Titel:
Professionelle Photovoltaikanlagenreinigung im Franchise-System
Normenketten:
HwO § 1 Abs. 2, § 10 Abs. 1 S. 1, § 11, § 18 Abs. 2, § 20
VwGO § 88, § 113 Abs. 1 S. 1
GebrMstrV § 1 Abs. 2, § 5 Abs. 1
Leitsätze:
Aufgrund fehlender Handwerksmäßigkeit einer professionellen Photovoltaikanlagenreinigung im Franchise-System ist diese nicht in das Verzeichnis zulassungsfreier Handwerke einzutragen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Photovoltaikanlagenreinigung im Franchise-System ist kein Gewerbe iSd § 18 Abs. 2 HwO, welches in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke einzutragen ist. (Rn. 24 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage, Handwerkskammer, professionelle Photovoltaikanlagenreinigung im Franchise-System, Ankündigung der Eintragung eines Gewerbes in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke der Handwerkskammer, Gebäudereinigerhandwerk, Handwerksmäßigkeit, verneint, Kostenbescheid, Dienstleistung, Eintragung, Festsetzung, Gewerbebetrieb, professionelle Photovoltaikanlagenreinigung, Franchise-System
Fundstellen:
LSK 2020, 5622
BeckRS 2020, 5622
GewA 2020, 333
Tenor
I. Der Bescheid der Handwerkskammer für U. vom 8. Mai 2019 sowie der Gebührenbescheid vom 8. Mai 2019 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Eintragung von Amts wegen in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke durch die Beklagte.
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1. Die Klägerin ist Einzelgewerbetreibende und bietet als Franchisenehmerin die Dienstleistung „Reinigung von Photovoltaikanlagen“ an. Zum 1. Dezember 2018 verlegte sie ihre Betriebsstätte aus dem Regierungsbezirk N. nach Schonungen (Landkreis Sch.). Im Gewerberegister ist für die Tätigkeit der Klägerin aufgeführt: „Professionelle Photovoltaikreinigung und sonstige Geschäfte“.
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Die Gewerbeummeldung wurde der Handwerkskammer für U. (nachfolgend: Beklagte) am 28. Januar 2019 bekannt. Mit Schreiben vom 13. Februar 2019 forderte die Beklagte die Klägerin zu einer detaillierten Tätigkeitsbeschreibung auf, da aus dem Tätigkeitsbereich „sonstige Geschäfte“ nicht ersichtlich sei, ob eintragungspflichtige Teiltätigkeiten eines zulassungspflichtigen Handwerks, eines zulassungsfreien Handwerks oder eines handwerksähnlichen Gewerbes betrieben würden.
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Mit E-Mail vom 28. Februar 2019 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass es sich bei dem Begriff „sonstige Geschäfte“ um sonstige Dienstleistungen handele, da sie nur Dienstleistungen anbiete und somit nicht in die Kategorie eines zulassungspflichtigen Handwerks falle.
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Daraufhin bat die Beklagte die Klägerin am 1. März 2019, den Begriff „Dienstleistungen“ zu präzisieren und die ausgeführten Tätigkeiten mitzuteilen. Überdies sei ihre gewerberechtliche angemeldete Tätigkeit „professionelle Photovoltaikreinigung“ nach den gesetzlichen Bestimmungen der Handwerksordnung (HwO) in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke mit dem zulassungsfreien Gebäudereinigerhandwerk zu beantragen.
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Mit Schreiben vom 20. März 2019 erinnerte die Beklagte die Klägerin an die Eintragung in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke mit dem Gebäudereinigerhandwerk unter Hinweis auf eine sonst kostenpflichtige Eintragung von Amts wegen.
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Mit E-Mail vom 11. April 2019 widersprach die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre vorhergehenden Ausführungen einem Eintrag in die Handwerksrolle und führte aus, dass es sich bei der besonderen Art der von ihr angebotenen Dienstleistung maximal um ein sogenanntes Minderhandwerk nach § 1 Abs. 2 HwO handeln könne, was die Behörden in allen Fällen der Franchisepartner im Rahmen der Gewerbeanmeldung gebilligt hätten. Das Franchisesystem sei von Beginn an Mitglied in der IHK Würzburg.
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Daraufhin erwiderte die Beklagte mit E-Mail vom 12. April 2019, dass die Tätigkeit der „Photovoltaikreinigung“ dem Gebäudereinigerhandwerk zugeordnet werde und forderte die Klägerin auf, den Eintragungsantrag auszufüllen; bei zulassungsfreien Handwerken gälten nicht die Bestimmungen des § 1 Abs. 2 HwO, sondern §§ 18 ff. HwO.
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Die Klägerin äußerte sich nicht mehr.
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Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 kündigte die Handwerkskammer für U. der Klägerin an, dass sie mit Eintritt der Rechtskraft von Amts wegen in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke (Anlage B, Abschnitt 1 zur HwO) eingetragen wird. Für den Bescheid wurde eine Gebühr i.H.v. 50,00 EUR festgesetzt, für die durchzuführende Eintragung wurde eine Eintragungsgebühr von 76,00 EUR fällig. Dem Schreiben war ein Gebührenbescheid vom 8. Mai 2019 über 126,00 EUR (Re.-Nr. …) beigefügt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin betreibe ein zulassungsfreies Gebäudereinigerhandwerk und habe trotz Aufforderung und Fristsetzung den Eintragungsantrag nicht vorgelegt, sodass die Eintragung gemäß § 10 Abs. 1 HwO i.V.m. § 18 HwO von Amts wegen durchzuführen sei. Die Gebühren ergäben sich aus Nr. A I 3. bzw. A I 1.1 des Gebührenverzeichnisses der Handwerkskammer vom 16. September 2016.
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Der Bescheid wurde der Klägerin am 11. Mai 2019 zugestellt.
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2. Hiergegen ließ die Klägerin am 4. Juni 2019 Klage erheben und beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2019 hinsichtlich der Eintragung der Klägerin von Amts wegen in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, die professionelle Reinigung von Photovoltaikanlagen ohne Anzeige der Tätigkeit bei der Handwerkskammer für U. selbstständig und im stehenden Gewerbebetrieb auszuüben, den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2019 hinsichtlich der Gebühr von 126,00 EUR aufzuheben.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin betreibe als Franchisenehmerin die professionelle Reinigung ausschließlich von Photovoltaikanlagen und erbringe zugehörige Beratungsleistungen, z.B. im Hinblick auf die Effizienzsteigerung von Photovoltaikanlagen durch regelmäßige Reinigung der Module. Die verfahrensgegenständlichen Bescheide der Beklagten seien rechtswidrig, da sie unzutreffend davon ausgingen, die Klägerin betreibe das Handwerk des Gebäudereinigers (Nr. 33 der Anlage B Abschnitt 1 zur HwO). Das Handwerk des Gebäudereinigers beziehe sich bereits begrifflich auf die Reinigung von Gebäuden und entsprechende Nebenleistungen. Dagegen sei die Reinigung von elektrotechnischen Anlagen - wie Photovoltaikanlagen - nicht einmal als Teilgebiet des Gebäudereinigerhandwerks anzusehen. Photovoltaikanlagen seien schon keine Gebäude. Zwar könnten solche an Gebäuden angebracht sein, jedoch gebe es ebenso freistehende Photovoltaikanlagen, die in keiner Verbindung zu einem Gebäude stünden. Für die Durchführung der Reinigung von Photovoltaikanlagen seien auch keine Kenntnisse erforderlich, die wesentlicher Teil der Ausbildung zum Gebäudereiniger wären. Die notwendigen Fertigkeiten würden im Rahmen des Franchisesystems erlangt und könnten in weniger als drei Monaten erlernt werden - als Beispiel sei der 2-Tageskurs zum TÜV-Geprüften Photovoltaikreiniger genannt - und hätten sich auch traditionell nicht aus einem zulassungspflichtigen oder zulassungsfreien Handwerk entwickelt (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO). Innerhalb des Franchisesystems seien sowohl handwerklich vorgebildete wie nicht vorgebildete Franchisepartner befasst. Bundesweit sei bisher kein anderer Franchisenehmer von der jeweils örtlich zuständigen Handwerkskammer in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke eingetragen worden. Die Klägerin sei früher im Bereich der Handwerkskammer N.-O. tätig gewesen, diese Handwerkskammer habe eine Eintragung in das Handwerksverzeichnis jedoch nicht für erforderlich gehalten. Im Übrigen sei die Klägerin Mitglied in der für sie örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer.
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Die beklagte Handwerkskammer für U. beantragte,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei nach den gesetzlichen Bestimmungen in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke einzutragen gewesen. Die Tätigkeit der Photovoltaikreinigung sei eindeutig dem Gebäudereiniger-Handwerk Nr. 33 der Anlage B1 zur HwO zuzuordnen. Laut Auskunft des Bundesinnungsverbands des Gebäudereiniger-Handwerks falle die Tätigkeit als spezielle Form der Glasreinigung unter das Berufsbild des Gebäudereiniger-Handwerks gemäß der Gebäudereinigermeisterverordnung und der Gesellenausbildungsverordnung. So zähle zu den Meisterprüfungsarbeiten u.a. die Reinigung von Industrieverglasungen, zu den Arbeitsproben der Meisterprüfung zähle u.a. die Reinigung von verschiedenen Verglasungen. Die Photovoltaikanlagenreinigung gelte als besonders anspruchsvolle Variante der Glasreinigung und werde in Lehrgängen und Seminaren im Gebäudereiniger-Handwerk unterrichtet. Nachdem es sich um eine Tätigkeit aus dem Bereich des zulassungsfreien Handwerks handele, seien die Bestimmungen des § 1 Abs. 2 HwO nicht anwendbar, da diese nur für zulassungspflichtige Handwerke zur Anlage A HwO gälten.
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Mit Schriftsatz vom 5. August 2019 trat die Klägerin dem entgegen und ließ u.a. vorbringen, dass die Reinigung von Photovoltaikanlagen als elektrotechnische Anlagen schon sprachlich nicht in den Bereich der Gebäudereinigung falle. Die professionelle Reinigung von Photovoltaikanlagen könne entweder durch Handwerksbetriebe oder Betriebe, die Mitglied in Industrie- und Handelskammer seien, erfolgen.
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Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 legte die Beklagte eine Stellungnahme des Bundesinnungsverbands des Gebäudereiniger-Handwerks vom 10. Dezember 2019 vor. Aus dieser Stellungnahme geht unter Wiederholung des bereits in der Klageerwiderung durch die Beklagte Vorgebrachten im Wesentlichen hervor, dass nach Ansicht des Bundesinnungsverbands die Reinigung von Photovoltaikanlagen als Unterfall der klassischen Glasreinigung einen wesentlichen Tätigkeitsbereich des Gebäudereiniger-Handwerks darstelle; als Anlage waren der Stellungnahme beispielhaft drei Angebote über ein jeweils eintägiges Seminar für die Reinigung von Photovoltaikanlagen beigefügt. Auf die Stellungnahme wird im Übrigen verwiesen.
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3. Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die Klage hat Erfolg, denn sie ist zulässig und vollumfänglich begründet.
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1. Die Klage ist als Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 8. Mai 2019 sowie den Kostenbescheid vom 8. Mai 2019 in objektiver Klagehäufung zulässig, § 44 VwGO. Bei der gemäß § 20 i.V.m. § 11 HwO mitzuteilenden beabsichtigten Eintragung des Gewerbetreibenden in die Handwerksrolle handelt es sich ebenso wie bei der Festsetzung der Bescheidsgebühren je um einen selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt (BeckOK HwO/Leisner, 11. Ed. 31.12.2019, HwO § 11 Rn. 7), die in sachlichem Zusammenhang stehen.
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Dem im Klageschriftsatz vom 4. Juni 2019 über das Anfechtungsbegehren hinaus zusätzlich formulierten Antrag festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, die professionelle Reinigung von Photovoltaikanlagen ohne Anzeige der Tätigkeit bei der Handwerkskammer für U. selbstständig und im stehenden Gewerbebetrieb auszuüben, kommt hingegen keine eigenständige Bedeutung zu. In Anwendung von § 88 VwGO ist dieses Begehren bereits in der Anfechtung des Bescheids über die beabsichtigte Eintragung der Klägerin vom 8. Mai 2019 enthalten.
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2. Die Klage ist begründet, da der Bescheid der Handwerkskammer für U. vom 8. Mai 2019 über die beabsichtigte Eintragung der Klägerin in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn die Klägerin betreibt kein Gewerbe im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO, welches nach § 18 Abs. 1 Satz 1, § 20 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 HwO in das Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke einzutragen wäre.
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Mangels Handwerksmäßigkeit liegen die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der Handwerkskammer nicht vor.
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2.1. Gemäß § 11 HwO i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 HwO und § 20 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 HwO erfolgt die Eintragung eines zulassungsfreien Handwerks oder eines handwerksähnlichen Gewerbes in die Handwerksrolle auf Antrag oder von Amts wegen. Die beabsichtigte Eintragung ist dem Gewerbetreibenden mitzuteilen.
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Unstrittig übt die Klägerin vorliegend mit ihrer Photovoltaikanlagenreinigung im Franchise-System eine selbstständige, als stehendes Gewerbe und auf Dauer betriebene Tätigkeit aus. Jedoch handelt es sich hierbei nicht ein zulassungsfreies Handwerk oder ein handwerksähnliches Gewerbe, da diese Tätigkeit nicht handwerksmäßig betrieben wird und auch nicht in Anlage B zu Abschnitt 1 der HwO zu finden ist, die ehemalige Vollhandwerke enthält, die mit der Gesetzesnovelle 2003 zu zulassungsfreien Handwerken herabgestuft wurden, vgl. § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO.
28
2.1.1. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 HwO ist ein Gewerbe dann ein zulassungsfreies Handwerk im Sinne der Handwerksordnung, wenn es handwerksmäßig betrieben wird. Damit ist die Handwerksmäßigkeit eine notwendige Voraussetzung für die Feststellung, ob ein zulassungsfreies, aber eintragungspflichtiges Handwerk ausgeübt wird. Der Begriff des Handwerks ist dabei wie in § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO zu bestimmen: er ist nicht definiert, wird aber unter Beachtung der Verkehrsauffassung allgemein wie auch nach einer Reihe von Einzelkriterien bestimmt (Leisner in BeckOK, HwO, 10. Edition, Stand 1.6.2019, § 18 Rn. 2).
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Bei dem Begriff des Handwerks handelt es sich um einen dynamischen Begriff, der an die Organisationsstruktur des Betriebs anknüpft. Anzustellen ist eine umfassende Betrachtung der Gesamtstruktur bzw. des wirtschaftlichen Gesamtbildes (Honig/Knörr/Thiel, HwO, 5. Aufl. 2017, § 1 Rn. 38 m.w.N.). Auch die Nennung von „Gewerben“ in den Anlagen A und B der HwO begründet wichtige Anhaltspunkte für das Vorliegen handwerklicher Tätigkeit, allerdings handelt es sich hierbei um keine starren Kategorien. Es kommt stets auf das Gesamtbild der Tätigkeit an (Leisner in BeckOK, HwO, 11. Ed. Stand 31.12.2019, § 1 Rn. 19f.). So ist nicht die Qualität der handwerklichen Tätigkeit entscheidend, sondern deren Quantität bzw. Anteil am wirtschaftlichen Gesamtbild und damit dem Schwerpunkt des Betriebs. Ein weiteres wichtiges Kriterium stellt die Ausbildung bzw. fachliche Qualifikation der Mitarbeiter und der Betriebsleitung dar („Befähigungsgrundsatz“); entscheidend ist der Qualifikationsstand insgesamt, den die Tätigkeit voraussetzt (Leisner, a.a.O., Rn. 23-25). Soweit eine Rechtsverordnung ein Meisterprüfungsberufsbild normiert hat, bieten die in ihm genannten Fertigkeiten und Kenntnisse wichtige Anhaltspunkte für die Qualifizierung eines Betriebes als B1-Handwerksbetrieb. Die Meisterprüfungsverordnung legt insoweit die Fertigkeiten und Kenntnisse fest, die für den Beruf zu erwerben sind; ergänzend können auch die Ausbildungsordnungen herangezogen werden (Leisner, a.a.O., Rn. 31 ff.). Ein weiteres Merkmal ist die Gewichtung des Einsatzes technischer Arbeits- und Hilfsmittel und die damit zusammenhängende Frage, ob die Verwendung von Maschinen für eine individuelle Betätigung handwerklicher Fähigkeiten und Fertigkeiten noch Raum lässt (Honig/Knörr/Thiel, HwO, § 1 Rn. 42).
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Unter Anwendung der vorgenannten Maßstäbe fehlt dem von der Klägerin betriebenen Gewerbe das Merkmal der Handwerksmäßigkeit.
31
So ist vorliegend schon zweifelhaft, welches handwerkliche Können bzw. handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Durchführung der von der Klägerin betriebenen Photovoltaikanlagenreinigung erforderlich ist bzw. sind. Es ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die Reinigung der Anlagen im Rahmen des Franchise-Systems … betreibt und hierbei über ihren Franchisegeber alle erforderlichen Geräte - nämlich den Maschinenpark und speziell ausgebaute Fahrzeuge - zur Verfügung gestellt bekommt. Durch die Struktur des Franchise-Systems … wird jedem Franchisenehmer ermöglicht, ohne weiteres die Photovoltaikanlagenreinigung nach dem Franchise-System durchzuführen. Da die besonderen Anforderungen bei der Photovoltaikanlagenreinigung zum einen darin liegen, die richtigen Reinigungs- und Putzgerätschaften zur Verfügung zu haben, um die Oberfläche nicht zu beschädigen, zum anderen zu den sich in der Regel auf Dächern und damit schwer zugänglichen Flächen befindlichen Anlagen absturzsicher zu gelangen, stellt nach Würdigung des Gerichts der Einsatz technischer Arbeitsmittel und der Maschineneinsatz den Dreh- und Angelpunkt des klägerischen Betriebs dar. Die daneben von der Klägerin zusätzlich erbrachten Beratungsleistungen werden flankierend zur eigentlichen Reinigung angeboten und sind im betrieblichen Ablauf untergeordnet. Es ist weder ersichtlich noch wurde es von der Beklagten dargelegt, wo in diesem Tätigkeitsahmen noch Raum für besondere handwerkliche Fähigkeiten oder Fertigkeiten verbleiben könnte. Die Klägerin bekommt im Rahmen des Franchise-Systems alle erforderlichen technischen Gerätschaften, welche die Reinigungsabläufe im Großen und Ganzen determinieren, zur Verfügung gestellt. Soweit noch zusätzliches, besonderes Wissen für den Einsatz der Maschinen und Reinigungsmittel erforderlich ist, ist dieses in überschaubarer Zeit zu vermitteln. Nach unbestrittenen Angaben der Klägerin können die hierfür erforderlichen Kenntnisse im Rahmen eines Kurses des Franchisegebers in unter drei Monaten erworben werden. Nachdem für den Einstieg in das Franchisesystem keine (Vor-)Ausbildung gefordert wird, fällt dieser Zeitraum nicht wesentlich ins Gewicht. Den Vortrag der Klägerin hält das Gericht für plausibel, nachdem es Lehrgänge von ein bis zwei Tagen Dauer gibt, welche die Teilnehmer zur qualifizierten Photovoltaikanlagenreinigung befähigen. So wurden über die Beklagte selbst mit deren Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 vom Bundesinnungsverband Gebäudereiniger beispielhaft Lehrgänge für die (fachgerechte) Reinigung von Photovoltaikanlagen vorgelegt. Hierbei handelt es sich um Ein-Tages-Seminare, die gerade nicht nur an Gebäudereiniger, sondern ausweislich der Ausschreibung auch an Haus- und Gebäudeverwaltungen, Planungsbüros und Projektgesellschafter, Hersteller und Händler gerichtet sind - Zielgruppen, die mit dem Gebäudereinigerhandwerk wenig gemeinsam haben. Auch hier wird deutlich, dass es nicht zwingend einer Ausbildung als Gebäudereiniger bedarf, sondern ein einfacher und kurzer Lehrgang ausreicht, um sich für eine fachgerechte Reinigung von Photovoltaikanlagen zu qualifizieren. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, dass das Berufsbild in der Gebäudereinigermeisterverordnung (GebrMstrV) mit den dort genannten Fertigkeiten und Kenntnissen (§ 1 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 GebrMstrV) die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der Klägerin nicht abbildet. Ebenso wenig lässt sich der betriebliche Schwerpunkt der Klägerin in den möglichen Meisterprüfungsarbeiten des § 3 Abs. 1 GebrMstrV wiederfinden. Zwar wird in § 4 Abs. 1 Nr. 9 GebrMstrV bei den möglichen Arbeitsproben im Rahmen der Gebäudereinigermeisterausbildung die Reinigung einer solartechnischen Anlage genannt. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine mögliche von 16 zugelassenen Arbeitsproben, aus denen der Prüfling insgesamt vier ausführen muss, sodass daraus nur geschlossen werden kann, dass ein Gebäudereinigermeister befähigt sein sollte, eine Photovoltaikanlage fachgerecht zu reinigen, es sich hierbei im Vergleich zu den im Berufsbild geforderten Fähigkeiten und Fertigkeiten jedoch um einen absolut untergeordneten Teil handelt.
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2.1.2. Die Tätigkeit der Klägerin kann nach ihrem Gesamtbild auch nicht der Nr. 33 der Anlage B Abschnitt 1 der HwO - Gebäudereinigerhandwerk - zugerechnet werden.
33
Ausweislich des Wortlauts von § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO muss als weitere Voraussetzung der Betrieb in der Anlage B genannt sein. Es ist stets im Einzelfall zu prüfen, ob die betreffende Gewerbeausübung in handwerklicher oder handwerksähnlicher Form vorliegt, die Aufzählung in der Liste stellt insoweit nur einen Hinweis für die Zugehörigkeit dar (Honig/Knörr/Thiel, HwO, § 18 Rn. 4). Mitentscheidend für die Einordnung als B1-Betrieb ist - anders als im Falle des § 1 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2 HwO - nicht die Qualität, sondern die Quantität der handwerklichen Tätigkeit (Nomos-BR/Detterbeck HwO/Steffen Detterbeck, 3. Aufl. 2016, HwO § 18 Rn. 3). Ob ein Unternehmen das Handwerk oder das daraus abgespaltene handwerksähnliche Gewerbe betreibt, richtet sich nach dem betrieblichen Schwerpunkt (Honig/Knörr/Thiel, HwO, § 18 Rn. 5), da die Positivlisten in Anlagen A und B1 und B2 jeweils Gewerbe nur in sehr kurzer, meist in einer Ein-Wort-Form nennen. Folglich ist handwerksrechtlich entscheidend, ob die jeweiligen Tätigkeiten diesem Begriffsinhalt zuzuordnen sind. Hier finden ebenfalls die bereits oben genannten Erwägungen zum „dynamischen Handwerksbegriff“ Anwendung: Entscheidend ist insoweit das betreffende tatsächliche wirtschaftliche Berufsbild, auf welches die Nennung des Gewerbes in der jeweiligen Anlage hinweist. Bei der Prüfung der Frage der Handwerksmäßigkeit hat die Nennung in Anlage B folglich zwar Indizwirkung, jedoch ist auf das Gesamtbild im Einzelfall abzustellen.
34
So erscheint schon begrifflich die Zuordnung des Gewerbes der Klägerin zum Gebäudereinigerhandwerk zweifelhaft. Zwar sind die meisten Photovoltaikanlagen auf Gebäuden angebracht, jedoch können sie auch freistehend und damit ohne Verbindung zu einem Gebäude stehen. Ihr betrieblicher Schwerpunkt liegt damit gerade nicht auf Gebäuden und ihren Nebeneinrichtungen. Unter Heranziehung der Gebäudereinigermeisterverordnung übt die Klägerin die typischen Tätigkeiten eines Gebäudereinigers nicht aus und ist dazu sowohl hinsichtlich ihres vorhandenen Maschinen- bzw. Fuhrparks als auch ihrer Ausbildung nicht befähigt. In Anbetracht der Tätigkeit der Klägerin, welche ausschließlich aus der Reinigung von Photovoltaikanlagen besteht, ist eine - auch nur teilweise - Übereinstimmung mit dem Berufsbild des Gebäudereinigers und seiner typischen Aufgaben, wie sie anschaulich in den möglichen Meisterprüfungsarbeiten zu finden sind (vgl. § 3 Abs. 1 GebrMstrV), nicht gegeben. Auch ist die Photovoltaikanlagenreinigung kein fester Bestandteil der Ausbildung, da sonst das Angebot an Lehrgängen mit der Zielgruppe Gebäudereiniger - wie von der Beklagten vorgelegt - überflüssig wäre. Ergänzend ist anzumerken, dass es sich bei der Photovoltaikanlagenreinigung in erster Linie um die Reinigung von elektrotechnischen Anlagen mit Hinblick auf deren besonderen Anforderungen - insbesondere deren typischerweise erschwerter Zugänglichkeit - handelt. Das Argument der Beklagten, bei der Reinigung von Photovoltaikanlagen handele es sich um eine besonders anspruchsvolle Reinigung einer speziellen Glasoberfläche, welche damit dem Gebäudereinigerhandwerk unterfalle, vermag vorliegend nicht zu greifen. Die Tatsache, dass ein Großteil der zu reinigenden Oberfläche aus Sicherheitsglas besteht, vermag dies nicht auf eine anspruchsvolle Form der „Spezialreinigung von Glas“ zu reduzieren, insbesondere weil der Aufbau der Anlage und damit der Vorgang der Reinigung an sich stets derselbe ist.
35
Ein sonstiges Berufsbild, das in Anlage B1 zur Handwerksordnung aufgeführt ist, ist nicht einschlägig.
36
2.2. Aus den vorstehenden Gründen scheidet auch die Annahme einer handwerksähnlichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 2 Satz 2 HwO aus.
37
Eine solche wurde zwar nicht von der Beklagten angenommen, deren Vorliegen würde jedoch ebenfalls zur Eintragungspflicht führen. Der Begriff des handwerksähnlichen Gewerbes wird von zwei Kriterien bestimmt: die handwerkliche Tätigkeitsform und den Tätigkeitsgegenstand. Dieser muss in der Anlage B2 als „handwerksähnlich“ aufgeführt sein. In einem dieser Bereiche muss die Aktivität stattfinden (BeckOK HwO/Leisner, 10. Ed. 1.6.2019, HwO § 18 Rn. 7). Folglich wird ein handwerksähnliches Gewerbe erst dann betrieben, wenn in handwerksähnlicher Betriebsform die zu einem der in Abschnitt 2 der Anlage B genannten Gewerbe typischerweise gehörenden Arbeiten in einem Betrieb ausgeübt werden (Nomos-BR/Detterbeck HwO/Steffen Detterbeck, 3. Aufl. 2016, HwO § 18 Rn. 7). Hier trifft jedoch keines der genannten Gewerbe zu.
38
3. Da die zugrundeliegende Amtshandlung rechtswidrig war, wurde die mit Kostenbescheid vom 8. Mai 2019 geforderte Gebühr i.H.v. 126,00 EUR (Re.-Nr. …) rechtswidrig festgesetzt und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
39
Nachdem die Klägerin kein zulassungsfreies eintragungspflichtiges Gebäudereinigerhandwerk betreibt, war sie auch nicht gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 HwO verpflichtet, dies bei der Beklagten anzuzeigen. Folglich war sie auch nicht gemäß § 20 Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. HwO von Amts wegen einzutragen und die Beklagte musste die beabsichtigte Eintragung nicht gemäß § 20 Satz 1 i.V.m. § 11 HwO mitteilen. Damit ist die Festsetzung der Gebühr i.H.v. 50,00 EUR für den Bescheid vom 8. Mai 2019 rechtswidrig, ebenso wie der Kostenvorschuss in Höhe der fälligen Eintragungsgebühr i.H.v. 76,00 EUR.
40
In sinngemäßer Anwendung von Art. 16 Abs. 5 KG werden Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, nicht erhoben (Konnexitätsgrundsatz). Überdies ist die Klägerin auch nicht Kostenschuldnerin i.S.v. § 2 Abs. 1 der Gebührenordnung der Beklagten vom 16. September 2016, da sie weder die (rechtswidrige) Amtshandlung veranlasst hat, noch sie in ihrem Interesse vorgenommen worden ist.
41
4. Der Klage war daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich stattzugeben, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.