Inhalt

LG München I, Endurteil v. 20.03.2020 – 6 O 18941/18
Titel:

Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses – Einbeziehung von rückständigen Einlagen    

Normenketten:
ZPO § 91 Abs. 1, § 709
HGB § 167 Abs. 3
Leitsatz:
Grundsätzlich können noch nicht geleistete Einlagen als rückständig iSd § 167 Abs. 3 HGB angesehen werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Bestimmung abdingbar ist. Durch den Gesellschafterbeschluss aus dem Jahre 2012 wurde § 167 Abs. 3 BGB vorliegend modifiziert. Das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses gilt auch für die Fälle, in denen es unter Einbeziehung der rückständigen Einlage um eine Auseinandersetzung geht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auseinandersetzungsbilanz, ausgeschiedener Gesellschafter, Auseinandersetzungsguthaben, Direktkommanditist, Kommanditist, Gesellschafter, Gesellschaft, Treugeber, Pflichteinlage, Streitwert, rückständige Einlage, Zeichnungsschein, Änderung des Gesellschaftsvertrages
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 21.10.2020 – 7 U 2556/20
OLG München, Berichtigungsbeschluss vom 23.11.2020 – 7 U 2556/20
BGH Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 07.12.2021 – II ZR 192/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55998

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 7.600,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung eines negativen Abfindungsguthabens.
2
Die Klägerin ist ein …onds in Form einer Publikums-KG.
3
Der Beklagte beteiligte sich mit Zeichnungsschein vom 15.12.2003 mit einer Nominaleinlage in Höhe von EUR 100.000,00 an der Klägerin als Direktkommanditist.
4
Die Fondsstruktur der Klägerin war so, dass die Einlageverpflichtung des Kommanditisten in Höhe von 54 % der Nominaleinlage zuzüglich 3 % Agio der Gesamtbeteiligung bestand.
5
Im ursprünglichen Gesellschaftsvertrag war hier unter § 4 Ziffer 3 Folgendes geregelt:
„…
Die Treugeber und Direktkommanditisten sind verpflichtet, 50 % der Pflichteinlage zuzüglich eines Agio in Höhe von 3 % nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen als Bareinlage zu leisten. 50 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn die Treugeber und Direktkommanditisten diesen Betrag in voller Höhe aus erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinne der Gesellschaft leisten können. Sobald in dieser Höhe ausschüttungsfähige Gewinne zur Verfügung stehen, werden diese mit dem ausstehenden Teil der Pflichteinlage in gleicher Höhe verrechnet. Die Pflichteinlagen sind feste Kapitalanteile.
…“
6
Diese Bestimmung wurde in der Gesellschafterversammlung vom … (Anlage K 2) mit Mehrheit wie folgt geändert:
„4,5 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn sie durch die Geschäftsführung der Gesellschaft zum Zwecke der Durchsetzung der steuerlichen Interessen sowie zur Bestandswahrung der Gesellschaft schriftlich eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlage kann nur zinslos durch die Geschäftsführung eingefordert werden, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird.
7
Einen derartigen Beschluss nach dem … gibt es nicht.
8
Der Beklagte kündigte seine Beteiligung zum …. Es wurde eine Auseinandersetzungsbilanz erstellt und der Beklagte wurde aufgefordert ein negatives Auseinandersetzungsguthaben in Höhe von 7.600,00 EUR an die Klägerin zu zahlen. Der Beklagte bezahlte nichts.
9
Die Klägerin ist der Meinung, dass der noch nicht geleistete Teil der Einlage im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz berücksichtigt werden kann (SS der BV vom … Seite 1). Der Gesellschafterbeschluss vom 25.07.2012 führe nicht zu einer Abweichung von § 167 Abs. 3 HGB. Es hätte dann auch § 8 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrags geändert werden müssen.
10
Die Klägerin beantragt:
Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klägerin EUR 7.600 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
11
Der Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
12
Der Beklagte ist der Meinung, dass eine Berücksichtigung der noch nicht einbezahlten Beträge im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz nicht möglich sei.
13
Zur Ergänzung des Tatbestandes darf auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen werden.

Entscheidungsgründe

14
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
15
Das Gericht kann sich hier in vollem Umfang auf die Entscheidung des OLG München vom 31.07.2019, Az. 7 U 4149/18, stützen (Anlage B 9), die den beiden Parteien bekannt ist.
16
Das Gericht schließt sich in vollem Umfang den überzeugenden Ausführungen des OLG an.
17
Die Voraussetzungen des geänderten Gesellschaftsvertrages liegen nicht vor.
18
Zwar wurde der Gesellschaftsvertrag dahin geändert, dass noch ausstehende Pflichteinlagen, die entgegen den Erwartungen nicht durch Gewinne erwirtschaftet werden konnten, durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss eingefordert werden können.
19
Diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben.
20
Grundsätzlich können die noch nicht geleisteten Einlagen als rückständig i.S.d. § 167 Abs. 3 HGB angesehen werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Bestimmung abdingbar ist. Durch den Gesellschafterbeschluss aus dem Jahre 2012 wurde jedenfalls § 167 Abs. 3 BGB modifiziert. Das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses gilt auch für die Fälle, in denen es unter Einbeziehung der rückständigen Einlage um eine Auseinandersetzung geht.
21
Deshalb wäre die Berücksichtigung einer „rückständigen Einlage“ im Rahmen der Auseinandersetzungsbilanz nicht interessengerecht. Der Wortlaut der geänderten Bestimmung im Gesellschaftsvertrag trifft keine Differenzierung zwischen den nach dem Beschluss vom 25.07.2012 ausgeschiedenen Gesellschaftern und den weiterhin in der Gesellschaft verbliebenen Gesellschaftern. Beide Gruppen sollen also nur dann weiter in Anspruch genommen werden können, wenn die Gesellschafter dies durch einen weiteren Beschluss für notwendig erachtet haben (OLG München, a.a.O., Seite 7). Die Vorgehensweise der Geschäftsführung der Klägerin hätte zur Folge, dass der ausgeschiedene Kommanditist ohne den erforderlichen Gesellschafterbeschluss am Verlust der Gesellschaft beteiligt würde. Die Folge der Beteiligung am Verlust wollte dis Änderung des Gesellschaftsvertrags am 25.07.2012 aber unter den Vorbehalt eines Gesellschafterbeschlusses stellen.
22
Eine zusätzliche Änderung des § 8 Nr. 3 am 12.07.2012 war nicht erforderlich, da diese Bestimmung im Gesellschaftsvertrag unter dem Vorbehalt der Berücksichtigung der weiteren Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags steht. Hierzu zählt auch der geänderte § 4 Nr. 3.
23
Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung einer pauschalierten Bearbeitungsgebühr in Höhe von EUR 500,00 für das Ausscheiden des Beklagten. Der Gesellschaftsvertrag gibt eine derartige Anspruchsgrundlage nicht her. Auch insoweit darf auf die Entscheidung des OLG München verwiesen werden.
24
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
25
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.