Stoffe stand, begründet gem. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV seine feststehende Nichteignung, sodass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen war. Der Anordnung einer Aufklärungsmaßnahme gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV - wie sie etwa bei erstmaliger Verletzung gegen das Gebot der Trennung von Cannabiskonsum und Fahren gefordert wird (siehe BVerwG, U.v. 11.4.2019 - 3 C 13/17 - juris sowie vorgehend BayVGH München, U.v. 25.4.2017 - 11 BV 17.33 - juris) - bedarf es bei einer festgestellten Wirkungskumulation infolge eines Mischkonsums von Cannabis und psychoaktiver Substanzen entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers nicht. Denn maßgebend für die vom Verordnungsgeber in der hier einschlägigen Variante der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorgezeichneten Gefahreneinschätzung ist nicht nur die Gefahr einer fehlenden Trennung von Konsum und Fahren, sondern vielmehr auch die signifikante Erhöhung des Unfallrisikos infolge des kombinierten Konsums von Cannabis und psychoaktiven Substanzen bei einem etwaigen Verstoß gegen das Trennungsgebot (vgl. zum Mischkonsum von Alkohol und Cannabis BVerwG, U.v. 14.11.2013 - 3 C 32/12 - NJW 2014, 1318 Rn. 16, 21). Deshalb darf die Fahrerlaubnisbehörde bei gelegentlichen Cannabiskonsumenten bereits im Falle eines festgestellten Mischkonsums von Cannabis sowie psychoaktiven Substanzen gem. § 11 Abs. 7 FeV von einer feststehenden Nichteignung des Betroffenen ausgehen (so auch VG München, B.v. 27.10.2009 - M 1 S 09.4433 - juris Rn. 45; VG Gelsenkirchen, B.v. 27.7.2017 - 7 L 1979/17 - juris Rn. 9).
34
Die unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch bei einem Mischkonsum geforderte hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter kumulierter Wirkung mehrerer Rauschmittel (siehe BVerwG, U.v. 14.11.2013 - 3 C 32/12 - NJW 2014, 1318 Rn. 16) zeigt vorliegend ohne weiteres die Tatsache, dass der Antragsteller am 20. Oktober 2019 ein Fahrzeug im Straßenverkehr führte, obwohl er unter Einfluss von THC sowie mehrerer verkehrsmedizinisch relevanter psychoaktiver Stoffe stand. Daran besteht kein begründeter Zweifel, da der Antragsteller zunächst einräumte, dass er am 19. Oktober 2019 gegen 10:00 Uhr das opiodhaltige Schmerzmittel Tramal long einnahm sowie am selben Tag gegen 22:00 Uhr einen Joint mit Haschisch rauchte und anschließend ausweislich des polizeilichen Berichts vom 17. Dezember 2019 unmittelbar vor der Durchsuchung seines Anwesens einen PKW im Straßenverkehr führte (vgl. Aktenvermerk der Polizeiinspektion Bad Brückenau, Blatt 45 der Behördenakte). Demgegenüber erscheint die spätere Behauptung des Antragstellers, er habe erst nach der Fahrt während der Hausdurchsuchung einen Haschischbrocken geschluckt („Nachtrunk“), nicht glaubhaft.
35
Umstände, die auf eine Ausnahme vom Regelfall der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV hinweisen könnten (vgl. Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV), hat der Antragsteller schließlich weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren vorgetragen.
36
3.2 Es waren nach der Blutentnahme am 20. Oktober 2019 bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 19. Februar 2020 auch keine ausreichenden Anhaltspunkte erkennbar, wonach der Antragsteller seine Fahreignung möglicherweise wiedererlangt haben könnte, sodass anstatt des unmittelbaren Fahrerlaubnisentzuges keine weitere behördliche Aufklärung veranlasst war.
37
Es erscheint zwar nicht ausgeschlossen, dass die durch einen vorherigen illegalen Cannabiskonsum nach Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV feststehende Nichteignung durch eine spätere ärztliche Verordnung von medizinischem Cannabis wiederhergestellt wird (BayVGH, B.v. 29.4.2019 - 11 B 18.2486 - juris Rn. 34). Vorliegend lagen bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 - 11 B 18.2486 - juris Rn. 32) indes keine hinreichenden Anhaltspunkte vor, dass der Antragsteller seinen illegalen Konsum von Cannabis inzwischen auf eine ärztlich verordnete Einnahme umgestellt und deshalb möglicherweise die Fahreignung wiedererlangt haben könnte.
38
Im Rahmen der Anhörung zur Fahrerlaubnisentziehung äußerte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 13. Februar 2020 ausschließlich rechtliche Bedenken gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis, ohne auf eine etwaige Umstellung des Cannabiskonsums auf eine medizinische Einnahme hinzuweisen. Auch die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen zeigen keine tragfähigen Gesichtspunkte, wonach die aufgrund des Mischkonsums von Cannabis und psychoaktiven Substanzen feststehende Nichteignung des Antragstellers bis zum Erlass des Entzugsbescheids möglicherweise wieder in Frage gestellt worden wäre und es deshalb weiterer Aufklärung bedurft hätte. Die dem Gericht übersandte Empfehlung der „Cannabis-Ärzte“ (Marktredwitz) vom 14. Februar 2020 zur Umstellung der Schmerztherapie des Antragstellers auf eine Cannabis-Medikation taugt hierfür nicht, da sie weder eine ärztliche Verordnung von Medizinal-Cannabis darstellt, noch ersichtlich ist, ob das Schreiben überhaupt von einem approbierten Arzt gezeichnet wurde.
39
Eine Vereinbarung über ärztliche Behandlungen betreffend die Verordnung von Medizinal-Cannabis hat der Antragsteller erst am 21. Februar 2020 mit dem Facharzt für Chirurgie und Notfallmedizin Herrn Dr. med. … E. (Frankfurt a. M.) getroffen und sich an diesem Tag entsprechende ärztliche Rezepte ausstellen lassen. Die Prüfung, ob der Antragsteller nach nunmehriger Umstellung seines Konsums auf ärztlich verordnetes Cannabis künftig fahrgeeignet ist, bleibt daher dem Wiedererteilungsverfahren vorbehalten. Hinzuweisen ist indes darauf, dass selbst bei einer medizinisch verordneten Einnahme von Cannabis erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Fahreignung des Antragstellers bestehen, da es nicht sicher erscheint, ob dieser - wie von seinem Bevollmächtigten vorgebracht - den Konsum psycho-aktiver Stoffe nunmehr eingestellt hat und künftig nur noch legales Cannabis konsumiert. Ausweislich der vorgelegten aktuellen ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Herrn Dr. … J. (Bad K.) vom 17. Februar 2020 wird dem Antragsteller weiterhin Tramal long (opioidhaltiges Schmerzmittel), Zopiclon (Schlafmittel) sowie Amitriptylin (Antidepressivum) zur Einnahme verordnet. Es ist wahrscheinlich, dass der Antragsteller bei einer fortgesetzten Einnahme der vorgenannten Medikamente neben der ärztlich verordneten Einnahme von Cannabis nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist (vgl. etwa Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation, Hrsg. DGVP, aktualisierte Fassung August 2018, S. 12, abrufbar unter https://www.dgvp-verkehrspsychologie.de, wonach schon der Beigebrauch von Alkohol bei einer medizinischen Verordnung von Cannabis bei der Verkehrsteilnahme des Betroffenen aufgrund der damit verbundenen erheblichen Steigerung des Unfallrisikos auszuschließen ist; siehe hierzu auch BayVGH, B.v. 29.4.2019 - 11 B 18.2486 - juris Rn. 38).
40
Der Führerschein war gem. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben. Hinsichtlich der Nebenentscheidungen des Bescheids vom 19. Februar 2020 sind Bedenken weder dargelegt noch ersichtlich. Die Anfechtungsklage des Antragstellers wird deshalb voraussichtlich keinen Erfolg haben.
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4. Auch eine Abwägung der Interessen des Antragstellers mit den öffentlichen Interessen an der Sicherheit des Straßenverkehrs muss hier zu Lasten des Antragstellers ausfallen. Dieser hat sich als gelegentlicher Cannabiskonsument aufgrund des festgestellten Beigebrauchs von psychoaktiven Substanzen als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen, sodass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen war. Die damit für den Antragsteller möglicherweise verbundenen Nachteile in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit und seine private Lebensführung müssen von ihm im Hinblick auf den hohen Rang der durch die Verkehrsteilnahme eines ungeeigneten Kraftfahrers gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit sowie im Hinblick auf das überwiegende Interesse der Verkehrssicherheit hingenommen werden. Eventuelle persönliche oder berufliche Auswirkungen sind typisch und waren dem Gesetzgeber bei der Schaffung der Vorschriften bekannt (vgl. SächsOVG, B.v. 19.5.2016 - 3 B 37/16 - juris). Der Sofortvollzug ist auch deshalb erforderlich, weil der Antragsteller nach Entziehung seiner Fahrerlaubnis weiterhin neben (ärztlich verordnetem) Cannabis offenbar zusätzlich psychoaktive Medikamente einnimmt und deshalb erhebliche Bedenken an seiner Fahreignung bestehen. Zum Schutz der Verkehrsteilnehmer kann es nicht verantwortet werden, den Antragsteller bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache als Führer eines Kraftfahrzeuges am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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6. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie Nr. 46.1, Nr. 46.3 und Nr. 46.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Fahrerlaubnisklassen B, BE sowie die mitumfasste Klasse L (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 4 FeV) sind mit dem Auffangwert von 5.000,00 EUR zu bewerten. Ebenso ist die Klasse A samt mitumfasster Klassen A1, A2, AM (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 1 FeV) mit 5.000,00 EUR anzusetzen. Die Klasse CE samt mitumfasster Klassen C1 und C1E (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 6 FeV) war mit 7.500,00 EUR zu bewerten. Der summierte Streitwert von 17.500,00 EUR war im Eilverfahren auf 8.750,00 EUR zu halbieren.