Inhalt

LG München I, Endurteil v. 19.03.2020 – 8 O 18945/18
Titel:

Rückständigkeit einer Pflichteinlage mangels Gesellschafterbeschlusses

Normenkette:
HGB § 106 Abs. 2, § 105 Abs. 3, § 167 Abs. 3
Leitsatz:
Die Regelung in einem Gesellschaftsvertrag, der Rest der ausstehenden Pflichteinlage könne nur zinslos eingefordert werden, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst werde, ist dahin auszulegen, dass ohne entsprechenden Beschluss keine rückständige Einlage iSv § 167 Abs. 3 HGB vorliegen soll.  (Rn. 26 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pflichteinlage, Rückständigkeit, Gesellschafterbeschluss
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Urteil vom 21.10.2020 – 7 U 2557/20
BGH Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 07.12.2021 – II ZR 191/20
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 08.03.2022 – II ZR 191/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 56044

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.510,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin, eine Publikums-Kommanditgesellschaft, begehrt von dem Beklagten, einem früheren Kommanditisten, den Ausgleich der von ihr errechneten negativen Auseinandersetzungsbilanz.
2
Mit Unterzeichnung einer „Beitrittserklärung“ vom 07.06.2004 (Anlage K 1) trat der Beklagte der Klägerin mit einer Beteiligung von 100.000,00 € zuzüglich 3 % Agio als Direktkommanditist bei. Der Beteiligung lag der Verkaufsprospekt vom 01.03.2014 (Anlage B 1) zugrunde.
3
Der Gesellschaftsvertrag sah ursprünglich in § 4 Ziffer 3 Absatz 2 Satz 2 folgende Regelungen vor:
„50 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn die Treugeber und Direktkommanditisten diesen Betrag in voller Höhe aus erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen der Gesellschaft leisten können.“
4
Der Beklagte bezahlte in 2004 zunächst einen Betrag von 50.000,- € zzgl. 3.000,- € Agio als Einlage bei der Klägerin ein.
5
Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 25.07.2012 wurde die Regelung des § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags wie folgt neu gefasst (vgl. Anlage K 2):
„4,5 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn sie durch die Geschäftsführung der Gesellschaft zum Zwecke der Durchsetzung der steuerlichen Interessen sowie zur Bestandswahrung der Gesellschaft schriftlich eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlage kann nur zinslos eingefordert werden, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird.“
6
Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Gesellschaftsvertrags (im Folgenden: GV) wird auf die Anlage B 3 verweisen.
7
Mit Schreiben vom 27.01.2014 stellte die Klägerin 4,5 % der Pflichteinlage fällig und forderte den Beklagten auf, entsprechend § 4 Ziffer 3 Absatz 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags einen Betrag von 4.500,- € einzuzahlen. Der Beklagte zahlte diesen Betrag an die Klägerin.
8
Mit Schreiben vom 05.10.2015 kündigte der Beklagte seine Beteiligung an der Klägerin. Der Beklagte schied zum 31.12.2015 aus der Klägerin aus.
9
Daraufhin teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie habe für den Stichtag 31.12.2015 ein negatives Abfindungsguthaben in Höhe von 10.510,00 € ermittelt. Eine Zahlung des Beklagten erfolgte hierauf nicht.
10
Die Klägerin begehrt nun Zahlung des von ihr ermittelten negativen Abfindungsguthabens.
11
Die Klägerin trägt vor, es stünden noch 45,5 % der Pflichteinlage des Beklagten aus. Der Beklagte schulde daher Ausgleich des ermittelten negativen Abfindungsguthabens. Die Einlagenforderung gegen den Beklagten sei auch nicht durch Fremdfinanzierung in Form aufgenommener Darlehen getilgt worden. Die Aufnahme der Darlehen sei auf Gesellschaftsebene erfolgt. Dies ergebe sich auch aus dem Prospekt (Anlage B 1, S. 13). Die aufgenommenen Darlehen hätten lediglich der Finanzierung von Filmprojekten gedient, es sollten jedoch nicht die Gesellschafter von ihrer Einlagepflicht befreit werden. Eine mangelnde Fälligkeit der Einlagepflicht stehe der Annahme des Rückstandes mit der Einlage nicht entgegen.
12
Die Klägerin meint ferner, sie hafte auch nicht für - im Übrigen nicht vorliegende - fehlerhafte Prospektangaben. Sie habe nicht die … mit der Anwerbung von Beteiligungskapital angeworben. Der Beklagte als Gesellschafter könne Ansprüche wenn, dann überhaupt nur gegen die Initiatoren, die Treuhandkommanditisten oder den Vermittler, nicht aber gegen die Fondsgesellschaft geltend machen.
13
Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass auch die Schiedsgutachtervereinbarung in § 23 Ziffer 6 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags der Geltendmachung des Auseinandersetzungsguthabens nicht im Wege stehe, da im vorliegenden Rechtsstreit nicht nur die Höhe, sondern auch der Grund des Anspruchs in Streit stehe. Der Beklagte habe auch keinerlei Anstrengungen für die Beauftragung des Sachverständigen unternommen. Die Durchführung des Schiedsgutachtens habe sich auch als undurchführbar erwiesen, nachdem längere Zeit kein Schiedsgutachter benannt worden sei. Jedenfalls sei der Klägerin durch das Gericht eine angemessene Frist zur Erholung des Schiedsgutachtens einzuräumen.
14
Die Klägerin beantragt zuletzt:
Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klägerin EUR 10.510,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
hilfsweise:
entsprechend den Regelungen der §§ 356, 431 ZPO eine angemessene Frist zur Einholung des fehlenden Schiedsgutachtens zu setzen.
15
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
16
Der Beklagte meint, der Klägerin stünde wegen der Regelung des § 167 Abs. 3 HGB i.V.m. § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags schon dem Grunde nach kein durchsetzbarer Abfindungsanspruch zu. Im Innenverhältnis zwischen den Parteien bestünde keine weitere Einlageschuld des Beklagten. Der Beklagte habe seine Verpflichtung zur Leistung der Pflichteinlage durch Zahlung der 53.000,- € erfüllt. Die weitere Pflichteinlage sei aufgrund der klaren Konzeption des Filmfonds erlassen worden. Dies ergebe sich auch aus dem Beteiligungsprospekt. Danach (S. 14 und 60 der Anlage B 1) habe die Klägerin Fremdfinanzierungen im Rahmen der einzelnen Projekte durchführen wollen. Der Fonds habe zu 50 % aus der Teil-Einzahlung der Pflichtanlage und zu 50 % durch Fremdfinanzierung finanziert werden sollen. Hieran müsse sich die Klägerin bei Auslegung des eigenen Gesellschaftsvertrags festhalten lassen. Der Beklagte ist ferner der Auffassung, dass die restlichen 50 % Einlage jedenfalls durch die vollständige Tilgung des Fremdfinanzierungsanteils erbracht wurde. Auch sei er mit der Zahlung seiner Einlage, falls er sie doch dem Grunde nach schulde, nicht im Rückstand, da diese Einlage nur aufgrund eines entsprechenden Gesellschaftsbeschlusses gefordert werden dürfe. Dieser sei aber noch nicht herbeigeführt worden. Die Einlage sei daher jedenfalls nicht rückständig i.S.d. § 167 Abs. 3 HGB.
17
Überdies sei die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens nicht nachvollziehbar, insbesondere stelle der Verweis auf eine Musterberechnung für eine 100.000,00 € Beteiligung keinen schlüssigen Vortrag dar. Für die Erhebung eines Betrags von 500,00 € gebe es ferner keine Grundlage. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Liquiditätsreserve aufgrund der Änderung des § 4 Ziffer 3 Absatz 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags bestehe nicht, da für den insoweit gefassten Beschluss die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich gewesen wäre. Der Beklagte habe seine Zustimmung zur Änderung des Gesellschaftsvertrags nicht erteilt. Im Übrigen sei die Forderung der Klägerin verjährt.
18
Die Klägerin erwidert, die sogenannte Liquiditätsreserve in Höhe von 4.500,- € werde gar nicht geltend gemacht, weswegen es auf die Ausführungen des Beklagten hierzu nicht ankomme. Sie ist weiter der Auffassung, § 167 Abs. 3 HGB sei auch nicht abbedungen worden. Die vereinbarte Zahlung der Pflichteinlage in Höhe von 50 % stelle eine Fälligkeitsregelung dar. Fälligkeit sei aber keine Voraussetzung für eine Rückständigkeit. Es fehle auch nicht an einem Gesellschafterbeschluss, da dieser nur Voraussetzung für die Fälligkeit sei. Es habe von Anfang an die Pflicht des Beklagten bestanden, 100.000 € als Einlage zu zahlen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Restforderung auch nicht erlassen worden, da es sonst der Regelung des § 4 Ziffer 3 Absatz 2 Satz 2 nicht bedurft hätte. Erwirtschaftete Erlöse hätten nicht die Einlagen der Gesellschafter betroffen. Es habe auch keine Fremdfinanzierung der offenen Pflichteinlage stattgefunden.
19
Die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens sei zutreffend nach der Höhe des mit der Discounted-Cash-Flow-Methode ermittelten Verkehrswerts des Kapitalanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens festgesetzt worden. Eine Vermögensbilanz habe nicht erstellt werden müssen. Der Verkehrswert habe an Hand der prognostizierten künftigen finanziellen Überschüsse ermittelt werden können. Für die Beteiligung des Beklagten in Höhe von 100.000,- € ergebe sich ein negatives Abfindungsguthaben in Höhe von 10.010,00 €.
20
Die Klägerin meint ferner, sie habe gegen den Beklagten auch Anspruch auf Zahlung von 500,- € Bearbeitungskosten für die Austragung aus dem Handelsregister (Anlage K 5). Dieser Betrag erhöhe das ermittelte Abfindungsguthaben entsprechend. Die Pflicht des Beklagten zur Kostentragung ergebe sich aus § 18 des Gesellschaftsvertrags.
21
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Klage ist als unbegründet abzuweisen.
A.
I. Zulässigkeit
23
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere bei dem sachlich (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und örtlich (§ 22 ZPO) zuständigen Landgericht München I erhoben.
II. Begründetheit
24
Die Klage ist unbegründet. Mangels rückständiger Einlage hat die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 10.010,- €. Auch ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 500,- € besteht nicht.
25
Der Beklagte hat unstreitig 54.500,00 € zuzüglich 3.000,- € Agio an Einlagen geleistet. Die vereinbarte Zeichnungssumme betrug unstreitig 100.000,- €. Bezüglich der damit noch offenen Einlageverpflichtung von 45.500,00 € fehlt es jedoch an deren Rückständigkeit. Dies ergibt eine Auslegung des Gesellschaftsvertrags unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen. Danach wurde durch § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 GV n.F. der § 167 Abs. 3 HBG dergestalt abbedungen, dass der von einem Gesellschafter nicht geleistete Teil der Zeichnungssumme nur dann rückständig sein soll, wenn durch Beschluss der Gesellschafter der noch offene Betrag gefordert werde. Das erkennende Gericht schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG München, Urteil vom 31.07.2019, 7 U 4149/18 an.
26
1. Grundsätzlich können nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 30.01.2018, II ZR 108/16) die noch nicht geleisteten Einlagen unabhängig von ihrer Fälligkeit als rückständig i.S.d. § 167 Abs. 3 HGB angesehen werden. Danach wäre der Beklagte in voller Höhe seiner Pflichteinlage von 100.000,- € am Verlust der Gesellschaft zu beteiligen. Der Wortlaut des § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 der GV n.F. deutet nach Auffassung des Gerichts auf eine Stundungsregelung hin. Hierfür spricht sowohl der Wortlaut „der Rest der ausstehenden Pflichteinlage“ als auch der Umstand dass ohne eine klare und eindeutige Regelung nicht von einem endgültigen Erlass der ausstehenden Pflichteinlage ausgegangen werden kann.
27
2. Gleichwohl ist § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 der GV n.F. nach Auffassung des Gerichts der erkennbare Wille zu entnehmen, dass ohne entsprechenden Beschluss der Gesellschafter keine rückständige Einlage im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB vorliegen soll. Insoweit wurde § 167 Abs. 3 HGB dahingehend modifiziert, dass nur solche offenen Forderungen als rückständig gelten sollen, für die ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wurde. Eine Auslegung in diesem Sinne wird den hinter der Regelung stehenden Interessen und deren Zwecksetzung gerecht. Denn § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 der GV n.F. unterscheidet nicht zwischen ausgeschiedenen und verbliebenen Gesellschaftern. Für beide Gruppen wird einheitlich bestimmt, dass ein über die 4,5 % der Zeichnungssumme hinausgehender Betrag nur durch Beschluss der Gesellschafter gefordert werden kann. Dieser Schutz würde dem ausgeschiedenen Gesellschafter aber entzogen, würde § 167 Abs. 3 HGB nicht eingeschränkt. Nur so ist der, von der Regelung ihrem Wortlaut nach beabsichtigte Gleichlauf beider Gruppen sichergestellt.
28
Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die in § 8 Ziffer 3 GV getroffene und nicht abgeänderte Regelung. Danach wird zwar der Nominalbetrag der Pflichteinlage auf das Kapitalkonto des jeweiligen Gesellschafters gebucht und die Gesellschafter sind am Gewinn und Verlust im Verhältnis ihrer Kapitalkonten zu beteiligen. Dies soll aber nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 8 Ziffer 3 nur unter Berücksichtigung der weiteren Bestimmungen des GV erfolgen. Hierzu zählt auch der geänderte § 4 Ziffer 3 Abs. 2 GV. Daher ist es für die oben vertretene Auslegung auch unschädlich, wenn § 8 Ziffer 3 GV nicht abgeändert wurde. Ein anderslautender Wille geht daraus nicht hervor.
29
Mangels eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses war daher die offene Pflichteinlage in Höhe von 45.500,- € nicht rückständig im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB. Der Beklagte kann daher nicht mehr am Verlust der Klägerin teilnehmen. Ein Anspruch auf Ausgleich des errechneten Abfindungsguthabens besteht nicht.
30
3. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung des als Bearbeitungspauschale geltend gemachten Betrags in Höhe von 500,00 Euro zu. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich. § 18 GV betrifft bereits nicht die Löschung des Gesellschafters aus dem Handelsregister. Jedenfalls besteht kein Anspruch auf eine pauschalierte Abrechnung.
31
4. Auf die Beurteilung der einem Anspruch entgegenstehenden Schiedsklausel in § 23 Ziffer 6 GV kam es mangels Anspruchs dem Grunde nach nicht mehr an. Da es auf ein entsprechendes Schiedsgutachten damit nicht mehr ankommt, war auch keine entsprechende Frist gemäß Hilfsantrag einzuräumen.
32
5. Auch der in Bezug auf den Zeitraum seit Rechtshängigkeit geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Zinsen besteht mangels Hauptanspruchs nicht.
B.
33
I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
34
III. Der Streitwert war nach § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen und beruht auf § 3 ZPO.
C.
35
Ein Wiedereintreten in die mündliche Verhandlung war aufgrund des Schriftsatzes der Klägerin vom 06.03.2020 nicht geboten.