Titel:
Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters der Schuldverschreibungsgläubiger in der Insolvenz des Schuldners
Normenketten:
SchVG § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 6, § 19
BGB § 611, § 612 Abs. 1, § 675 Abs. 1
Leitsätze:
1. Haben die Gläubiger von Schuldverschreibungen zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren durch Mehrheitsbeschluss einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellt, kommt ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag auch zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den überstimmten Gläubigern zustande. (Rn. 23 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Fall des nach Insolvenzeröffnung bestellten gemeinsamen Vertreters ist § 7 Abs. 6 SchVG dahin teleologisch zu reduzieren, dass der gemeinsame Vertreter einen Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch direkt gegen die Gläubiger geltend machen kann, der aber die individuelle Insolvenzquote nicht übersteigen darf. (Rn. 33 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schuldverschreibungsgläubiger, Insolvenz, gemeinsamer Vertreter, Gläubigerversammlung, Mehrheitsbeschluss, entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag, Minderheit, Vergütung, Aufwendungsersatz, teleologische Reduktion
Rechtsmittelinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 26.08.2020 – 16 S 1134/20
BGH Karlsruhe, Urteil vom 10.03.2022 – IX ZR 196/20
Fundstelle:
BeckRS 2020, 55878
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 845,61 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche aus einer Tätigkeit des Beklagten als sog. gemeinsamer Vertreter nach dem Schuldverschreibungsgesetz (im Folgenden SchVG).
2
Die Klägerin ist Inhaberin von Orderschuldverschreibungen, ausgegeben von der F KGaA (nachfolgend Insolvenzschuldnerin). Derartige Schuldverschreibungen wurden vor dem Jahre 2014 von der Insolvenzschuldnerin in einem Umfang von insgesamt ca. 667.173.000,00 EUR ausgegeben. Dies erfolgte in insgesamt 4.852 Gesamtemissionen im Sinne des § 1 Abs. 1 SchVG als sogenannte Schuldverschreibungsserie. Die Schuldverschreibungen wurden dabei als Orderschuldverschreibung kleinteilig an größtenteils private Anleger vertrieben, wobei jede Schuldverschreibung auch wertpapierrechtlich tatsächlich als Einzelurkunde ausgestellt wurde.
3
Am 01.04.2014 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren beim Amtsgericht D - Insolvenzgericht - unter dem Aktenzeichen eröffnet. Der Beklagte wurde von einer durch das Insolvenzgericht nach § 19 Abs. 2 SchVG einberufenen und durchgeführten Gläubigerversammlung vom zum gemeinsamen Vertreter aller Schuldverschreibungsgläubiger bestellt. In der Folge war der Beklagte als gemeinsamer Vertreter aller Schuldverschreibungsgläubiger über Jahre tätig.
4
So hat sich der Beklagte nach der Wahl einen Überblick verschafft und Daten geordnet, um die Gläubiger nach §§ 74ff InsO angemessen zu vertreten, zB bei Gläubigerversammlungen oder bei der Ausübung von Widerspruchsrechten nach § 178 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 InsO. Er hat dafür insbes. sich über Geschäftsberichte, veröffentlichte Jahresabschlüsse und Zeitungsberichte informiert. Bezogen auf die jeweiligen Gläubiger prüfte er deren Zeichnungshöhe zwecks Forderungsanmeldung. Er ermittelte auch die seitens der Emittentin zu zahlenden Zinsen, wobei die Daten angesichts der Verurteilung der Geschäftsführer der Emittentin wegen Betruges verifiziert werden mussten anhand der Buchhaltung der Emittentin. Zinsansprüche, die vor Insolvenzeröffnung entstanden waren, wurden als Forderung im Rang von § 38 InsO angemeldet. Danach entstandene Zinsansprüche wurden im Rang des § 39 InsO angemeldet. Ermittelt wurde weiterhin der Schadensersatz aus entgangenem Gewinn, der infolge der (vorzeitigen) Insolvenz der Emittentin den Schuldverschreibungsgläubigern entstanden sein soll, um diesen im Rang des § 38 InsO anzumelden.
5
Neben der Einzelanmeldung aller von ihm vertretenen Gläubiger erfolgte auch eine Globalanmeldung, wobei die Einzelanmeldungen geordnet, sortiert und technisch aufbereitet an den Insolvenzverwalter übermittelt wurden. Der Beklagte nahm insbes. den Termin am (Anlage G& P2) zur Gläubigerversammlung wahr.
6
Der Beklagte hat auch das Widerspruchsrecht nach § 178 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 InsO hins. Genussrechtegläubigern ausgeübt. Dies betraf Forderungsanmeldungen im Umfang von ca 49,5 Mio €, die im Rang des § 38 InsO erfolgten. Wegen einer sog. Nachrangklausel in § 8 der Genussrechtebedingungen vertrat der Beklagte entgegen dem Insolvenzverwalter die Auffassung, dass diese Forderungen nicht im Rang des § 38 InsO sondern im Rang des § 39 InsO zur Tabelle anzumelden seien (vgl. Anlage G& P3). Nachdem der Insolvenzverwalter von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch gemacht hatte, weil er von der AGB-Widrigkeit der Nachrangklausel ausgegangen war, übte der Beklagte den Rangwiderspruch als gemeinsamer Vertreter aus, vgl. Anlage G& P4. Der Insolvenzverwalter hatte eine Quote von ca. 20% prognostiziert, sodass der Widerspruch ca. 10 Mio € betraf. In der Folge kam es zu einem Prozess auf Beseitigung des Widerspruchs (nach vorheriger Musterporzessvereinbarung, vgl. Anlage G& P5), der durch den BGH (Az. IX ZR 99/17) dahingehend geklärt wurde, dass nicht der Beklagte als Partei kraft Amtes sondern die widersprechenden Gläubiger zu verklagen seien. Außerdem wurde der Nachrang der Genussrechtegläubiger bestätigt.
7
Schließlich erwirkte der Beklagte beim Insolvenzverwalter eine Abschlagszahlung auf die zu erwartende Quote von 5,97%. Zur Entgegennahme der Zahlung, vgl. § 19 Abs. 3 SchVG, richtete der Beklagte ein Anderkonto ein. Zur Prüfung der Auszahlugnsberechtigung musste der Beklagte dann jede einzelne Wertpapierurkunde prüfen, vgl. Anlage G& P6. Bei der Klägerin war es notwendig, deren Adresse zu ermitteln. Weiterhin richtete er eine Homepage zur Information der Gläubiger ein. Außerdem versandte er Informationen postalisch. Er hielt wegen der Haftung nach § 7 Abs. 3 SchVG eine entsprechende Versicherung mit entsprechenden Kosten vor.
8
Mit diesen Ausgaben trat er seit 2014 in Vorleistung.
9
Bei der Auszahlung der im Rahmen seiner Aufgaben eingezogenen Insolvenzquote brachte der Beklagte bei der Klägerin 845,61 EUR in Abzug und behielt diese ein.
10
Dies entspricht einem Wert von 1,1% auf den gezeichneten Nominalbetrag. Den überschüssigen Betrag zahlte er aus.
11
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Vergütungsregelung des § 7 Abs. 6 SchVG abschließend sei und der Beklagte als gemeinsamer Vertreter lediglich gegenüber dem Insolvenzschuldner seine Vergütung geltend machen könne, nicht aber ggü. dem Schuldverschreibungsgläubiger. Eine vertragliche Beziehung insbes. zur Klägerin bestehe nicht, da diese - unstreitig - der Bestellung des Beklagten zum gemeinsamen Vertreter nie zugestimmt habe und diesen auch nicht gewählt habe.
12
Die Klägerin beantragt deshalb,
- 1.
-
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 845,61 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 01.10.2018 zu bezahlen.
- 2.
-
Es wird festgestellt, dass der Anspruch aus vorsätzlich unerlaubter Handlung resultiert.
- 3.
-
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 147,55 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
13
Die Klage wurde dem Beklagten am 02.07.2019 zugestellt.
14
Der Beklagte beantragt,
15
Die Beklagtenseite ist der Meinung, dass aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12.1.2017, Az. IX ZR 87/16 zu folgern sei, dass auch die vom gemeinsamen Vertreter vertretenen Anleihegläubiger Vergütungsschuldner seien.
16
Hinsichtlich des weiteren Rechtsvortrages wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Anlagen.
17
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben. Hins. der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 20.11.2019 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18
Die zulässige Klage ist unbegründet.
19
I. Die Klage ist zulässig. Soweit der Beklagte die Unzulässigkeit wegen eines ungenügenden Sachvortrags rügt, ist dies ein Problem der Schlüssigkeit und damit der Begründetheit.
20
II. Die Klage ist unbegründet. Der Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der vereinnahmten Abschlagszahlung gemäß §§ 675, 667 Alt. 2 BGB ist infolge Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB erloschen, da dem Beklagten ein aufrechenbarer Vergütungsanspruch in Höhe der Klageforderung zustand. Ob die Klage bereits unschlüssig ist, weil die Klägerin trotz des gerichtlichen Hinweises im Termin zur mündlichen Verhandlung keinen Vortrag zur Höhe ihrer gezeichneten Schuldverschreibung oder zur Höhe des vom Insolvenzverwalter ausgezahlten Betrages vorgetragen hat, kann letztlich offen bleiben. Auch wenn dies nie ausdrücklich vorgetragen wurde, geht das Gericht davon aus, dass jedenfalls der eingeklagte Betrag vom Insolvenzverwalter an den Beklagten ausgezahlt wurde. Vom Vortrag des Beklagten ausgehend, dass die 1,1% des gezeichneten Nominalbetrages die Klageforderung ausmacht, geht das Gericht im Umkehrschluss davon aus, dass die Klägerin Schuldverschreibungen zum einem damaligen Wert von 65.000 € gezeichnet hatte.
21
1. Grundsätzlich stand der Klägerin - die Schlüssigkeit unterstellend - gegen den Beklagten ein Anspruch auf Auszahlung des erlangten Abschlags auf die Insolvenzquote gemäß §§ 675, 667 Alt. 2 BGB zu. Denn infolge der Bestellung zum gemeinsamen Vertreter nach § 19 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 SchVG war - nur - der Beklagte allein (unter Ausschluss der Klägerin) berechtigt, deren Rechte wahrzunehmen, also auch das Recht, vom Insolvenzverwalter Zahlung der Quote (oder eines Abschlags) zu verlangen, § 19 Abs. 3 Hs. 1 SchVG. Dabei geht bereits der Gesetzgeber davon aus, dass (zumindest) ein Auftragsverhältnis zwischen Schuldverschreibungsgläubiger und dem gemeinsamen Vertreter zustande kommt (BT-Drs. 16/12814, S. 20).
22
Unstreitig hatte der Insolvenzverwalter einen Abschlag auf die Quote iHv 5,97% an den Beklagten gezahlt, wovon der Beklagte den Klagebetrag abgezogen hatte.
23
2. Dem Beklagten stand ein Vergütungsanspruch in dieser Höhe zu. Dieser folgt aus §§ 675 Abs. 1, 611, 612 Abs. 1 BGB. Denn durch die Bestellung des Beklagten zum sog. gemeinsamen Vertreter der Schuldverschreibungsgläubiger durch die nach Insolvenzeröffnung einberufene Gläubigerversammlung kam ein solcher Vertrag auch mit der Klägerin zustande.
24
a) Gemäß § 19 Abs. 2 SchVG können die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Das Insolvenzgericht hat zu diesem Zweck eine Gläubigerversammlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes einzuberufen, wenn ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger noch nicht bestellt worden ist.
25
Das war hier der Fall. Innerhalb dieser Emission war vor Insolvenzveröffnung noch kein gemeinsamer Vertreter bestellt worden.
26
b) Nach § 5 Abs. 2 SchVG sind die Mehrheitsbeschlüsse der Gläubiger für alle Gläubiger derselben Anleihe gleichermaßen verbindlich. Die Gläubiger bilden damit faktisch eine Art Gemeinschaft, die mit einer Bruchteilsgemeinschaft durchaus vergleichbar ist. Denn die Gläubiger sind alle gemeinsam Inhaber von Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin. Das Bruchteilsobjekt ist also hier ein Subjekt, nämlich die Schuldnerin. Die Mehrheitsbeschlüsse der „Gemeinschaft“ von Gläubigern bindet dabei alle Gläubiger (einer Emission), vgl zum Bruchteilsrecht §§ 744 Abs. 1, 745 Abs. 1 BGB. Nach § 19 Abs. 3 SchVG ist ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger dann allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen. Er wird quais zum Vertreter oder Verwalter der „Gemeinschaft“ bestellt.
27
Demzufolge geht das Gesetz selbst davon aus, dass durch einen Mehrheitsbeschluss auch für und gegen die überstimmten Gläubiger der gemeinsame Vertreter mit Rechten und Pflichten bestellt werden kann und im Umkehrschluss auch gegenüber den überstimmten oder abwesenden Gläubigern ein Schuldverhältnis zwischen gemeinsamen Vertreter und Gläubiger begründet wird. Immerhin kommt ihm eine Treuhänderstellung nach § 19 Abs. 3 SchVG zu. Außerdem soll er auch haftbar gemacht werden können, § 7 Abs. 3 SchVG. Er hat also Rechte, Pflichten und kann sich schadensersatzpflichtig machen. Aus dem Gesetz ergibt sich also zwangsläufig ein Schuldverhältnis zwischen den einzelnen Gläubigern und dem gemeinsamen Vertreter. Letztlich geht auch die Klägerin selbst vom Bestehen eines Geschäftsbesorgungsvertrages aus, da sie nach ihrem eigenen Vortrag ihre Ansprüche gegen den Beklagten aus § 675 Abs. 1 BGB ableitet.
28
c) Dabei handelt es sich um einen entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag (Bliesener/Schneider in Langenbucher/Bliesener/Spindler, BankrechtsKommentar, 2. Auflage 2016, § 7 SchVG, Rn. 5) in Form eines Dienstvertrages, der nach § 612 Abs. 1 BGB auch ohne konkrete Vereinbarung entgeltpflichtig ist. Denn inhaltlich liegt eine Tätigkeit ähnlich einer Rechtsberatung bzw. rechtlichen Vertretung vor, sodass ein Rechtsanwalt nach den Regeln des RVG Vergütung beanspruchen könnte.
29
d) Der Vergütungsanspruch gegen den Gläubiger wird nicht durch § 7 Abs. 6 SchVG verdrängt. Nach dieser Vorschrift trägt der Schuldner die durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger entstehenden Kosten und Aufwendungen, einschließlich einer angemessenen Vergütung des gemeinsamen Vertreters.
30
Zunächst geht § 7 Abs. 6 SchVG selbst davon aus, dass durch die Bestellung nicht nur ein Aufwendungsersatzsondern auch ein Vergütungsanspruch begründet wird bzw. werden kann. Typischerweise soll dabei im Bestellungsbeschluss der Umfang der Vergütung geregelt werden, wobei § 7 Abs. 6 SchVG dann eine Zahlungspflicht durch den Schuldner nur im Umfang einer angemessenen Vergütung vorsieht. Somit geht § 7 Abs. 6 SchVG selbst vom Bestehen einer Vergütungspflicht aus, beschränkt aber nur den Anspruch gegen den Insolvenzschuldner auf eine angemessene Höhe. Was passieren würde, wenn die Gläubiger mit dem gemeinsamen Vertreter im Rahmen der Bestellung eine unangemessen hohe Vergütung vereinbaren und nach Geltendmachung gegenüber dem Schuldner nur in Höhe der angemessenen Vergütung eine Differenz verbleiben müsste, ist ungeklärt.
31
Im Falle der Insolvenz findet sich in § 19 Abs. 2 SchVG keine explizite Verweisung auch auf § 7 Abs. 6 SchVG. Bis zur Entscheidung des BGH (Urteil vom 12.01.17, Az. IX ZR 87/16, zitiert nach Juris) wurde dann auch die These vertreten, dass der Vergütungsanspruch sogar Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 InsO oder zu den Kosten des Insovlenzverfahrens gehöre (analog § 54 Nr. 2 InsO) oder zumindest Insolvenzforderung nach § 38 InsO oder sogar nur nachrangige Insolvenzforderung sei (vgl. zum Ganzen Ratunde in Veranneman, Schuldverschreibungsgesetz, 2. Auflage 2016, § 19 SchVG, Rn. 86ff). Der BGH hat dem insgesamt eine Absage erteilt und entschieden, dass der Aufwendungsersatz- und Vergütungsanspruch ggü. dem Insolvenzschuldner nicht am Insolvenzverfahren partizipieren. Der gemeinsame Vertreter sei vielmehr Neugläubiger (BGH, aaO, Rn. 12).
32
In der endgültigen Konsequenz würde diese Entscheidung aber dazu führen, dass kaum noch ein gemeinsamer Vertreter nach Insolvenzeröffnung (oder zuvor in der Krise) sich finden wird, weswegen auch der Gesetzgeber - selbst vom BGH - angehalten wird, diesen „Missstand“ zu regeln (vgl. Holzer in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 82. Lieferung 10.2019, § 38 InsO, Rn. 24a).
33
aa) Dieses „Dilemma“ lässt sich zur Überzeugung des Gerichts aber durch eine teleologische Reduktion von § 7 Abs- 6 SchVG für den Fall des nach Insolvenzeröffnung nach § 19 Abs. 2, 3 SchVG bestellten gemeinsamen Vertretes lösen.
34
bb) Denn offenbar ging der Gesetzgeber bei § 7 Abs. 6 SchVG selbst davon aus, dass dem gemeinsamen Vertreter sowohl ein Aufwendungsersatz- als auch ein Vergütungsanspruch zustehen soll. Bei der Schaffung von § 19 Abs. 2, 3 SchVG ging er dann offenbar auch davon aus, dass dem gemeinsamen Vertreter auch im Falle der Bestellung nach Insolvenzeröffnung ein solcher Anspruch zustehen soll. Denn ohne einen solchen Anspruch liefe das Institut wohl faktisch leer. Denn die Vorstellung des BGH (aaO. Rn. 28), der gemeinsame Vertreter könnte doch vor der Bestellung mit allen (!) Gläubigern erst einen entgeltlichen Vertrag schließen, also auch mit denen, die ihn nicht wählen bzw. seine Bestellung nicht befürworten wollen, erscheint doch sehr fernliegend. Die andere Konsequenz, dass wieder jeder Anleihegläubiger mit ggf. anwaltlicher Unterstützung seine Rechte individuell geltend machen soll, ist aber genauso unökonomisch wie ineffizient. Durch die Schaffung des gemeinsamen Vertreters sollte dies ja gerade verhindert werden. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass nur die Bündelung in einer Person eine effektive Vertretung gewährleistet. Denn nach dem unbestrittenen Vortrag hatte der Beklagte verschiedenste Rechte der Gläubiger durchgesetzt und zum Beispiel eine Verwässerung der Insolvenzquote durch die Genussrechtegläubiger verhindert, indem er - anders als der Insolvenzverwalter - deren Rang bei der Forderungsanmeldung - letztlich erfolgreich - widersprochen hatte (Stichwort Nachrangklausel). Selbst wenn man hier keinerlei Aufwendungsersatz- oder Vergütungsansprüche bejahen wollte, würde allein diese „Steigerung“ der Quote für die Anleihegläubiger durch „Verdrängung“ der Genussrechtegläubiger in die Nachrangigkeit zu einem Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB führen, der auf die Bereicherung in Form der Quotenerhöhung abzielt.
35
cc) Aus Sicht des Gerichts ist aber bereits ein Anspruch auf Aufwendungsersatz und Vergütung schon viel früher durch teleologische Reduktion gegen die Gläubiger zu begründen. Insoweit ist hier § 7 Abs. 6 SchVG teleologisch zu reduzieren, soweit hier eine Begrenzung des Anspruchs auf den Insolvenzschuldner begründet wird. Denn aufgrund des bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages besteht auch grds. ein Anspruch gegen die Gläubiger. Außerhalb der Insolvenz regelt § 7 Abs. 6 SchVG, dass dieser Anspruch nur gegen den Schuldner (Emittenten) geltend gemacht werden kann. Hintergrund ist, dass die Gläubiger grds. nicht über eigenes Vermögen verfügen (BegrRegE SchVG, BTDrs. 16/12814, 20 re. Sp).
36
dd) Für den Fall der Bestellung nach Insolvenzeröffnung regelt § 19 Abs. 2, 3 SchVG dies nicht ausdrücklich. Nachdem der Vergütungsanspruch gegen den Schuldner wirtschaftlich wertlos ist, den Gläubigern aber jedenfalls im Falle einer Insolvenzquote ein eigenes Vermögen nunmehr zusteht, kann der Anspruch abweichend von § 7 Abs. 6 SchVG nun direkt gegen die Gläubiger geltend gemacht werden. Der Sinn und Zweck von § 7 Abs. 6 SchVG entfällt. Demgegenüber gebietet die effektive Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Bestellung des gemeinsamen Vertreters auch die Rentabilität dieser Tätigkeit. Freilich darf der Vergütungsanspruch nicht die individuelle Insolvenzquote übersteigen. Denn dies liefe dem Gesetzeszweck zuwider.
37
Außerdem würde dies dann zu einem Widerspruch zu § 5 Abs. 1 S. 3 SchVG führen, wonach eine Verpflichtung der Gläubiger zur Zahlung durch Beschlüsse der Gläubiger(versammlung) nicht begründet werden kann.
38
a) Die Vergütungshöhe ist im Hinblick auf Nr. 3317 VV-RVG nicht zu beanstanden. Denn würde sich der jeweilige Gläubiger individuell anwaltlich vertreten lassen, stünde dem einzelnen Anwalt ein Vergütungsanspruch in Höhe einer 1,0-fachen Verfahrensgebühr zu, wobei der Gegenstandswert sich nach dem Gegenstandswert nach dem Nennwert der Forderung des Gläubigers einschließlich Nebenforderungen (§ 28 Abs. 2 S. 2 RVG: Zinsen und erstattungsfähige Kosten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens) richtet. Dies wäre im vorliegenden Fall ein Wert von mind. 1.333,00 €, da der Nennwert der Schuldverschreibung 65.000 € beträgt und dazu noch Zinsen etc. kommen. Zu den 1.333,00 € kämen noch Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer dazu. Dem gegenüber unterschreitet der vom Beklagten aufgerechnete Betrag diesen Wert deutlich.
39
b) Die Aufrechnung wurde auch spätestens mit der Klageerwiderung erklärt.
40
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.