Titel:
Rückgabe und Übereignung eines Fahrzeugs wegen Abschalteinrichtung
Normenkette:
BGB § 199 Abs. 1, § 195 , § 204 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz:
Durch die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage wurde die Verjährung gegenüber der Beklagten nicht gehemmt. Die Anmeldung zu Musterfeststellungsklage richtete sich gegen die Volkswagen AG. Die jetzige Beklagte, die Audi AG ist eine eigenständige Rechtspersönlichkeit. Es liegen zwei getrennte Prozessrechtsverhältnisse vor. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Audi AG zum VW-Konzern gehört. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatzanspruch, Fahrzeug, Software, Anspruch, Schaden, Klageregister, Abgasskandal, Abschalteinrichtung, Verjährung, Musterfeststellungsklage, Verjährungsfrist
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 11.05.2021 – 33 U 908/21
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55900
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Der Streitwert wird auf 31.887,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten „Abgasskandal“.
2
Am 10.12.2013 erwarb die Klagepartei von einem Händler einen Pkw Audi Q3 2.0 TDI quattro 130 KW als Neufahrzeug zu einem Gesamtbetrag von 43.482,17 €. Das Fahrzeug wurde ihm am 11.03.2014 ausgehändigt und von ihm bezahlt.
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Das Fahrzeug ist mit einem Motor des Typs EA 189 des Volkswagenkonzerns ausgestattet und damit vom sogenannten Abgasskandal betroffen. Spätestens im Februar 2016 wurde der Kläger in einem Schreiben der Volkswagen AG oder ihrer Tochtergesellschaften über die Tatsache informiert, dass in seinem Fahrzeug ein Motor mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik verbaut worden ist. Der Kläger selbst lässt in der Klageschrift, dort Seite 2, vortragen, dass im Herbst 2015 bekannt wurde, dass in dem Fahrzeug ein Motor der Baureihe EA189 mit einer Software eingebaut ist, die für den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand einen hinsichtlich geringer Stickoxidemissionen optimierten Betriebsmodus vorsieht.
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Mit Schreiben vom 15.03.2018 hat der Kläger gegenüber der Beklagten den Kaufvertrag aufgrund arglistiger Täuschung angefochten. Die Beklagte hat die Rücknahme des Fahrzeugs abgelehnt.
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Mit Schreiben vom 15.02.2019 (Anlage K5) bestätigte das Bundesamt für Justiz, dass sich der Kläger zur Musterfeststellungsklage beim Oberlandesgericht Braunschweig unter dem Aktenzeichen 4 MK 1/18 gegen die Volkswagen AG angemeldet hatte. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen April 2020 und Klageerhebung hat der Kläger seine Anmeldung im Klageregister zurückgenommen.
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Die Klagepartei behauptet, in der Motorsteuerung des Motors EA 189 sei eine illegale Abschalteinrichtung verbaut, um geltende Abgasnormen zu umgehen. Hiervon und davon, dass sich daraus zivilrechtliche Ansprüche gegenüber der Beklagten ableiten lassen könnten, habe die Klagepartei nicht vor Beginn des Jahres 2016 Kenntnis erlangt. Jedenfalls sei die Verjährung auch gegenüber der B klagten durch die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage unterbrochen worden, da es sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt handele und die Anmeldung in nicht verjährter Zeit erfolgt sei.
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Die Klagepartei meint, ihr stünden daher gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche zu.
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Die Klagepartei beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: Audi Q3, Fahrzeug-Identifizierungsnummer: … an die Klagepartei einem Betrag in Höhe von 29.039,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% - Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.03.2018 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte bestreitet, dass der Klagepartei durch den Einbau des Motors EA 189 in das streitgegenständliche Fahrzeug ein Schaden entstanden sei. Ein solcher etwaiger Schaden und ein entsprechender Schadensersatzanspruch der Klagepartei gegenüber der Beklagten sei der Klagepartei jedoch bereits im Jahre 2015 bekannt gewesen.
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Die Beklagte meint, die klägerische Forderung, so sie denn bestanden haben sollte, sei jedenfalls verjährt und erhebt die Einrede der Verjährung. Die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage habe lediglich die Verjährung gegenüber der Volkswagen AG unterbrochen.
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Der Kläger wurde persönlich angehört. Insoweit wird auf das Protokoll der Sitzung des Landgerichts Ingolstadt vom 03.11.2020 Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Es kann dahinstehen, ob grundsätzlich ein klägerischer Anspruch gegenüber der Beklagten auf Schadensersatzanspruch wegen des Einbaus des Motors EA 189 in das streitgegenständliche Fahrzeug besteht. Ein solcher Anspruch ist jedenfalls verjährt.
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Die Beklagte hat schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen, dass der Klagepartei die Tatsachen, die den von ihr geltend gemachten Anspruch begründen, bereits im Jahr 2015 bekannt waren. Die Beklagte beruft sich dabei auf die Medienberichterstattung über den sogenannten „Dieselskandal“, die gerichtsbekannt im September/Oktober 2015 ihren Anfang nahm. Auch ist der Vortrag der Beklagten, der Klagepartei wäre es bereits im Jahr 2015 möglich gewesen, über eine von der Beklagten geschaltete Internetseite die individuelle Betroffenheit seines Fahrzeugs festzustellen, zutreffend. Zudem hat die Klagepartei in ihrer Klageschrift selbst eingeräumt, dass im Herbst 2015 bekannt wurde, dass in dem Fahrzeug ein Motor der Baureihe EA189 eingebaut ist, deren Software dafür sorgt, dass auf einem Prüfstand wesentlich geringere Stickoxidemissionen ausgewiesen werden als im echten Fahrbetrieb und das Fahrzeug also vom Thema diesen Skandal betroffen gewesen war. Dem Kläger war wäre daher bereits im Jahr 2015 wegen des Wissens seiner persönlichen Betroffenheit eine Klage möglich und zumutbar gewesen.
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Es kann jedoch vorliegend dahinstehen, ob die Klagepartei bereits im Jahr 2015 von den Anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis hatte, da die Klagepartei jedenfalls spätestens im Jahre 2016 von der individuellen Betroffenheit ihres Fahrzeugs Kenntnis hatte durch das Rückrufschreiben.
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Mithin begann die hier einschlägige regelmäßige Verjährungsfrist spätestens mit dem Schluss des Jahres 2016 (§ 199 Abs. 1 BGB). Sie beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB) und endete damit am 31.12.2018.
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2. In noch nicht verjährter Zeit fand eine Hemmung des Laufs der Verjährung durch Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO) nicht statt. Die Klage wurde erst im Jahr 2020 eingereicht.
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Auch durch die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage wurde die Verjährung gegenüber der Beklagten nicht gehemmt. Die Anmeldung zu Musterfeststellungsklage richtete sich gegen die Volkswagen AG. Die jetzige Beklagte, die Audi AG ist eine eigenständige Rechtspersönlichkeit. Es liegen zwei getrennte Prozessrechtsverhältnisse vor. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Audi AG - wie der Kläger vorträgt - zum VW-Konzern gehört. Es hätte dem Kläger vielmehr frei gestanden, nunmehr Klage gegen die VW AG zu erheben.
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Mangels Bestehens eines Hauptanspruchs kann die Klagepartei weder die Zahlung von Zinsen, noch den Ersatz vorgerichtlicher Kosten beanspruchen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.