Inhalt

FG München, Urteil v. 11.03.2020 – 4 K 3174/17
Titel:

Abgewiesene Klage im Streit um Grunderwerbsteuerfestsetzung

Normenkette:
AO § 110
Leitsätze:
1. Die Fortführung des Einspruchsverfahrens gegen den neuen Verwaltungsakt gem. § 365 III 2 Nr. 2 AO setzt voraus, dass die Adressaten und der Besteuerungsgegenstand des unwirksamen und des ersetzenden Verwaltungsaktes identisch sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein an eine vollbeendete Gesellschaft gerichteter und daher nichtiger Bescheid durch einen an die Gesamtrechtsnachfolgerin jener Gesellschaft gerichteten Bescheid ersetzt wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anwendung des § 365 III AO setzt voraus, dass gegen den geänderten oder ersetzten Verwaltungsakt ein zulässiger Einspruch eingelegt worden ist. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Einspruchsverfahren
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 11.10.2023 – II R 16/21
Fundstellen:
EFG 2022, 1086
BeckRS 2020, 56413
LSK 2020, 56413

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.
1
Zwischen den Beteiligten ist u.a. streitig, ob das beklagte Finanzamt (FA) den Einspruch der Klägerin gegen eine Grunderwerbsteuerfestsetzung zu Recht als unzulässig abgelehnt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 der Abgabenordnung (AO) nicht gewährt hat.
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Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der A GmbH, die ihrerseits Rechtsnachfolgerin der B KG war. Letztere war bis 21. März 2014 Eigentümerin des Grundstücks in ...-Stadt. C AG war über die D KG mittelbar an der B KG beteiligt.
3
Aufgrund von mehreren Erwerbsvorgängen in der Zeit vom 7. Mai 2002 bis zum 19. Januar 2007 gingen 95% der Anteile an der C AG auf die neue Anteilseignerin E S.p.A. über.
4
Mit Schreiben vom 16. Januar 2013 teilte die Betriebsprüfungsstelle dem FA mit, dass aufgrund der Erwerbsvorgänge am 7. Mai 2002 und am 19. Januar 2007 95% der Anteile an der C AG i.S.d. § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) auf die E S.p.A. übergegangen sind. Betroffen sei der Grundbesitz in ...-Stadt.
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Mit Bescheid vom 20. Februar 2013, adressiert an die B KG, stellte das Feststellungsfinanzamt den Grundbesitzwert für die wirtschaftliche Einheit in ...-Stadt auf den 19. Januar 2007 für Zwecke der Grunderwerbsteuer i.H.v. 19.739.500 € fest und rechnete ihn der B KG in voller Höhe zu.
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Die B KG wurde - nach Veräußerung ihres Grundbesitzes am 21. März 2014 - durch Ausscheiden der D KG im Wege der Anwachsung auf ihre Komplementärin A GmbH am 2. April 2014 vollbeendet und ist laut Handelsregistereintragung vom 5. Mai 2014 erloschen.
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Mit Bescheid vom 11. November 2014 setzte das FA gegen die B KG für den Erwerbsvorgang vom 19. Januar 2007 gem. § 1 Abs. 2a GrEStG aus einer Bemessungsgrundlage von 19.739.500 € Grunderwerbsteuer i.H.v. 690.882 € fest.
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Mit Schreiben vom 21. November 2014 erhob die B KG Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG seien im Streitfall nicht erfüllt. Zwar habe die E S.p.A. am 19. Januar 2007 ihren Aktienbesitz an der C AG auf 95% der Anteile erhöht. Nach neuester Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 24. April 2013 II R 17/10 erfordere ein Gesellschafterwechsel i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG bei mittelbar beteiligten Kapitalgesellschaften aber einen Wechsel der Anteilseigner i.H.v. 100%.
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Mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 wies das FA die B KG darauf hin, dass das Urteil mit einem Nichtanwendungserlass belegt sei, weil die wirtschaftliche Betrachtungsweise des BFH in diesem Urteil nicht dem Willen des Gesetzgebers entspräche. Dem Einspruch könne deshalb nicht stattgegeben werden.
10
Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 teilte die A GmbH dem FA mit, dass die B KG im April 2014 erloschen und der Grunderwerbsteuerbescheid vom 11. November 2014 an die erloschene B KG mangels wirksamer Bekanntgabe nichtig sei.
11
Durch Bescheid vom 27. Februar 2015 setzte das FA gegen die A GmbH als Rechtsnachfolgerin der B KG wegen des Erwerbsvorgangs vom 19. Januar 2007 Grunderwerbsteuer aus einer Bemessungsgrundlage von 19.739.500 € i.H.v. 690.882 € fest.
12
Mit Schreiben vom 3. März 2015 teilte das FA der A GmbH mit, dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom 11. November 2014 gegen die B KG nicht wirksam bekanntgegeben worden ist (die Gesellschaft war bereits erloschen) und stellte dessen Nichtigkeit (§ 125 AO) fest.
13
Mit Wirkung zum 30. Juni 2015, dem Tag der Eintragung ins Handelsregister, wurde die A GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Die Klägerin wurde lt. Handelsregistereintragung vom 10. April 2017 aufgelöst und befindet sich in Liquidation.
14
Mit Schreiben vom 18. Februar 2016 an das FA betreffend „Grunderwerbsteuer - Einsprüche diverser „…“ Gesellschaften Aufhebung von Bescheiden über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer aus 2013 bzw. aus 2014“ bat die D GmbH, die im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages für die erloschene A GmbH tätig wurde, den zuständigen Bearbeiter des FA um vorrangige Bearbeitung der Einsprüche von sieben Gesellschaften, u.a. des Einspruchs der B KG. Nach Aufhebung des Nichtanwendungserlasses der Finanzverwaltung gegen das BFH-Urteil Urteil vom 24. April 2013 II R 17/10 würden nun auch seitens der Finanzverwaltung keine Hinderungsgründe mehr bestehen, die Einsprüche zu erledigen.
15
Nachdem die D GmbH das FA mit Schreiben vom 5. April 2016 an die Erledigung diverser noch ausstehender Einsprüche von „…“ (u.a. auch des Einspruchs der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der B KG, StNr. …) erinnert hatte, teilte das FA der D GmbH im Telefonat vom 17. Mai 2016 mit, dass gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 kein Einspruch eingelegt worden sei.
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Mit Schreiben vom 9. Juni 2016 legte die Klägerin gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 Einspruch ein und beantragte, das Schreiben vom 18. Februar 2016, in dem um die Erledigung des vermeintlich offenen Einspruchs der B KG ersucht worden war, als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO, verbunden mit der Einlegung des dem FA nicht vorliegenden Einspruchs, zu werten. Das Besteuerungsverfahren gegen die B KG sei eines von 40 gleichgelagerten Verfahren diverser „… Gesellschaften“ gewesen, die Grunderwerbsteuerbescheide gem. § 1 Abs. 2a GrEStG zum Inhalt gehabt hätten. Es sei nur schwer erklärbar, warum hier eine Einspruchseinlegung - anders als in allen anderen Fällen - unterblieben sei. Möglicherweise könne eine verfahrensrechtliche Besonderheit im Besteuerungsverfahren der B KG hierfür ursächlich gewesen sein. Bei allen anderen „…“ Gesellschaften sei der Grunderwerbsteuerbescheid lediglich Folgebescheid gewesen, weshalb lediglich der gem. § 17 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG ergangene Grundlagenbescheid angegriffen worden sei. Nur im Fall der B KG sei kein Grundlagenbescheid ergangen, da sich Grundstück und Ort der Geschäftsleitung im Zuständigkeitsbereich des FA befunden hätten.
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Mit Schreiben vom 28. Juni 2016 teilte das FA mit, dass die Voraussetzungen des § 110 AO nicht erfüllt seien. Die im Schreiben vom 9. Juni 2016 vorgetragenen Argumente würden eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen.
18
Mit Schreiben vom 30. Januar 2017 trug die Klägerin vor, der Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 gegen die A GmbH sei gem. § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO als inhaltsgleicher neuer Bescheid an die Stelle des fristgerecht mit Einspruch vom 21. November 2014 angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides vom 11. November 2014 gegen die B KG getreten und damit zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden. Die Klägerin beantragte, über den mit Schreiben vom 21. November 2014 fristgerecht eingelegten Einspruch gegen den durch den neuen Bescheid vom 27. Februar 2015 ersetzten Ausgangsbescheid vom 11. November 2014 durch Erlass eines Abhilfebescheids zu entscheiden.
19
Mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2017 verwarf das FA den Einspruch der Klägerin vom 9. Juni 2016 als unzulässig. Die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO sei am 9. Juni 2016 bereits abgelaufen gewesen. Das Schreiben der D GmbH vom 18. Februar 2016 könne nicht als Antrag auf Wiedereinsetzung gewertet werden, da die A GmbH in diesem Schreiben nicht genannt worden sei. Darüber hinaus handle es sich nicht um einen Fall des § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO. Das FA habe dem Einspruch der B KG stattgegeben, indem es den Bescheid vom 11. November 2014 mit Bescheid vom 3. März 2015 für nichtig erklärt habe. Die Nichtigkeitsfeststellung sei der Aufhebung eines Steuerbescheides gleichzustellen, das Einspruchsverfahren sei damit beendet. Der Einspruch vom 21. November 2014 könne daher nicht weiterwirken. Auch sei im Streitfall die von § 365 Abs. 3 AO geforderte Identität der Beteiligten nicht gewahrt. Schließlich sei der Einspruch von der B KG eingelegt worden. Da diese im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung bereits vollbeendet gewesen sei, sei der Einspruch darüber hinaus unzulässig gewesen. § 365 Abs. 3 AO erfordere aber einen zulässigen Einspruch.
20
Zur Begründung der Klage vom 21. Dezember 2017 trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Die Grunderwerbsteuerbescheide vom 27. Februar 2015 und vom 11. November 2014 seien unstreitig materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht erfüllt seien. Der Einspruch sei nicht wegen verspäteter Einlegung unzulässig. Gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 11. November 2014 sei fristgerecht am 21. November 2014 ein zulässiger Einspruch eingelegt worden. Da die B KG im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung bereits vollbeendet gewesen sei, könne die Einspruchseinlegung nicht ihr, sondern müsse der A GmbH als weiterhin existierender persönlich haftender und zur Geschäftsführung und Vertretung berufener Gesellschafterin zugerechnet werden. Da der Steuerbescheid an die B KG adressiert gewesen sei, sei ein namens dieser Gesellschaft erhobener Einspruch zulässig. Der Bescheid vom 27. Februar 2015 habe den Bescheid vom 11. November 2015 ersetzt und sei damit an dessen Stelle getreten, ohne dass es einer erneuten Einspruchseinlegung bedurft habe. Mit Schreiben vom 9. Juni 2016 habe man dem FA nur vorsorglich mitgeteilt, dass das Schreiben vom 18. Februar 2016 als gesonderter Einspruch gegen den ersetzenden Bescheid über Grunderwerbsteuer vom 27. Februar 2015 und als Antrag auf Wiedereinsetzung gem. § 110 AO zu werten sei.
21
Die Klägerin beantragt,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. November 2017 aufzuheben, hilfsweise für den Fall der Klageabweisung die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
22
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
23
Die Klägerin habe erst nach Ablauf der Einspruchsfrist Einspruch eingelegt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO sei nicht zu gewähren. Die Jahresfrist des § 110 Abs. 3 AO sei im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung bereits abgelaufen gewesen. Das Schreiben der D GmbH vom 18. Februar 2016 könne nicht als Antrag auf Wiedereinsetzung gewertet werden. Auch lägen die Voraussetzungen des § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO nicht vor. So stelle der Bescheid gegen die A GmbH vom 27. Februar 2015 eine erstmalige Grunderwerbsteuerfestsetzung gegen den zutreffenden Steuerpflichtigen dar und keine Änderung des mit Einspruch angegriffenen nichtigen Bescheides vom 11. November 2014 gegen die B KG. Auch sei der Einspruch der B KG gegen den Steuerbescheid vom 11. November 2014 unzulässig gewesen, diese sei zum Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs bereits erloschen und damit nicht mehr einspruchsbefugt gewesen. § 365 Abs. 3 AO setze aber einen zulässigen Einspruch voraus.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Grunderwerbsteuer- bzw. Rechtsbehelfsakte des FA, die Gerichtsakte sowie die mündliche Verhandlung vom 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.
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1. Die Klage ist unbegründet.
26
a) Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 ist nicht zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen den mit Einspruch vom 21. November 2014 angegriffenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 11. November 2014 geworden. Die Voraussetzungen des § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO sind im Streitfall nicht erfüllt.
27
aa) Gem. § 365 Abs. 1 Satz 1 AO wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Nach § 365 Abs. 3 Satz 2 AO gilt § 365 Abs. 3 Satz 1 AO u.a. dann entsprechend, wenn an die Stelle des ursprünglich angefochtenen - z.B. wegen eines Bekanntgabemangels - unwirksamen Verwaltungsaktes während des Einspruchsverfahrens ein neuer Verwaltungsakt tritt (Nr. 2), so dass dieser dann Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird. Die Fortführung des Einspruchsverfahrens gegen den neuen Verwaltungsakt setzt jedoch wie der Fall des § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO voraus, dass die Adressaten und der Besteuerungsgegenstand des unwirksamen und des ersetzenden Verwaltungsaktes identisch sind (Urteil des FG Hamburg 3 K 213/15; Bartone in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 150. Lieferung, § 365 RZ 30). Auch kommt § 365 Abs. 3 AO nur zur Anwendung, wenn der Einspruch zulässig ist, da ansonsten wegen der zwingenden Anordnung in § 358 Satz 2 AO keine Sachentscheidung, auch nicht über den Änderungsbescheid, erfolgen kann (BFH-Urteile vom 13. April 2000 V R 56/99, BStBl II 2000, 490; vom 11. November 1999, XI B 47/99, BFH/NV 2000, 675; vom 29. Mai 2001, VIII R 10/00, BStBl II 2001, 747; vom 6. September 2006, XI R 51/05, BStBl II 2007, 83).
28
bb) Zwar ist nach Ansicht des Senats im Streitfall die gem. § 365 Abs. 3 AO erforderliche Identität der Beteiligten gegeben, da die Inhaltsadressatin des Grunderwerbsteuerbescheides vom 27. Februar 2015, die A GmbH, die Gesamtrechtsnachfolgerin der Inhaltsadressatin des nichtigen Grunderwerbsteuerbescheides von 11. November 2014, der B KG, gewesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279).
29
cc) Jedoch kommt eine Anwendung des § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO im Streitfall deshalb nicht in Betracht, weil der Einspruch der B KG vom 21. November 2014 unzulässig gewesen ist. Die B KG war zur Einlegung des Einspruchs nicht befugt. Mit dem Erlöschen der B KG am 5. Mai 2014 im Wege der Anwachsung ist deren Befugnis zur Einlegung des Einspruchs gegen den Grunderwerbsteuerbescheid ausschließlich auf deren Gesamtrechtsnachfolger, die A GmbH, übergegangen (vgl. BFH-Urteile vom 22. Januar 2015 IV R 62/11, BFH/NV 2015, 995 und vom 15. April 2010 IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606).
30
Dass im Streitfall die Urheberschaft das Einspruchsschreiben bei der bereits erloschenen B KG gelegen hat und der Einspruch nicht der A GmbH zugerechnet werden kann, ergibt sich für das Gericht insbesondere aus Folgendem: So ist das Einspruchsschreiben vom 21. November 2014 auf dem Briefpapier und mit dem Briefkopf der B KG verfasst worden, auch ist im Adressfeld als Absender des an das FA gerichteten Einspruchs die B KG und nicht die A GmbH genannt. Ferner ist in dem Einspruchsschreiben Folgendes festgehalten: „Wir beantragen die erlassenen Feststellungsbescheide ersatzlos aufzuheben. Mit freundlichen Grüßen B KG“. Der standardmäßige Hinweis auf den Briefköpfen der B KG auf die persönlich haftende Gesellschafterin A GmbH, der sich auch auf dem Einspruchsschreiben befindet, führt nicht dazu, dass diese als Einspruchsführerin angesehen werden könnte. Schließlich ist selbst im Schreiben der D GmbH vom 18. Februar 2016 die B KG als Einspruchsführerin genannt.
31
Der Einspruch ist im Streitfall auch nicht rechtsschutzwahrend dahingehend auszulegen, dass Einspruchsführerin die einspruchsbefugte A GmbH gewesen ist.
32
Zwar kann eine Rechtsbehelfsschrift nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. November 1998 VII B 236/98, BFH/NV 1999, 591) ausgelegt werden. Dabei ist nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen. Auch bei scheinbar eindeutiger Bezeichnung hängt vielmehr insbesondere die Bestimmung des Rechtsbehelfsführers von allen dem Empfänger der Rechtsbehelfsschrift bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umständen tatsächlicher und rechtlicher Art ab (BFH-Urteile vom 10. Mai 1989 II R 196/85, BStBl II 1989, 822, und vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH/NV 1986, 171). Danach ist der Inhalt einer empfangsbedürftigen Willenserklärung von der Verständnismöglichkeit des Empfängers her, dem sog. „Empfängerhorizont“ zu bestimmen. Maßgeblich ist, welcher Sinn der im Einspruchsschreiben gewählten Bezeichnung des Einspruchsführers bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (s. BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BStBl II 1987, 178). Voraussetzung für die Auslegung ist freilich, dass eine Erklärung auslegungsbedürftig ist (BFH-Urteil vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6).
33
Auch darf die Auslegung nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte finden lassen (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1990 VIII R 118/85, BFH/NV 1991, 429).
34
Im Streitfall sieht sich der Senat bereits angesichts des eindeutigen Wortlauts der Einspruchsschrift daran gehindert, das Einspruchsschreiben vom 21. November 2014 rechtsschutzwahrend dahingehend auszulegen, dass nicht die B KG, sondern die A GmbH als Rechtsnachfolgerin der B KG den Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid des FA vom 11. November 2014 eingelegt hat. Darüber hinaus ist dem FA als Empfänger des Einspruchsschreiben weder bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheides am 11. November 2014, noch im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung am 21. November 2014 bekannt gewesen ist, dass die B KG bereits am 5. Mai 2014 erloschen ist, dies ist ihr erstmals am 4. Februar 2015 von der A GmbH mitgeteilt worden. Für das FA hat deshalb kein Anlass bestanden, nicht die B KG, sondern die A GmbH als Einspruchsführerin zu bestimmen.
35
Das von der Klägerin genannte BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 4/03 (BFH/NV 2005, 162) in dem der BFH eine namens einer vollbeendeten Personengesellschaft erhobene Klage im Wege der Auslegung als eine solche der ehemaligen Gesellschafter angesehen hat, ist auf den Streitfall nicht übertragbar. Die Besonderheit des Falles lag seinerzeit darin, dass das Rubrum der Klage spiegelbildlich dem unzutreffenden Rubrum der Einspruchsentscheidung entsprach. Im Rubrum der Einspruchsentscheidung war die vollbeendete Personengesellschaft fehlerhaft als Inhaltsadressatin aufgeführt, obwohl dem Finanzamt -anders als im Streitfallbereits im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung die Vollbeendigung der Personengesellschaft bekannt gewesen sein musste.
36
b) Zu Recht hat das FA den Einspruch der Klägerin vom 9. Juni 2016 gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 gem. § 358 Satz 2 AO als unzulässig verworfen und keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
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aa) Der Einspruch vom 9. Juni 2016 gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 war verspätet, die nach § 355 Abs. 1 AO einmonatige Einspruchsfrist endete im Streitfall bereits mit Ablauf das 2. April 2015.
38
bb) Zu Recht hat das FA der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO gewährt.
39
Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO ist nur demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag oder von Amts wegen eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Im Streitfall braucht der Senat nicht zu prüfen, ob die Klägerin ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs einzuhalten. Denn nach § 110 Abs. 3 AO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann nicht mehr gewährt werden, wenn seit dem Ende der versäumten Frist mehr als ein Jahr vergangen ist und für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist keine Gründe höherer Gewalt ursächlich waren. Im Streitfall hat die Klägerin erst am 9. Juni 2016 und damit mehr als ein Jahr seit dem Ende der Einspruchsfrist am 2. April 2015 Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung gem. § 110 AO beantragt. Das Schreiben der D GmbH vom 5. April 2016 kann nach Ansicht des Senats bereits weder als Einspruch der Klägerin gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015, noch als Antrag auf Wiedereinsetzung gem. § 110 AO ausgelegt werden. Es finden sich in diesem Schreiben keinerlei Anhaltspunkte, dass im Namen der Klägerin gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 Einspruch eingelegt werden sollte.
40
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
41
3. Die Revision zum BFH wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Streitsache hat weder grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, noch sind die tatbestandlichen Merkmale des § 115 Abs. 2 Nr. 2 bis 3 FGO erfüllt.