Titel:
Kündigung eines Prämiensparvertrags
Normenketten:
BGB § 488, § 696, § 700 Abs. 1 S. 3
AGB-Sparkassen § 26 Abs. 1
Leitsatz:
Ein Prämiensparvertrag unterliegt nicht dem Darlehensrecht der §§ 488 ff. BGB, sondern dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung, wobei sich das Kündigungsrecht des Verwahrers in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen und im Übrigen nach §§ 700 Abs. 1 S. 3 BGB, 696 BGB richtet. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prämiensparvertrag, Kündigung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Endurteil vom 29.03.2022 – 14 U 3259/20
BGH Karlsruhe, Urteil vom 17.10.2023 – XI ZR 72/22
Fundstelle:
BeckRS 2020, 56057
Tenor
1. Die Klage wird hinsichtlich des Klageantrags zu I. abgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten eines Prämienspavertrags sowie macht einen Zinsanpassungsanspruch aus diesem Vertrag geltend.
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Die Parteien schlossen am 31.10.2001 einen Prämiensparvertrag („S-Prämiensparen-flexibel“). Gem. Ziff. 3 verpflichtete sich die Beklagte, an den Kläger neben dem jeweils gültigen Zinssatz, am Ende eines Kalender-/Sparjahres eine verzinsliche Prämie gemäß der Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres zu zahlen. Nach der dargestellten Prämienstaffel steigerte sich die zu zahlende Prämie bis zum 15. Jahr auf 50 % und blieb in den Folgejahren (im Vertrag wurden folgende Jahre angeführt: 16., 17., 18., 19., 20. sowie „FJ“) bei 50 %.
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Ziff. 4.1 (Beendigung des Sparvertrages) des Vertrags lautete u.a. wie folgt: „Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Die Kündigung bewirkt, dass der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Vertrag damit insgesamt beendet …“
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Gem. Ziff. 5.2 wurden die AGB der Beklagten Vertragsbestandteil.
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Mit Schreiben vom 24.06.2019 kündigte die Beklagte den Vertrag zum 01.10.2019. Die Beklagte berief sich auf Nr. 26 Abs. 1 ihrer AGB. Begründet wurde die Kündigung im Wesentlichen mit der Niedrigzinsphase. Der Kläger widersprach der Kündigung.
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Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung unwirksam sei. Es sei eine Mindestvertragslaufzeit von 21 Jahren vereinbart worden. Außerdem habe die Beklagte ihr Kündigungsrecht verwirkt, da die Zinsen sich bereits seit Ende 2007 nach unten entwickelt hätten.
I. Es wird festgestellt, dass der Sparvertrag Nr. 4… zwischen dem Kläger und der Beklagten vom 31.01.2001 nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 24.06.2019 beendet wurde.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem in Antrag I. näher bezeichneten Sparvertrag 9.068,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % - Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz mit Wertstellung 01.10.2019 gutzuschreiben.
Hilfsweise hierzu wird die Beklagte verurteilt an den Kläger 9.068,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
III. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 562,16 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte beruft sich auf Nr. 26 ihrer AGB und ist der Ansicht, dass auch die Regelung, dass die Sparprämie von 50 % auch für die Folgejahre zu zahlen sei, nicht zur Unwirksamkeit der Kündigungen führe. Es sei keine Vertragslaufzeit vereinbart worden, so dass die Vertragsparteien ein Kündigungsrecht haben müssten. Dies sei auch vertraglich vereinbart worden (in Ziff. 4 für den Sparer und in Ziff. 5.2 i.V.m. Nr. 26 Abs. 1 AGB der Beklagten). Die Aufzählung von 20 Jahren in Ziff. 3 des Vertrags beruhe auf EDV-technischen Gründen und erfolge automatisch.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Antrags Ziff. I. unbegründet. Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Vertrag wirksam gekündigt.
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Der Erlass eines Teilurteils hinsichtlich des Antrags zu I. ist vorliegend zulässig, da die Voraussetzungen des § 301 Abs. 1 ZPO erfüllt sind. Die Sache ist hinsichtlich des Antrags zu I. entscheidungsreif, hinsichtlich der Höhe des Zinsanpassungsanspruchs muss hingegen eine Beweisaufnahme durchgeführt werden. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen hinsichtlich der einzelnen Anträge besteht hier nicht.
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Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Prämiensparvertrag wirksam gekündigt.
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Der Beklagten stand ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Prämiensparvertrags des Klägers zwar nicht gemäß Ziff. 4 der Verträge, allerdings gemäß Nr. 26 Abs. 1 ihrer AGB zu. Gemäß Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten konnte diese den streitgegenständlichen Prämiensparvertrag kündigen, sofern weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart wurden und sofern ein sachgerechter Grund gegeben war. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
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1. In zeitlicher Hinsicht ist auf den im Jahr 2001 abgeschlossenen Sparvertrag gem. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB im Grundsatz das BGB in der am 1.1.2003 geltenden Fassung anzuwenden. Der von dem Kläger abgeschlossenen Sparvertrag unterliegt nicht dem Darlehensrecht der §§ 488 ff. BGB, sondern dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung, wobei sich das Kündigungsrecht des Verwahrers in erster Linie nach den getroffenen Vereinbarungen und im Übrigen nach §§ 700 Abs. 1 Satz 3, 696 BGB richtet (BGH, Urt. v. 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18, Rn. 23, 27, 40). Mangels gegenteiliger konkreter Angaben des nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelasteten Klägers ist davon auszugehen, dass die AGB der Beklagten Vertragsbestandteil geworden sind. Die Einbeziehung der AGB gemäß § 305 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ergibt sich zudem aus der Klausel in Ziffer 5.2 der Sparukunde (Anlage K1), in der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass ergänzend die Bedingungen für den Sparverkehr und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Vertragsbestandteil sind, welche in den Kassenräumen zur Einsichtnahme aushängen bzw. ausliegen und von denen dem Kunden auf Wunsch ein Exemplar ausgehändigt wird.
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2. Die Klausel in Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten begegnet zudem keinen Wirksamkeitsbedenken nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie die Wirksamkeit der Kündigung durch die Beklagte vom Vorliegen eines sachgerechten Grundes abhängig macht (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, Rn 34).
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3. Auch erfasst Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen die Kündigung eines einzelnen Sparvertrags. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich nichts Gegenteiliges. Neben der Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung erlaubt sie auch die Kündigung „einzelne(r) Geschäftszweige“, worunter ohne weiteres auch einzelne Vertragsbeziehungen zu verstehen sind (BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, Rn. 35).
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4. Der streitgegenständliche Prämiensparvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
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a. Aus den vorgelegten Vertragsunterlagen ergibt sich keine bestimmte Laufzeit oder eine Befristung.
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Die Vertragsurkunde weist lediglich den Vertragsbeginn (01.11.2001) aus.
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b. Der Verweis der Klagepartei auf die Prämienstaffel und die Folgejahre (FJ), ist nicht überzeugend. Vielmehr dient die Prämienstaffel der Veranschaulichung der Entwickelung der Prämie und zeigt gerade, dass mit dem 15. Sparjahr die höchste Prämie erreicht ist und nach Erreichen der höchsten Prämie mit dem 15. Sparjahr diese nicht mehr weiter ansteigt.
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Nach dem Wortlaut („Folgejahr“), in der Prämienstaffel abgekürzt als „FJ“, ist nicht von einer zeitlichen Begrenzung auszugehen, da u.a. nicht vom letzten Sparjahr o.ä. die Rede ist. Auch systematisch ist die Prämienstaffel so zu verstehen, dass sie verdeutlichen soll, dass mit dem Abschluss des 15. Sparjahres die höchste Prämienstufe erreicht ist und für alle Folgejahre die Prämienstufe unverändert bleibt. Auch der der Prämienstaffel in Ziffer 3. vorstehende Satz 2 nimmt Bezug auf das „Folgejahr“. Eine zeitliche Begrenzung ist auch Ziffer 3. der Sparurkunde nicht zu entnehmen.
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Soweit der Kläger darauf abstellt dass eine Vertragslaufzeit von mindestens 21 Jahren vereinbart sei, ist auf das BGH-Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18, hinzuweisen: Vielmehr führt BGH im vorgenannten Urteil aus, dass „dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart. Bis zu diesem Zeitpunkt ist für die Beklagte das ordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausgeschlossen“ (Rn. 38). Der BGH geht in seinem Urteil gerade von der unbefristeten Laufzeit des Vertrages aus: „Einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts haben die Parteien auch im Hinblick auf die unbefristete Laufzeit des Vertrages nicht vereinbart“ (Rn. 41). In dem dem BGH-Urteil zugrunde liegenden Fall endete die Darstellung der Prämienstaffel mit dem 15. Sparjahr. Der BGH entnahm der Prämienstaffel, die mit dem 15. Sparjahr endete, gerade keine Laufzeitbegrenzung auf 15 Jahre, sondern ging von einer unbefristeten Laufzeit aus und einem konkludenten Ausschluss des Kündigungsrechts aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen bis zum Ablauf des 15. Sparjahres. „Dies entspricht auch einer beidseits interessengerechten Auslegung der Sparverträge;. Der von der Beklagten gesetzte besondere Sparanreiz liegt in erster Linie in der bis zum 15. Sparjahr kontinuierlich steigenden Prämienhöhe. Dagegen kann (…) ein Sparer redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrages eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll“ (Rn. 42). Die Argumentation des BGH ist vollumfänglich auf den vorliegenden Fall übertragbar. Das Gericht macht sich die Auffassung des BGH für den vorliegenden Fall zu Eigen. Es ist daher davon auszugehen, dass keine vertragliche Laufzeit vereinbart wurde, nach dem Vertragskonzept die Beklagte jedoch bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe auf eine Kündigung verzichtete. Welche konkrete Vertragslaufzeit nach dem Verständnis des Klägers vereinbart wurde, lässt er i.Ü. offen, insbesondere äußert er sich nicht zum vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit (Schriftsatz vom 06.02.2020: „Damit wurde beklagtenseits der Bonus für 20 Jahre und das oder die Folgejahre versprochen, woraus sich eine entsprechende Laufzeitvereinbarung ergibt.“
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5. Auch die letzte tatbestandliche Kündigungsvoraussetzung der Nr. 26 Abs. 1 AGB, nämlich die eines sachgerechten Grundes liegt vor. Ein solcher ist gegeben, wenn die Umstände, die die Sparkasse zur Kündigung veranlassen, derart beschaffen und zu bewerten sind, dass ein unvoreingenommener, vernünftiger Beobachter das Verhalten der Sparkasse für eine nachvollziehbare und der Sachlage nach angemessene Reaktion halten muss (BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, Rn. 45). Ein solcher Umstand ist in dem veränderten Zinsumfeld zu sehen, das sich zwar nicht wegen des variablen Zinssatzes negativ auf das Vertragsverhältnis auswirkt, es aber der Beklagten erschwert, die Erträge zu erwirtschaften, die sie benötigt, um die jährlichen Prämienzahlungen aufzubringen (BGH vom 14.05.2019, Az.: XI ZR 345/18, Rn. 46). Eine Verwirkung kann diesbezüglich nicht angenommen werden, insbesondere konnte die Beklagte frühestens im Jahr 2016 kündigen, so dass es bereits an dem Zeitmoment fehlt.